Das Gallische Sonderreich unter Postumus: 260 n.Chr. - 269 n.Chr.


Hausarbeit, 2007

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entstehung des Gallischen Sonderreichs
2.1 Die Situation an den Grenzen
2.2 Die gallischen Provinzen vor der Usurpation
2.3 Der Wunsch nach Kaisernähe
2.4 Valerians Gefangennahme und ihre Folgen

3. Gallischer Separatismus oder Usurpation
3.1 Aufbau und Organisation des Teilreichs
3.2 Gallienus Reaktion auf Postumus
3.3 Postumus Ambitionen auf das Zentralkaisertum

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Jahre 395n.Chr. vollzog sich mit dem Tod Kaiser Theodosius die endgültige Teilung des römischen Weltreiches. Das Reich wurde unter seinen beiden Söhnen, Honorius und Arcadius, in ein Weströmisches und ein Oströmische Reich aufgeteilt. Interessanterweise lassen sich erste Anzeichen für diese Entwicklung schon gut 150 Jahre vorher ausmachen. Während der Reichskrise des 3. Jahrhunderts, sah sich Rom einer permanenten und zunehmenden Bedrohung seiner Grenzen ausgesetzt1. Die Sassaniden griffen den Osten an, die Goten bedrohten die Donaugrenze und die Franken und Alamannen drangen wiederholt über die Rheingrenze tief in römisches Gebiet ein2. Kaiser Valerian (253-260n.Chr.) reagierte auf dieses Problem und ernannte seinen Sohn Publius Licinius Egnatius Gallienus umgehend zum Mitregenten. Er war von da an für den Westteil, Valerian für den Ostteil des Reiches verantwortlich3. Diese Entscheidung, die Last eines Mehrfrontenkriegs auf zwei Schultern zu verteilen, erwies sich für die weiteren Jahre seiner Regierung als durchaus erfolgreich. Das Jahr 260n.Chr., das Jahr seiner Gefangennahme durch den Sassanidenkönig Shapur I. , setzte dem positiven Trend jäh ein Ende. Da Gallienus von nun an allein die Verantwortung für das überdehnte Gesamtreich trug, entstand in vielen Reichsteilen ein Machtvakuum, das von Gallienus nicht auszufüllen war. Zumeist äußerte sich das in Usurpationen, die von Gallienus oder seinen Generälen erfolgreich niedergeschlagen werden konnten4. In den drei gallischen Provinzen jedoch entstand unter Marcus Cassianus Latinius Postumus eine Art Sonderreich, das bis ins Jahr 274n.Chr. bestand hatte.

Welche Vorgänge genau zu dieser Entwicklung geführt haben, will ich in meiner Arbeit untersuchen. Ich werde mich bei der Analyse auf den Zeitraum von 260n.Chr. , der Gründung des Sonderreichs, bis 269n.Chr. , dem Todesjahr des Postumus, konzentrieren. Hierbei gilt es die Frage zu klären, ob das Gallische Sonderreich als Resultat eines gallischen Separatismus oder als normale Usurpation zu betrachten ist?

Dazu muss besonders die Tatsache analysiert werden, dass es während der ganzen

Zeit von 260n.Chr. bis 274n.Chr., von gallischer Seite aus, nie den Versuch gegeben hat die Herrschaft auf das Gesamtreich zu erweitern. Wollte Postumus ein dauerhaft von Rom getrenntes Reich? Warum hat Gallienus nur einen einzigen Versuch unternommen, die westlichen Provinzen wieder unter seine Kontrolle zu bekommen? All diese Fragen werden im Folgenden zu beantworten sein.

2. Die Entstehung des Gallischen Sondereichs

Im Dezember des Jahres 260n.Chr.5 erhoben die Soldaten der Bonner Legion I Minerva den Befehlshaber der Rheintruppen, Marcus Cassianus Latinius Postumus, in Köln zum Augustus6. Nachdem Saloninus, Gallienus Sohn und Caesar des Reiches, auf Anraten seines Beraters Silvanus, den Truppen verboten hatte Kriegsbeute untereinander aufzuteilen, belagerten diese seine Residenzstadt Köln. Obwohl sich Postumus der Rechtswidrigkeit dieses Unterfangens bewusst war, schloss er sich dem Aufstand an. Da die Bewohner der Stadt um ihr Leben und ihren Besitz fürchteten, lieferten sie die beiden Männer aus. Diese wurden daraufhin hingerichtet und Postumus vom Heer zum Kaiser ernannt. Inwieweit er selbst an der Exekution des Kaisersohns beteiligt war ist allerdings fraglich7. Der Anlass dieser augenscheinlichen Usurpation ist relativ banal, die Ursachen jedoch sind komplexer und mit den grundlegenden Problemen Roms im 3.Jhd. eng verbunden.

