Alain Robbe-Grillets "Les gommes" - ein Detektivroman?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

31 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Theorie des klassischen Detektivromans
2.1. Tsvetan Todorovs Typologie du roman policier
2.2. Inhaltliche Elemente
2.3. Figuren des Detektivromans

3. Elemente des Detektivromans in Les Gommes
3.1. Personen und Institutionen
3.1.1. Wallas als Detektiv
3.1.2. Opfer und Tat
3.1.3. Polizei
3.1.4. Das Bureau d’Enquêtes
3.2. Handlungsstruktur

4. Deutungsversuche
4.1. Parodie
4.2. Verbindung von Innovation und Tradition
4.3. Zum Zeitaspekt

5. Elemente des Detektivromans in La Reprise

Bibliographie

1. Einleitung

Wenngleich Les Gommes heute als der wohl am leichtesten zugängliche Roman im Œuvre Alain Robbe-Grillets gilt[1], dürfte er bei der zeitgenössischen Leserschaft eher Befremden, ja Verstörung hervorgerufen haben. In diesem ersten veröffentlichten Werk des Autors finden sich nämlich bereits etliche Innovationen im Sinne des Nouveau Roman, denen Robbe-Grillet als einer der führenden Nouveaux romanciers in seinem späteren Schaffen noch deutlich mehr Einfluss zumessen sollte. In Robbe-Grillets Sammlung theoretischer Schriften Pour un nouveau roman (1963)[2] wird die Notwendigkeit eines „Nouveau roman“ dadurch begründet, dass der traditionelle Roman, wie ihn etwa Balzac vertreten hatte, dem modernen Weltbild nicht mehr entspräche. Der modernen Weltsicht sei eine chronologisch erzählte, kohärente Erzählung, die einen Charakter zeigt, der etwas ganz Bestimmtes illustriert nicht mehr angemessen. Dieser Konzeption stehen alsdann im Nouveau roman der Verlust des Glaubens an die allgemeine Sinnhaftigkeit, die Aufgabe des Vertrauens in die Allmacht des handelnden Individuums oder die Tatsache, dass der in den Individuen steckende Psychologie keinerlei Bedeutung mehr zugemessen wird gegenüber. Kurzum, mit Les Gommes leitete Robbe-Grillet einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Romanverständnis ein, der das Publikum – verständlicherweise – zunächst vor Schwierigkeiten stellen musste.

Gleichwohl rekurriert der Autor aber auch auf ein weitgehend vertrautes Gattungsmuster, nämlich den Detektivroman. Dieser Befund dient nun als Ausgangspunkt für verschiedene Überlegungen: Gibt es Gründe für diese Synthese aus Innovation und Altbekanntem? Welchen Zweck verfolgt der Autor durch diese Komposition? Kann man auch Les Gommes als Detektivroman bezeichnen? – Oder anders gefragt: Welche Gründe sprechen für eine solche Klassifikation? Welche Einwände lassen sich dagegen erheben? Es sind dies die zentralen Fragestellungen, denen diese Arbeit nachgehen will. Der Vergleich, welcher zwischen Les Gommes und dem Detektivroman gezogen werden soll, wird sich dabei auf die „klassischen“detective storys beziehen. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Genres der Kriminalliteratur, zu der auch der Spionageroman oder der Thriller gezählt werden[3], ist nicht vorgesehen, da sie den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.

2. Theorie des (klassischen) Detektivromans

2.1. Tsvetan Todorovs Typologie du roman policier

In seiner 1971 erschienen Poétique de la prose widmet Tsvetan Todorov dem Kriminalroman ein Kapitel. Einführend weist er darauf hin, dass bezüglich der Einordnung eines Werkes in ein Gattungsschema grundsätzlich zwischen der „schönen Literatur“ und der Populärliteratur unterschieden werden müsse. Große literarische Werke stünden demnach in einem dialektischen Zwiespalt:

„On pourrait dire que tout grand livre établit l’existence de deux genres, la réalité de deux normes: celle du genre qu’il transgresse, qui dominait la littérature précédente; et celle du genre qu’il crée.“[4]

