Grundlagen der Bindungstheorie. Bindungsverhalten und emotionale Beziehungen von Kindern zu ihren Eltern


Hausarbeit, 2007

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Was ist Bindung?

2. Fremde-Situations-Test

3. Bindungstypen

4. Bindungsbeziehungen und Bewertung von Partnerschaften

Schlusswort

Literatur

Einleitung

Im Rahmen meiner früheren beruflichen Tätigkeit als Erzieherin in Kindertages­einrichtungen lernte ich erstmals die Bindungstheorie kennen. Meine damalige Arbeitsstelle, ein Kindergarten für Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren, nahm an dem Projekt „Integration Zweijähriger in den Kindergarten“ des Jugendamts Stuttgart teil. Es wurde untersucht, wie sich zweijährige Kinder im Kindergarten verhalten und ob diese Betreuungsform für diese Altersgruppe geeignet ist. Besonderes Augenmerk lag dabei auf einer angemessenen Eingewöhnungszeit. Auch bei älteren Kindern wurde darauf geachtet, dass sie die nötige Zeit zur Eingewöhnung erhalten. Die Kinder zeigten in der Eingewöhnungsphase unterschiedliche Verhaltensweisen. Einige Kinder konnten sich schnell von der Mutter lösen und nach wenigen Tagen oder 1-2 Wochen allein im Kindergarten bleiben. Es gab aber auch Kinder, die in der Trennungssituation kaum oder nicht zu beruhigen waren. Das Bindungsverhalten der einzelnen Kinder war verschieden.

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit den Grundlagen der Bindungstheorie. Zunächst werden Begriff „Bindung“ und „Bindungsverhalten“ und die Entwicklung der emotionalen Bindung erläutert. Anschließend wird in Kapitel 2 ein Testverfahren zur Beobachtung von Bindungsqualitäten dargestellt. Die daraus abgeleiteten Bindungstypen werden in Kapitel 3 beschrieben. Im letzten Kapitel wird die Bedeutung der Bindung in Hinblick auf die Bewertung von Partnerschaften anhand einer Langzeituntersuchung aufgezeigt.

1. Was ist Bindung?

Der Säugling ist nach der Geburt noch nicht in der Lage verschiedene Gesichter voneinander zu unterscheiden. Er reagiert ebenso gleichermaßen mit einem Lächeln auf eine Gesichts-Attrappe wie auf ein menschliches Gesicht. Erst gegen Ende des fünften Monats können Kinder zunehmend zwischen einer Attrappe und einem wirklichen Gesicht unterscheiden. Im Alter von etwa acht Monaten ist die Differenziertheit der Wahrnehmung des Kindes soweit fortgeschritten, dass das Kind nur noch bekannte Person zu lächelt und bei unbekannten Personen „fremdelt“. Das Fremdeln in dieser Altersphase wird auch „Achtmonatsangst“ genannt. Die Kinder leiden unter Trennungsangst, wenn sie in einer ungewohnten Umgebung von ihrer Hauptbezugsperson alleine gelassen werden. Fremdeln und Trennungsängste treten bei Kindern in allen Kulturen auf.

Im Allgemeinen verschwindet dieses Verhalten erst lange nach dem zweiten oder dem dritten Lebensjahr (vgl. Rossmann 1996, S.84).

In der Mutter-Kind Beziehung reagiert das Kind nicht nur auf die Mutter, es tritt auch von sich aus mit ihr in Kontakt. In Untersuchungen wurde in der Eltern-Kind-Interaktion eine bemerkenswerte Synchronizität des Verhaltens von Kind und Eltern beobachtet. Anschauen, Gurren, Berühren und Lächeln von Müttern und Säuglingen waren präzise aufeinander abgestimmt (vgl. Martin 1981; Murray/Trevarthen 1986 zitiert in Zimbardo/Gerrig 1999, S.484 f.). Das Kind sendet Botschaften an ihre Bezugspersonen und lernt zugleich aus deren Rückmeldungen. Auch die Gefühle von Mutter und Kind stehen im Einklang miteinander. „Diese Fähigkeit zur wechselweisen Anpassung in der Mutter-Kind-Dyade oder Vater-Kind-Dyade ist lebenswichtig“ (Zimbardo/Gerrig 1999, S.485). Sie garantiert beispielsweise, dass die Mutter auf die Bedürfnisse des Kindes angemessen reagiert. Zwischen dem Kind und der Mutter entsteht eine enge emotionale Beziehung. Diese sozial-emotionale Beziehung wird Bindung (engl.: attachment) bezeichnet (vgl. Zimbardo/Gerrig 1999, S.485).

Bindung ist eine enge emotionale Beziehung zwischen dem Kind und einer (oder mehreren) Bezugsperson(en). Sie entsteht im Laufe der ersten Lebensjahre und zeigt sich im Bindungsverhalten (z.B. Nähesuchen).“ (Zimbardo/Gerrig 1999, S.783)

Bindungsverhalten ist ein Verhalten, durch das eine differenzierende, gefühlsmäßige Beziehung mit einer Person oder einem Objekt entsteht; es beginnt damit eine Kette von Interaktionen, die dazu dienen, die gefühlsmäßige Beziehung zu festigen.“ (Ainsworth 1964, S.102)

John Bowlby (1907-1990), ein englischer Psychiater und Psychoanalytiker, hat in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts auf der Grundlage seiner klinischen Erfahrungen und Beobachtungen die Bindungstheorie entwickelt. In der Bindungstheorie wird die Ausbildung der emotionalen Bindung, die ein Kind im Laufe des ersten Lebensjahres an seine Hauptbezugsperson entwickelt, als eigenständiges und grundlegendes Motivationssystem eines jeden Menschen von der Geburt an betrachtet.

Bowlby folgte den Überlegungen Darwins. Nach ihm sind die Menschen biologisch mit den Primaten verwandt. Für die Bindungstheorie übernahm Bowlby den ethnologischen Bezugsrahmen der Verhaltensforschung von Konrad Lorenz, William H. Thorpe und Niko Tinbergen“ (Grossmann/Grossmann 2003, S.29). Menschliche Neugeborene sind demnach „genetisch programmiert, enge bindungsartige Beziehungen zu erwachsenen älteren Menschen einzugehen, die sie versorgen“ (Grossmann/Grossmann 2003, S.7). Angeborene Reflexe und Verhaltensmuster des Säuglings (Schreien, Hand- und Fußgreifreflex) bilden dabei die Grundlage des „Bindungsverhaltenssystems“ der Kinder. Sie sorgen dafür, dass das Kind Signale an seine Bezugsperson sendet damit. Auf Seiten der Mutter gibt es nach Bowlby ebenfalls eine „biologische Prädisposition, ein affektives Band zum Kind aufzubauen“. Die Signale des Kindes haben dabei eine Auslöserfunktion. Durch die soziale Bindung wird ein Schutz des Kindes durch eine erwachsene Person gewährleistet.

(vgl. hierzu insgesamt Rossmann 1996, S.84 f.; Brisch u.a. 2002, S.7; Grossmann/Grossmann 2003, S.7, S.29)

Die Entwicklung der emotionalen Bindung des Kindes an seine Bezugsperson:

Nach Bowlby (1969) verläuft diese Entwicklung in vier Phasen (vgl. Rossmann 1996, S.85):

1. Der Säugling ist anfänglich allgemein sozial ansprechbar und unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Personen.
2. Die sozialen Reaktionen des Säuglings schränken sich ab dem Alter von etwa einem halben Jahr allmählich auf wenige vertraute Personen ein.
3. Die Bindung des Kindes an eine vertraute Person wird im Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren besonders deutlich. In diesem Zeitraum werden die Grundlagen für die Entwicklung der emotionalen Bindungsfähigkeit beim Menschen gelegt. Dabei bildet das Kind innere Strukturen aus, die ihm dazu verhelfen, zukünftig unabhängiger von der Bezugsperson zu werden. Eine längere Trennung von der Bezugsperson und das Fehlen eines gleichwertigen Ersatzes, können in dieser Entwicklungsphase beim Kind zu einem depressionsähnlichen Zustand („anaklitische Depression“) führen.
4. Die Kinder sind nach dem dritten Lebensjahr im Allgemeinen in der Lage, die Abwesenheit der Bezugsperson zu bewältigen und diese Situation ohne zu weinen eine Weile zu ertragen. Sie sind in der Lage, sich die abwesende Person vorzustellen und zu „antizipieren, dass sie bald wieder da sein wird“(Rossmann 1996, S.85).

Eine feste Bindung hat eine günstige Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes. „Sie stellt eine Art psychologisches Basislager (home base) dar (vgl. Zimbardo/Gerrig 1999, S.486). Die Kanadierin Mary Ainsworth spricht in diesem Zusammenhang auch von der Bezugsperson als sichere Basis (secure base). Das Kind kann von der home bzw. secure base die materielle und soziale Umwelt erkunden und eine ganze Reihe unterschiedlicher prosozialer Verhaltensweisen lernen. In Situationen, die das Kind erschrecken, ängstigten oder ihm Schmerzen verursachen, wird es zur Basis zurückkehren und das Bindungsverhaltenssystem wird aktiviert (beispielsweise durch Anklammern an die Mutter). Das Kind ist in der Lage das Explorationsverhalten wieder aufzunehmen, sobald diese Bedürfnisse befriedigt wurden. Es zeigt sich, dass für die Entwicklung der Erkundungsfähigkeit, für das Lernen und zur Förderung von Kompetenzen eine sichere Bindung besonders wichtig ist (vgl. Rossmann 1996, S.85).

Die Entstehung einer sicheren Bindung ist immer abhängig von den Reaktionen des Erwachsenen auf die Signale des Kindes. Aus diesem Grund ist die Entstehung einer sicheren Bindung keine Selbstverständlichkeit. Um verschiedene Bindungsqualitäten festzustellen haben Ainsworth und Mitarbeiter einen speziellen Test entwickelt, der im nächsten Kapitel dargestellt wird.

2. Fremde-Situations-Test

Ainsworth untersuchte zusammen mit ihren Mitarbeitern das Bindungsverhalten von einjährigen Kindern. Nachdem sie lange Feldbeobachtungen von Müttern und Kindern in natürlicher Umgebung gemacht hatte, entwickelte sie eine standardisierte Verhaltensbeobachtung – den Fremde-Situations-Test (strange situation test). Bei diesem Test wollten Ainsworth und Mitarbeiter insbesondere drei Aspekte des Verhaltens des Kindes in der Fremden Situation beobachten:

- wie das Kind seine Mutter als sichere Basis nutzt, um die Welt zu erkunden
- die jeweilige Reaktion des Kindes, wenn seine Mutter es verlässt und wenn sie zurückkehrt
- die Reaktion des Kindes auf eine fremde Person

(vgl. Ainsworth/Witting 1969, S.112)

Die Raumgestaltung:

Der Versuchsraum ist mit drei Stühlen und Spielzeug ausgestattet. Die Stühle werden zu einem Dreieck aufgestellt: ein Stuhl für die Mutter ganz rechts, ein Stuhl für die fremde Person gegenüber und an der Spitze des Dreiecks ein kleiner Stuhl. Dieser Platz ist für das Kind vorgesehen. Er liegt am weitesten entfernt und dort befindet sich auch das Spielzeug

(vgl. Ainswort/Witting 1969, S.114).

Die Fremde Situation setzt sich aus acht Episoden zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Die Episode wird abgekürzt, wenn das Kind sehr verzweifelt ist

(vgl. hierzu insgesamt Ainswort/Witting 1969, S.115 f. und S.151 f.)

Es zeigte sich, dass nicht alle Kinder den erwarteten Wechsel zwischen ausgeprägtem Bindungs- und Explorationsverhalten in der standardisierten Verhaltensbeobachtung mit ihren Müttern zeigten. Aufgrund des unterschiedlichen Verhaltens der Kinder in diesen Situationen unterscheiden Ainsworth und Mitarbeiter drei Bindungsqualitäten:

- Kinder mit vermeidend – unsicherer Bindung (Bindungstyp A)
- Kinder mit sicherer Bindung (Bindungstyp B)
- Kinder mit ambivalent – unsicherer Bindung (Bindungstyp C)
Später wurde noch eine weitere Bindungsgruppe festgestellt:
- Kinder mit desorganisiert – unsicherer Bindung (Bindungstyp D)

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Grundlagen der Bindungstheorie. Bindungsverhalten und emotionale Beziehungen von Kindern zu ihren Eltern
Hochschule
Evangelische Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg; Standort Reutlingen
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V71231
ISBN (eBook)
9783638631297
ISBN (Buch)
9783656827276
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bindung
Arbeit zitieren
Anke Mauch (Autor:in), 2007, Grundlagen der Bindungstheorie. Bindungsverhalten und emotionale Beziehungen von Kindern zu ihren Eltern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71231

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