Standortentwicklung "von unten" - Wie eigenständig ist die endogene Regionalentwicklung?


Seminararbeit, 2005

27 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Regionale Wachstums- und Entwicklungstheorien und „New Economic Geography“
2.1 Determinanten regionalen Wirtschaftswachstums
2.2 Theorien der endogenen Entwicklung
2.3 Neue (regionale) Wachstumstheorie
2.4 Konzept der regionalen Innovations-Milieus und Netzwerke
2.5 Konzept der lernenden Regionen

3. Endogene Regionalentwicklung
3.1 Historischer Abriss der Phasen der Regionalentwicklung
3.2 Die Idee der eingeständigen Regionalentwicklung
3.3 Methoden der endogenen Regionalentwicklung
3.4 Probleme und Schwächen endogener Regionalentwicklung
3.6 Endogene und exogene Aspekte der endogenen Regionalentwicklung

4. Eigenständigkeit der endogenen Regionalentwicklung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das zusammenwachsende Europa ist ein „Europa der Regionen“ (Buhl 2004). Für die Europäische Union als Ganzes bieten sich durch den europäischen Binnenmarkt und die Einführung des Euro zum 1.1.1999 gute Chancen global wettbewerbsfähig zu bleiben. Für einzelne Regionen allerdings ist ein spezifisches Spannungsverhältnis festzustellen: Global gleichartige ökonomische Zwänge und europaweit gleiche rechtlich-politische Rahmenbedingungen treffen auf unterschiedliche Ausgangssituationen und Potentiale in den Regionen (Mäding 1998).

Für peripher gelegene und / oder ländlich geprägte Regionen ist es schwierig, im Wettbewerb bestehen zu können, da großräumig „von oben“ delegierte Strukturpolitik oftmals nicht die nötige Sensibilität für kleinräumige Lösungen der Strukturprobleme aufbringt. Dabei erfüllen ländliche Räume eine Reihe von Funktionen, die der Gesellschaft zunehmend wichtiger werden. Ländliche Entwicklungsfragen haben seit den 1980er Jahren europaweit eine Aufwertung erfahren, die sich durch intensive Förderung und Weiterentwicklung der räumlichen Politikansätze ausdrückt (Seibert 2001).

Aktuellen Anlass zur Diskussion bietet die Regionalisierung auch als Gegentrend zur Globalisierung. Die regionale Selbststeuerung gewinnt in Zeiten der starken globalen Vernetzung an Bedeutung, denn regionsspezifische Potentiale lassen sich oftmals besser durch orts- und problemnahe Planung regionaler Akteure aktivieren als durch delegierte Maßnahmen von nationaler oder globaler Stelle.

Der Gedanke einer Standortentwicklung „von unten“ existiert nun seit den 1980er Jahren und hat mittlerweile einen festen Platz in der Regionalpolitik eingenommen (Heintel 1994). Anstatt Standortentwicklung „von unten“ sind auch die Begriffe „eigenständige Regionalentwicklung“ und „endogene Regionalentwicklung“ gängig, welche in dieser Arbeit synonym verwendet werden.

Der Begriff der „Eigenständigen Regionalentwicklung“ mag suggerieren, dass es sich um ein Konzept handelt, bei dem Regionen völlig ohne exogene Unterstützung, also eigenständig, ökonomisch wachsen und sich politisch organisieren. Die Praxis sieht in der Regel aber anders aus. Vielmehr ist es oftmals gar nicht möglich, endogene Potentiale ohne exogene Instrumente zu nutzen. Ein Anliegen vorliegender Arbeit ist die Frage zu klären, wie „eigenständig“ endogene Regionalentwicklung tatsächlich ist.

Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil geht auf die theoretischen Grundlagen regionalen Wachstums ein, wobei der Schwerpunkt auf der Erläuterung der wichtigsten, endogenen Ansätze liegt. Im zweiten Teil werden wichtige Aspekte der endogenen Regionalentwicklung vorgestellt. Der dritte Teil widmet sich der Frage, wie Eigenständig endogene Regionalentwicklung sein kann.