Somit sei Literatur also immer auf die Überwindung geltender normativer Gattungsgrenzen ausgelegt. Wenn diese Erkenntnis für anspruchsvolle literarische Werke zutrifft, stellt sie indes kein Charakteristikum der Populärliteratur dar: „[…] le chef-d’œuvre de la littérature de masses est précisément le livre qui s’inscrit le mieux dans son genre.“[5] Der Kriminalroman sei, so Todorov, ein idealtypischer Vertreter dieser Sparte; indem sich ein Autor an den Konventionen der Gattung orientiert, hat er gute Aussichten, einen vom Publikum als gelungen wahrgenommenen Detektivroman zu verfassen[6].

Weiterhin unterscheidet Todorov auch innerhalb der Kriminalliteratur zwischen verschiedenen Erscheinungsformen. Den roman policier classique, dessen Popularität in der Zwischenkriegszeit ihren Höhepunkt erlebt hatte, bezeichnet er als roman à énigme, weil der Rätselhaftigkeit des Geschehens hier ein hoher Stellenwert zukommt. Diese Form konstituiert sich aus dem Vorhandensein zweier Geschichten: der histoire du crime und der histoire de l’enquête. Beide sind im Idealfall nicht miteinander verquickt, da das Erzählen des Verbrechens abgeschlossen sein muss, ehe die Suche nach der Entschlüsselung des Rätsels beginnt. Auf diese duale Grundstruktur des Detektivromans verweist auch Michel Butor in seinem Roman L’emploi du temps:

„[…]tout roman policier est bâti sur deux meurtres dont le premier, commis par l’assassin, n’est que l’occasion du second dans lequel il est la victime du meurtrier pur et impunissable, du détective[…] le récit superpose deux séries temporelles: les jours de l’enquête qui commencent au crime et les jours du drame qui mènent à lui.“[7]

Eine zweite Erscheinungsform des Detektivromans sieht der Autor im roman noir, welcher, geartet nach amerikanischem Vorbild, in Frankreich in der „série noire“ veröffentlicht wird, der er somit auch seinen Namen verdankt. Im Gegensatz zum roman à énigme existieren hier keine zwei separaten histoires; vielmehr werden diese beiden vormals getrennten Elemente fusioniert. Récit und action fallen zusammen, wobei unter Aussparung der Vorgeschichte des Mordes und Verlust des Rätsels die histoire de l’enquête an Bedeutung gewinnt. Es sind zwei unterschiedliche Grundmotivationen, die den Leser des roman noir steuern: einerseits die curiosité, deren Wirkung mittels der Abfolge effectuscausa dargestellt werden kann. Hier erregt also der Grund (Mörder) eines bestimmten Resultats (vorhandene Leiche) das Interesse des Lesers. Andererseits führt Todorov den Terminus suspense ein, die sich aus der umgekehrten Wirkrichtung, nämlich causaeffectus, generiert, wobei beispielsweise zuerst der Täter bei der Vorbereitung seines Verbrechens gezeigt wird und die Spannung des Lesers sich auf die Folgen richtet, die daraus erwachsen werden[8]. Auf der inhaltlichen Ebene zeichnet sich der roman noir durch einen gesteigerten Anteil von oftmals sinnloser Gewalt aus, die auch den Detektiv treffen kann, wohingegen die Regeln des roman à énigme dem Protagonisten völlige Immunität zusichern.

Mit dem roman à suspense[9] sieht Todorov schließlich eine dritte Spielart, welche die Eigenschaften der beiden oben beschriebenen integriert. Neben der Beibehaltung des Rätsels und den zwei histoires, was auf den roman à énigme hindeutet, ist diesem gleichzeitig die herausragende Stellung der enquête, einem typischen Merkmal des roman noir, eigentümlich. Auch alle beiden Arten von Leserinteresse, curiosité und suspense können von diesem Text hervorgerufen werden.

In seinem Essay Typologie du roman policier verleiht Todorov seinen Ausführungen auch dadurch Geltung, indem er sie in Bezug zu dem bekannten Regelkanon von S. S. van Dine setzt.[10] Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich der amerikanische Kunstkritiker und Autor Willard Huntington Wright[11], der anhand von 20 Regeln die Qualitäten des „guten“ Detektivromans deutlich umreißt. Dieser von Todorov auf acht grundsätzliche Thesen verknappte Kanon[12], stellt nun seiner Meinung nach in den Punkten 1 bis 4a Regeln für den roman à énigme dar, die sich somit auf die première histoire beziehen, während die Punkte 4b bis 8 für die seconde histoire, also der Ebene des discours sowohl im roman à énigme als auch im roman noir, von Belang sind.

Eine vorläufige Klassifizierung von Les Gommes gemäß dem hier unterbreiteten Schema erbringt zunächst einmal den Befund, dass es sich – wenn überhaupt – um einen Detektivroman handelt, der klar gegen die Regeln Nr. 2 und Nr. 7 verstößt[13]. Unter der Voraussetzung, dass die oben dargestellte Klassifizierung nur für die Trivialliteratur Gültigkeit beanspruchen kann, erscheint es sogar müßig Robbe-Grillets Werk, das zweifelsohne zur „anspruchsvollen Literatur“ gezählt werden darf, in dieses Raster einzuordnen.

2.2. Inhaltliche Elemente

Im Folgenden soll ein Überblick über die inhaltlichen Bestandteile eines idealtypischen Detektivromans gewährt werden. Als Handlungsträger können drei konstitutive Elemente identifiziert werden[15]: Als Ausgangspunkt dient dabei das rätselhafte Verbrechen, also oftmals der Mord, an den sich im zweiten Abschnitt die Fahndung nach dem Verbrecher, die Rekonstruktion des Tathergangs und die Klärung der Tatmotive anschließen. Mit der Lösung des Falles und der Überführung des Täters wird die Handlung schließlich ihrem Ende zugeführt. Aus unterschiedlich starken Akzentuierungen der Fragen nach Täter, Tathergang und Motiv gehen dabei verschiedene Ausprägungen des Detektivromans hervor.[14]

Betrachten wir nun näher den ersten Handlungsabschnitt, das Verbrechen, dem die Funktion eines Rätsels zukommt. Es stellt das zentrale Ereignis dar, um das sich die gesamte Handlung entfaltet. Gleichwohl kommt ihm doch nur auslösende Funktion zu, da es nicht in seiner Eigenschaft als Verbrechen bedeutsam ist, sondern nur Anlass für die Tätigkeit der Detektion gibt[16]. Das Moment des Rätselhaften erscheint übrigens ganz explizit in Les Gommes: hier sind beispielsweise die „devinettes“ zu erwähnen, welche der Betrunkene im Café des Alliés ununterbrochen zum besten gibt. In diesem Kontext bedeutsam ist auch die Stelle, als Juard Wallas einen Hinweis auf die „clef de l’énigme“ (S. 215) gibt. Die Umstände der rätselhaften Tat im Detektivroman können übrigens hochgradig konstruiert sein, wodurch dieser sich in Opposition zu dem aristotelischen Postulat der Wirklichkeitsdarstellung begibt. Während nach traditionellem abendländischem Verständnis Ereignisse als wahrscheinlich, aber nicht als wahr dargestellt werden sollten, liegt beim Detektivroman der umgekehrte Fall vor: der Mord ist eine Ausnahmesituation, die als wahr, aber nicht wahrscheinlich gelten soll. Die Betonung liegt nicht auf einem repräsentativen Abbild der Realität, sondern auf der Konstruktion einer Kuriosität[17].

An die rätselhafte Tat schließt sich die Phase der sukzessiven Rekonstruktion des Motivs, des Tathergangs und die Identifikation des Mörders an. Der Fahndung kommt also die Funktion der Enträtselung zu. Verschiedene Indizien verknüpfen sich dabei allmählich zu einem zusammenhängenden Bild. Als Quellen für den Erkenntnisgewinn des Detektivs dienen Beobachtungen (Tatort, Verhalten Verdächtiger), Beratungen mit anderen in die Ermittlung eingebundenen Personen, die Verfolgung von Verdächtigen oder das Verhör. In letzterem Fall eröffnet sich für den Erzähler auch die Möglichkeit, falsche Spuren (so genannte red herrings) zu legen[18].

