Die Verantwortung zu beschützen: humanitäre Interventionen und die Souveränität der Staaten


Studienarbeit, 2007

30 Seiten


Leseprobe


GLIEDERUNG

1 Einleitung

2 Völkerrecht
2.1 Staatenrecht und Souveränität
2.2 „Menschenrecht“ und Selbstbestimmung

3 Humanitäre Intervention
3.1 Das Spannungsfeld zwischen Menschenrechten und staatlicher Souveränität
3.2 Recht zur Intervention
3.3 Pflicht zur Intervention
3.4 Der Sinn einer Intervention
3.5 Der Begriff des Weltfriedens

4 Die Internationale Kommission für Intervention und Staatssouveränität: „Die Verantwortung zu beschützen“

5 Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit wurde als Modulprüfung für den Studiengang „Master of Peace Studies“ an der FernUniversität Hagen erstellt. Sie präsentiert eine auf hauptsächlich völkerrechtlicher Basis erstellte Darstellung des Spannungsfeldes zwischen humanitären Interventionen bei Menschenrechtsverletzungen und der völkerrechtlichen Souveränität der Staaten. Nach eingehender Analyse der aktuellen Situation und der Tendenzen über die letzten 15 Jahre wird der Blickwinkel auch auf moralnormative Aspekte und Forderungen ausgeweitet. Dies erlaubt es die Brücke zu schlagen zum wahrscheinlich aktuellsten und profundesten Versuch das bestehende Völkerrecht in diesem Bereich entscheidend umzuinterpretieren: der Verantwortung zu beschützen.

Im ersten Kapitel wird die Thematik umrissen indem das Spannungsfeld zwischen staatlicher Souveränität, Selbstbestimmung der Völker und Verletzung der Menschenrechte sowie der völkerrechtliche Begriff des „Volkes“ definiert werden. Das Konzept der staatlichen Souveränität wird nach ihren Grenzen abgesucht. Diese befinden sich in diesem Falle hauptsächlich bei der Gefährdung des Weltfriedens und der internationale Sicherheit nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen. Der UN-Sicherheitsrat spielt hier die entscheidende Rolle. Der Gedanke wird alsbald weitergesponnen über die innere und äußere Selbstbestimmung von Staaten und die Beziehung zwischen dem Volk und der Regierung, hauptsächlich im völkerrechtlichen Sinne. Dazu wird auch dem Terminus „Volk“ ein begrifflicher Rahmen gegeben.

Im zweiten Kapitel widmen wir uns dann den humanitären Interventionen ganz konkret. Aufgezeigt und kritisiert wird der Prozess wie diese zustande kommen und welche versteckten Motivationen dabei allenfalls eine Rolle spielen können. Am Beispiel verschiedener Resolutionen von 1991, bezüglich des Iraks, bis zur Albanienresolution 1997 wird dargelegt, wann der Sicherheitsrat massive Menschenrechtsverletzungen als Gefährdung für den Weltfrieden einstuft. Dies ermöglicht es diesbezügliche Trends in der Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts zu verfolgen.

Die Frage nach dem Recht zur Intervention führt uns sogleich zur Analyse wie Menschenrechtsverletzungen zu einer Angelegenheit der internationalen Staatengemeinschaft und somit völkerrechtlich geahndet werden können. Um den Blickwinkel ein wenig auszuweiten und auch mal vom Völkerrecht wegschweifen zu lassen wird ein Kriterienkatalog für das Recht auf humanitäre Intervention mit 15 moralnormativen Punkten aus unterschiedlichsten Quellen vorgestellt. Diese Anforderungen werden dann nüchtern mit der völkerrechtlichen Praxis verglichen.

Unweigerlich folgt die Frage nach der Pflicht zur Intervention, diese wird andiskutiert, vor allem vor dem Hintergrund der mehrfach schmerzlich erfahrenen Unfähigkeit oder des Unwillen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu handeln bei Fällen offensichtlicher massiver Menschenrechtsverletzungen. Um auch die kritischsten Geister zu befriedigen soll auch die Hinterfragung nach dem praktischen Sinn und Zweck einer humanitären Intervention nicht fehlen. Diese weitet zuerst den Blickwinkel auf entwicklungspolitische Dimensionen und nachhaltige Konflikttransformation aus um schlussendlich den Nutzen und die Grenzen von humanitären Interventionen zum Beitrag dieser aufzuzeigen. Beim Versuch den Begriff des Weltfriedens fassbar zu machen wird dessen wichtige direkte Beziehung zum Interventionsverständnis klar. Postuliert wird klar ein positiver, also umfassender Friedensbegriff.

Als ein möglich gangbarer Weg zur Regelung des Widerspruch zwischen Souveränität der Staaten und massiver Menschrechtsverletzungen wird das von der Internationalen Kommission für Intervention und Staatssouveränität erstellte Konzept der Verantwortung zu beschützen präsentiert. Dieses bezieht eindeutig Stellung für den Primat der Menschenrechte und geht so weit, einen geschichtlich einmaligen Paradigmenwechsel im Völkerrecht zu fordern.

Auf eine in der Literatur anzutreffende Unterscheidung[1] zwischen humanitärer Intervention – Anwendung von Waffengewalt durch einen Einzelstaat zum Schutz der Staatsangehörigen eines fremden Staates vor groben Menschrechtsverletzungen – und kollektiver Sicherung – militärische Aktion der Vereinten Nationen, um Menschen vor Menschenrechtsverletzungen durch ihren Heimatstaat zu schützen – wird bewusst verzichtet. Stattdessen wird der Begriff humanitäre Intervention, wie oft üblich, für militärische Aktionen zum Schutz Staatsangehöriger eines fremden Staates auf dessen Territoriums verwendet, dies unabhängig davon, ob es sich um die Aktion entsprechend einer Resolution des Sicherheitsrat der Vereinten Nationen handelt oder um nicht.

2 Völkerrecht

Entscheidend für die zugrunde liegende Fragestellung ist das in einschlägigen Fällen völkerrechtsinhärente Spannungsfeld zwischen der in der Charta der Vereinten Nationen formulierten Souveränität der Staaten und den Menschenrechten, die sich aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, den entsprechenden Zusatzprotokollen und dem sich daraus ergebenden völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht ergeben. Beide Konzepte gehen letztlich vom Selbstbestimmungsrecht der Völker der aus. Problematisch ist dabei allerdings die begriffliche Definition ebendieses Volkes. Entsprechend der völkerrechtlichen Terminologie und je nach hinzugezogenem Völkerrechtsdokument oder -prinzip kann „das Volk“ als politische Institution, also als der Staat, oder aber als Personengruppe im ethnischen oder sozialen Sinne, mit oder ohne politische Repräsentanz, verstanden werden. Obwohl Staaten in den Vereinten Nationen vertreten sind, können diese auch als Vertreter ihrer politischen Gemeinschaften aufgefasst werden, denn es heißt in der Präambel der UN-Charta: „Wir, die Völker der Vereinten Nationen“. Souveränität und Selbstbestimmung werden also gleichzeitig den Völkern und ihren Regierungen, die beide zusammen einen Staat bilden, zugesprochen.[2] Es wird außerdem unterschieden zwischen dem äußeren[3] und dem inneren[4] Selbstbestimmungsrecht.

Bei massiven Verletzungen von Menschenrechten und fehlendem Willen oder Möglichkeiten diese zu beheben von seitens des betroffenen Staates, steht die internationale Gemeinschaft, die prinzipiell für beide Konzepte eintritt vor einem grundsätzlichen Widerspruch. Wir wollen also zuerst näher auf die beiden Ansätze eingehen.

2.1 Staatenrecht und Souveränität

Die Souveränität der Völker, und somit im klassischen Verständnis der Staaten[5], basiert auf der Charta der Vereinten Nationen[6], verschiedenen Resolutionen[7], den zwei Menschenrechtspakten von 1966, der „Friendly Relations Declaration“ von 1970 sowie natürlich dem völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht und wurde auf regionaler Ebene zum Beispiel durch die Schlussakte der Helsinki Konferenz von 1975 (Punkt VIII des 1. Korbes) oder die Afrikanische Menschenrechtscharta von 1981 (Art. 20, Abs. 3) bekräftigt. Die UN-Charta spricht vom Selbstbestimmungsrecht der Völker, verstanden werden darunter allerdings meist die Staaten, denn diese sind Mitglieder der Vereinten Nationen. Völkerrechtlich betrachtet berechtigen zwei Umstände zum äußeren Eingriff in die Souveränität eines Staates, respektive zur Ausnahme vom Gewaltverbot:

- Die individuelle oder kollektive Selbstverteidigung im Falles eines Angriffes
- Die Gefährdung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit

Wird ein Staat angegriffen, darf es sich selbst oder kollektiv verteidigen, unter Anderem auch militärisch. Dies gilt beim Erleiden militärischer Gewalt. Dazu gehören ebenfalls Handlungen mit Waffengewalt durch Banden oder ähnliches, die durch einen Staat entsendet werden, sowie, seit der UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001), die Unterstützung oder Finanzierung terroristischer Aktionen durch Staaten.[8]

Für die vorliegende Studie von hauptsächlicher Bedeutung ist jedoch der Umstand der Gefährdung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, der, durch eine entsprechende Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, zur humanitären, sprich militärischen Interventionen gegen einen souveränen Staat berechtigt. Somit können theoretisch innerstaatliche Angelegenheiten, die den Weltfrieden gefährden, z.B. massive Menschenrechtsverletzungen oder Genozid, vom Völkerecht erfasst werden. Auf den Begriff des Weltfriedens sowie dessen Interpretation im Lichte der Menschenrechte durch den UN-Sicherheitsrat kommen wir an anderer Stelle zurück.

2.2 Menschenrecht und Selbstbestimmung

Das innere Selbstbestimmungsrecht garantiert den Völkern das Recht zur freien Gestaltung der Staatsordnung und folglich die entsprechende Beziehung zur Regierung. Konsequenterweise ist die äußere Selbstbestimmung, „die Souveränität der Staaten, nicht mehr Selbstzweck, sondern steht im Dienste der Rechte des Volkes und der Menschenrechte, als deren Institutionalisierung sie allein gerechtfertigt ist.“[9] In der Deklaration der Wiener Menschenrechtskonferenz wird in Artikel 2bis darauf hingewiesen, dass der Schutz und die Förderung von Menschenrechten und fundamentalen Freiheiten die erste Verantwortung von Regierungen sei. Der Internationale Gerichtshof bezeichnete im Urteil zum so genannten „Barcelona-Traction“-Fall die Prinzipien und Normen der menschlichen Grundrechte als staatliche Verpflichtung erga omnes, also als absolut. Dies bedeutet in letzter Konsequenz sogar, dass die Verletzung solcher Grundrechte von einem Staat als Verletzung der eigenen Rechte jedes anderen Staates bewertet werden kann, selbst wenn dieser nicht selbst betroffen ist.[10] Kofi Anan, ehemaliger Generalsekretär der Vereinten Nationen, kommentierte, dass „die Tatsache, dass Souveränität nicht nur Macht bedeutet, sondern ebenso auch Verantwortlichkeiten, und dass unter diesen Verantwortlichkeiten keine wichtiger ist als der Schutz der Bürger vor Gewalt und Krieg.“[11] Nebenbei bemerkt setzt dies theoretisch auch eine demokratische Staatsform voraus. In diesem Geiste verlangte die UN-Generalversammlung bereits 1946 in der Resolution 39 (I) die Durchführung von Wahlen und die Einsetzung einer vom Volkswillen getragenen Regierung in Spanien.[12] Der Staat hat, zumindest im klassischen westlichen Verständnis, gewisse Grundfunktionen zu erfüllen, zu denen gehören beispielsweise der Schutz der Bevölkerung und die Wahrung des inneren (Rechts-)Friedens[13].

