Videokunst - Andy Warhol - 'Ich erkannte, dass alles mit dem Tod zusammenhängt.'


Hausarbeit, 2006

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Marilyn, Liz und Jackie und die Bilder des Todes

2. Die „Desaster Serie“ – Die Kehrseite des „American Way of Life“

3. Warhols Weg zu einer neuen Technik
3.1. Siebdruck
3. 2. "Factory" - Ausdruck für eine neue Herangehensweise an die Kunst

4. „Tunfisch-Desaster“
4.1. Die Geschichte des „Tunfisch-Desaster“
4.2. Massenmedien – Konsum – Tod

5. „12 Elektrische Stühle“
5.1. The „Electric Chair“ – The „American Way of Death”

6. „Neun Jackies“
6.1. Die trauernde Jackie als Symbol einer trauernden Nation

7. Andy Warhol und der durch die Massenmedien verbreitete Tod

8. Literaturverzeichnis

1. Marilyn, Liz und Jackie und die Bilder des Todes

In der folgenden Arbeit möchte ich mich mit dem Künstler Andy Warhol und seiner um 1962 entstandenen „Desaster Serie“ auseinandersetzen. Dabei werde ich Bezug auf die Massenmedien nehmen, die als Quelle der Bildmotive dienten.

Ich habe explizit drei Werke ausgewählt, die repräsentativ für die gesamte Serie stehen und exemplarisch die verschiedenen Kategorien verdeutlichen sollen.

Bei der „Desaster Serie“ handelte es sich um den Beginn einer neuen Schaffensphase Warhols. Die Idee zu den Arbeiten der Serie entstand einer Anekdote zur Folge im Sommer ´62 bei einem Zusammentreffen von Andy und seinem Freund Henry Geldzahler. Geldzahler machte Andy auf die schicksalhaften Todesfälle aufmerksam, die täglich die Seiten der Boulevardpresse füllen und trotzdem kaum von der konsumorientierten Gesellschaft wahrgenommen werden. – „(…) der Tod, entrückt als ein Phänomen der Massenmedien und andererseits doch so alltäglich nahe.“[1]

Als Warhol begann, sich mit dem Tod auseinander zu setzen, begann er gleichzeitig seine Werke auf eine neue Art und Weise zu „produzieren“. Er schuf seine Werke mit Hilfe des Siebdrucks. Mit dieser Technik konnte er seine Bilder so oft vervielfältigen, wie er es für angebracht hielt. Der Künstler reproduzierte Bilder, die er den Massenmedien entnommen hatte, um sie der Gesellschaft erneut zu zu führen. Diesmal aber nicht als Pressebericht der Medien über das Unglück eines Schicksals, sondern als Kunst, geprägt durch die Medien. ─ Die Massenmedien als Kunst für den massenhaften Medienkonsum der Gesellschaft.

„Als Kunstwerke, die kein Verfallsdatum mehr kannten, gewannen die Wegwerfprodukte und kurzlebigen Medienbilder eine neue Realität. Die Popkunst wurde geradezu zur Metapher der Konsum- und Mediengesellschaft und übernahm die Rolle des Dandy, des distanzierten, amüsierten, toleranten und zugleich bissig-ironischen Beobachters.“[2]

In der Arbeit soll deutlich werden, welche Kriterien Warhol dazu veranlassten gerade diese, aus den Massenmedien stammenden, Motive zu einer Serie zusammen zu fassen. Betrachtet man die Werke der Serie ohne Hintergrundwissen, liegt die Frage nahe, was die Bilder von Marilyn, Jackie und Liz mit den Bildern der Autounfälle, Atombomben, Lebensmittelvergiftungen und elektrischen Stühle gemeinsam haben.

2. Die „Desaster Serie“ – Die Kehrseite des „American Way of Life“

Die „Desaster bzw. Todes- Serie“ begann 1962 mit dem Werk „129 Die in Jet“. Die Anregung kam von Henry Geldzahler, einem Freund des Künstlers. Er zeigte Warhol die Titelseite einer Zeitung, auf der das Bild eines Flugzeugabsturzes mit 129 Toten abgebildet war. Diese Titelseite gab den Anstoß zu der „Desaster Serie“ und war gleichzeitig Warhols letztes Hand gemaltes Werk.

