Die Entwicklung der Karavelle und der Galeone im 15. und im 16. Jahrhundert


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rückblick ins Mittelalter
a) Nord und Süd
b) Technologischer Austausch und neue Schiffstypen

3. Die Karavelle

4. Die Galeone
a) Das Schiff
b) Die Bewaffnung
c) die Kampfweise

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als zu Anfang des 15. Jahrhunderts die Portugiesen begannen, auf dem Seeweg die westafrikanische Küste zu erkunden, initiierten sie einen Prozeß, der heute als europäische Expansion bezeichnet wird. Schnell ahmten Spanien, Frankreich, England und die (Vereinigten) Niederlande dem portugiesischen Vorbild nach und erschlossen riesige Gebiete. Waren den Europäern bis Anfang des 15. Jahrhunderts nur zehn Prozent der Erde bekannt, so erweiterten sie ihre Kenntnisse dank ihrer ökonomischen und wissenschaftlichen Interessen innerhalb der nächsten beiden Jahrhunderte auf fünfzig Prozent.1

Neben den theoretischen Fortschritten in der Geographie, Kartographie und der Nautik sowie deren Umsetzung in praktische Hilfsmittel war die wichtigste technische Vorausetzung für die europäischen Entdeckungsfahrten die Entwicklung und der Bau hochseetüchtiger Schiffe.2 Denn bis zum Ausgreifen der Portugiesen nach dem afrikanischen Kontinent war die Hochseeschiffahrt bei den Europäern aufgrund der mannigfaltigen Gefahren (Strömungen, Windverhältnisse, Unkenntnisse in der Navigation etc.) und des fehlenden Anreizes äußerst unbeliebt. Sie zogen sicheres Navigieren in Küstennähe vor, da sie hier Anhaltspunkte für die Kursbestimmung vorfanden und nachts den Schutz der Häfen suchen konnten. Auch die Portugiesen bevorzugten anfangs diese Art der Navigation, je südlicher sie aber an der Küste Westafrikas gelangten, desto offensichtlicher wurde es, daß sie sich für einen schnellen Rückweg auf das offene Meer hinauswagen mußten. Hier konnten sie den an der Küste vorherrschenden Nordostpassat, der ein ständiges Kreuzen erforderte, umgehen.3 Sie paßten sich also an, und entwickelten innerhalb kurzer Zeit einen Schiffstyp, der als der Schiffstyp der Entdeckungen schlechthin bekannt wurde: die Karavelle.

Ein anderer Schiffstyp, ebenso bekannt wie die Karavelle, allerdings eher für die Zeit der Eroberungen und der Kämpfe der Europäer untereinander, war die Galeone. Sie löste die Karavelle ab, als sich die Anforderungen an die Schiffe im Laufe des 16. Jahrhunderts wandelten.

Ziel dieser Arbeit wird es nun sein, diese beiden Schiffstypen eingehender zu untersuchen. Es soll geprüft werden, welches die Voraussetzungen für ihre Entwicklung waren, d.h. welche Vorteile sie gegenüber den bis dahin gebräuchlichen Typen boten. Daran anknüpfend sind die baulichen Eigenarten von Interesse, die wiederum die Segeleigenschaften beeinflußten. Ebenso soll die Bedeutung der beiden Schiffsarten anhand der geographischen und der aufgabenbedingten Verbreitung festgestellt werden, d.h. fanden sie nur für bestimmte Zwecke Verwendung oder waren sie in verschiedenen Einsatzfeldern brauchbar? Auch auf die Themenfelder der Besegelung und der Bewaffnung, in denen ebenfalls enorme Fortschritte gemacht wurden, wird eingegangen werden. Schließlich müssen Nachteile der beiden Schiffstypen untersucht werden und somit die Gründe, die sie aus der Schiffahrt verschwinden ließen.

Über Schiffahrt an sich sowie über die Schiffahrt in der Zeit der Entdeckungen im Speziellen existiert eine fast unüberschaubare Fülle an Publikationen.4 Sowohl die Schiffstypen als auch einzelne Schiffe wie diejenigen des Kolumbus oder wie die prunkvollst ausgestatteten Riesenschiffe der Mitte des 16. Jahrhunderts, mit denen sich die europäischen Monarchen gegenseitig zu übertrumpfen versuchten, wurden mehrfach und eingehend untersucht. Daß hierbei immer noch Kontroversen ausgetragen werden, liegt an zwei Tatsachen: Zum einen existieren bis Mitte/ Ende des 16. Jahrhunderts gar keine oder nur sehr wenig wirklich originalgetreue schriftliche oder bildliche Darstellungen von damals benutzten Schiffen. Erst danach finden Schiffe wirklich die Aufmerksamkeit z. B. der europäischen Maler, wobei v.a. die holländischen Marinemaler wie Vater und Sohn van de Velde, Vroom oder van den Vondel sehr exakte Eindrücke vermitteln.5

Das zweite Problem in der modernen Charakterisierung und Beschreibung der damaligen Schiffstypen ist, daß es sowohl regionale Unterschiede gab als auch Mischtypen. Es existierte ja keine europäische Norm, an die sich jeder Schiffsbauer beim Bau z. B. einer Karavelle zu halten hatte.

