Sokratische Gesprächsführung - Geschichtliche Hintergründe und moderne Anwendungsfelder


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

26 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Zur Geschichte der Sokratischen Methode
2.1 Sokrates – Der Vater der Mäeutik
2.2 Neo-sokratisches Gesprächsmodell – Die Nelson/Heckmann-Tradition unter besonderer Berücksichtigung der Rolle des Gesprächsleiters
2.3 Paradigma der Diskurstheorie

3 Moderne Anwendungsfelder
3.1 Pädagogik und Unterricht
3.2 Beratung und Therapie

4 Fazit

Literaturverzeichnis

„… den Nicht-Wissenden dadurch belehren,

daß man ihn zur Einsicht zwingt,

das wirklich zu wissen,

wovon er nicht wusste, daß er es weiß.“

Leonard Nelson (1970)

1 Einleitung

Ziel dieser Arbeit soll es sein, die sokratische Gesprächsmethode in ihrer Genese bis zum heutigen Verständnis des Verfahrens zu beschreiben. Dabei ist auf einige Persönlichkeiten und vor allem die durch das Paradigma des sokratisch-platonischen Dialogs, der als Urquelle aller sokratischen Gesprächsführung gelten muss, geprägten methodischen Strömungen der Philosophie einzugehen. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf dem Wandel, den das Paradigma durchlaufen hat, um auf dieser Grundlage herauszukristallisieren, welcher Gedanke über die Zeit hinaus beständig blieb.

Hierzu wird der uns in den platonischen Dialogen begegnende Sokrates als Vater der Mäeutik Beachtung finden. Es ist die Frage zu stellen, inwiefern die Grundsätze seiner Gesprächsmethode sich aus den durch Platon, und somit natürlich nur indirekt, überlieferten Dialogen herleiten lassen und ob Sokrates auf einer Metaebene über seine eigene Methode reflektiert. Bezogen auf das wohl bedeutendste moderne Anwendungsfeld der sokratischen Gesprächsmethode, den Unterricht, soll die neo-sokratische Methode untersucht werden. Im Zentrum werden hier die Neuerungen im Bezug auf den sokratisch-platonischen Dialog und das moderne Verfahren eines sokratischen Gruppengesprächs inklusive einer Beleuchtung der gewandelten Rolle des Gesprächsleiters stehen. Als ein Beispiel des in besonderer Art durch das sokratische Paradigma gezeichneten Philosophietreibens muss die moderne Diskurstheorie gelten, die unter 2.3 betrachtet werden wird.

Unter Punkt 3 werden moderne Anwendungsfelder und deren Möglichkeiten eröffnet. Neben einer Darstellung des Einsatzes im pädagogischen und unterrichtlichen Kontext, unter besonderer Berücksichtigung des Ethik-/Philosophieunterrichts, soll die jüngst von Stavemann systematisch dargelegte Verwendung der Methode in der Psychotherapie und in anderen Beratungssituationen beleuchtet werden. Es soll gerechtfertigt werden, dass die sokratische Methode in zahlreichen Gesprächssituationen fruchtbar zu machen ist. Wenn auch nicht immer ein sokratisches Gespräch im strengen Sinne durchzuführen ist, so wäre der Grundgedanke der Mäeutik dem aufgeklärt demokratischen Menschenbild in zahllosen Kontexten angemessen.

„Daß du es aber nicht kannst,

solltest du niemals sagen.

Denn mit Gottes Hilfe und wenn du nur mutig bist,

wirst du dazu imstande sein.“

Sokrates (Theätet)

2 Zur Geschichte der Sokratischen Methode

2.1 Sokrates – Der Vater der Mäeutik

Der adjektivische Zusatz im Begriff sokratisches Gespräch leitet sich vom Namen Sokrates’ ab, so ist es zwingend erforderlich, zunächst diese Gestalt der antiken Philosophie, die ihre eigenen Gedanken nicht schriftlich fixierte, zu betrachten, und sich zu fragen, warum ihr Name bis heute Pate steht für eine nicht nur in der philosophischen Praxis bedeutsame Methode der Gesprächsführung.

