Die Disziplinarmacht. Der Machtbegriff von Michel Foucault.


Seminararbeit, 2001

19 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die alte Form der Macht
a) Die Macht des Souveräns
b) Das Verschwinden der Souveränitätsmacht

3. Die Disziplinarmacht

4. Die Verschränkung von Macht, Wissen und Wahrheit
a) Macht, Wissen und Wahrheit
b) Wahrheitsregime und Biomacht

5. Die Disziplinarmacht am Beispiel der Schule
a) Die Kunst der Verteilungen
b) Die Kontrolle der Tätigkeiten
c) Die Organisation von Entwicklungen
d) Zusammensetzung der Kräfte

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung:

Einer der zentralen Punkte von Michel Foucaults gesellschaftsphilosophischen Werk ist der Begriff der Macht.

Es handelt sich um eine neue Form der Macht, die Foucault beschreibt, eine Macht, die nur wenig mit der umgangssprachlichen Bedeutung des Begriffes zu tun hat, vielmehr um eine Macht, die eng verbunden ist mit den anderen maßgeblichen Untersuchungsgegenständen Foucaults, dem Wissen und der Wahrheit.

In meiner Arbeit werde ich zunächst auf die Souveränitätsmacht zu sprechen kommen, die noch im 17. Jahrhundert die beherrschende Machttechnik darstellte und darlegen, warum sie von dem neuen Typus der Macht, der Disziplinarmacht abgelöst wurde.

Es folgt eine Einführung in Foucaults Begriff der modernen Disziplinarmacht, ihren Disziplinen und ihrem Verhältnis zu Wissen, Wahrheit sowie eine Klärung des Begriffs der Biomacht.

Danach werde ich mich dem Hauptteil meiner Arbeit zuwenden und versuchen am Beispiel der Schule die Funktionen, die Mechanismen und Instrumente dieser Disziplinarmacht aufzuzeigen

2. Die alte Form der Macht

a) Die Macht des Souveräns

Michel Foucault analysiert in seinem Buch „Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses“ verschiedene Machttechniken, so zunächst die Macht des Souveräns . Hierbei handelt es sich um einen Machttypus, der sich grundlegend von Foucaults Begriff der modernen Macht unterscheidet. Am Beispiel der ausführlich beschriebenen Vierteilung Damiens, der einen erfolglosen Mordanschlag auf Ludwig XV verübte , zeigt Foucault die Brutalität der damaligen Strafpraxis auf. Die Grausamkeit der Bestrafung ist als eine Demonstration der königlichen Macht zu verstehen, mit welcher der Monarch seine verletzte Souveränität wiederherstellen will.1 Dem Verbrecher werden genau kalkulierte Schmerzen beigebracht, die der verübten Gesetzesüberschreitung gerecht werden sollen. Wichtig für die damalige Strafpraxis ist die Öffentlichkeit der Marter. Hinrichtungen hatten zu jener Zeit regelrechten Volksfestcharakter. Es soll ein abschreckendes Exempel statuiert werden, damit die symbolische Rache des Souveräns für jeden Untertan sichtbar wird.

Die Ausschließung ist das zentrale Element dieser Machttechnologie.2 Sie bezieht sich aber nicht nur auf die Marter, sondern auch auf andere Bestrafungs- und Züchtigungsrituale jener Zeit, so die Verbannung oder Aussetzung von Leprakranken im Mittelalter und Wahnsinnigen im Zeitalter der Renaissance, die Foucault in seinen Werken „Geburt der Klinik“ und „Wahnsinn und Gesellschaft“ analysiert..

b) Das Verschwinden der Souveränitätsmacht

Maßgeblich für das Verschwinden des alten Machttypus ist einerseits die Bevölkerungsexplosion, da für die rasch wachsende Bevölkerung die alten Strukturen der Macht, eine mangelhaft installierte Bürokratie und ein durchlässiges Rechtssystems, nicht mehr zeitgemäß sind. Das Hauptproblem findet sich in der mangelhaften Ökonomie der Macht des Souveräns. „ Das Ancien Regime schleppte Hunderte und Tausende von Verfügungen mit sich, die nie zur Anwendung gelangten, von Rechten, die kein Mensch geltend machte, von Regeln, denen Massen von Menschen entwischten“.3

Aber auch Aufstände, Unruhen und drohende Revolutionen offenbaren die Schwächen der Macht des Souveräns.

So kommt es im Laufe des 18. Jahrhunderts bei den Marterritualen immer wieder zu Unruhen innerhalb der Bevölkerung, weil sich die Zuschauer mit dem Straftäter solidarisieren. Die demonstrative Macht des Monarchen wird so nicht mehr gestärkt, sondern unterminiert, weshalb dazu übergegangen wird, die Hinrichtungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten.

Die stark wachsenden Menschenscharen müssen aus Sicht des Establishments also besser überwacht und kontrolliert werden, um einer drohenden Anarchie zu entgehen. Deshalb werden die bestehenden Staatsapparate gestärkt. Eine effektivere Bürokratie wird eingerichtet und ein Rechtssystem installiert, das mit Hilfe zahlreicher neuer Sicherheitskräfte, weniger durchlässig ist.

Aber auch der Siegeszug der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und die Geburt der Humanwissenschaften haben ihren Anteil am Entstehen der Disziplinarmacht.

So ist für einen effektiveren Arbeitsablauf innerhalb der Fabriken eine Disziplinierung der Arbeiter notwendig, weshalb sich mit Hilfe von Überwachungs- und Kontrolltechniken am Arbeitsplatz, die Disziplinarmacht auch im stark wachsenden privatwirtschaftlichen Bereich rasch ausbreiten kann. Das für die Überwachung und Kontrolle wichtige Wissen liefern die Humanwissenschaften.

3. Die Disziplinarmacht

Ab dem 18. Jahrhundert beginnen nach Foucault ungleich komplexere Machtmechanismen zu wirken, die sich nicht kurz umschreiben lassen.

Um dem Begriff der Disziplinarmacht gerecht zu werden, muss etwas weiter ausgeholt werden.

Michel Foucaults Definition zufolge, kann man die moderne Macht nicht als eine systemische Struktur ansehen, oder gar als etwas, das im Besitz von Menschen oder Institutionen sein könnte, wie dies noch bei der Macht des Souveräns der Fall war. Es können sich zwar bestimmte Machtverhältnisse zwischen Gruppen und Personen festigen, z.B. Arbeitergebern und Arbeitnehmern, so dass es zu gesellschaftlichen Hegemonien kommt, doch müssen die bestehenden Machtbeziehungen ständig reproduziert werden. Die Macht ist vielmehr als eine Verbindung vielfältiger Kraftverhältnisse anzusehen, die im Gegensatz zur Souveränitätsmacht des Ancien Regime, dezentral ist. Foucault bezeichnet diesen neuen Typus als eine „Mikrophysik der Macht“ , eine Macht, die sich in einem Netz von Praktiken, die disziplinierend und normierend auf den Menschen wirken, ausbreitet und bis in die kleinsten Verästelungen des Gesellschaftskörpers wirkt. Dieses Netz der Praktiken sind die Disziplinen, die sich in allen Gesellschaftsbereichen, mit Hilfe neu oder vermehrt eingerichteter Institutionen wie etwa Schulen, Hospitälern oder Gefängnissen ausbreiten können, und deren normierende Wirkung auch außerhalb der Institutionen auf die Menschen Einfluss ausübt. Michel Foucault beschreibt dies folgendermaßen:

„Während sich auf der einen Seite die Disziplinarinstitutionen vervielfältigen, tendieren ihre Mechanismen dazu, sich über die Institutionen auszuweiten, sich zu „desinstitutionalisieren“, ihre geschlossenen Festungen zu verlassen und frei zu wirken“.4

Die moderne Macht unterscheidet sich auch insofern von der Souveränitätsmacht, da sie nicht nur auf Ausschließung und Repression beruht. Es ist eine produktive Macht, die Erfahrungen produziert und somit auch stark an der Schaffung der Identität des Individuums und an den Veränderungen der Gesellschaft beteiligt ist. So können, unter Rückgriff auf die verschiedenen Disziplinartechniken im Laufe der letzten Jahrhunderte die Menschen wesentlich enger an die scheinbaren Notwendigkeiten des kapitalistischen Wirtschaftssystems, des modernen Rechtssystems und den Apparaten der Bürokratie angebunden werden, als dies eine Souveränitätsmacht jemals zu leisten vermocht hätte. Ziel der modernen Disziplinarmacht ist es für das Gesellschafts- und Wirtschaftssystem nützliche Individuen zu produzieren. Umgesetzt werden diese Disziplinierungen mit Hilfe der Humanwissenschaften, die das nötige Wissen mit Hilfe der Psychologie, Medizin und der Sozialwissenschaften zur Verfügung stellen.

[...]


1 FOUCAULT,MICHEL: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main, 1976, Seite 64.

2 ebd, Seite 74

3 FOUCAULT,MICHEL: Mikrophysik der Macht. Von den Martern zu den Zellen. Ein Gespräch mit Roger Pol Droit, Berlin, 1976. Seite 48

4 FOUCAULT, MICHEL: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main,1976. Seite 271

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Disziplinarmacht. Der Machtbegriff von Michel Foucault.
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Seminar: Diskurs, Disziplin, Macht: Einführung in die Arbeiten Michel Foucaults.
Note
2,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V7185
ISBN (eBook)
9783638145190
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Foucault, Macht, Diziplin.
Arbeit zitieren
Magister Artium Roland Sonntag (Autor:in), 2001, Die Disziplinarmacht. Der Machtbegriff von Michel Foucault., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7185

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