Auch gab es anfangs keine Bücher, in denen das vorhandene Wissen über Schiffe und Schiffsbau zusammengefaßt war, denn ebenso wie die Malerei beschäftigte sich auch die wissenschaftliche Literatur erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts systematisch mit diesem Thema.6

Dies sind demnach die Gründe, daß es aus der Retrospektive schwer ist, jeden Schiffstyp genau zu definieren und dann jedes Schiff genau zuzuordnen.

Ungeachtet dieser einzelnen Ungewißheiten wird im Folgenden die Entwicklung des Schiffsbaus und der Schiffahrt im 15. und 16. Jahrhundert anhand der Karavelle und der Galeone untersucht werden.7 Zunächst wird dabei ein Überblick über die verschiedenen Traditionen in Nord und Süd gegeben. Die folgenden Kapitel befassen sich detailliert mit den beiden Typen inklusive der Frage ihrer Besegelung und ihrer Bewaffnung, und im letzten Kapitel wird schließlich ein Fazit gezogen.

2. Rückblick ins Mittelalter

a) Nord und Süd

Im Mittelalter, das die hohe Mobilität der Menschen und des Wissens noch nicht in der Art kannte, wie sie zu Beginn der Neuzeit einsetzen sollte, gab es zwei verschiedene Schiffsbautraditionen. Im Norden, d.h. an Nord- und Ostsee sowie im nördlichen Atlantik blickte man dabei auf die Wikinger zurück. Im Süden, also im Mittelmeerraum, war immer noch der Einfluß der Römer und ihrer Vorgänger zu spüren.8

Schon seit den Phöniziern wurden die Schiffe des Mittelmeers in Rund- und in Langschiffe unterschieden. Die Rundschiffe, auch als Büsen bezeichnet, zeichneten sich durch eine breite, gedrungene Bauweise aus. Sie hatten zwei bis drei Decks und wurden vor allem dazu benutzt, in ihrem bauchigen Rumpf meist billige, aber v.a. sperrige und nicht leicht verderbliche Waren aufzunehmen.9 Ihre hauptsächliche Verwendungsweise fanden sie also als Handelsschiffe, aber auch wenn es galt, große Zahlen von Menschen zu transportieren, wurde auf sie zurückgegriffen. So finden sich z. B. bei bildlichen Darstellungen von Schiffahrten der Kreuzfahrer Schiffe dieser Art.10 Die Fortbewegung dieser Schiffe wurde durch ein dreieckiges Segel, das sog. Lateinsegel, gewährleistet. Dieses Segel wurde wahrscheinlich im 9. Jahrhundert von den Arabern eingeführt und ließ das von den Griechen und Römern verwendete viereckige Segel völlig verschwinden. Sein Hauptmerkmal - neben der Form - war, daß seine Rah, die oft genauso lang wie das Schiff war, parallel zum Schiffsrumpf hing.11 Auf die Vor- und Nachteile wird später noch genauer eingegangen werden.

Die Langschiffe wurden v.a. durch die Galeere vertreten. Auch sie waren mit einem Segel ausgestattet, wurden aber vorzugsweise durch Ruderer angetrieben. Zwar transportierten sie im Mittelalter auch Personen oder Waren, insbesondere Luxuswaren, ihr Hauptzweck lag allerdings eindeutig in der Seekriegsführung. Die hierbei verwendete und ebenfalls auf die Römer zurückgehende Taktik bestand darin, das gegnerische Schiff zu rammen - wobei man auf den Sporn am Bug vertraute - und anschließend zu entern.

Für den Seekrieg im Mittelmeer waren die Galeeren so geeignet, daß sie dort bis ins 17.

Jahrhundert dominant und bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlich blieben. Ihre Vorteile lagen in ihrer Form, sie waren langgezogen (50 Meter) und schmal (6 Meter, das Verhältnis Länge - Breite lag somit bei bis zu 8:1), und hatten mit nur einem Deck einen geringen Tiefgang. Durch diese Form war eine hohe Schnelligkeit ebenso wie eine hohe Beweglichkeit gegeben, die Ruderer garantierten zudem Windunabhängigkeit.12

Im Mittelmeerraum wurde unabhängig vom Schiffstyp in der Kraweelbauweise gebaut. Da hier die Säge bekannt war, konnten die einzelnen Holzplanken für den Rumpf so zugeschnitten werden, daß sie exakt passend aneinandergefügt werden konnten. Diese Bauweise machte zwar ein häufiges Abdichten der Fugen durch Pech und Werg (das sog. Kalfatern) notwendig, sollte sich aber mit zunehmender Größe der Schiffe als äußerst vorteilhaft erweisen, da mehrere Schichten hintereinander gefügt werden konnten, wodurch eine hohe Stabilität ereicht wurde.13