Mit der Inszenierung einer pointiert gestalteten Überführungsszene geht die Erzählung des Detektivromans in den Schlussteil über, der die Aufklärung des Mordes und die zusammenfassende Rekonstruktion und Rekapitulation des Tathergangs aus Sicht des Detektivs beinhaltet. Die finale Wiederherstellung der geltenden Ordnung ist als eine conditio sine qua non für jeglichen Detektivroman zu betrachten. Als genuin bürgerliche Gattung muss er dem bürgerlichen Bedürfnis nach Herrschaft von Recht und Ordnung sowie dem dadurch implizierten „guten Ende“ und der Bestrafung des Verbrechers Rechnung tragen[19].

Mit Schulz-Buschhaus lassen sich die Elemente der Handlung des Detektivromans in drei Gruppen einteilen[20]. Mit action werden dabei die eigentlichen Handlungselemente bezeichnet (Verfolgung, Zusammenkünfte, Darstellung von Verbrechen). Der Terminus analysis bezieht sich auf die Passagen der Handlung, die den „Charakter einer Denksportaufgabe“[21] haben, also intellektuelle Tätigkeiten des Detektivs, wie etwa das Generieren von Schlussfolgerungen und Hypothesen oder auch Verhöre. Als dritte Komponente wird der Begriff mystery angeführt, der als „planmäßige Verdunkelung des Rätsels“ verstanden werden kann, die beispielsweise im Legen falscher Fährten oder im Verschweigen der Gedanken des Detektivs besteht.

Auch die Handlungsstruktur des idealtypischen Detektivromans ist von eindeutigen normativen Erwartungen geprägt. Wie bereits oben gezeigt ist die Handlung triadisch gegliedert, wobei die Abfolge Mord – Fahndung – Aufklärung prinzipiell unveränderlich ist. Es ist allenfalls möglich, die einzelnen Elemente der Fahndung verschiedenartig anzuordnen. Naumann bezeichnet den Detektivroman als „analytischen Roman“[22], da ein bereits eingetretenes Geschehnis (der Mord) nachträglich vom Detektiv rekonstruiert werden muss. Das Attribut analytisch wird somit in Anlehnung an den Begriff des „analytischen Dramas“ verwendet, der ein fester Bestandteil der Literaturtheorie ist. Allerdings ist der Detektivroman nicht ausschließlich durch die analytische Erzählweise charakterisiert, denn gleichzeitig wird auch immer chronologisch erzählt. Aus dieser Tatsache resultieren zwei Arten von Spannung, die auf den Leser einwirken. Auf der einen Seite entsteht die „Zukunftsspannung“, die sich auf die weitere Entwicklung der Handlung richtet. Auf der anderen Seite existiert eine „Geheimnis- oder Rätselspannung“, welcher das bereits Geschehene (also die Tat und ihre Umstände) zugrunde liegt. Es ist allerdings die Rätselspannung, die den vorrangig intendierten Unterhaltungseffekt des Detektivromans ausmacht. Hierin unterscheidet er sich beispielsweise vom Thriller, der sich in hohem Maße durch die Zukunftsspannung auszeichnet. Eine weitere Möglichkeit zur Analyse der Handlungsstruktur bietet sich in der Betrachtung des Verhältnisses von offenen Fragen und gefundenen Antworten: Während zu Handlungsbeginn ausschließlich Fragen existieren, verschieben sich die Proportionen von Fragen und Antworten sukzessive bis schließlich am Ende der Handlung die letzte große Frage, nämlich die nach dem Täter, beantwortet wird. Wenn nun die primäre Funktion des Detektivromans darin besteht, durch Erzeugung von Rätselspannung den Leser zu erfreuen, so liegt hierin der Grund für die starke Betonung der dafür dienlichen äußeren Form, die den Detektivroman unter allen anderen Gattungen der Unterhaltungsliteratur hervorhebt.

2.3. Figuren des Detektivromans

Neben Merkmalen der Handlung kann auch eine Betrachtung des Personeninventars herangezogen werden, um ein Werk als Detektivroman zu klassifizieren. Je nach Ausmaß an aktiver Beteiligung am Ermittlungsprozess lassen sich die Figuren zunächst in zwei große Gruppen aufteilen: die Gruppe der Ermittelnden und die Gruppe der Nicht-Ermittelnden[23]. Als zentrale Figur jeglichen Detektivromans steht der Detektiv im Mittelpunkt der Personen, denen die Ermittlungsarbeit obliegt. Er kann in unterschiedlichen sozialen Rollen auftreten, wie beispielsweise als Hobbydetektiv, Privatdetektiv oder als staatlich angestellter Berufsdetektiv. Der Forschung zufolge erscheint der Protagonist öfters als „einzelgängerischer Amateurdetektiv“ und weniger häufig als „professionell ermittelnder Polizeioffizier“[24]. Exzentrik und Isolation können als vorherrschende globale Charakterzüge angeführt werden. Zu Auffälligkeiten in Erscheinungsbild und Lebensstil zählen etwa gewisse Ticks, extravagante Kleidung oder stereotype Phrasen, während die Einsamkeit des Ermittlers durch sein Junggesellentum und die weitgehende soziale Isolation repräsentiert wird. Mittels dieser beiden charakterlichen Grundmuster wird dem Leser die Möglichkeit zur Identifikation mit dem Protagonisten gegeben: zwar bezweckt einerseits die sexuelle Askese eine Überhöhung der Hauptfigur, der allerdings die vielen kleinen Schwächen, die der Detektiv gleichfalls offenbart, relativierend entgegenwirken. Es sind somit diese „humanen“ Züge, welche dem Leser die Identifikation mit der Figur ermöglichen.

Die detektivische Arbeitsweise kennzeichnet das erfolgreiche Agieren in der Auseinandersetzung mit Problemen. Das Rätsel, welches sich dem Detektiv stellt, wird immer einer Lösung zugeführt, die aus einer Denkarbeit erwächst. In erster Linie kommen methodische Denkweisen wie Deduktionen, Kombinationen sowie das Aufstellen und Überprüfen von Hypothesen zum Einsatz, denen wiederum Zeugenbefragungen, Messungen oder Beobachtungen zu Grunde liegen können.

In vielerlei Fällen ist dem Detektiv ein Gefährte zur Seite gestellt, der in Anlehnung an die bekannte Figur Dr. Watson aus Doyles Kriminalgeschichten, in der Sekundärliteratur auch „Watson-Figur“ genannt wird. Diesen kennzeichnet ein inferiores Verhalten, mit dem der Helfer des Detektivs kleinere, unwichtigere Aufgaben ausführt. Im Gegensatz zur Hauptperson erscheint er als borniert; hypothetisches Denken ist ihm offenbar nicht möglich. In der Literatur übernimmt diese Figur oftmals die Funktion eines Mediums, das dem Leser Beobachtungen und Meinungen des Detektivs vermittelt[25]. In der Bewunderung, welche die Watson-Figur für die Hauptperson hegt, lassen sich zwei unterschiedliche Intentionen des Romanautors erkennen: einerseits wird so die Leistung des Helden gebührend betont, andererseits wird dadurch auch dem Leser eine bewundernde Haltung nahe gelegt.

[...]


[1] Vgl. Meter 1986, S. 460: Meter verweist außerdem auf einen Beitrag von Miesch, der Les Gommes im Unterschied zu den späteren Werken Robbe-Grillets als „roman négatif déjà fait“ bezeichnet.

[2] Robbe-Grillet, Alain: Pour un nouveau roman. Paris: Éditions de minuit, 1963.

[3] Vgl. Nusser: Der Kriminalroman. Stuttgart: Metzler, 2003. Der Autor differenziert zwischen Kriminalroman, Detektivroman und Thriller sowie einigen Untergattungen.