2.1 Die Situation an den Grenzen

Septimus Severus Eroberungen hatten die Grenzen des Riesenreiches überdehnt. Es mangelte an Soldaten für die Grenzverteidigung, die Kommunikation zwischen den Heeresverbänden funktionierte nicht und die Nachschubwege waren zu lang. Diese Schwäche Roms schuf neue Feinde und stärkte die bereits Existenten8. Im Osten lösten die Sassaniden die schwache Dynastie der Arsakiden ab. Shapur I. (241- 272n.Chr.) brachte wieder Kontinuität und Einigkeit in das alte Partherreich9. Er eroberte 252n.Chr. Armenien, Teile Kleinasiens und Syriens und schließlich, die strategisch wichtige Stadt, Antiochia. Der neue Kaiser, Valerian, musste auf diese aggressive Politik reagieren. Er übertrug seinem Sohn Gallienus die Verantwortung über den Westen des Reiches und kümmerte sich von nun an persönlich um die Sassanidengefahr10. Um ein schlagkräftiges Heer für seine Feldzüge aufzustellen, zog er zahlreiche Truppen von der Rheingrenze ab11. Dieses Vorgehen sorgte schon seit den 230er Jahren für eine schrittweise Verkleinerung der Garnisonen am Rhein12. Da aber im gleichen Zeitraum die Bedrohung durch einfallende Germanenstämme stetig stieg, war den Germanenstämme kaum etwas entgegenzusetzen. Besonders den Franken und Alamannen gelang es mehrfach bis tief in römisches Territorium vorzudringen. Vorrangig ging es ihnen um Beute und nicht um die Okkupation von Siedlungsland, so dass sie nach ausgiebigen Plünderungen wieder in ihre Heimat zurückkehrten13. Nur dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass Rom überhaupt im Besitz seiner Provinzen blieb. Roms Militärwesen war nicht im Geringsten auf einen Defensivkrieg vorbereitet. Durchbrachen die Feinde die direkte Grenzverteidigung, konnten sie ungehindert ins Landesinnere ziehen, da im Hinterland keine Truppen mehr stationiert waren. Zudem verfügten die Römer über keine mobile und schlagkräftige Kavallerie, um die Feinde zu verfolgen. Erst Gallienus erkannte dieses Problem. Er stationierte ein Großteil der Truppen im Hinterland und baute die Kavallerie zur neuen mobilen Einsatztruppe aus, die von ihrem Hauptquartier in Mailand aus schnell an die jeweiligen Brandherde verlegt werden konnte14. Den Verlust des Dekumatlandes im Jahre 260n.Chr. konnten seine Maßnahmen allerdings nicht mehr verhindern15.

2.2 Die gallischen Provinzen vor der Usurpation

In der ersten Hälfte des 3.Jahrhunderts präsentierten sich die gallischen Provinzen als Regionen des Wohlstands16. Man fand sich recht gut mit der römischen Kontrolle ab. Sie bot den Menschen Sicherheit vor äußeren Feinden und ermöglichte den Handel mit den anderen Provinzen. Politische Partizipation außerhalb des eigenen Territoriums blieb den Galliern aber weitestgehend versagt. Zahlreiche Aufstände in der Vergangenheit hatten die Angst der Römer, vor allzu mächtigen gallischen Aristokraten, verstärkt. Man konzentrierte sich deshalb auf regionale Politik. Das stärkte zwar das regionale Bewusstsein und verlangsamte den Romanisierungsprozess, führte aber niemals zu Unabhängigkeitsforderungen. Die sich häufenden Barbareneinfälle in den 250er Jahren zeigten den Galliern aber, dass die Schutzfunktion Roms kaum noch erfüllt werden konnte. Das gleichzeitig die Garnisonen verkleinert wurden, stieß besonders bei der Bevölkerung und den verbliebenen Soldaten auf Unverständnis. Gegenüber den Donauprovinzen und dem Osten sah man sich klar im Nachteil17. Die zunehmende Bedrohung hatte, neben dem Vertrauensverlust, vor allem wirtschaftliche Folgen. Ein steigender Bedarf an Soldaten, zahlreiche Abwehr- und Bürgerkriege und die regelmäßigen Loyalitätszahlungen, den sogenannten Donativen, für das Heer, leerten die Staatskassen der Kaiser. Um sie wieder zu füllen, wurden die Provinzen immer höher besteuert und gleichzeitig wurde die Münzproduktion erhöht, was den Wert derselben minderte und schließlich eine Inflation nach sich zog18. Verstärkt wurde der Geldmangel durch die einfallenden Barbaren, die plündernd und brandschatzend durch die Grenzprovinzen zogen und der regionalen Wirtschaft oft solche Schäden zufügten, dass ganze Landstriche verödeten19.