Im Norden wurde im Unterschied dazu die Klinkerbauweise verwendet. Bis zum Jahre 1000 ohne Kenntnis von der Säge hatte man es sich angewöhnt, die Planken mit Axt und Dechsel zu bearbeiten. Aufgrund der daraus entstehenden Ungenauigkeit ihrer Nähte konnten die Planken nur dachziegelartig überlappt werden. Die Klinkerbauweise verschwand seit dem Ende des 15. Jahrhunderts aufgrund ihrer Untauglichkeit bei großen Schiffen fast völlig.14

Ihre Anwendung fand sie bis dahin vor allem im typischen Schiff des Nordens, der Hansekogge, die während des 12. Jahrhunderts das Langschiff der Wikinger nach und nach ersetzt hatte, da dieses ein zu geringes Fassungsvermögen bot.15 Dieses Schiff war vom Typ her ebenfalls ein eindeckiges, bauchiges Rundschiff, ähnlich den im Mittelmeer verwendeten. Vorrangig diente es demnach als Handelsschiff, wurde aber ebenfalls als Kriegsschiff verwendet.16

[...]


1 Hale, John R: Die Reisen der Entdecker. Reinbek 51978, S. 3.

2 Eine kurze Zusammenfassung der wissenschaftlichen und technischen Innovationen bietet: Konetzke, Richard: Überseeische Entdeckungen und Eroberungen, in: Propyläen Weltgeschichte. Bd. 6: Weltkulturen. Renaissance in Europa. Berlin-Frankfurt 1960-64. Ndr. 1991, S. 545-551.

3 Parry, John Horace: The Discovery of the Sea. London 1975, S. 120.

4 Mir war es allerdings aus bibliothekstechnischen Gründen nicht möglich, auf spanische Literatur wie Artiñano y de Galvácano, Gervasio: La arquitectura naval española (en madera). Madrid 1920 oder Casado Soto, Jose Luis: Los barcos españoles del siglo XVI y la Gran Armada de 1588. Madrid 1988 zurückzugreifen. Dasselbe gilt für verschiedene Ausgaben der maßgeblichen Fachzeitschrift in englischer Sprache The Mariner´s Mirror.

5 Vgl. Giltay, Jeroen & Kelch, Jan: Herren der Meere-Meister der Kunst. Das holländische Seebild im 17. Jahrhundert (Ausstellungskatalog), hg. von den Staatlichen Museen Berlin. Berlin 1997.

6 So z.B. der Engländer Baker, Matthew: Fragments of Ancient Shipwrightry. Chatham 1570 oder der in genuesischen Diensten stehende Deutsche Furttenbach, Joseph: Architectura Navalis. Ulm 1692.

7 Diese Arbeit berücksichtigt nur Schiffe mit höherer Tonnenzahl (eine Ausnahme bildet u.U. die Karavelle). Es ist nicht ihre Aufgabe, alle kleinen Schiffe und Boote der Binnen- und Küstenschiffahrt zu berücksichtigen, auch wenn diese „auf dem Atlantik wie auf dem Mittelmeer [...] stets in der überwältigenden Mehrheit sind; sie spielen die Hauptrolle“, Braudel, Fernand: Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II. Bd. 1. Paris 1949. Dt. Ndr. Frankfurt 2001, S. 428.

8 Lane, Frederic Chapin: Venetian Ships and Shipbuilders of the Renaissance. Baltimore 1934. Ndr. 1975, S. 1.

9 Ders., S. 2 -4

10 Vgl. z.B. Landström, Björn: Das Schiff. Vom Einbaum zum Atomboot. Gütersloh 1961, S. 82 oder Kemp, Peter: The History of Ships. London 1978, S. 62.

11 Parry, S. 12/ 13.

12 Zu den Galeeren, vgl. Lane, S. 6-34; Dudszus, Alfred & Henriot, Ernest: Das Schiffstypenlexikon. SchiffeBoote-Flöße unter Riemen und Segel. Berlin-Hamburg 1983, s.v. Galeere; Parry, S. 21- 23. Zur späteren Entwicklung der Galeeren: Pâris, Edmond: Die große Zeit der Galeeren und Galeassen, hg. von Lothar Eich, Ernest Henriot und Luise Langendorf. Leipzig 1973

13 Dudszus & Henriot, s. v. Kraweelschiffe; Parry, S. 22-24.

14 Dudszus & Henriot, s. v. Klinkerboot; Parry, S. 20/ 21.

15 Dollinger, Philippe: Die Hanse. Stuttgart 31981, S. 187. Canby, Courtland: Geschichte der Schiffahrt, Lausanne 1964, S. 33

16 Hierzu vgl. Gardiner, Robert: Cogs, Caravels and Galleons. The Sailing Ship 1000-1650. London 1994, S. 54- 56.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung der Karavelle und der Galeone im 15. und im 16. Jahrhundert
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
22
Katalognummer
V71892
ISBN (eBook)
9783638686402
ISBN (Buch)
9783638901574
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Karavelle, Galeone, Jahrhundert
Arbeit zitieren
M.A. Johannes Staudenmaier (Autor:in), 2001, Die Entwicklung der Karavelle und der Galeone im 15. und im 16. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71892

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