„Ich glaube es war das Bild des Flugzeugunglücks auf dem Titel einer Zeitschrift: „129 Die“ – 129 starben. Ich malte gleichzeitig die Marilyns. Ich erkannte, dass alles, mit dem Tod zusammenhängt. Es war Weihnachten oder Labor-Day – ein Feiertag – und immer, wenn man das Radio anstellte, sagten sie ungefähr das gleiche: „4 Millionen werden sterben“. Das hat es ausgelöst. Aber wenn du ein grausames Bild immer wieder siehst, verliert es schließlich seinen Schrecken.“[3]

Dieses Bild führte zu weitern Bildern, die Selbstmorde, Autounfälle, Massenunfälle, Vergiftungsopfer, Rassenunruhen, atomare Katastrophen und elektrische Stühle zeigen. Warhol verarbeitete das Thema Tod in immer neuen Variationen. Die Vorlagen der „Desaster Serie“ stammen meist aus den Massenmedien, wie Zeitungen und Illustrierte. Warhol benutzte für seine Kunst, aus Zeitungsberichten isolierte Bilder und Meldungen, die er reproduzierte und repetierte. Durch die Vervielfältigung der meist äußerst abschreckenden Zeitungsfotos von anonymen Unfallopfern oder Selbstmördern ereichte der Künstler eine Verharmlosung der Realität, ein Abstumpfen gegenüber den traurigen Schicksalen. Ein anderes Ziel war es die Betrachter seiner Werke dazu zu bringen, über das Schicksal eines ihm unbekannten Menschen nachzudenken.

„Es ist nun einmal so, dass die Leute daran vorbeigehen und es ihnen im Grunde gleichgültig ist, dass da ein Unbekannter umgekommen ist. Also dachte ich mir, dass es hübsch wäre, wenn die Leute an diese Unbekannten erinnert würden, und zwar genau diejenigen, die normalerweise keinen Gedanken an sie verschwendet hätten.“[4]

Die „Todes-Serie“ bestand aber nicht nur aus Bildern über anonyme Schicksale. Für Warhol bestand die „Desaster Serie“ aus zwei Kategorien: Die der anonymen Opfer und die der Berühmten.

Die Marilyn-Bilder Warhols entstanden kurz nach dem Selbstmord des berühmten Sexsymbols im August 1962. Warhol benutzte ein Pressefoto aus den fünfziger Jahren, von dem er den unteren Teil weg ließ, um das Bild mit Hilfe des Siebdrucks unzählige Male in unterschiedlichen Variationen zu reproduzieren. Auch die Schicksale anderer berühmter Frauen der damaligen Zeit dienten Warhol als Gegenstand seiner Kunst. Liz Taylor und Jackie Kennedy wurden zu Motiven der „Desaster Serie“. Fotos von Liz wurden für den Künstler interessant, als der berühmte Star ernsthaft erkrankte und alle Welt davon überzeugt war, sie würde nicht überleben. Die First Lady, Jackie, wurde nach dem Tod ihres Ehemanns zum Motiv der Serie.

Ein weiterer dominierender Teil der „Desaster Serie“ sind die elektrischen Stühle. Diese Bilder schockierten Anhänger als auch Gegner Warhols. Andy reproduzierte das Foto eines „Electric Chair“ und vervielfältigte es in allen erdenklichen Farben und verharmloste so dieses Sinnbild des Schreckens für den Betrachter. Das Bild des „Electric Chair“ und auch die anderen Werke der „Desaster Serie“ wurden durch die Repetition der Motive in ein und demselben Bild massenhaft konsumierbar.

„Er hat ganz einfach erreicht, dass wir alle die Welt mit neuen Augen sehen. Überdies ist es ihm gelungen, mit einer schier unheimlichen Treffsicherheit Bildinhalte aufzugreifen, die bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren haben. In seiner Hand wurden die unvermittelt direkten, schockierenden einfachen Bilder, die er gewöhnlich Zeitungen und Zeitschriften entnahm oder in Fotografien entdeckte, zu zeitlosen, schlüssigen Zeichen, die sich den meisten von uns unauslöschlich eingeprägt haben.“[5]

3. Warhols Weg zu einer neuen Technik

„Im August ´62 habe ich angefangen, Siebdrucke zu machen. Das Gummistempelverfahren, das ich angewendet hatte, um Motive zu wiederholen, schien mit einemmal zu selbstgemacht; ich wollte etwas Stärkeres, das mehr nach Fließband aussah.“[6]

Andy Warhol begann im Jahr 1962 seine Kunst mit einer neuen Technik zu verwirklichen. Er benutzte das Siebdruckverfahren um seine Ideen umzusetzen. Warhol wollte das Menschliche aus seiner Arbeit verdrängen. Mit dem Siebdruck konnte er ein beliebiges Motiv so oft reproduzieren und verändern, wie es ihm gefiel. Er konnte ein und dasselbe Bild in verschiedenen Farben, Anordnungen und Größen immer wieder neu arrangieren. Die Herstellung seiner Kunst mit Hilfe des Siebdrucks brachte ungeahnte Möglichkeiten mit sich. Es entstand eine Art Massenproduktion, wie es für die Konsumgesellschaft Amerikas in dieser Zeit charakteristisch war.

3.1. Siebdruck

Siebdruck, eines der jüngsten Druckverfahren, dessen Ursprung aber hunderte von Jahren zurückliegt, ist ein vielseitiges Verfahren zum Übertragen von Farben und technischen Beschichtungen.

Es lassen sich viele unterschiedliche Materialien bedrucken zu denen Papier, Textilien, Keramik und Kunststoff gehören. Aber auch Gläser, Becher und Armaturen lassen sich mit der Methode des Siebdrucks bedrucken. Die Palette der Farben ist entsprechend vielfältig.

Der Siebdruck ist eine spezielle Art des Schablonendrucks, was bedeutet, dass die Druckfarbe beim Druckvorgang durch eine Druckform hindurch auf den Bedruckstoff gelangt.

Die Druckform besteht aus einem Rahmen der mit einem Siebgewebe bespannt ist. Der Rahmen besteht aus Holz, Stahl oder Aluminium. Das Siebgewebe, welches auf die Anforderungen des zu bedruckendes Materials abgestimmt werden muss, kann aus Natur- oder Kunstseide sowie aus Metallgewebe bestehen. Besonders wichtig ist, dass das Material des Gewebes eine hohe UV-Lichtresistenz besitzt.

Um eine Druckform zu erstellen, wird ein UV-härtender Lack (Diazoschicht) gleichmäßig auf das Sieb aufgetragen. Diese Beschichtung ist in feuchtem Zustand lichtunempfindlich, nach dem trocken allerdings lichtempfindlich, was erfordert, dass die Druckformherstellung in einem Raum mit Infrarotlicht stattfindet. Nach dem Trocknen der Schicht wird ein fotografisch erstellter Film des gewünschten Motivs spiegelverkehrt auf das Sieb montiert und sechs Minuten lang mit starkem UV-Licht bestrahlt, was zur Folge hat, dass die Diazoschicht aushärtet. Sie härtet allerdings nur an den lichtdurchlässigen Stellen des Films aus. Die nicht gehärteten Stellen sind wasserlöslich und lassen sich leicht ausspülen. Die ausgespülten Flächen stellen die farbdurchlässigen zu bedruckenden Bildstellen dar.

Ein Sieb kann immer wieder mit einem neuen Motiv versehen werden, aber auch ein und dasselbe Motiv kann immer wieder aufgelegt werden.[7]

I think somebody should be able to do all my paintings for me.“[8]

Andy Warhol

Warhol vereinfachte das Druckverfahren für seine Zwecke. Anstatt der Druckform mit dem Siebgewebe verwendete der Künstler lichtempfindliches Gewebe das als Fotonegativ diente. Außerdem druckte Warhol auf Leinwand die er bereits im Vorhinein mit Acrylfarbe grundiert hatte.

3. 2. "Factory" - Ausdruck für eine neue Herangehensweise an die Kunst

Ende des Jahres 1963 bezog Warhol sein neues Atelier in New York, welches er „Factory“ nannte. Das im fünften Stock liegende, 400qm große Atelier diente dem Künstler dazu seine Siebdruck-Werke zu produzieren. Die traditionelle Malerei sah Warhol als veraltet an. Mit der Technik des Siebdrucks hatte er die Möglichkeit seine Arbeiten schneller, einfacher und immer gleich zu gestalten. Warhols Ziel war es das Menschliche aus seinen Bildern zu verbannen.

„Ich male in dieser Art, weil ich eine Maschine sein möchte und wenn ich wie eine Maschine arbeite, spüre ich, dass ich genau das, was ich gerade mache auch tun möchte.“[9]

[...]


[1] Lothar Romain: Andy Warhol, München 1993, 111.

[2] Stefana Sabin: Andy Warhol, Reinbek bei Hamburg1992, 9.

[3] Andy Warhol zitiert nach: David Bourdon: Andy Warhol. Ein Buch zur Ausstellung im Kunsthaus Zürich, Bern 1978, 142.

[4] Andy Warhol zitiert nach: Bourdon, 1978, 143.

[5] Kynaston McShine: Einführung in: Andy Warhol. Retroperspektive, München 1989, 11.

[6] Andy Warhol zitiert nach: Stefana Sabin: Andy Warhol, Reinbek bei Hamburg1992, 52.

[7] vgl.: Helmut Kipphan: Handbuch der Printmedien. Heidelberg 2000.

[8] Lawrence Alloway: American Pop Art, New York 1974, 113.

[9] Andy Warhol zitiert nach: Lothar Romain: Andy Warhol, München 1993, 90.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Videokunst - Andy Warhol - 'Ich erkannte, dass alles mit dem Tod zusammenhängt.'
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Videokunst
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V72177
ISBN (eBook)
9783638715249
ISBN (Buch)
9783638848978
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Videokunst, Andy, Warhol, Videokunst
Arbeit zitieren
Anna Winterhoff (Autor:in), 2006, Videokunst - Andy Warhol - 'Ich erkannte, dass alles mit dem Tod zusammenhängt.', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72177

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Videokunst - Andy Warhol - 'Ich erkannte, dass alles mit dem Tod zusammenhängt.'



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden