Die Turmgesellschaft in Wilhelm Meister´s Lehrjahren


Seminararbeit, 2007

16 Seiten, Note: bestanden


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Turmgesellschaft
2.1. Turmgesellschaft / Freimaurer
2.1.1. Goethes Verhältnis zur Freimaurerei
2.2. Turmgesellschaft als Gemeinschaft
2.2.1. Mitglieder der Turmgesellschaft
2.2.2. Funktion der Turmgesellschaft - Lenkung von Wilhelms Leben?
2.3 Programm / Projekt der Turmgesellschaft
2.3.1 Maximen
2.3.2 Lehrbrief

3. Zusammenfassung

4. Literaturliste

1. Einleitung

Diese Seminararbeit befasst sich mit der Turmgesellschaft in den Lehrjahren des Wilhelm Meister. Da die Turmgesellschaft in den Lehrjahren eine besondere, bedeutungsvolle Rolle einnimmt, lohnt es sich, diese näher zu untersuchen. Schon Schiller hat sich über die Turmgesellschaft der Lehrjahre geäußert und erkannt, dass „ ein verborgen wirkender, höherer Verstand, die Mächte des Turms “ Wilhelm Meister begleiten.[1] In der Forschung treten verschiedene Interpretationen der Turmgesellschaft auf, die zeigen, wie vielschichtig und komplex dieses Thema ist. Einige Aussagen aus der Forschung werden auch in diese Arbeit hineinfließen. Die drei wichtigsten Aspekte der Arbeit werden darauf beschränkt sein, welche sinngebende Rolle bzw. Funktion die Turmgesellschaft im Roman hat, wie sie agiert, welche Ziele sie verfolgt und wie die Auswirkungen der Turmgesellschaft auf den Romanprotagonisten Wilhelm Meister sind.

Obwohl die Turmgesellschaft erst gegen Ende des Romans im 7. und 8. Buch in den Vordergrund tritt, ist sie doch über den ganzen Romanverlauf hin von Anfang an präsent. Wilhelm erfährt erst sehr spät, dass er bisher von der Turmgesellschaft überwacht worden ist und in der Turmszene wird ihm bewusst, in welcher Form das geschehen ist. Die vier Gestalten der Turmgesellschaft, die so genannten Emmisäre, treffen an verschiedenen Stellen des Romans wie zufällig auf Wilhelm Meister und versuchen ihn durch Gespräche und Mahnungen zu beeinflussen. Dem Leser wird erst gegen Ende des Romans bewusst, dass alle die vorherigen Begegnungen Wilhelms mit den Emmiseren in einem Zusammenhang zu der Turmgesellschaft am Ende des Romans stehen und dass die Geschehnisse keine Zufälle, sondern von der Turmgesellschaft gewollt waren.

Die wichtigsten Mitglieder der Turmgesellschaft sind der Abbé, Lothario und Jarno. Zu diesen drei wichtigen Figuren sowie den Emmiseren komme ich im 2.Teil der Arbeit. Im Anschluss an diesen Teil geht es um das Programm der Turmgesellschaft und was es mit der geheimen Lenkung Wilhelms auf sich hat. In diesem Zusammenhang werden auch die Maximen der Turmgesellschaft zum Thema Bildung und Erziehung genauer betrachtet.

Da Goethe selbst Mitglied einer so genannten Freimauergesellschaft war, ist es auch im Hinblick auf das Auftreten der Turmgesellschaft in den Lehrjahren sinnvoll zu untersuchen, warum Goethe die Turmgesellschaft einführt? Finden sich Elemente der Freimaurerei auch in der Turmgesellschaft? Diese Fragen werden ebenfalls unter Punkt 2 der Arbeit behandelt.

Im dritten Teil der Arbeit werden das „Programm“ der Turmgesellschaft und der Lehrbrief näher untersucht. Dort stellt sich dem Leser die Frage, inwieweit der Lehrbrief und auch die Maximen der Turmgesellschaft Einfluss auf die Entwicklung Wilhelms gehabt haben.

2. Die Turmgesellschaft

Die Turmgesellschaft der Lehrjahre ist ein Zusammenschluss von Menschen mit aufgeklärten Idealen, die soziale Veränderungen herbeiführen möchten. Sie lenken Wilhelm Meisters Leben in eine neue Richtung, in dem sie ihn weg vom Theater hin zu einem tätigen Leben führen möchten. Diesem Zweck dienen die Begegnungen Wilhelms mit den vier Vertretern der Turmgesellschaft in den ersten 5 Büchern. Auch der Lehrbrief, den Wilhelm vom Abbé im 7.Buch/9.Kapitel erhält und der die Kunst und das Leben zum Thema hat, sollen Wilhelm Aufschluss über den Sinn der Turmgesellschaft geben und ihn dazu bewegen, der Theater-Kunst den Rücken zu kehren.[2]

2.1. Turmgesellschaft / Freimaurer

Zu der Zeit, als Goethe „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ verfasst hatte, spielten geheime Verbindungen wie die Freimaurer eine ganz besondere Rolle. Die Institution der Freimauer stammte aus England und holte sich ihre geistigen Ziele und Inhalte aus der englischen Freidenkerbewegung. Toleranz und Freiheit waren ihre Ideale und sie dienten der Geselligkeit und gegenseitigen Unterstützung sowie dazu, sich selbst und die Menschheit zu erziehen. In Deutschland war das Interesse an der Freimaurerei in Adelskreisen sehr groß und so erzeugte bei dort ein Streben nach höherer Erkenntnis. Rosemarie Haas bezeichnet die Freimaurerei als eine „ Vereinigung vernünftiger Geister zum Zwecke der Selbstbestimmung und als Hort althergebrachter übernatürlicher Geheimnisse,..., in dem sie zugleich das Verlangen nach Aufklärung und die Wundersucht befriedigt... “.[3]

2.1.1. Goethes Verhältnis zur Freimaurerei

Um sich ein Bild davon zu machen, warum Goethe die Turmgesellschaft in den Lehrjahren[4] auftreten lässt, ist es sinnvoll, die eigene Logenzugehörigkeit Goethes und seine freimaurerischen Verbindungen von 1777 bis 1796 zu betrachten. Wilhelm Meisters Lehrjahre sind 1795/96 erschienen. Zu dieser Zeit war Goethe kein aktives Mitglied einer Loge und distanzierte sich durch etliche Äußerungen[5] von dieser. Haas schreibt, dass Goethe sich nach seiner Italienzeit gegenüber Karl Philipp Moritz über die Freimaurerei folgendermaßen geäußert haben soll: „ Mein Gott, auch Sie können noch so schwach seyn, darinn etwas zu suchen “.[6] Als Grund für Goethes distanzierte Haltung zur Loge „Anna Amalia“ nennt Haas die sog. „Systemstreitigkeiten“ der Loge im Jahre 1782.

Goethes erster Kontakt zur Loge „Anna Amalia“, gegründet am 26.Mai 1764, sei dadurch zustande gekommen, dass durch das Zusammentreffen mit seinen freimaurerischen Freunden Diethelm Lavater, Friedrich Schmoll, Christoph Kayser und Antonius Ott sein Interesse an diesem Bund geweckt worden ist. Goethe hatte aber schon vorher Kontakt zu anderen Logen, als 15-jähriger bewarb er sich um die Aufnahme in die „Arcadische Gesellschaft in Philandria“ bewarb, wurde aber wegen seinem jugendlichen Alter abgelehnt.[7] Ein halbes Jahr, nachdem Goethe sein Aufnahmegesuch in die Weimarer Loge „Anna Amalia“ aufgegeben hatte, wurde er als Lehrling im Juni 1780 aufgenommen und bat schon ein Jahr danach um Beförderung in höhere Grade.[8]