2. Endogene Wachstums- und Entwicklungstheorien und „New Economic Geography“

In den Wirtschaftswissenschaften wie auch in der Wirtschaftsgeographie herrscht weitestgehend Einigkeit, dass regionales Wirtschaftswachstum sowohl von internen als auch von externen Einflüssen (Wachstumsdeterminanten) abhängt (Schätzl 2003). Bei der Frage nach der Gewichtung der Wachstumsdeterminanten bestehen jedoch erhebliche Meinungsunterschiede. Deshalb existieren eine Reihe regionaler Wachstums- und Entwicklungstheorien bzw. Erklärungsansätze für räumlich differenziertes Wachstum. Die Neoklassische Wirtschaftstheorie beispielsweise erklärt unterschiedliches Wirtschaftswachstum zweier oder mehrer Regionen durch die differierte Ausprägung endogener und exogener Wachstumsdeterminanten, wobei ihre Grundhypothese besagt, „dass interregionale Unterschiede der Faktorentgelte durch Faktorwanderungen ausgeglichen werden“ (Schätzl 2003, S. 136). Durch die Annahme, dass die Wanderung mobiler Produktionsfaktoren langfristig interregionale Disparitäten ausgleicht, werden folglich exogene Determinanten als entscheidend erachtet. Bei der Standortentwicklung „von unten“ hingegen wird endogenen Determinanten, die entscheidende Rolle beigemessen. Es gibt bis heute keine Theorie, in der eine vollständige Integration aller Wachstumsdeterminanten gelungen ist und welche somit regionales Wirtschaftswachstum in allen Regionen zu erklären vermag.

2. 1 Determinanten regionalen Wirtschaftswachstums

Zunächst soll die Region, als entscheidende Bezugsgröße, definiert und abgegrenzt werden. „Eine Region ist ein zusammenhängender Raumausschnitt und Regionalisierungen werden meist flächendeckend […] durchgeführt“ (Bathelt / Glückler 2002, S. 44). Beispiele für Regionstypen sind Arbeitsmarktregionen oder Industrieregionen. Nach Bathelt und Glückler (2002) sind bei Abgrenzung von Regionen sind drei verschiedene Prinzipien gängig. Als erstes ist das Homogenitätsprinzip zu nennen, bei dem die gleichartige Strukturierung ausschlaggebend ist. Als Indikatoren für die Gleichartigkeit werden häufig das Pro-Kopf-Einkommen oder die Arbeitslosigkeit verwendet. Ein Beispiel für eine Regionalisierung nach dem Homogenitätsprinzip ist die Gliederung Deutschlands nach dem Pro-Kopf-Einkommen auf Bundesländerebene. Des Weiteren ist das Funktionsprinzip anzuführen, bei welchem die Abgrenzung auf der Basis interner Interaktionen und Verflechtungsbeziehungen erfolgt. In der Regel wird dabei von einem Kern ausgegangen, der wie ein Magnet wirkt und somit eine Anziehungskraft auf ein bestimmtes, umliegendes Feld besitzt z.B. ein Einkaufszentrum, dass von Kunden aus der Umgebung aufgesucht wird. Als dritte Abgrenzungsmöglichkeit sei auf das Verwaltungsprinzip hingewiesen. Dabei werden administrative Einheiten wie z.B. Länder oder Gemeinden als Regionen definiert (Bathelt/ Glückler 2002).

Wirtschaftliches Wachstum kann alternativ definiert werden. Zum einen als Zunahme des realen Sozialprodukts und zum anderen als Zunahme des realen Sozialproduktes pro Kopf der Bevölkerung (Schätzl 2003).

Abbildung 1 verdeutlicht für ein Zwei-Regionen-Modell welche Determinanten das regionale Wirtschaftswachstum bestimmen.

Abb. 1: Determinanten des regionalen Wirtschaftswachstums

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Schätzl 2003, S. 103

Das Wachstum einer Region wird durch interne und externe Wachstumsdeterminanten beeinflusst. Zur Erläuterung der internen Wachstumsdeterminanten sei die Region zunächst als geschlossenes System betrachtet. Das reale Einkommen Y einer Region wird durch das vorhandene Produktionspotential O und die reale Nachfrage D bestimmt. Für ein regionales Wirtschaftswachstum ist folglich eine Erhöhung des Produktionspotentials und/oder der realen Nachfrage nötig. Das Produktionspotential O wird von den regional vorhandenen Produktionsfaktoren Arbeit L, Kapital K und Boden Q bestimmt. Die reale Nachfrage hängt von der Nachfrage an Konsumgütern C und Investitionsgütern I von öffentlicher sowie privater Seite ab. Hinzu kommen sowohl für die Angebotsseite als auch für die Nachfrageseite eine Reihe weiterer Einflussfaktoren. Dazu zählen technischer Fortschritt T, Raumstruktur R, Sektoralstruktur SE, Infrastruktursystem IN, politisches System PO, soziales System SO und Veränderungen der Faktoren im Laufe der Zeit. In der Regel ist eine Region aber kein geschlossenes System, sondern interagiert mit anderen Regionen. Deshalb beeinflussen des Weiteren externe Wachstumsdeterminanten das regionale Wirtschaftswachstum, vor allem durch interregionale Wanderung von Produktionsfaktoren und interregionale Güter- und Dienstleistungsbewegungen (Schätzl 2003).

2.2 Theorien der endogenen Entwicklung

Mitte der 1980er Jahre entstanden die Theorien der endogenen Entwicklung (wobei es sich dabei um eine Reihe einzelner, induktiv gewonnener Ansätze handelt, und um keine umfassende Theorie). Sie besagen, „dass die sozioökonomische Entwicklung einer Region vom Ausmaß und der Nutzung der intraregional vorhandenen Potentiale abhängt“ (Schätzl 2003, S. 155). Es soll daher das endogene Entwicklungspotential einer Region aktiviert werden anstatt auf exogene Wachstumsimpulse zu setzen. Das endogene Entwicklungspotential lässt sich „als die Gesamtheit der Entwicklungsmöglichkeiten einer Region im zeitlich und räumlich abgegrenzten Wirkungsbereich“ (Schätzl 2003, S. 155) definieren. Um das regionale Entwicklungspotential einer Region zu messen, gibt es die Möglichkeit sich an dem vorhandenen Potential an Inputfaktoren zu orientieren. Hierfür müssen die in einer Region vorhandenen Potentialfaktoren mengen- und / oder qualitätsmäßig erfasst werden. Der Katalog an Teilpotentialen umfasst Kapital-, Arbeitskräfte-, Infrastruktur-, Flächen-, Umwelt-, Markt-, Entscheidungs- sowie soziokulturelles Potential (Schätzl 2003). Des Weiteren ist das regionale „Innovationspotential“ zu nennen, das alle Faktoren umfasst, „die die Innovationsleistung einer Region fördern oder hemmen“ (Sternberg 2003, S. 6). Fraglich ist, inwieweit die einzelnen Faktoren messbar (Indikatoren) und interregional vergleichbar. Beispielsweise trifft das für das soziokulturelle Potential zu. Bei vorausgesetzt gleicher Museumsdichte (als möglicher Indikator für soziokulturelles Potential) zweier Regionen ist eine Bemessung des Potentials aufgrund qualitativer Unterschiede kaum möglich.

Nach Schätzl (2003) sind bei der Aktivierung regionaler Potentiale drei Aspekte besonders wichtig:

- Überwindung bestehender Engpässe (Investition in defizitäre Potentialfaktoren)
- Nutzung regionsspezifischer Kompetenzen (Ermittlung regionaler Fähigkeiten und Begabungen, bei denen absolute oder relative Standortvorteile gegenüber anderen Regionen bestehen)
- Initiierung intraregionaler Netzwerke (Vernetzung ökonomischer, soziokultureller und ökologischer Aktivitäten einer Region)

Jedoch besteht bei der Förderung ausschließlich regionsspezifischer Standortvorteile die Gefahr, dass langfristig monostrukturierte Regionen entstehen, die besonders sensibel auf globale und überregionale Entwicklungen reagieren (Sternberg 2003).

2.3 Ansatz der neuen endogenen (regionalen) Wachstumstheorie (NERW)

In den 1990er wurden die Ansätze einer neuen - später auch regional ausgelegten - Wachstumstheorie entwickelt, die ebenfalls endogene Potentiale als entscheidende Determinanten des regionalen Wirtschaftswachstums sieht, sich jedoch in der Argumentation grundlegend von dem Konzept endogener Entwicklungspotentiale unterscheidet (Sternberg 2003). Die Problemstellung bei der Entstehung dieser Theorie war es, einerseits die Wachstumsdeterminante „Technischer Fortschritt“ als endogene Größe zu berücksichtigen, da es empirisch belegt ist, „dass dieser Produktionsfaktor insbesondere in allen hochentwickelten Industriestaaten einen ständig größeren Beitrag zum volkswirtschaftlichen Wachstum leistet“ (Sternberg 2001, S. 160). Andererseits bestand Erklärungsbedarf für zunehmend geringere Wachstumsraten in rückständigen Regionen - entgegen der von der neoklassischen Wachstumstheorie angekündigten konvergenten wirtschaftlichen Raumentwicklung - was auf die Bildung nationaler und regionaler Wachstumscluster zurückzuführen ist (Sternberg 2001). „Die NERW will das langfristige regionale Wachstum sowie die Konvergenz und Divergenz regionaler Wachstumsraten erklären“ (Sternberg 2003, S. 7).

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Standortentwicklung "von unten" - Wie eigenständig ist die endogene Regionalentwicklung?
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Hauptseminar Standortentwicklung
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V71291
ISBN (eBook)
9783638631617
ISBN (Buch)
9783638675130
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Standortentwicklung, Regionalentwicklung, Hauptseminar, Standortentwicklung
Arbeit zitieren
Bettina Kühn (Autor:in), 2005, Standortentwicklung "von unten" - Wie eigenständig ist die endogene Regionalentwicklung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71291

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Standortentwicklung "von unten" - Wie eigenständig ist die endogene Regionalentwicklung?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden