The discovery of theory from data - Grounded Theory als methodologischer Rahmen für qualitative Forschungsprozesse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

16 Seiten, Note: 1-2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historische Entwicklung und theoretische Einbettung
2.1 Quantitativ versus Qualitativ
2.2 Deduktiv versus induktiv

3 Das Verfahren der Grounded Theory
3.1 Theoretische Sensibilität
3.2 Theoretisches Sampling
3.3 Der Kodierprozess
3.3.1 Das Kodierverfahren nach Strauss & Corbin
3.3.1.1 Offenes Kodieren
3.3.1.2 Axiales Kodieren
3.3.1.3 Selektives Kodieren
3.4 Schematische Darstellung der Entwicklung einer Grounded Theory

4 Diskussion

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Grounded Theory als methodologisches Rahmenkonzept[1] hat sich inzwischen in der Qualitativen Sozialwissenschaftlichen Forschung durchgesetzt. Sie kann insbesondere dann nutzbringend angewendet werden, wenn sich der Forscher/die Forscherin ohne ausformulierte Hypothesen in das Forschungsfeld begibt und dort neue soziale Phänomene entdecken will, die sich mit bereits vorhandenen Theorien nicht erklären lassen. Der Forschungsstil der Grounded Theory ermöglicht es, Theorien mittlerer Reichweite, also empirisch fundierte Theorien mit praktischem Nutzen zu ‚entdecken‘. Im folgenden soll zuerst eine Einführung in die historisch Entwicklung und die theoretische Einbettung, in der Anselm Strauss und Barney Glaser die Grounded Theory entwickelt haben, gegeben werden. In einem nächsten Schritt soll das Verfahren beschrieben werden. Abschließend werde ich diesen Forschungsstil kritisch diskutieren, insbesondere in Hinblick auf die Anwendungsmöglichkeiten durch junge NachwuchswissenschaftlerInnen. Ein großes Anliegen von Glaser und Strauss bei der Entwicklung war, „Studenten dabei zu helfen, sich selbst gegen die Anwälte bloßer Verifizierung zu verteidigen, die sie darin unterweisen, ihre eigene wissenschaftliche Intelligenz zu verleugnen“ (Glaser & Strauss 1998: 16). Insbesondere sollen daher die Bedingungen, unter denen dieses Anliegen meines Erachtens tatsächlich realisiert werden kann, umrissen und diskutiert werden.

2 Historische Entwicklung und theoretische Einbettung

Als Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss 1967 das Konzept der Grounded Theory in ihrem Buch „The Discovery of Grounded Theory“ (deutsch 1998) zum ersten Mal der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorstellten, hatten sie klare forschungspolitische Interessen.

Sie wandten sich gegen das zu der damaligen Zeit vorherrschende hypothetiko-deduktive Paradigma: „Previos books on methods of social research have focused mainly on how to verify theories. This suggests an overemphasis in current sociology on the verification of theory, and a resultant de-emphasis on the prior step of discovering what concepts and hypothesis are relevant for the area that on whishes to research“ (Glaser & Strauss 1976:1f.). Die soziologische Forschung basierte auf einer mitunter prekären Arbeitsteilung von so genannten „großen Theorien“ (grand theories) auf der einen Seite (am einflußreichsten war der Systemfunktionalismus Parsons) und von zumeist ‚harter‘, quantitativer Sozialforschung auf der anderen Seite. Als Hauptaufgabe soziologischer Forschung wurde nicht (mehr) die Entdeckung und Generierung neuer Theorien angesehen, sondern die empirische Verifizierung bestehender Theorien. Entsprechend polemisch fällt denn auch die Bestandsaufnahme von Glaser & Strauss aus: „Teil des Trends, das Schwergewicht der Forschung auf die Verifizierung zu legen, war die Annahme vieler, das unsere „großen Vorfahren“ (Weber, Durkheim, Simmel, Marx, Veblen, Cooley, Mead, Park u.a.) eine ausreichende Anzahl hervorragender Theorien über genügend Bereiche des menschlichen Lebens aufgestellt hätten, um damit eine ganze Weile auszukommen. Obwohl wir, ihre soziologischen Nachkommen, niemals an ihren Genius herankommen, wußten wir, wie wir ihre Theorien mit unseren neu erworbenen Fähigkeiten zur Verifizierung modifizieren und reformulieren konnten“ (Glaser & Strauss 1998: 19). Empirische Forschung sollte „Proletarierarbeit“, sozusagen Handlangerdienste leisten für die Produzenten von Grosstheorien, die sich, so Glaser und Strauss ironisch, wie „theoretische Kapitalisten“ verhielten (Glaser & Strauss 1998: 20). Die Empirie diente der Überprüfung von Hypothesen, die rein deduktiv aus den „großen Theorien“ gewonnen und durch „Operationalisierung“ für die empirische Verifizierung ‚passend‘ gemacht wurden.

2.1 Quantitativ versus Qualitativ

Mit dieser Entwicklung einher ging die polarisierende (und bis heute anherrschende) Diskussion um den Wert und die Beziehung quantitativer und qualitativer Forschung. Quantitative Methoden wurden verfeinert und weiterentwickelt, um die unbestätigten Theorien anhand von „Fakten“ überprüfen zu können (vgl. Glaser & Strauss 1967:24). Qualitative Forschung wurde als explorative Forschung verstanden, die nur dazu da sei, Alltagswissen über Sozialstrukturen und soziale Systeme zu registrieren oder um theoretische Ergebnisse zu illustrieren. Das Testen von Reliabilität und Validität bekannter Theorien wurde aber selbstverständlich der quantitativen Forschung zugesprochen. Sofern Studien auf qualitativen Daten basierten, bestanden diese, so die Kritik Glaser & Strauss, aus langen detaillierten Beschreibungen, die, wenn überhaupt, relativ kleine Mengen an Theorie erbrachten. Qualitative Forschung sei also entweder nicht theoretisch genug, oder die Theorien seien zu „impressionistisch“ (vgl. Glaser & Strauss 1998: 24).

2.2 Deduktiv versus induktiv

Folge der „Vorherrschaft des hypothetiko-deduktiven Paradigmas ist dabei eine zunehmende Entfremdung soziologischer Forschung von der sozialen Realität“ (Kelle 1994:285). Es kommt zu einem Bruch zwischen Theorie und Empirie. Die Theorie wirkt abstrakt und leer und verliert den Bezug zur Alltagswirklichkeit, die sie eigentlich zu erklären versucht, weil ihr die empirische Fundierung fehlt. Theoretische Erklärungsansätze und grand theories wurden, so die Kritik Glasers und Strauss`, ohne Verbindung zur empirischen Alltagswirklichkeit entwickelt. Das empirische Fundament fand sich nur im Kopf des (in der Regel männlichen) Theoretikers. Umgekehrt war die empirische Forschung ebenfalls fern von der Alltagswirklichkeit und der Realität, die sie erfassen möchte. Die Variablen, mit denen sie operiert, wurden aus den Theorien abgeleitet und verdanken ihre Existenz also ebenfalls ausschließlich deduktiven Prozessen.

Glaser und Strauss hingegen lag nun weder an der Überprüfung bekannter Hypothesen, denn die taugten offensichtlich nicht für das Verstehen sozialer Wandlungsprozesse und die Einsicht in bisher unerforschte Bereiche des Sozialen, noch daran, sich in dem polarisierenden Streit um quantitative oder qualitative Seite einzumischen. Sie wollten statt dessen neues theoretisches Wissen generieren. Und solches Wissen ‚entdeckten‘ sie durch intensive Auseinandersetzung mit der empirischen Forschung. Die fruchtbare Beziehung von Theorie und Empirie stand also im Zentrum ihrer Überlegungen. Das Interessante dabei ist, daß für die ‚Entdeckungen‘ verschiedene methodische Ansätze gleichermaßen fruchtbar gemacht werden können. So ist es möglich, daß für sensibilisierendes Konzept und Kodierschritte (vgl. 3.) sowohl qualitative als auch quantitative Daten herangezogen werden[2] Entsprechend ihrem Verständnis der Beziehung von Theorie und Empirie ging es ihnen auch nicht um Theorie ‚an und für sich‘, sondern um ihre Bedeutung für die Praxis. Aus ihren Entdeckungen sollten z.B. Leitkonzepte für professionelles Handeln entwickelt werden. So forschten sie unter anderem zur Interaktion mit Sterbenden und zu Handlungsstrategien bei Risikoschwangerschaften.

[...]


[1] In der Anwendung wird sie fälschlicherweise häufig als reines Auswertungsverfahren verstanden.

[2] Sie weisen auch auf die Möglichkeit des ‚Nacheinanders‘ und der Zirkularität von quantitativen und qualitativen Daten hin. Aus eine qualitativen Studie, die mit Typenbildung endet, könnte beispielsweise ein standardisierter Fragebogen entwickelt werden, aus dem wiederum eine qualitative Studie zur Vertiefung und zum weiteren Verständnisses des Untersuchungsfeldes hervorgeht.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
The discovery of theory from data - Grounded Theory als methodologischer Rahmen für qualitative Forschungsprozesse
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Soziologisches Seminar)
Veranstaltung
Geschichte, Theorie und Ergebnisse qualitativer Sozialforschung (I)
Note
1-2
Autor
Jahr
2000
Seiten
16
Katalognummer
V7114
ISBN (eBook)
9783638144674
Dateigröße
701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grounded, Theory, Rahmen, Forschungsprozesse, Geschichte, Theorie, Ergebnisse, Sozialforschung
Arbeit zitieren
M.A. Péter Szász (Autor:in), 2000, The discovery of theory from data - Grounded Theory als methodologischer Rahmen für qualitative Forschungsprozesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7114

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