Von 1782 bis 1808 war Goethe nicht aktives Mitglied der Loge „Anna Amalia“ und verlor auch zusehends das Interesse an der Freimaurergesellschaft. Zwar sah er die Freimaurergesellschaft als eine Organisation an, deren Bestreben es war, religiöse und gesellschaftliche Entwicklungen im Sinne der Aufklärung zu unterstützen, doch er distanzierte sich zusehend von der Gesellschaft als Institution und äußerte sich zeitweise auch abweisend über die Freimaurerei.[9] Die Forschung zeigt ganz deutlich, dass Goethes Interesse an der Loge in den 80 er Jahren nicht der Kenntnis der Geheimnisse gerichtet war, sondern dass es ihm vielmehr darum ging, gesellschaftliche Verbindungen zu pflegen. Besonders deutlich hebt das Wilfried Barner hervor und sagt, dass Goethe dieses Motiv selbst in seinem Aufnahmegesuch an den sog. Meister von Stuhl, Minister von Fritsch, formulierte.[10]

Diese Tatsachen sprechen also eher nicht dafür, dass Goethe die Turmgesellschaft als Parallele zur Loge gesehen hat, sondern dass er die Turmgesellschaft als eine lebendige Zusammenkunft derjenigen verstand, die nach dem Motto Kants den „ Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit “ ermöglichen wollten.[11] Obwohl Goethe sich mit vielen freimaurerischen Ritualen auskannte (u.a. die Aufnahme in die Loge), vermied er es, diese allzu augenscheinlich in den Roman einzubauen bzw. diese Rituale lassen sich nicht leicht erkennen. Lediglich die Szene, in der Wilhelm in die Turmgesellschaft aufgenommen und in die Geheimnisse eingeweiht wird, ist mit einem freimaurerischen Ritual zu vergleichen.[12] Diese Szene ähnelt der Zeremonie einer Logenaufnahme der Freimaurer, die bei Rosemarie Haas[13] näher erläutert wird, auf dessen Details ich aber nicht eingehen möchte. Bei Haas erfahren wir auch, dass einige Vorkommnisse aus den Lehrjahren in Zusammenhang mit der Turmgesellschaft den freimaurerischen Ritualen fremd sind. Diese Feststellung von Haas verdeutlicht, dass es Goethe nicht darauf ankam, seine Logenzugehörigkeit bzw. Elemente der Freimaurerei in den Roman einzubeziehen. Sie führt als Beispiel den Lehrbrief [14] an und die persönlichen Ratschläge der Mitglieder an Wilhelm; so als Wilhelm im 8.Buch/1.Kapitel Therese heiraten will und die Turmmitglieder ihm davon abraten.

[...]


[1] Bahr, Eberhard, S. 279; Barner, Wilfried, S.90

[2] Wundt, Max, S. 34

[3] Haas, Rosemarie, S.7

[4] „Wihlem Meisters Lehrjahre“ von Johann Wolfgang Goethe, erschienen 1795/1796, nach fast 20-jähriger Entstehungszeit

[5] Briefe an Christoph Kayser 1781/82 und 1789 an Karl August, siehe Haas, Rosemarie, S.23f.

[6] Karl Friedrich Klisching, Erinnerungen aus den zehn letzten Lebensjahren meines Freundes Anton Reiser, Berlin 1794, S.52

[7] Bahr, Wilfried, S.172

[8] Haas, Rosemarie, S.21

[9] ebd. S.23f.

[10] Haas, Rosemarie, S.22 – 25; Barner, Wilfried, S. 100

[11] Haas, Rosemarie, S.7

[12] WJ, S.528 – 532; Bahr, Wilfried, S.173

[13] Haas, Rosemarie, S.27

[14] WJ, S.533

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Turmgesellschaft in Wilhelm Meister´s Lehrjahren
Hochschule
Technische Universität Berlin
Note
bestanden
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V71438
ISBN (eBook)
9783638631860
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Turmgesellschaft, Wilhelm, Meister´s, Lehrjahren
Arbeit zitieren
Keziban Karaaslan (Autor:in), 2007, Die Turmgesellschaft in Wilhelm Meister´s Lehrjahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71438

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