Code-switching in Chicano-Internetforen


Examensarbeit, 2005

107 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung

2 Die historische und soziale Situation der Chicanos
2.1 Historische Entwicklung: Von der spanischen Eroberung des Südwesten des nordamerikanischen Kontinents bis zur Selbstdefinition der Mexiko-Amerikaner als Chicanos
2.2 Die aktuelle soziale Situation der Chicanos
2.3 Wer sind die Chicanos?
2.3.1 Begriffsklärung aus der Literatur
2.3.2 Selbstdefinition der Chicanos in Chicano-Internetforen
2.3.3 Die Chicanos und Sprachen

3 Die Theorie des Code-switching
3.1 Definition
3.2 Abgrenzung von anderen Begriffen
3.2.1 Code-switching und Entlehnung
3.2.2 Code-switching und Code-mixing
3.3 Code-switching auf struktureller Ebene
3.3.1 Code-switching Typen
3.3.1.1 Das satzexterne Code-switching
3.3.1.2 Das satzinterne Code-switching
3.3.1.3 Das emblematische Code-switching
3.3.2 Strukturelle Unterschiede zwischen dem Englischen und dem Spanischen
3.3.3 Strukturelle Restriktionen im Sprachpaar Spanisch/Englisch
3.3.3.1 Code-switching und Verben: Restriktion Nr
3.3.3.2 Code-switching und klitische Pronomen: Restriktion Nr
3.3.3.3 Code-switching und die Stellung von Adjektiv und Nomen: Restriktion Nr
3.3.3.4 Code-switching und der Numerus und Genus bei Adjektiven: Restriktion Nr
3.3.3.5 Code-switching und die Genusbildung von Nomen
3.3.3.6 Zu den Schwierigkeiten der Forschung
3.3.4 Typische, strukturell zulässige switching points
3.3.5 Modelle zu Restriktionen
3.3.6 Zusammenfassende Bemerkungen
3.4 Code-switching auf der soziolinguistischen Ebene
3.4.1 S ituational vs. metaphorical switching
3.4.2 Nicht-funktionales Code-switching
3.4.2.1 Deterministisches Code-switching
3.4.2.2 Unbewusstes Code-switching
3.4.3 Funktionales diskursstrategisches Code-switching
3.4.3.1 Die Funktionen von Code-switching
3.4.3.1.1 Die Diskursfunktionen von Gumperz und anderen Linguisten
3.4.3.1.2 Kritik an John J. Gumperz´ Code-switching-Funktionen
3.4.3.1.3 Die Funktionen von Code-switching: eine neue Terminologie
3.4.3.1.4 Code-switching als Symbol für ethnische Identität
3.4.4 Soziolinguistische Modelle für das Code-switching
3.5 Zusammenfassende Bemerkungen

4 Die Analyse der Chicano-Internetforen
4.1 Die Ziele der Analyse
4.2 Allgemeine Informationen zur Internetforenanalyse
4.2.1 Was ist ein Internetforum?
4.2.2 Internetforensprache
4.2.2.1 Das Modell der konzeptionellen Schriftlichkeit/Mündlichkeit
4.2.2.2 Internetforensprache: konzeptionell mündlich oder konzeptionell schriftlich?
4.2.3 Ethnische Online-Gemeinschaften: Soychicano und Chalino
4.2.3.1 Ethnische Online-Gemeinschaften im Internet
4.2.3.2 Die Internetseite Soychicano
4.2.3.3 Die Internetseite Chalino
4.2.4 Vorgehensweise der Datenermittlung
4.3 Strukturelle Analyse
4.3.1 Überprüfung der Restriktionen
4.3.2 Typische switching points
4.3.2.1 Satzverbindungen
4.3.2.2 Nebenbemerkungen und Interjektionen
4.3.2.3 Konjunktionen als Solidaritätsmarkierung
4.3.2.4 Darstellung wörtlicher Rede und indirekter Rede
4.3.2.5 Artikel und Nomen
4.3.3 Unklare switching points: Entlehnung oder Code-switching
4.3.4 Code-switching oder Code-mixing
4.3.5 Ergebnis der strukturellen Analyse
4.4 Soziolinguistische Analyse: Code-switching als Diskursstrategie
4.4.1 Diskursfunktionen von Code-switching
4.4.1.1 Funktion: Darstellung von kultureller Identität
4.4.1.1.1 Conversational locus: Nebenbemerkungen oder Themenwechsel
4.4.1.1.2 Conversational locus: Aufforderungen
4.4.1.1.3 Conversational locus: Konjunktionen und tags
4.4.1.1.4 Conversational locus: caló
4.4.1.2 Funktion: Unterscheidung zwischen formaler und persönlicher Aussage
4.4.1.2.1 Conversational locus: Nebenbemerkungen
4.4.1.2.2 Conversational locus: formale Einleitung und formaler Abschluss
4.4.1.3 Funktion: Fremdsprachenwissen zeigen
4.4.2 Ergebnis der soziolinguistischen Analyse

5 Schlussbetrachtung und Ausblick

6 Bibliographie

7 Anhang.

1 Problemstellung

Das Sprachkontaktphänomen Code-switching wurde erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts als ein wissenschaftlich wertvolles Phänomen erkannt. Sprachwissenschaftler stellten fest, dass Code-switching sowohl auf struktureller als auch auf soziolinguistischer Ebene nach gewissen Regelmäßigkeiten erfolgt. Seitdem versuchen Sprachkontaktforscher für diese Regelmäßigkeiten allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu formulieren. Sie variieren von Sprachpaar zu Sprachpaar. In dieser Arbeit wird das Sprachpaar Spanisch/Englisch untersucht. Bislang wurde Code-switching als ein Phänomen der verbalen Kommunikation gesehen, allerdings ist es mittlerweile auch im Internet häufig anzutreffen. Gegenstand dieser Arbeit ist die Untersuchung des Code-switching von Chicanos auf struktureller sowie auf soziolinguistischer Ebene in Internetforen, ein Forschungsgegenstand, mit dem sich die Sprachwissenschaft bisher kaum befasst hat.