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, im Verständnis des Volkes als einer (ethnischen) Gruppe menschlicher Subjekte mit oder ohne politische Repräsentanz, scheint auf den ersten Blick von nicht zwingend zentraler Bedeutung wenn es um die Definition und Benennung von Menschenrechtsverletzungen geht. Von außerordentlicher Bedeutung, auch im Sinne der Menschenrechte, ist jedoch das Prinzip, dass die Staaten als politische Institutionen und entsprechender völkerrechtlicher Souveränität nicht die einzigen Subjekte des Völkerrechts sind, sondern der Präsenz und dem Wille von Volksgruppen Rechnung tragen und ihre etwaigen Aktionen gegen diese völkerrechtlich verantworten müssen. Die Menschenrechte spiele dabei eine ganz entscheidende Rolle. So ist zum Beispiel eine Volksgruppe bei schweren Diskriminierungen zur Sezession berechtigt, falls notwendig auch gewaltsam[14].

Bleibt zu wiederholen, dass das Völkerrecht den Begriff Volk im ethischsozialen Sinne nicht genau definiert. Gewohnheitsrechtlich könnte seine Bedeutung am ehesten mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl einer „Volksgruppe umrissen werden. Weitere Kriterien wären zum Beispiel Gemeinsamkeiten wie: Territorium, Sprache, Kultur, Religion, geschichtliches Erbe oder ähnliches.

3 Humanitäre Intervention

Entgegen der Zusicherung der Souveränität der Staaten ist das Konzept der humanitären Intervention nicht in der Charta der Vereinten Nationen verankert, sondern führt über das (Interventions-)Recht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zur Verhängung von Zwangsmassnahmen bei Gefährdung des Weltfriedens nach Kapitel VII der UN-Charta. Die Auslegung ob der Weltfrieden gefährdet ist liegt völkerrechtlich betrachtet also in den Kompetenzen des Sicherheitsrats. Es wird von Fall zu Fall unterschieden, feste Richtlinien in diesem Sinne gibt es nicht. Diese Prozedur ist offensichtlich vor politisch motivierten Entscheidungen nicht gefeit. Einzig die Praxis des Sicherheitsrats gibt Anhaltspunkte wann Menschenrechtsverletzungen den Weltfrieden im völkerrechtlichen Sinne gefährden. Dies zu untersuchen ist insofern interessant, da sich allenfalls wiederholende Schemen als Völkergewohnheitsrecht festsetzen könnten. Dies wollen wir jetzt tun.

3.1 Das Spannungsfeld zwischen Menschenrechten und staatlicher Souveränität

Der Grat auf dem sich der Sicherheitsrat bezüglich der Gewichtung zwischen der Gefährdung des Weltfriedens und der Souveränität der Staaten bewegt ist schmal. Es gilt schwere Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden ohne Präzedenzfälle zu schaffen, die, durch Eingang ins Völkergewohnheitsrecht, humanitäre Interventionen unter Gewalteinsatz völkerrechtlich verbindlich machen, soweit die Interessen des Sicherheitsrats. Vom moralischen und friedenspolitischen Standpunkt her wäre es allerdings wünschenswert verbindliche Regel auf zustellen.

Völkerrechtlich gesehen sind es also die (politischen?) Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates, die definieren wann Menschenrechtsverletzungen den Weltfrieden und die internationale Sicherheit gefährden und somit zur Intervention der Staatengemeinschaft berechtigen. Es scheint also angebracht einige solcher Beschlüsse des Sicherheitsrates unter diesem Blickwinkel genauer zu betrachten.

- Resolution 688 (1991, kurz vor Ende des zweiten Golfkrieges), Bestätigung der staatlichen Souveränität des Iraks trotz Repressionen von Seiten der Regierung gegen die irakische Zivilbevölkerung und speziell die Kurden, die zu einem massiven Flüchtlingsstrom, auch über internationale Grenzen führte, und den internationalen Frieden und die Sicherheit in der Region gefährden. Diese Resolution ist insofern wegweisend, als dass zum ersten Mal in dieser Form die Verbindung zwischen Menschenrechtsverletzung und internationalen Frieden und Sicherheit ausformuliert wurde, wenn auch stark in Verbindung mit den grenzüberschreitenden Flüchtlingsströmen und somit nicht mehr rein innerstaatlich.
- Resolution 794 (1992), Peace - Enforcement Einsatz der UN-Truppen in Somalia. Nach mehreren unwirksamen Resolutionen ohne Gewalteinsatz beschließt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angesichts der, nach eigenen Worten, speziellen und einzigartigen Situation in Somalia die Resolution 794 um der Situation des drohenden Hungertodes von Hunderttausenden, der schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Behinderungen der humanitären Hilfe Herr zu werden. Dieser Beschluss wurde nochmals bestärkt durch die Resolution 814, die eindeutig die Anwendung von Zwang zur Durchsetzung der humanitären Hilfe und der Wiederherstellung der Staatlichkeit anordnete. Wichtig ist hierbei, dass zum ersten Mal eine innerstaatliche Situation ohne jegliche zwischenstaatliche Dimension als Friedensbedrohung definiert wurde, wenn auch Somalia als zerfallender Staat betrachtet wurde, der also die Sicherung der Menschenrechte gar nicht mehr wahrnehmen konnte.
- Die Resolutionen 807 (1993), 815 (1993), 819 (1993) und 824 (1993), alle berufen sich mehr oder weniger direkt auf Zwangsmassnahmen zur Sicherung der humanitären Hilfe im ehemaligen Jugoslawien, mit der die UNPROFOR (gegründet durch die Resolution 761, 1992) beauftragt war. Mit der Resolution 836 (1993) wird dann eine direkte Verbindung zwischen der (Nicht-)Beachtung des humanitären Völkerrechts und der Lösung des Konflikts, sprich der Friedensbedrohung, konstatiert. Das Thema Menschenrechte bleibt bei allen Resolutionen wegen des Widerstand Chinas ausgeklammert.[15]
- Resolution 940 (1994), Ermächtigung der Staatengemeinschaft zum Einsatz aller erforderlichen Mittel zur Überwindung der Militärmachthaber in Haiti. Die von den USA vorbereitete Intervention blieb durch Einlenken der Militärführung im letzten Moment aus. Als Begründung für die Resolution wurden angegeben: Verschlechterung der humanitären Lage, systematische Verletzung der Grundrechte, verzweifelte Lage der haitianischen Flüchtlinge und die Ausweisung einer zivilen Überwachungsmission. Wirklicher Grund scheint aber die Nichtbefolgung des „Governor Islands-Übereinkommen“ zwischen den USA und den Militärmachthabern in Haiti zu sein. Diese hat die Rückkehr Jean-Bertrand Aristide’s als Präsident Haiti’s postuliert.[16]
- Resolution 918 (1994), der Sicherheitsrat forderte die Truppen der Vereinten Nationen in Ruanda auf bei der Verteilung der humanitären Hilfe aktiv zu werden und nötigenfalls Schutzzonen einzurichten. Die humanitäre Notlage wurde in den Vordergrund gestellt, womit eine humanitäre Intervention beschlossen wurde. Jedoch war kein Staat bereit Truppen zu entsenden. Die USA verhinderten eine Klassifikation der Ereignisse als Völkermord, denn dies hätte sie zum Eingreifen verpflichtet. Die Resolution 925 (1994) wiederholte den Ruf zur Entsendung von Truppen. Schließlich folgte die Resolution 929 (1994). Darin machte der Sicherheitsrat deutlich, dass er in solchen humanitären Krisen ein Interventionsrecht besitze, worauf Frankreich in Ruanda militärisch intervenierte. Das Mandat beschränkte sich ausdrücklich auf die Hilfe für die Flüchtlinge und Zivilisten und schloss ein Eingreifen in die Kampfhandlungen zwischen den Regierungstruppen und den Tutsi aus.

[...]


[1] Zum Beispiel bei Horst Fischer: Der Schutz von Menschen im Krieg: Humanitäres Völkerrecht und humanitäre Intervention, in Friedenspolitik und Interventionspraxis, Hagen 1998, S. 64

[2] Vgl. Beate Jahn: Souveränität, Selbstbestimmung und Intervention: Historische Entwicklung und völkerrechtliche Konsequenzen, in Friedenspolitik und Interventionspraxis, Hagen 1998, S. 187, 188

[3] Souveränität des Staates. Recht zur Veränderung des Territorialstatus: Errichtung eines souveränen und unabhängigen Staates, freie Vereinigung mit einem unabhängigen Staat, Entstehung eines anderen, frei gewählten Status. Vgl. Hans-Joachim Heintze: Einführung ins Völkerrecht, Hagen 2002, S. 90

[4] Selbstbestimmung des Volkes. Recht zur freien Gestaltung der Staatsordnung durch das Volk in seiner Beziehung zur Regierung. Vgl. Hans-Joachim Heintze: Einführung ins Völkerrecht, Hagen 2002, S. 98

[5] Siehe Punkt 2

[6] Art. 1 Ziff. 2, Art. 2 Ziff. 7, Art. 55

[7] z.B. Res. 1514, 1960, Res. 3281, 1974

[8] Vgl. Hans-Joachim Heintze: Einführung ins Völkerrecht, Hagen 2002, S. 19

[9] Vgl. Hans-Joachim Heintze: Einführung ins Völkerrecht, Hagen 2002, S. 78

[10] Vgl. Brock und Elliesen: Humanitäre Intervention: Zur Problematik militärischer Eingriffe in innerstaatliche Konflikte, in Friedenspolitik und Interventionspraxis, Hagen 1998, S. 268

[11] Reaktion auf die Veröffentlichung des Berichts der Internationale Kommission zu Intervention und staatlicher Souveränität im Herbst 2001 in Chesterman, Simon: Discussions at the Release of „The Responsibility to Protect“, International Peace Academy 2002 zitiert in Christoph Krämer und Helge von Horn: Gibt es ein Recht zur humanitären Intervention? URL: : http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Interventionen/iciss-report.html, März 2007

[12] Vgl. Hans-Joachim Heintze: Einführung ins Völkerrecht, Hagen 2002, S. 101

[13] Vgl. Martin List: Internationale Politik und humanitäre Intervention, in Friedenspolitik und Interventionspraxis, Hagen 1998, S. 12

[14] Vgl. Hans-Joachim Heintze: Einführung ins Völkerrecht, Hagen 2002, S. 94

[15] Vgl. Hans-Joachim Heintze: Einführung ins Völkerrecht, Hagen 2002, S. 146

[16] Vgl. Hans-Joachim Heintze: Einführung ins Völkerrecht, Hagen 2002, S. 103

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Die Verantwortung zu beschützen: humanitäre Interventionen und die Souveränität der Staaten
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Institut für Frieden und Demokratie)
Autor
Jahr
2007
Seiten
30
Katalognummer
V71638
ISBN (eBook)
9783638695787
ISBN (Buch)
9783640204090
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verantwortung, Interventionen, Souveränität, Staaten
Arbeit zitieren
Dipl. Ing. Pascal Gemperli (Autor:in), 2007, Die Verantwortung zu beschützen: humanitäre Interventionen und die Souveränität der Staaten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71638

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Verantwortung zu beschützen: humanitäre Interventionen und die Souveränität der Staaten



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden