Dorian Gray auf der Couch von Prof. O.F. Kernberg


Referat (Ausarbeitung), 2006

16 Seiten, Note: max. Punktzahl


Leseprobe


Inhalt

Einführung

Zusammenfassung des Buchinhalts

Psychoanalytische Betrachtungen:
Dorian Grays Kindheit: Aetiologische Aspekte

Die Spiegelszene: Abwehrmechanismen eines Narzissten

Dorian ermordet Basil Hallward: Die narzisstische Wut

Dorian Grays Tod: Von der Unmöglichkeit Verdrängtes zu eliminieren

Potentielles Kernbergsches Fazit

„Das Portrait von Dorian Gray“ im Fokus weiterer Fragestellungen
- Die Galthea-Thematik
- Homosexualität: Die narzisstische Objektwahl?
- Narzissmus und Understatement: Wie wird man ein Star?
- Das Spiegelbild: Je est un autre!

Literatur

Einführung

Zu Zeiten der Regentschaft Königin Victorias (1837 – 1901), die Prüderie und Nationalismus fördert, und des wirtschaftlichen Aufschwungs durch die Industrialisierung, die einer breiten Gesellschaftsschicht ermöglicht, sich nur noch mit den schönen Dingen des Lebens zu befassen, veröffentlicht der englische Intellektuelle und Schriftsteller Oscar Wilde 1890 seinen Roman The Picture of Dorian Gray. Vor dem Hintergrund des Ästhetizismus (griech. aisthetike: Wissenschaft vom sinnlich Wahrnehmbaren, vgl. Duden), einer Epoche, die sich durch Hingabe an das Stilvolle und Schöne, an die sinnlichen Freuden und Genüsse auszeichnet, entwickelt Wilde die Lebensgeschichte eines Hedonisten, der nach einer Reihe genusssüchtiger, rücksichtlsloser und ausbeuterischen Beziehungen an seinem Selbstbild zugrunde geht.

Anhand ausgewählter Textstellen wird die Lebensgeschichte Dorian Grays im folgenden psychoanalytisch gedeutet und auf pathologisch narzisstische Symptome hin untersucht.

Zusammenfassung des Buchinhalts

Der Kunstmaler Basil Hallward schafft ein Portrait des jungen, unerfahrenen Dorian Gray, der ihn durch seine betörende Schönheit zur künstlerischen Höchstleistung bewegt. Er sieht in Dorian Grays Erscheinung nur Reinheit und Edelmut. Durch den Maler lernt Dorian Lord Henry Wotton kennen, der in ihm das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit wachruft und ihn mit scharfsinnigen, aber gefühlskalten Gedanken den Zynismus und die Unmoral lehrt. Als Dorian sich beim Anblick des Portraits seiner Schönheit bewusst wird, äussert er jäh den Wunsch: „Wenn ich es wäre, der ewig jung bliebe, und das Bild altern könnte! Dafür – dafür – gäbe ich alles. Ja, nichts in der Welt wäre mir dafür zu viel. Ich gäbe meine Seele als Preis dahin.“ (S. 36). Dorian verliebt sich alsbald Hals über Kopf in die siebzehnjährige begabte Schauspielerin Sibyl Vane und macht ihr grosse Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft. Nachdem sie als Künstlerin auf der Bühne versagt, versiegt jedoch seine Liebe für sie, und er lässt sie erbarmungslos fallen.

Danach entdeckt er erstmals erste Veränderungen auf dem von Basil Hallward gemalten Portrait: „…es war kein Zweifel, dass sich der ganze Ausdruck verändert hatte. Es war keine Einbildung von ihm. Die Sache war erschreckend und offenkundig. … Und doch, da stand das Bild vor ihm und hatte einen Zug von Grausamkeit um den Mund.“ (S. 115) Erschrocken über seine Gleichgültigkeit gerät er in einen Strudel von Gefühlen und Gedanken, die ihm klar machen, dass „Das Bildnis, verwandelt oder nicht, für ihn das sichtbare Wahrzeichen des Gewissens sein (würde).“ (S. 116). Nach dem Selbstmord von Sibyl Vane helfen ihm die zynischen Theorien von Lord Henry Wotton seine Schuldgefühle zu rechtfertigen und zu verdrängen: „Wir wollen von dem, was geschehen ist, nicht mehr sprechen. Es war eine wundersame Erfahrung. Das ist alles. Ich möchte wissen, ob noch etwas so Wunderbares auf mich wartet.“ Bis zu seinem 38. Lebensjahr betreibt Dorian ein immer lasterhafteres rücksichtsloses, einzig auf die Befriedigung seiner Sinne konzentriertes Leben, ohne jedoch seine reine, blendende Schönheit zu verlieren. Parallel zu seinem sündhaften Lebenswandel verändert sich sein Portrait zum Schlimmsten, so dass Dorian Gray es unter einer Decke verborgen in einer Dachkammer allen Blicken entzogen versteckt hält. Als Basil Hallward eines Tages bei Dorian aufkreuzt und ihn mit hässlichen Gerüchten über seine Person konfrontiert und ihn zum Besseren mahnt, zeigt ihm Dorian, was aus dem Gemälde geworden ist. In einem plötzlichen Anfall von glühendem Hass ersticht Dorian den Schöpfer seines Portraits. Am nächsten Tag besticht er einen Bekannten, der ihm die Leiche von Basil chemisch entsorgen muss. Von nun an leidet Dorian an Verfolgungswahn und grossen Ängsten. Endlich fasst er den Beschluss das Portrait zu zerstören, in der letzten Hoffnung frei von allen Ängsten und Gewissensbissen zu werden, und er sticht auf das Bild ein. Nachdem sie einen furchtbaren Schrei hören, finden seine Bediensteten im entlegenen Dachraum folgende Szene vor: „… sahen sie an der Wand ein wunderbares Bildnis ihres Herrn hängen, so wie sie ihn zuletzt gesehen hatten, in all der Pracht seiner erlesenen Jugend und Schönheit. Auf dem Boden lag ein toter Mann im Frack, mit einem Messer im Herzen. Er war welk, runzlig und hässlich von Angesicht.“ (S. 278)

Psychoanalytische Betrachtungen:

Dorian Grays Kindheit: Aetiologische Aspekte

Dorian Gray wächst als Vollwaise in wohlhabenden Verhältnissen bei seinem Grossvater auf, der seinen unerwünschten Schwiegersohn, Dorians Vater, nur wenige Monate nach der Hochzeit mit seiner Tochter hatte umbringen lassen. Kaum ein Jahr danach stirbt seine junge, schöne Mutter. (S. 44 f) Dorian wird also im Alter von wenigen Monaten Vollwaise.

„Eine schöne Frau, die alles für eine wilde Leidenschaft aufs Spiel setzte. Ein paar wildglückliche Wochen, jäh beendet durch ein abscheuliches, heimtückisches Verbrechen. Monate stummen Todeskampfes, und dann ein Kind unter Schmerzen geboren. Die Mutter vom Tod hinweggerafft, der Knabe der Einsamkeit ausgeliefert, und der Tyrannei eines alten lieblosen Mannes.“ (S. 47)

Kernberg (1983, S. 270) beschreibt den Familienhintergrund pathologischer Narzissten als ein Umfeld, das geprägt ist durch kaltherzige Elternfiguren mit einem starken Mass an verdeckter Aggression. Äusserlich sehe alles nach gut funktionierenden und geordneten Verhältnissen aus, aber die primäre Bezugsperson zeige Härte, Indifferenz und unausgesprochene mürrische Aggression. Laut Auchter und Strauss (2003, S. 127) stehen narzisstische Störungen ursächlich im Zusammenhang mit früh verinnerlichten bedrohlichen oder unberechenbaren Objektbeziehungen, die es den Betreffenden nie möglich gemacht haben, sich auf gute innere Objekte zu verlassen. Dornes (1993, S. 99) interpretiert eine gute Mutter-Kind-Beziehung, durch die Fähigkeit der Mutter intensive Affekte aufzufangen und auszugleichen, schafft sie das nicht, entwickelt das Kind fragmentierte Selbst- und Objektempfindungen, um affektive Überlastung abzuwehren. Dies erklärt laut Dulz und Jensen (2000, S. 179), warum ein grosser Teil der realtraumatisierten Personen keine Spaltung der Selbst- und Objektrepräsentanzen entwickeln. Die Säuglingsforschung (vgl. Köhler, 1992; Lichtenberg, 1990) belegt, dass das primäre Bindungsverhalten bis zum sechsten Lebensmonat geprägt wird und bis zum Beginn der Pubertät konstant bleibt. Boothe (2002) beschreibt die phallisch-narzisstische Phase in der psychosexuellen Entwicklung als Beziehungserleben zu den Elternfiguren, in welchem anstelle von phallischer Integrität („ich bin ein intaktes phallisches Lust- und Kampfzentrum“) und Selbstgenügsamkeit („ich verfüge über alles, dessen ich bedarf, und kann mich auf eine freundlich bergende und schützende Umwelt verlassen“) die Angst vor Potenzverlust („ich bin kraftlos, lustlos und unattraktiv“) und Preisgabe („mir steht kein eigener innerer Raum zur Verfügung, dessen Integrität geschützt und respektiert ist und der zu mir gehört“) aufkommen kann, was in der Folge mittels Abwehrmechanismen (siehe weiter unten) verdrängt wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Dorian Gray auf der Couch von Prof. O.F. Kernberg
Hochschule
Universität Zürich  (Kinische Psychologie I)
Veranstaltung
Narzissmus
Note
max. Punktzahl
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V70988
ISBN (eBook)
9783638626927
ISBN (Buch)
9783656448211
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Narzissmus in der Literatur "Das Bildnis des Dorian Gray" von Oscar Wilde
Schlagworte
Dorian, Gray, Couch, Prof, Kernberg, Narzissmus
Arbeit zitieren
Franziska Amsel Muheim (Autor:in), 2006, Dorian Gray auf der Couch von Prof. O.F. Kernberg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70988

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