2.3 Der Wunsch nach Kaisernähe

Valerians Entscheidung, die Verantwortung über den Westen seinem Sohn zu übertragen, konnte zumindest das Problem der Barbarengefahr zeitweise lösen. Gallienus konnte, mit zwei erfolgreichen Kampagnen in den Jahren 255/56 und 257n.Chr., die Verteidigung der Rheingrenzen wieder herstellen. Er konnte dort allerdings nie lange verweilen, da auch die Gotenbedrohung an der Donaugrenze seine Präsenz verlangte20. Deshalb ließ er seinen ältesten Sohn Valerian II., als Repräsentanten imperialer Macht, im Donaugebiet zurück. Die tatsächliche Autorität

1 Hartmann, Felix: Herrscherwechsel und Reichskrise. Untersuchungen zu den Ursachen undKonsequenzen der Herrscherwechsel im Imperium Romanum der Soldatenkaiserzeit (3.Jhd. n.Chr.), Frankfurt/ Main 1982. S.40f..

2 Southern, Pat: The Roman Empire from Severus to Constantine, London 2001. S.79.

3 Kuhoff, Wolfgang: Valerian 253-260, in: Clauss, Manfred: Die R ö mischen Kaiser- 55 historische Portraits von Caesar bis Justinian, München 1997, S. 223-229. S.224f..

4 Halfmann, Helmut: Gallienus 253-268, in: Clauss, Manfred: Die R ö mischen Kaiser- 55 historische Portraits von Caesar bis Justinian, München 1997, S. 229-235. S.229f..

5 König, Ingemar: Die gallischen Usurpatoren von Postumus bis Tetricus, München 1981. S.51

6 Ebd. S.87.

7 Ebd. S.47.

8 Watson, Alaric: Aurelian and the third century, London 1999. S.6.

9 Hartmann, Felix: Herrscherwechsel und Reichskrise. S.40f..

10 Alföldi, Andreas: Studien zur Geschichte der Weltkrise des 3.Jhd. n.Chr., Darmstadt 1967. S.140.

11 Hartmann, Felix: Herrscherwechsel und Reichskrise. S. 43f..

12 Witschel, Christian: Krise- Rezession- Stagnation? Der Westen des R ö mischen Reiches im 3Jhd. n.Chr., Frankfurt/ Main 1999. S.209.

13 Ebd. S.205.

14 Ebd. S.208.

15 Hartmann, Felix: Herrscherwechsel und Reichskrise. S.43f..

16 Drinkwater, J. F.: The Gallic Empire -Seperatism and Continuity in the North -Western Provinces of the Roman Empire A.D. 260-274, Stuttgart 1987. S.20.

17 Ebd. S. 243ff..

18 Bengtson, Hermann: Grundriss der r ö mischen Geschichte: mit Quellenkunde; Republik und Kaiserzeit bis 284n.Chr. , München 1982. S.419.

19 Hartmann, Felix: Herrscherwechsel und Reichskrise. S.54f..

20 Watson, Alaric: Aurelian. S.33.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Gallische Sonderreich unter Postumus: 260 n.Chr. - 269 n.Chr.
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Die Soldatenkaiserzeit (235-285 n.Chr.)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V72514
ISBN (eBook)
9783638732376
ISBN (Buch)
9783638769532
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gallische, Sonderreich, Postumus, Soldatenkaiserzeit
Arbeit zitieren
Sebastian Selle (Autor:in), 2007, Das Gallische Sonderreich unter Postumus: 260 n.Chr. - 269 n.Chr., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72514

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