[4] Vgl. Todorov 1971, S. 56.

[5] Ebd.

[6] Ebd.: „Le roman policier a ses normes; faire „mieux“ qu’elles ne le demandent, c’est en même temps faire moins bien: qui veut „embellir“ le roman policier, fait de la „littérature“, non du roman policier. Le roman policier par excellence n’est pas celui qui transgresse les règles du genre, mais celui qui s’y conforme […]“

[7] Zitiert nach: Todorov 1971, S. 57.

[8] Vgl. Todorov 1971, S. 60.

[9] Ebd., S. 63.

[10] Vgl. Todorov 1971, S. 61f.

[11] http://en.wikipedia.org/wiki/S._S._Van_Dine

[12] Todorov reduziert die ursprünglich 20 Regeln auf acht Thesen, unter denen sich sämtliche Forderungen van Dines subsumieren lassen: 1) Le roman doit avoir au plus un détective et un coupable, et au moins une victime (un cadavre). 2) Le coupable ne doit pas être un criminel professionnel; ne doit pas être le détective; doit tuer pour des raisons personnelles. 3) L’amour n’a pas de place dans le roman policier. 4) Le coupable doit jouir d’une certaine importance: a) dans la vie – ne pas être un valet ou une femme de chambre; b) dans le livre: être un des personnages principaux. 5) Tout doit s’expliquer d’une façon rationnelle; le fantastique n’y est pas admis. 6) Il n’y a pas de place pour des descriptions ni pour des analyses psychologiques. 7) Il faut se conformer à l’homologie suivante, quant aux renseignements sur l’histoire: „auteur : lecteur = coupable : détective“. 8) Il faut éviter les situations et les solutions banales; vgl. Todorov 1971, S. 61f.

[13] Für den Regelkanon siehe Fußnote 12. Der Verstoß gegen Regel Nr. 2 besteht darin, dass mit Wallas der Detektiv der Täter ist, da er Dupont erschießt. Zudem erfährt der Leser in Les Gommes schon sehr bald von den Machenschaften des Verbrechersyndikats um Bona und Garinati, so dass der Leser über eindeutig mehr Informationen als der Detektiv verfügt, was das in Regel 7 formulierte Verhältnis ins Ungleichgewicht bringt.

[14] Ich orientiere mich im Folgenden vornehmlich an den Ausführungen von Nusser 2003.

[15] Vgl. Nusser 2003, S. 22.

[16] Ebd., S. 23.

[17] Vgl. Schulz-Buschhaus, Ulrich: Formen und Ideologien des Kriminalromans. Ein gattungsgeschichtlicher Essay. Frankfurt/M., 1975, S. 100; zitiert nach Nusser 2003, S. 23.

[18] Vgl. Nusser 2003, S. 25.

[19] Vgl. Mölk 1968, S. 44.

[20] Zitiert nach Nusser 2003, S. 29.

[21] Ebd.

[22] Naumann, Dietrich: „Der Kriminalroman. Ein Literaturbericht .“ In: Der Deutschunterricht 1, 1967, S. 3; zitiert nach Nusser 2003, S. 30.

[23] Vgl. Nusser 2003, S. 34.

[24] Vgl. Alewyn, Richard: „Das Rätsel des Detektivromans .“ In: Žmegač, Victor (Hg.): Der wohltemperierte Mord. Zur Theorie und Geschichte des Detektivromans. Frankfurt/M., 1971, S. 189; zitiert nach Nusser, 2003, S. 38.

[25] In vielen Detektivgeschichten Arthur Conan Doyles fungiert Dr. Watson beispielsweise als vorgeschobener Erzähler.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Alain Robbe-Grillets "Les gommes" - ein Detektivroman?
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
31
Katalognummer
V72261
ISBN (eBook)
9783638621540
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Alain, Robbe-Grillets, Detektivroman
Arbeit zitieren
Christian Werner (Autor:in), 2007, Alain Robbe-Grillets "Les gommes" - ein Detektivroman?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72261

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