Über das Leben des Sokrates ist uns bekannt, dass er 399 v. Chr. den Tod durch den Schierlingsbecher starb, da er der Gottesleugnung und Jugendverführung bezichtigt von der Stadt Athen zu diesem verurteilt wurde. Obwohl das Urteil nicht gerechtfertigt gewesen zu sein scheint, nimmt Sokrates es an, da er, wie wir in seiner Apologie erfahren können, die Gesetze, denen er sich als Bürger Athens unterstellt hat, als höher erachtet als seine Einschätzung und die seiner Anhänger. Er entzieht sich der ihm offerierten Möglichkeit zur Flucht, trinkt das Gift und stirbt als Bürger Athens.

Sokrates wahrer Todesgrund war wohl seine unbequeme Art, die den Machthabern Athens nicht recht war. „Sokrates geht gleichsam mit seiner Liebe zum Philosophieren auf die Straße, auf den Marktplatz, um sich ansprechen zu lassen und mit beliebigen Menschen über ihre Auffassungen zu sprechen, von der Bereitschaft bestimmt, voraussetzungslos mit seinen Gesprächspartnern ein Stück eines gemeinsamen Denk-Weges zu gehen.“[1] Die Inhalte seiner geführten Gespräche kreisen um elementare Fragen, die sich jeder gesunde Menschenverstand stellen könnte, es geht um das Wesentliche, das Allgemeine bzw. Allgemeingültige. Sokrates holt seine Gesprächspartner dort ab, wo sie glauben, sich auszukennen, treibt sie in Zweifel über nie Angezweifeltes und gibt keine Antworten, sondern stellt Fragen, immer nur Fragen.

Im durch Platon überlieferten Theätet-Dialog erfahren wir etwas über das Verfahren, das Sokrates anwendet, um seine Dialogpartner zu einer Erkenntnis zu führen, ohne ihnen diese dogmatisch vorzugeben. Aus diesem Dialog erklärt sich auch die unerlässliche Verbindung Sokrates mit dem Begriff der Mäeutik (griech. Hebammenkunst), hier heißt es nämlich:

„Theätet: (…) aber ich kann mich weder selbst überzeugen, daß ich hierzu etwas Haltbares beitragen kann (…). Andererseits kann ich von dieser Frage auch nicht loskommen.

Sokrates: Das kommt von deinen Geburtswehen, lieber Theätet. Denn du bist nicht inhaltsleer, sondern gehst schwanger.

(…)

Hast du denn nicht gehört, daß ich der Sohn einer tüchtigen und zupackenden Hebamme bin.

(…)

Und auch, daß ich dieselbe Kunst ausübe.

(…)

Überlege dir einmal, wie es mit den Hebammen insgesamt zugeht, und du wirst leichter verstehen, was ich dir sagen will.

(…)

So umfangreich ist das Tätigkeitsfeld der Hebammen, und doch ist es kleiner als meines. Denn bei den Frauen kommt es nicht vor, daß sie zwar manchmal bloße Trugbilder und manchmal richtige Geburten zutage bringen.

(…)

Auf meine Hebammenkunst trifft sonst dasselbe zu wie bei ihnen. Der Unterschied aber liegt darin, daß meine Kunst (…) ihre gebärenden Seelen (…) betrachtet. Das Wichtigste an meiner Kunst ist jedoch die Fähigkeit, mit allen Mitteln zu prüfen, ob die Überlegung (…) ein bloßes Trugbild und etwas Falsches herausgebracht hat oder etwas Lebenskräftiges und Wahres.

(…)

Ich selber bin also gar nicht klug und kann auch keinen Fund als Erzeugnis meiner Seele vorweisen.“[2]

Welche Grundsätze für einen Dialog im Sinne des Sokrates lassen sich aus der hier nur kurz anzitierten Textstelle, in der er seine Methode mit der Hebammenkunst vergleicht, gewinnen?

[...]


[1] Raupach-Strey (2002): Seite 17.

[2] Platon : Theätet 148d - 151d, zit. nach der Übers. von Martens (1981).

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Sokratische Gesprächsführung - Geschichtliche Hintergründe und moderne Anwendungsfelder
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Fachbereich Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Gespräche führen - Ein Kommunikationstraining
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V72025
ISBN (eBook)
9783638633895
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sokratische, Gesprächsführung, Geschichtliche, Hintergründe, Anwendungsfelder, Gespräche, Kommunikationstraining
Arbeit zitieren
Clara Maria Schreiber (Autor:in), 2006, Sokratische Gesprächsführung - Geschichtliche Hintergründe und moderne Anwendungsfelder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72025

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