Die Arbeit besteht im Wesentlichen aus drei Teilen. Zum Einstieg in das Thema wird die historische und die gegenwärtige Situation der Chicanos kurz skizziert, wobei auch auf die Identität der Chicanos eingegangen wird. Im zweiten Teil wird ein Einblick in die theoretischen Grundlagen des Code-switching gegeben. Hierbei wird zwischen der strukturellen und der soziolinguistischen Sichtweise unterschieden. Der dritte Teil befasst sich mit der Analyse der Chicano-Internetforen. Hier wird zunächst die Forensprache in Abgrenzung zur gesprochenen Sprache analysiert. Außerdem werden die untersuchten Foren Soychicano und Chalino kurz vorgestellt. Im Anschluss daran erfolgen zwei separate Analysen: eine strukturelle und eine soziolinguistische Analyse. Anhand der strukturellen Analyse sollen Regelmäßigkeiten des Code-switching in den Chicano-Internetforen aufgezeigt werden, während im Rahmen der soziolinguistischen Analyse versucht wird, die Gründe für Code-switching in den Chicano-Foren zu ermitteln.[1]

2 Die historische und soziale Situation der Chicanos

Im Folgenden wird die historische und die soziale Situation der Chicanos beschrieben.

2.1 Historische Entwicklung: Von der spanischen Eroberung des Südwesten des nordamerikanischen Kontinents bis zur Selbstdefinition der Mexiko-Amerikaner als Chicanos

Die Spanier eroberten in der Mitte des 16. Jahrhunderts das Territorium, welches dem heutigen Staat Mexiko sowie den amerikanischen Bundesstaaten Arizona, Neu Mexiko, Kalifornien, Texas, Utah, Nevada und Colorado entspricht (vgl. Meier/Ribera 1999: 19 ff.; Hensel 2004: 92). Seit der mexikanischen Unabhängigkeitserklärung (1810) von Spanien, besiedelten immer mehr englischsprachige US-Amerikaner das mexikanische Territorium. Den englischsprachigen, nordamerikanischen Siedlern folgten US-amerikanische Truppen, die in den nördlichen Teil des damaligen Mexikos einmarschierten (vgl. Griswold del Castillo/de León 1996: 20ff.). Daraus entwickelte sich 1846 der Mexikanisch-Amerikanische Krieg[2], der zwei Jahre andauerte und aus dem die Mexikaner als Verlierer herausgingen. Mexiko verlor mehr als die Hälfte seines Territoriums (vgl. Hensel 2004: 92). Die meisten Mexikaner aber, die in den eroberten Gebieten lebten, blieben dort und wurden zu US-amerikanischen Staatsbürgern (vgl. Piller 1991: 24; vgl. Ikas 2000: 33). Das Treaty of Guadelupe von 1848 versprach den Mexikanern, dass sie ihr Land, ihre Sprache und ihre Kultur beibehalten könnten (vgl. Acuña 1972: 28 ff.). In der Realität wurden diese Versprechen von der dominierenden angloamerikanischen Mehrheit nicht eingehalten (vgl. Meier/Ribera 1999: 66; Gaviglio 1971: 421). Somit war auch die in diesem Vertrag offiziell geregelte legale Gleichstellung der Eroberten nicht erfolgt (vgl. Hensel 2004: 93). „Damit war eine Volksminderheit geboren, deren erstrangiges Ziel in den kommenden Jahren der Kampf um soziale und politische Gleichberechtigung unter gleichzeitiger Pflege der eigenen Kultur sein sollte“ (Piller 1991: 24).

In der Periode der Mexikanischen Revolution (1910-17) stieg die Anzahl der mexikanischen Einwanderer in die USA bedeutend an. Anlass hierfür war die durch die mexikanische Revolution ausgelöste Unsicherheit in Mexiko, ebenso wie der Aufschwung der US-amerikanischen Wirtschaft und die durch den ersten Weltkrieg ausgelöste Nachfrage nach Arbeitskräften (vgl. Sutherland Martinez/Longeaux y Vásquez 1974: 125f.; Ikas 2000: 3). Diese Einwanderungswelle war sehr bedeutend für die Situation der Mexiko-Amerikaner[3], denn sie erinnerte die bereits weitgehend assimilierten Mexikaner in den USA an ihre mexikanische Herkunft und frischte das kulturelle, ethnische, mexikanische (Selbst)Bewusstsein auf (vgl. Piller 1991: 28).

Der zweite Weltkrieg löste erneut eine Einwanderungswelle aus. Die amerikanische Rüstungsindustrie meldete einen hohen Bedarf an Arbeitskräften. Um die hohe Nachfrage decken zu können, stellte die amerikanische Regierung Visa für mexikanische Gastarbeiter, für die sogenannten „braceros“[4], aus (vgl. Piller 1991:31; Meier/Ribera 1999: 172). Durch die fortschreitende Industrialisierung wurden die Mexiko-Amerikaner nicht mehr als Landarbeiter, sondern immer häufiger als Fabrikarbeiter eingestellt. Dies löste einen großen Zuwachs der Mexiko-Amerikaner-Bevölkerung in den Städten aus (vgl. Acuña 1972: 190; Hensel 2004: 105), welches wiederum die direkte Konfrontation mit der angloamerikanischen Kultur verstärkte (vgl. Piller 1991: 31). Durch die zunehmende Diskriminierung, die die Mexiko-Amerikaner erfuhren, verstärkte sich ihr Gruppenbewusstsein, welches besonders junge Mexiko-Amerikaner[5] äußerlich zur Schau stellten (Piller 1991: 32). Sie fielen durch ihre Kleidung (zoot suits) und ihren Haarschnitt auf (vgl. Meier/Ribera 1999: 163). Die zunehmende Diskriminierung löste aber nicht nur einen an der Kleidung zu erkennenden Widerstand aus. Im Juni 1943 fand er seinen Höhepunkt in den Zoot Suit Riots[6] in Los Angeles. Junge Anglos und Mexiko-Amerikaner lieferten sich Straßenschlachten, in die Militärs und Polizei eingriffen und viele Mexiko-Amerikaner verhafteten (vgl. Acuña 1972: 203; Hensel 2004: 100). In den 50er und 60er Jahren entwickelten sich immer wieder Bürgerrechtsbewegungen. Außerdem fanden politische Aktionen für die Rechte der Chicanos und Streiks statt. Parteien wurden gegründet (vgl. Piller 1991: 32; Hensel 2004: 105). Dies war die Antwort auf Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus (vgl. Heide 2004: 26; Hensel 2004: 105).

Neben den Protestbewegungen der Mexiko-Amerikaner gegen politische, soziale und ökonomische Ungerechtigkeit, die auch als Chicano Movement[7] bezeichnet werden, entwickelte sich in der Mitte der 60er Jahre unter den Mexiko-Amerikanern der Wunsch nach ausführlicher Selbstdarstellung (vgl. García 1996: 83) verbunden mit der Suche nach der eigenen Identität (vgl. García 1996: 86f.). Dies wurde unter anderem durch die Selbstbezeichnung der Mexiko-Amerikaner als „Chicanos“ deutlich. Mit dieser Selbstbenennung wollte man symbolisch die eigene Identität zum Ausdruck bringen (vgl. Heide 2004: 26). In dieser Zeit wurde der zuvor negativ besetzte Begriff Chicano[8] unter den Mexiko-Amerikanern im Rahmen der Protestbewegungen populär gemacht. Seine jetzige Bedeutung hat somit seinen Ursprung in dieser Zeit. Es wurde bewusst versucht, Begriffe wie Mexican-American, Mexican sowie abwertende Bezeichnungen durch eine selbstgewählte ethnische Benennung zu ersetzen (vgl. Piller 1991: 35). Außerdem wollte man sich sowohl von Anglo-Amerika als auch von Mexiko sowie von der spanischen Kultur terminologisch abgrenzen (vgl. Heide 2004: 26).

Dem Plan von Aztlán wurde bei der kollektiven Identitätskonstruktion[9] eine besonders wichtige Bedeutung beigemessen. Das Manifest „El Plan Espiritual de Aztlán“ wurde von dem Schriftsteller Alustria[10] verfasst und von dem Jugendkongress Chicano Liberation Youth Conference im März 1969 in Denver verabschiedet (vgl. Hensel: 2004: 297). Es hatte großen Einfluss auf die Protestaktionen im Südwesten der USA. Alustria erklärte anhand der Geschichte und Mythologie der Azteken das Gebiet Aztlán, ein nicht genau definiertes Gebiet im Südwesten der USA, zum Heimatland der Chicanos[11] (vgl. Piller 1991: 58). Viele Autoren beriefen sich besonders in der Zeit des Chicano Movement auf den Plan von Aztlán. Lopez y Rivas (1973) schreibt beispielsweise:

“(...), la minoría chicana trata de restaurar su identitad de grupo, mantenerse unida ante los ataques y las frequentes penetraciones ideológicas del sistema, (...) tratando de definirse en términos tales que los distingan del pasado mexicano y del presente dominado por el gabacho o gringo; preguntando y dudando pero aprendiendo, en la encrucijada de en destino incierto, con la seguridad de que el futuro será mejor para los habitantes y verdaderos duenos de lo que el Suroeste significa para los chicanos: AZTLÁN, la tierra del chicano” (López y Rivas 1973: 91).

Aztlán bezeichnet ebenfalls die mythische Heimat der Azteken. Innerhalb des Chicano Movement wurde Aztlán zu einer Art Zufluchtsort, in dem die Kraft für das Bestehen in der Wirklichkeit versprochen wurde (Piller 1991: 58).

“We Chicanos, the people of el Quinto Sol, must realize Aztlán in ourselves, individually, and as a group. We are part of the land, but we need not seek a geographical centre for our Aztlán; it lies within ourselves, and it is boundless, immeasurable, and limited only by our lack of vision, by our lack of courage, by our hesitancy to grasp the truth of our being. We are Aztlán and Aztlán is us” (Rendon 1973: 34).

La Raza ist ebenfalls ein zentraler Begriff in der Diskussion des Chicano Movement bei dem Versuch einer kollektiven Identitätskonstruktion (vgl. Martinez 1966: 49ff.). Die Chicanos bezeichnen sich auch heute noch untereinander mit La Raza. “The essence of La Raza is that we are a mestizo people, a mixed people, a blend of races” (Sutherland Martinez/Longeaux y Vásquez 1974: 4). Der Begriff La Raza bezieht sich aber nicht nur auf die Rasse. “The term La Raza does not simply mean the race or people, but the community or family. La Raza stands in striking contrast to the cold and impersonal Anglo world” (Gaviglio 1971: 427). Es gibt jedoch bis heute keine einheitliche Interpretation des Begriffs La Raza[12] (vgl. Hensel 2004: 295).

2.2 Die aktuelle soziale Situation der Chicanos

Nach den Angaben des U.S. Census Bureau leben über 25 Millionen Personen mexikanischer Abstammung in den USA (Stand: März 2002). Sie machen 66,9% der gesamten in den USA lebenden Latinobevölkerung (37,4 Millionen) aus (vgl. U.S. Census Bureau: Online). Allerdings gibt es keine Angaben darüber, wie viele Mexikaner bzw. Chicanos zusätzlich ohne Visum oder Aufenthaltsgenehmigung in den USA leben (vgl. Wendt 1992: 1013).

Die Chicanos werden auch heute noch diskriminiert (vgl. Wendt 1992: 1017). Es bestehen immer noch Vorurteile darüber, dass die Chicanos wenig arbeitsfreudig und integrationsunfähig bzw. -unwillig seien (vgl. Wendt 1992: 1012). Integration und sozialer Aufstieg werden aber auch gerade durch diese kulturellen Vorurteile und Diskriminierung seitens der angloamerikanischen Gesellschaft verhindert. Besonders in der Arbeitswelt ist die Diskriminierung zu spüren. Nach Angaben des US Department of Labor bilden Latinos die ethnische Gruppe in den USA, die am häufigsten einen Vollzeitjob hat und aufgrund der schlechten Bezahlung trotzdem in Armut leben muss (U.S. Department of Labor 2002: Online).[13] Außerdem sind Arbeiter mexikanischer Herkunft doppelt so häufig arbeitslos wie weiße US-Amerikaner (vgl. de Anda 2004: 27).

Als Antwort auf die vielschichtige Diskriminierung in der angloamerikanischen Gesellschaft isolieren sich die Chicanos meist in sogenannten barrios[14] und führen dort ein von der angloamerikanischen Gesellschaft abgegrenztes Leben, in dem sie ihre Kultur und Sitten erhalten können (vgl. Ikas 2004: 789). Dies vermindert die Beziehung zu der angloamerikanischen Gesellschaft (Wendt 1992: 1017).[15]

Auch eine bessere Ausbildung der Chicanos und bessere Englischkenntnisse erleichterten die Integration in die angloamerikanische Gesellschaft nicht (vgl. Wendt 1992: 1018). Die in den neunziger Jahren von den USA zwischen Mexiko und den USA errichtete, 99 km lange Betonmauer, die mit Stacheldraht und Stahlzaun als Schutzwall verstärkt gegen die mexikanischen Einwanderungsströme dienen soll, spricht für sich (vgl. Ikas 200 : 788f.).

2.3 Wer sind die Chicanos?

Die historische und soziale Situation der Chicanos deutet auf ihre komplexe ethnische Identität hin, so dass eine eindeutige Begriffsbestimmung problematisch ist. Es werden im Folgenden Definitionen aus der Literatur und aus Chicano-Forenbeiträgen vorgestellt.

2.3.1 Begriffsklärung aus der Literatur

Chicanos sind Männer und Frauen mexikanischer Abstammung, die in der ersten, zweiten oder dritten Generation in den USA leben, d.h. sie haben entweder mexikanische Vorfahren oder sie sind Immigranten aus Mexiko (vgl. Ikas 2004: 787). Rafaela G. Castros (2000) Beschreibung verdeutlicht die Komplexität der zur Gruppe der Chicanos gehörenden Menschen:

“The Chicano population is a conglomeration of native-born Americans; recently arrived Mexican immigrants; long-term permanent residents; first-, second-, and third-generation families; and descendents of seventeenth-century Spanish settlers” (Castro 2000: xiii).

Diese Vielschichtigkeit der Chicanos als Gruppe deutet auf ihre komplexe ethnische Identität hin und erklärt die Schwierigkeit einer eindeutigen begrifflichen Erfassung. Diese wird zusätzlich erschwert, wenn die Sprache bei der Begriffsbestimmung berücksichtigt wird.

“Monolingual English-speaking Chicanos, with absolutely no ties to Mexico, may live side by side with immigrant Mexican families who speak only Spanish. Some Chicano families make annual trips to Mexico to visit relatives, while others have grandmothers who have never been outside of the United States and have never spoken English. Yet all may identify as Mexicanos or Chicanos; may speak Spanish, English, or a mixture of the two; and may feel culturally united and ´different´ from the rest of American society” (Castro 2000: xiii).

Monolinguale, englischsprachige US-Amerikaner können sich ebenso wie monolinguale, spanischsprachige Immigrantenfamilien der Gruppe der Chicanos zugehörig fühlen. Die meisten Chicanos sind jedoch bilingual. Eine Gemeinsamkeit ist in der Definition von Castro zu erkennen. Chicanos fühlen sich einer gemeinsamen Kultur, der Chicano-Kultur, zugehörig und grenzen sich von der US-amerikanischen Gesellschaft und Kultur ab. Es ist schwierig, die Chicanos eindeutig begrifflich zu erfassen, weil die Identität der Chicanos sehr komplex ist (vgl. Ikas 2004: 789).

2.3.2 Selbstdefinition der Chicanos in Chicano-Internetforen

Die Begriffsklärung aus der Literatur lässt sich durch Beiträge der Forenteilnehmer von Soychicano zu dem Thema: „Define Chicano“ ergänzen bzw. bereichern. Es erscheint angebracht, die formalen Definitionen durch Beiträge der Chicanos in den wissenschaftlichen Diskurs mit einzubeziehen, da es die Chicanos selbst sind, die am besten beschreiben können, was sie ausmacht und wer sie sind. Diese Herangehensweise scheint auch mit der Auffassung des Initiators der Forendiskussion übereinzustimmen.

Adal:

“I want the real defenition of chicano not the dictionary defenition because dictionaries are written by gringos so the cant know. Is chicano more than Mexican Americans? What is behind this word and whats your definition?”

(www.soychicano.com, Topic: Define Chicano, posted: Thu, Aug, 19, 2004 6:28 pm, siehe Anhang, Teil 1, S.1)

Die in dem Forum umfangreiche Beantwortung der Frage nach der Definition der Chicanos soll hier anhand von drei ausgewählten Beiträgen diskutiert werden.

lizdIt:

“I dont think you can define Chicano. Its different to all people. This is what it means to me. I was born Mexican. I came to the US and started getting some of the customs here. I will never be American because I was not born here and I was not raised with the culture. But when I go back to Mexico Ill be treatened differently. Cuz Im not really from over there anymore. So I am not Mexican I am not American but I am a place where I am comfortable with that. I begin to realize that I am not ni de aqui ni de alla. That’s a chicano to me. It’s a new culture that embraces living in the US but grows up with Mexican culture. Further than that I have begun to educate and empower myself. So I think all of this makes me Chicana. But thats just me.”

(www.soychicano.com, Topic: Define Chicano, Posted: Sun, Aug 29, 2004 10:46 pm, siehe Anhang, Teil 1, S.1)[16]

Dieser Beitrag wird von dem Folgenden ergänzt:

ChicanoAngel:

Quote: I dont think you can define Chicano. Its different to all people.[17]

“true some ppl see it as just pride, i know a girl I´m stationed with and said one day “yeah your chicano i can tell by your pride, i´m just mexican” i asked what she ment she couldn´t get me a reson”

(www.soychicano.com, Topic: Define Chicano, Posted: Mon, Aug 30, 2004 2:20 am, siehe Anhang, Teil 1, S.2)

Die Äußerung von lizdIt verdeutlicht das Gefühl der nicht empfundenen Zugehörigkeit zu weder der mexikanischen noch der angloamerikanischen Kultur. Dieses Gefühl unterstreicht sie mit der Aussage: „I´m not ni de aqui ni de alla“. Sie weiß, dass sie nie US-Amerikanerin sein wird, aber gleichzeitig merkt sie, dass sie nicht mehr der mexikanischen Kultur angehört. Sie fühlt sich aber trotz allem wohl in dieser Situation. Sie bezeichnet „Chicano“ als eine neue Kultur, die das Leben auf US-amerikanischen Territorium mit mexikanischer Kultur beinhaltet. Die letzte Aussage: „I have begun to educate and to empower myself“ zeigt den politischen und kämpferischen Aspekt der Chicanos.

ChicanoAngel hebt den Aspekt „Stolz“ der Chicanos hervor. Der „Stolz“ scheint nicht nur typisch für das Chicano Movement zu sein, sondern auch in der Gegenwart einen wichtigen Stellenwert zu haben. Auch der folgende Beitrag von MiNumero3 misst dem Stolz eine wichtige Bedeutung bei.

MiNumero3:

“(…) While chicano is a term of pride for many Mexican Americans, it remains a word with strong political associations. Since these politics are not necessarily espoused by all Mexican Americans, and since usage and acceptance of this word can vary from one region to another, an outsider who is unfamiliar with his or her audience may do well to use Mexican American instead (…).”

(www.soychicano.com , Topic: Define Chicano, Posted: Thu, Aug 19, 2004 6:32 am, siehe Anhang, Teil 1, S.2)

Dieser Beitrag verdeutlicht, dass der Begriff Chicano auch heutzutage nicht mit Mexican-American gleichzusetzen ist.[18] Außerdem deutet MiNumero3 ebenso wie lizdIt darauf hin, dass der Begriff Chicano abhängig von der Region unterschiedlich verstanden werden kann und somit keine einheitliche Bedeutung hat.

2.3.3 Die Chicanos und Sprachen

Die Geschichte zeigt, dass spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts reger Sprachkontakt zwischen der spanischen und der englischen Sprache auf dem nordamerikanischen Kontinent stattfand, der seit dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg immer intensiver wurde. Dieser Sprachkontakt hat Einfluss auf die Sprache der Chicanos. Zum einen hat der Sprachkontakt zum Phänomen des Code-switching unter den Chicanos geführt.[19] Zum anderen hat sich besonders unter den Jugendlichen eine Art Jugendsprache durchgesetzt: das caló. Caló wurde ursprünglich von den spanischen gypsies (Zigeunern) gesprochen und gilt als argot bzw. Slang (vgl. Webb 1982: 121), der von unterschiedlichen Sprachen beeinflusst ist (vgl. Castro 2000: 38f.; Ortega 1991: xi). Caló wurde von den spanischen Eroberern nach Nueva España gebracht und behielt auf dem neuen Kontinent den Status der Sprache der Armen bei. Später wurde der argot in den Südwesten der USA getragen (vgl. Castro 2000: 38). Mittlerweile gilt caló u.a. als Slang der Chicanos. Chicanos sind stolz, wenn sie die caló -Begriffe kennen und wissen, wie sie benutzt werden (vgl. Castro 2000: 38).

Zur Verdeutlichung sollen an dieser Stelle – auch mit Hinblick auf die Analyse der Chicano-Internetforen - einige ausgewählte Beispiele von caló mit der englischen Übersetzung gegeben werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(vgl. Ortega 1991)

Da das zentrale sprachwissenschaftliche Thema dieser Arbeit das Phänomen des Code-switching ist, wird nicht weiter auf das caló eingegangen, sondern nun das Code-switching behandelt.

3 Die Theorie des Code-switching

Das Phänomen des Code-switching wurde schon am Ende des 19. Jahrhunderts erkannt, aber noch nicht als solches bezeichnet. Im Jahr 1884 zitiert Hugo Schuchardt (1884) einen Italiener, der beim Gebrauch der Präposition vor einem Ortsnamen innerhalb eines deutschen Diskurses ins Italienische umschaltet: „Er wohnt nella Heinrichstraße“ (vgl. Schuchardt 1884: 9). Allerdings wurde das Code-switching erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in den sprachwissenschaftlichen Diskurs aufgenommen. Vor dieser Zeit wurde dem Code-switching in der Sprachwissenschaft wenig Beachtung geschenkt, weil die Auffassung vorherrschte, dass Code-switching willkürlicher Art sei und eine negative Haltung gegenüber dem Phänomen Code-switching herrschte (vgl. Lance 1975; Poplack 1982: 233; Grosjean 1982: 146; Myers-Scotton 1990: 86; Ikas 2004: 792).[20]

Das Code-switching ist ein Sprachkontaktphänomen, dem man sich auf zwei unterschiedlichen sprachwissenschaftlichen Herangehensweisen nähern kann: auf der strukturellen Ebene und auf der soziolinguistischen Ebene. Nach einer Begriffsklärung werden diese beiden Herangehensweisen erläutert.

3.1 Definition

Der Wechsel zwischen zwei Codes bzw. zwischen zwei Sprachen in einem Diskurs zeichnet im Allgemeinen das Code-switching aus. „Codeswitching ist der Gebrauch von zwei oder mehr Varietäten (d.h. Sprachen, Dialekten, Soziolekten, Stilvarianten usw.) in einer und derselben Interaktion“ (Bechert/Wildgen 1991: 59). Diese sehr allgemein gehaltene Definition beschreibt das Wesen des Code-switching.

Alle Sprachkontaktforscher scheinen mit der oben angegebenen allgemeinen Definition übereinzustimmen. Allerdings kann Code-switching im Detail auf verschiedenen Ebenen betrachtet und untersucht werden. Abhängig davon haben verschiedene Linguisten den Begriff unterschiedlich definiert. An dieser Stelle werden einige Definitionen vorgestellt, um einen ersten Einblick in die unterschiedlichen Betrachtungsebenen zu geben, die im Fortlauf der Arbeit genauer beschrieben werden.[21]

Shana Poplack (1990) definiert Code-switching wie folgt:

“Codeswitching is the juxtaposition of sentences or sentence fragments, each of which is internally consistent with the morphological and syntactic (and optionally, phonological) rules of the language of its provenance” (Pütz 1993: 183 zit. n. Poplack 1990).

Diese Beschreibung von Code-switching deutet auf die strukturelle Betrachtungsweise von Code-switching hin. Shana Poplack ist der Auffassung, dass der Wechsel zwischen zwei Sprachen in einer Äußerung nicht die syntaktischen Regeln der jeweils anderen Sprache verletzt, d.h. der Wechsel zwischen zwei Sprachen bzw. Codes keine ungrammatikalischen Äußerungen auslöst und somit die Sprache bzw. der Code nur an bestimmten Orten im Satz gewechselt wird.

Im Gegensatz zu Shana Poplack betrachtet Carol Myers-Scotton (1993) das Phänomen Code-switching unter soziolinguistischen Gesichtspunkten:

“CS [Codeswitching] is the selection by bilinguals or multilinguals of forms from an embedded language (or languages) in utterances of a matrix language during the same conversation” (Myers-Scotton 1993: 4).

Anhand dieser Definition verweist sie auf die Bilingualen oder Multilingualen als aktive Sprecher, denen zwei oder mehrere Codes bzw. Sprachen zu Verfügung stehen und die im Diskurs eine Auswahl treffen, welche der beiden Sprachen sie verwenden. Diese Sichtweise zieht den aktiven Sprecher beim Sprechakt mit ein und deutet auf den funktionalen Charakter von Code-switching hin.

Martin Pütz (1993) integriert diese beiden Sichtweisen und gibt auf diese Weise eine umfassendere und explizitere Darstellung des Begriffs Code-switching:

„Code-switching verweist generell auf den alternierenden, funktionalen Gebrauch zweier oder mehrerer Sprachen in sozialen Situationen bzw, in interaktionaler Kommunikation (Konversation). CS-Erscheinungen lassen sich in ihrer sozialen und linguistisch/formalen Manifestierung auf Diskursebene, Satzebene, Phrasenebene oder Wortebene identifizieren“ (Pütz 1993: 184).

Pütz vereint in seiner Begriffsbestimmung den soziolinguistischen Ansatz und den strukturellen Ansatz von Code-switching. Die Begriffsbestimmung verdeutlicht, dass die soziolinguistische Sichtweise Code-switching als „stilistisches Diskursphänomen“ (Pütz 1993: 184) untersucht, während der strukturelle Ansatz sich mit den satzinternen Strukturen beschäftigt.

3.2 Abgrenzung von anderen Begriffen

Das Code-switching ist eines von mehreren Sprachkontaktphänomenen, die es untereinander abzugrenzen gilt. Im Folgenden wird das Code-switching von den Begriffen „Entlehnung“ und „Code-mixing“ unterschieden.[22] Dabei ist anzumerken, dass es der Sprachwissenschaft nicht möglich ist, eine klare und eindeutige Grenze zwischen den Begriffen zu ziehen.

3.2.1 Code-switching und Entlehnung

Einar Haugen (1956) war einer der ersten, der den Begriff Code-switching definierte: „Code switching occurs when a bilingual introduces a completely unassimilated word from another language in his speech“ (Haugen 1956: 40).[23] Diese Definition lässt keine Unterscheidung zwischen den Begriffen Code-switching und Entlehnung zu, weil sie sich lediglich auf die Übernahme nur eines einzigen linguistischen, nicht assimilierten Elements aus der L1-Sprache in die L2-Sprache - oder umgekehrt - bezieht. Diesen Mangel an Eindeutigkeit in Haugens Definition soll als Grundlage benutzt werden, um den bedeutsamen Unterschied zwischen Code-switching und Entlehnung darzustellen.

Da das Code-switching eine gute Beherrschung zweier Sprachen erfordert, sind bilinguale Sprechgemeinschaften bei der Abgrenzung von Entlehnung und Code-switching von besonderer Bedeutung (vgl. Poplack 1982: 248). In monolingualen Sprechgemeinschaften ist es relativ unproblematisch, Entlehnungen, besonders lexikalische Entlehnungen, zu identifizieren (vgl. Pütz 1993: 185f.) In bilingualen Sprechgemeinschaften, deren Sprecher zwei verschiedene Sprachsysteme beherrschen, ist dies komplizierter (vgl. Pütz 1993: 185 f.).

Shana Poplack differenziert zwischen Entlehnungen und Code-switching auf linguistischer Ebene. Anhand der von ihr entworfenen Tabelle „Identification of code-switching according to type of integration into the base language“ kann überprüft werden, ob es sich um eine Entlehnung oder um Code-switching handelt (vgl. Poplack 1982: 232). Nach Poplack ist der Unterschied anhand des Grades der phonologischen, morphologischen oder syntaktischen Integration in die Basissprache[24] zu erkennen. Sobald ein Wort auf einer der drei oben genannten Ebenen, z.B. der phonologischen, nicht in die Basissprache integriert ist, handelt es sich um Code-switching. Nur wenn das Wort auf allen drei Ebenen in die Basissprache integriert ist, ist es eine Entlehnung (vgl. Poplack 1982: 232). Dieses Modell wurde jedoch durch Gegenbeispiele widerlegt, denn auch nicht vollständig in die Basissprache integrierte Wörter können Entlehnungen sein (vgl. Myers-Scotton 1990: 101).

Eine in der Literatur vorgeschlagene Bestimmungsgröße zur Unterscheidung zwischen Code-switching und Entlehnungen ist die Verbreitung und die Häufigkeit der Verwendung von Wörtern der einen Sprache (L1-Sprache) in einer anderen Sprache (L2-Sprache) (vgl. Poplack/Sankoff 1984: 101f.). Je häufiger ein Lehnelement gebraucht wird, desto schneller wird das Element assimiliert und sozial akzeptiert, so dass der Grad der Integration dementsprechend schneller erreicht wird. So entwickelt sich ein Wort vom „Code-Switch“ mit häufiger Erscheinungsfrequenz zur Entlehnung (vgl. Pütz 1993: 187; Poplack/Sankoff 1984: 101f.). Allerdings gestaltet sich die Frequenzmessung problematisch, da es sich bei dem Gebrauch von Entlehnungen meist um lexikalische Lehnelemente handelt, die themenspezifisch und nur in bestimmten Situationen geäußert werden (vgl. Pütz 1993: 187). Somit kann die Frequenz lexikalischer Entlehnungen nur durch Langzeitstudien sowie durch intensive ethnographische Feldforschung gemessen werden, um auf diese Weise eine Entlehnung von einem „Code-switch“ zu unterscheiden (vgl. Pütz 1993: 187). Außerdem kann ein Wort aus der L1-Sprache, das häufig in der L2-Sprache realisiert wird, oder umgekehrt, fälschlicherweise als Lehnelement identifiziert werden, obwohl es ein häufig gebrauchter „Code-switch“ ist (vgl. Poplack/Sankoff 1984: 104; Pütz 1993: 187).

Carol Myers-Scotton weist dem Code-switching eine soziale Bedeutung zu, indem sie behauptet, dass Code-switching von bilingualen Sprechern aus diskursstrategischen Gründen eingesetzt wird.[25] (vgl. Myers-Scotton 1990: 85ff.) Entlehnungen werden auch von Monolingualen gebraucht und haben keine soziale Bedeutung. Sie sind nur eine begrenzte, genau vorgegebene Menge von entlehnten Wörtern, dessen Gebrauch ungefähr vorhersehbar ist. Der Gebrauch von Code-switching ist hingegen immer wieder eine Innovation (vgl. Myers-Scotton 1990: 105). Carol Myers-Scotton stimmt mit der Aussage von Penelope Gardner Chloros “In short, a loan is a codeswitch with a full time job” (Gardner Chloros 1984: 102) überein. Deshalb sieht sie in der Frequenzmessung die einzige Möglichkeit, zwischen Entlehnungen und Code-switching zu unterscheiden (vgl. Myers-Scotton 1990: 105).

Eine klare Differenzierung zwischen Entlehnungen und Code-switching gibt es nicht (vgl. Pütz 1993: 185; Myers-Scotton 1990: 101). Carol Pfaff vertritt die gleiche Meinung: „There has been, however, little agreement as to how the distinction is to be made” (Pfaff 1982: 270). Die Schwierigkeit Lehnelemente in bilingualen Sprachgemeinschaften zu identifizieren ist der ausschlaggebende Grund hierfür. Carol Pfaff erkennt bereits 1982, dass es nur durch intensive Studien der Sprachen in der jeweiligen Sprechgemeinschaft möglich wird, lexikalische Entlehnungen zu identifizieren und somit vom Code-switching abzugrenzen (vgl. Pfaff 1982: 271).

3.2.2 Code-switching und Code-mixing

Peter Auer (1998) differenziert zwischen Code-switching und Code-mixing. Nach Auer ist Code-switching lokal interpretierbar, d.h. dass beim Code-switching der Codewechsel im Diskurs interpretiert werden kann. Code-switching bezeichnet also den Sprach- bzw. Codewechsel, der eine diskursstrategische Bedeutung hat und von den Sprechern bewusst gewählt wird, um ein bestimmtes Ziel im Diskurs zu erreichen.[26] Somit hat Code-switching eine lokale Funktion (vgl. Auer 1998: 16).

Dem Code-mixing schreibt Peter Auer keine lokale Bedeutung zu, sondern eine globale Funktion. Er bezeichnet den Sprach- oder Codewechsel, mit dem der Sprecher keine diskursstrategischen Absichten verfolgt, als Code-mixing (vgl. Auer 1998: 15f.). Diese Form von Sprach- oder Codewechsel verweist auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (vgl. Auer 1983: 65) und lässt somit Rückschlüsse auf die soziale bzw. kulturelle Identität des Sprechers zu.[27]

Bei einer genaueren Betrachtung dieser theoretische Unterscheidung wird schnell deutlich, dass es bei der Diskursanalyse schwierig sein kann, zu erkennen, ob der Sprecher bestimmte diskursstrategischen Ziele verfolgt oder nicht, bzw. Code-switching oder Code-mixing betreibt. Auch Peter Auer weist auf die Problematik hin, dass Code-switching und Code-mixing in ein und derselben Konversation auftreten können und es schwierig ist, die beiden Phänomene auseinanderzuhalten (vgl. Auer 1998: 16).

Es ist darauf hinzuweisen, dass Peter Auer dem Begriff Code-mixing erst relativ spät die oben beschriebene Bedeutung beimisst. Das bedeutet erstens, dass die Sprachkontaktforscher vor dieser Zeit unter Code-mixing etwas anderes verstanden, z.B. benutzt Carol Pfaff (1982) den Begriff Code-mixing, wenn sie von Code-switching spricht. Zweitens ist Peter Auers Begriffsdefinition ebenfalls auch nicht von allen Sprachkontaktforschern übernommen worden. (Bechert/Wildgen 1991: 65; Muysken 2002: 1). Pieter Muysken versteht ebenfalls unter Code-mixing, dass, was hier unter satzinternen Code-switching[28] verstanden wird: „I´m using the term code-mixing to refer to all cases where lexical items und grammatical features from two languages appear in one sentence“ (Muysken 2002: 1). Somit ist Vorsicht geboten bei dem Gebrauch des Begriffs Code-mixing. In dieser Arbeit wird er mit der Bedeutung, die Peter Auer ihm beigemessen hat, verwendet, und tritt erst wieder im Analyseteil auf.

3.3 Code-switching auf struktureller Ebene

Für die Darstellung des Code-switching auf struktureller Ebene werden zuerst die unterschiedlichen Code-switching-Typen vorgestellt, um eine Grundlage für die strukturelle Herangehensweise zu schaffen. Anschließend wird eine zweite Grundlage geschaffen, indem die grammatikalischen bzw. strukturellen Unterschiede zwischen der englischen und der spanischen Sprache aufgezeigt werden. Diese Grundlagen sollen zum Verständnis der im Anschluss aufgeführten Regelmäßigkeiten des Code-switching auf der strukturellen Ebene dienen. Zunächst werden die für das Sprachpaar Spanisch/Englisch geltenden Restriktionen, die beschreiben, an welchen Orten im Satz kein Sprachwechsel stattfindet, vorgestellt. Ergänzend dazu werden typische switching points, d.h. Orte im Satz, an denen die beiden Sprachen besonders häufig gewechselt werden, aufgezeigt.

3.3.1 Code-switching Typen

Shana Poplack (1982) unterscheidet drei verschiedene Code-switching-Typen: das satzexterne Code-switching (intersentential codeswitching), das satzinterne Code-switching (intrasentential codeswitching) und das emblematische Code-switching (tag switching) (vgl. Bechert/Wildgen 1991: 65; Poplack 1982: 237).

Das satzexterne Code-switching

Das satzexterne Code-switching bezeichnet den Sprachwechsel zwischen zwei Sätzen, d.h. an den Satzgrenzen (vgl. Bechert/Wildgen 1991: 65). Ein vollständiger Satz in der L1-Sprache folgt einem Satz, der zuvor in der L2-Sprache geäußert wurde. Das satzexterne Code-switching bietet der strukturellen Analyse wenig nützliche Informationen, da unterschiedliche einzelne Sätze ohne syntaktische Regeln verbunden sind (vgl. Bechert/Wildgen 1980: 65). Nach Shana Poplacks Auffassung beinhaltet das satzexterne Code-switching nicht nur das Code-switching zwischen Sätzen, sondern auch das Wechseln des Codes bei Füllwörtern, Interjektionen, Redewendungen und Zitaten (Poplack 1982: 249), da diese nicht fest in die Struktur eines Satzes mit eingebunden sind.

Das satzinterne Code-switching

Das satzinterne Code-switching hingegen beschreibt den Sprachwechsel innerhalb eines Satzes (vgl. Bechert/Wildgen 1991: 65). Diese Form von Code-switching ist unter grammatisch-syntaktischen Gesichtspunkten am interessantesten, da innerhalb eines Satzes der Code zwischen unterschiedliche Satzteilen oder Wörtern gewechselt wird (vgl. Bechert/Wildgen 1991: 65).

Innerhalb des satzinternen Code-switching unterscheidet man zwischen maximalen und minimalen Konstituenten (vgl. Poplack 1982: 249; Pütz 1993: 184). Unter minimalen Konstituenten sind einzelne Wörter wie beispielsweise Nomen, Verben, Hilfsverben, Adjektive, Adverbien etc. zu verstehen, die innerhalb eines L1-Satzes in dem Code der L2 auftreten können. Die maximalen Konstituenten hingegen sind Satzteile wie Nominalphrase, Verbalphrase, Präpositionalphrase oder Relativsätze (Poplack 1982: 249).

[...]


[1] Die expliziten Ziele dieser Arbeit werden formuliert, nachdem ein Einblick in die Code-switching Terminologie gegeben wurde.

[2] Die Gründe für den Mexikanisch-Amerikanischen Krieg sowie sein Verlauf werden in spanischsprachigen und englischsprachigen Geschichtsbüchern sehr unterschiedlich dargestellt. Die US-amerikanischen Geschichtsbücher betonen, dass die in den eroberten Gebieten lebenden Mexikaner das Einmarschieren der US-Truppen als Erleichterung empfanden, weil sie der mexikanische Staat vernachlässigt hatte (vgl. Bentley 1973: 45). Hingegen wird in spanischsprachigen Geschichtsbüchern, besonders in den Werken aus den 60er und 70er Jahren, von einer brutalen Invasion gesprochen (vgl. Lopez y Rivas 1973: 30).

[3] Der Begriff Chicano wurde erst in den 60er Jahren populär, deshalb spreche ich hier von Mexiko-Amerikanern.

[4] Das sogenannte bracero -Programm trat 1942 in Kraft und beinhaltete die Entsendung mexikanischer Gastarbeiter für einen begrenzten Zeitraum in die USA, in dem sie einen vorher festgelegten Arbeitsauftrag erfüllen mussten. Viele kehrten nach Ablauf des Vertrags nicht nach Mexiko zurück, sondern blieben in den USA. Das bracero -Programm endete erst 1965 endgültig (vgl. Hensel 2004: 99f.).

[5] Sie wurden auch pachucos genannt (vgl. Castro 2000: 194). Rafaela G. Castro gibt eine umfangreiche Erläuterung zu dem Begriff pachuco (vgl. Castro 2000: 193ff.).

[6] Acuña spricht von Pachuco Riots (vgl. Acuña 1972: 203).

[7] Die Bürgerrechtsbewegungen werden als Chicano Movement (vgl. García 1996: 83ff.) sowie als El Movimiento (vgl. García 1996: 85) bezeichnet. Heide spricht von Chicano Power Movement (vgl. Heide 2004: 25).

[8] Der Begriff „Chicano“ wurde bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts benutzt und hatte in der Regel eine abwertende und beleidigende Bedeutung. Allerdings drückte sein Gebrauch in vertrautem Kreis unter mexikanisch-stämmigen Personen auch Vertrauen und positiven Umgang aus (vgl. Hensel 2004: 287).

[9] Der Begriff der kollektiven Identitätskonstruktion wird von Silke Hensel benutzt (vgl. Hensel 2004: 290 ff.) Karin Ikas spricht hingegen von ethnischer Selbstidentifikation (vgl. Ikas 2000: 5).

[10] Alustria ist der Künstlername von Alberto Baltazar Urista Heredia (vgl. Heide 2004: 28f.)

[11] Aztlán ist ursprünglich ein real-geographischer Begriff in Nahuatl, mit dem das Gebiet des heutigen Nordmexikos und der amerikanischen Südstaaten gemeint war (vgl. Piller 1991: 58).

[12] Der Begriff La Raza wurde häufig auf die Theorie La Raza Cósmica von José Vasconcelos, einem mexikanischen Kulturkritiker, zurückgeführt (vgl. Heide 2004: 29; Hensel 2004: 295). Diese Theorie bezeichnet La Raza Cósmica als eine neue kosmische Rasse, die alle positiven Eigenschaften aller Rassen in einer Rasse vereint und somit auf eine Welt ohne rassistische Vorurteile hoffen lässt (vgl. Piller 1991: 58).

[13] Das U.S. Department of Labor bezeichnet diese Gruppe als „working poor“ (vgl. U.S. Department of Labor 2002: Online).

[14] Barrios sind Stadtviertel. In den USA sind barrios auch als ethnische Enklaven zu verstehen.

[15] Wendt stellt fest, dass die Bezeichnung ethnischer melting pot für die USA unzutreffend ist (vgl. Wendt 1992: 1018).

[16] Alle in der Arbeit zitierten Forenbeiträge werden unverändert dargestellt, d.h. Rechtschreibfehler etc. werden übernommen.

[17] Der Beitrag von ChicanoAngel bezieht sich auf die von ihm markierte Aussage von lizdIt. ChicanoAngel zitiert einen Teil des Forenbeitrags von lizdIt und drückt sein Einverständnis aus.

[18] Dies steht im Widerspruch zu der Aussage von Karin Ikas (2004), dass der Begriff Chicano mittlerweile mit dem Begriff Mexican-American gleichgesetzt werden kann und dass er sich auf alle US-Bürgerinnen und Bürger mexikanischer Herkunft gleichermaßen anwenden lässt (vgl. Ikas 2004: 790).

[19] Das Code-switching wird in dem nächsten Teil der Arbeit ausführlich behandelt.

[20] Francois Grosjean befragte 1982 bilinguale Chicanos zu ihrer Haltung gegenüber Code-switching. Einige der Antworten lauteten: „Switching is done mostly out of laziness“ oder „It is embarrassing” (Grosjean 1982: 147). Karin Ikas (2004) weist darauf hin, dass man der Auffassung war, dass Code-switching als Kennzeichen mangelnder Sprachkenntnisse gewertet wurde (vgl. Ikas 2004: 792).

[21] Die von mir vorgenommenen grauen Markierungen sollen hier dazu dienen, bestimmte Textpassagen in einem Zitat hervorzuheben.

[22] Code-switching tritt ebenfalls häufig in Verbindung mit den Sprachkontaktphänomenen „Interferenz“ und „Konvergenz“ auf (vgl. Heller/Pfaff 1996: 598). Auch hier ist die Abgrenzung nicht unproblematisch. In dieser Arbeit werden diese Phänomene nicht behandelt.

[23] Uriel Weinreich (1953) spricht ebenfalls bereits von Sprachumschaltung ohne es explizit als Code-switching zu bezeichnen.

[24] Die Basissprache ist die Sprache „to which a majority of phonological and morphological features of discourse can be attributed“ (Poplack 1982: 232).

[25] Mehr Informationen dazu unter „Funktionales diskursstrategisches Code-switching“ (Punkt 3.4.3 )

[26] Mehr Informationen dazu unter „Funktionales diskursstrategisches Code-switching“ (Punkt 3.4.3)

[27] Das Code-mixing ist mit dem overall switching von Shana Poplack (1982) und der unmarkierten Sprachwahl des Markedness Modell von Carol Myers-Scotton (1993) zu vergleichen.

[28] „satzinternes Code-switching“ (siehe Punkt 3.3.1.2)

Ende der Leseprobe aus 107 Seiten

Details

Titel
Code-switching in Chicano-Internetforen
Hochschule
Universität Bremen
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
107
Katalognummer
V71682
ISBN (eBook)
9783638623261
Dateigröße
1659 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Code-switching, Chicano-Internetforen
Arbeit zitieren
Katrin Lohmeier (Autor:in), 2005, Code-switching in Chicano-Internetforen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71682

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