Die Neuorganisation des Fußballsports in Deutschland durch die Nationalsozialisten ab 1933 und die Funktionalisierung des Hochleistungsfußballs im Kontext der NS-Propaganda


Magisterarbeit, 2006

123 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Aufbau der Arbeit

2. Die Entstehung und Verbreitung der Fußballbewegung bis 1918
2.1 Die Entstehung und Verbreitung des Spiels in Deutschland
2.2 Die Gründung des Deutschen Fußball-Bundes
2.3 Gegner und Kritiker des neuen Sports
2.4 Das Militär als Wegbereiter für die gesellschaftliche Anerkennung
2.5 Die weitere Entwicklung des DFB bis 1914
2.6 Fußball im Ersten Weltkrieg

3. Fußball in der Weimarer Republik
3.1 Fußball auf dem Weg zum Massensport
3.2 Die heterogene Organisationsstruktur des Fußballs
3.2.1 Der DFB als Hauptakteur der Fußballbewegung
3.2.1.1 Aufbau und Organisation des DFB in der Weimarer Republik
3.2.1.2 Die Haltung des DFB in der Berufsspielerfrage
3.2.2 Fußball in der Arbeitersportbewegung
3.2.3 Fußball in den konfessionellen Sportorganisationen
3.2.4 Fußball in den deutschjüdischen Turn- und Sportvereinen
3.2.5 Integration des Fußballs in der Deutschen Turnerschaft
3.2.6 Fußball in Firmen- und Behördensportvereinen

4. Fußball im nationalsozialistischen Regime bis 1939
4.1 Die erste Gleichschaltung des Sports
4.1.1 Der neue ’Sportführer’: Horst von Tschammer und Osten
4.1.2 Die Auflösung des Deutschen Reichsausschuß für Leibesübungen
4.1.3 Die Proklamation des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen
4.1.4 Die Zentralisierung des Fußballs
4.1.5 Die Erhaltung des Vereinswesens
4.1.5.1 Die Einführung des Dietwesens
4.1.6 Veränderungen des Spielbetriebes und der Ligastruktur
4.1.7 Die Entwicklung in der Berufsspielerfrage
4.1.8 Der Verlust der Jugendarbeit
4.1.9 Die ’Zerschlagung’ der Arbeitersportbewegung
4.1.10 Repressalien gegen konfessionelle Sportverbände
4.1.11 Der Ausschluss jüdischer Mitglieder
4.1.12 Die Auflösung der Firmen und Werkssportverbände
4.2 Die Olympischen Spiele 1936: ’Propagandabühne’ der Nationalsozialisten
4.3 Die zweite Gleichschaltung des Sports und das Ende des DFB
4.3.1 Die Auflösung der jüdischen Sportbewegung
4.4 Die Nationalmannschaft als ’Spielball’ der Politik

5. Fußball im Krieg
5.1 Pläne zur Gleichschaltung des internationalen Sports
5.2 Der internationale Sportverkehr im Dienst der Außenpolitik
5.3 Die Aufrechterhaltung des nationalen Spielbetriebs

6. Der FC Schalke 04 als nationalsozialistischer ’Vorzeigeverein’
6.1 Die Anfänge des traditionsreichen Revierclubs
6.2 Die Auswirkungen der Gleichschaltung auf den Verein
6.3 Die Einbindung in die nationalsozialistische Propaganda

7. Abschlussbetrachtung

8. Literatur- und Quellenverzeichnis
8.1 Literaturverzeichnis
8.2 Verzeichnis der Bildquellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Kein Zweifel: Sport und Politik haben etwas miteinander zu tun, sie sind aufeinander bezogen, auch wenn im Zentrum der Politikwissenschaft nicht der Sport, im Zentrum der Sportwissenschaft nicht die Politik steht. […] Man könnte sogar formulieren, dass es den unpolitischen Sport - eigentlich - nicht gibt“ (Lösche 2001, 45).

Ausgegangen wird, in Anlehnung an Buss, von einem systemtheoretischen Konzept, in dem der Sport im gesamtgesellschaftlichen Rahmen ein autonomes Subsystem darstellt.1 Dieses Subsystem steht wiederum im Kontext mit anderen gesellschaftlichen Subsystemen wie zum Beispiel der Politik (vgl. Buss 2006, 47). Ständige Verflechtungen der beiden Subsysteme seit den Anfängen des Sports führen dazu, dass der Sport für die Politik eine zunehmend wichtige Bezugsgröße darstellt. Dieses wird nur dann zu einem Problem, wenn Politiker glauben, durch beispielsweise ihre Anteilnahme an publikumswirksamen Wettkämpfen einen Prestigegewinn und Machtzuwachs zu erringen und somit versuchen, den Sport für ihre Ziele zu nutzen.

Deutlich wurde die enge Verknüpfung von Sport und Politik erst kürzlich bei einem Freundschaftsspiel des FC Bayern München im Iran. Der Iran, durch seine Atompolitik und antisemitischen Äußerungen seines Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad von der Weltbevölkerung isoliert, nutzte das Spiel für politische Propaganda. Während die Verantwortlichen des FC Bayern betonten, dass Sport und Politik sich gegenseitig ausschließen und nichts miteinander zu tun haben, sprach der iranische Vizepräsident Mohammed Aliabadi offen an, dass das Spiel für den Iran durchaus eine politische Bedeutung habe. Stadionansagen und Einblendungen in den Fernsehübertragungen, in denen die Atomenergie als natürliches Recht der iranischen Bevölkerung hervorgehoben wurde untermauerten die politische Funktion des Spiels (vgl. Dehne 2006).

Aufgrund der politischen Haltung des Irans hatten Politiker unterschiedlicher Länder sogar im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 einen Ausschluss der iranischen Mannschaft gefordert. Man befürchtete, der iranische Präsident könnte bei seinem Erscheinen in Deutschland das Fußballfest als politische ’Propagandabühne’ nutzen.

Der Sport, und damit auch der Fußball, bildeten im Nationalsozialismus in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Die Frage, ob die Nationalsozialisten den Sport für ihre Propagandazwecke einsetzten, muss klar bejaht werden und bedarf keiner weiteren Diskussion. Diese Tatsache ist in der zeitgenössischen geschichtswissenschaftlichen Literatur untersucht und bestätigt worden. Gerade der verstorbene Bonner Sporthistoriker Hajo Bernett sowie Hans-Joachim Teichler, Professor an der Universität Potsdam, forschten intensiv auf diesem Gebiet und veröffentlichten mehrere Publikationen, die sich mit der Thematik Sport im Nationalsozialismus auseinandersetzen.2

Vielmehr muss in Untersuchungen der Schwerpunkt darauf gelegt werden, inwieweit die Nationalsozialisten den Sport und in diesem Fall speziell den Fußball für ihre Zwecke gebzw. missbrauchten und in welchem Maße sie von den Sportfunktionären unterstützt wurden. Eingebunden in das politisch-ideologische Konzept erkannten auch die Nationalsozialisten - wie es Franz Beckenbauer, Chef des Organisationskomitee der FußballWeltmeisterschaft kürzlich ausdrückte - die „unheimliche Kraft“ des Fußballs, „die weit über das sportliche hinausgeht“ (Der Spiegel, 29.05.06, Nr.22). Der Propagandaminister der Nationalsozialisten, Joseph Goebbels, stellte nach der im September 1942 erlittenen Niederlage der Nationalmannschaft gegen Schweden fest:

„100.000 [Menschen, d.V.] sind deprimiert aus dem Stadion gegangen. Den Leuten liegt der Gewinn dieses Fußballspiels mehr am Herzen als die Einnahme irgendeiner Stadt im Osten“ (Goebbels, zitiert nach Grüne 2003, 256).

Die Wissenschaft, die speziell den Fußball in der Zeit von 1933-1945 zum Forschungsgegenstand erhoben hat, ist jung, und so bemerkte Grüne im Jahr 1995, dass es sich beim Fußball im Nationalsozialismus um eine „düstere Geschichte“ handele, „vor allem aber eine unbekannte“ (Grüne 1995, 90).

Das erste Werk, welches eine gesamte Überblicksdarstellung des Fußballs im braunen Regime liefert, wurde 1999 von Gerhard Fischer und Ulrich Lindner unter dem Titel „Stürmer für Deutschland - Vom Zusammenspiel zwischen Fußball und Nationalsozialismus“ veröffentlicht. Auf über 300 Seiten setzen sich die Autoren kritisch mit der Thematik auseinander und zeichnen ein durchaus gut strukturiertes Bild des Fußballs in der Hitler-Diktatur.

Im Jahr 2000 publizierte der Politikwissenschaftler Arthur Heinrich eine Gesamtdarstellung der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes.3 In seinem Buch „Der Deutsche Fußballbund. Eine politische Geschichte“ befasst er sich auf etwa 50 Seiten mit der Geschichte des Verbandes im nationalsozialistischen Regime. Heinrich tritt in seinen Formulierungen der Selbstdarstellung des DFB als unpolitischer Verband entgegen und zeigt eine große ideologische Nähe der führenden Funktionäre mit den Nationalsozialisten auf.

Der Verband wird als autoritäre Organisation dargestellt, die sich willfährig in den Dienst der Nationalsozialisten stellte (vgl. Heinrich 2000, 155).

Auch die Autoren Hartmut Hering (2002) und Hardy Grüne (2003) widmen dem Fußball im Nationalsozialismus in ihren Überblickdarstellungen der gesamten deutschen Fußballgeschichte eigene Kapitel. Sind die Ausführungen von Hering in seiner Arbeit „Im Land der tausend Derbys. Die Fußball-Geschichte des Ruhrgebiets“ oftmals auf einzelne Regionen beschränkt, so nimmt Grüne in seinem Buch „100 Jahre Deutsche Meisterschaft. Vom Schülerkick zum Medienereignis. Die Geschichte des Fußballs in Deutschland“ eine gesamtdeutsche Betrachtung vor.

Eine sehr journalistische Darstellungsform wählten die beiden Schriftsteller Dirk Bitzer und Bernd Wilting in ihrem 2003 erschienenen Gemeinschaftswerk „Stürmen für Deutschland. Die Geschichte des deutschen Fußballs von 1933 bis 1954“. Auf circa 150 Seiten werden komplexe geschichtliche Zusammenhänge stark vereinfacht und komprimiert dargestellt.4

Der DFB, der durch die Gleichschaltung der Nationalozialisten das organisatorische Monopol der Fußballbewegung hatte, hielt es lange Zeit für überflüssig, seine eigene Vergangenheit zwischen 1933-1945 aufzuarbeiten. Aus diesem Grund forderte der Tübinger Rhetorikprofessor Walter Jens anlässlich einer Rede zum Jubiläum 1975 den DFB dazu auf, sich der Geschichte zu stellen und endlich seine Rolle in der 12-jährigen Diktatur kritisch zu hinterfragen. Er verwies auf die gesellschaftliche Bedeutung des Sports, der es sich von seiten des Verbandes zu stellen gelte (vgl. Jens 1975, 183). Der Verband reagierte auf die Rede von Jens mit Empörung und zeigte auch weiterhin kein Interesse an einer Aufarbeitung der geschichtlichen Vergangenheit des Verbandes.

Mit Zunahme der Kritiker, die schonungslose Offenlegung der Machenschaften des Verbandes in der NS-Zeit im Hinblick auf die 100-Jahr-Feier des DFB forderten, widmete der Verband in seiner Jubiläumsfestschrift „100 Jahre DFB“ dem Fußball in Nationalsozialismus ein eigenes Kapitel. Die auf wenigen Seiten zusammengefassten Ausführungen von Karl Adolf Scherer (2000) mit dem Titel „Die Geschichte erwartet das von uns. Fußball im Dritten Reich“ unterlassen einen allzu kritischen Umgang mit der NS- Zeit und halten einer Anwendung wissenschaftlicher Richtlinien nicht stand.

Aufgrund der anhaltenden Kritik sah sich der DFB schließlich 2001 gezwungen, eine eigene historische Studie zur Aufarbeitung der Verbandsgeschichte während des diktatorischen Regimes in Auftrag zu geben. Im Herbst 2005 präsentierte der Mainzer Historiker und Autor Nils Havemann mit dem Titel „Fussball unterm Hakenkeuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz“ seine Ergebnisse. Er gestand ein, dass der DFB sich nach der Machtübernahme sofort widerstandslos in den Dienst der Nationalsozialisten stellte und bei der Umgestaltung des Sports aktiv mithalf. Allerdings macht er hierfür rein opportunistische Gründe verantwortlich und spricht die Funktionärselite von einer ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus frei (vgl. Havemann 2005, 23 & 339).

Mit dieser Erkenntnis löste Havemann eine große Diskussion unter renommierten Historikern um die Deutungshoheit der deutschen Fußballgeschichte aus. Im Mittelpunkt steht die Frage nach den Ursachen und Motiven für die aktive Beteiligung des Verbandes an der nationalsozialistischen Politik. Wurde das Handeln der DFB-Funktionäre, wie Heinrich meint, durch ideologische Übereinstimmung beeinflusst, oder passten sich die Verantwortlichen den Nationalsozialisten nur aus einem machtpolitischen und materiellen Kalkül aus an?

Obwohl die unterschiedlichen Standpunkte der einzelnen Autoren an bestimmten Stellen einander gegenüber gestellt werden, kann diese Arbeit keine Antwort auf die oben erwähnte Diskussion geben. Vielmehr unternimmt sie den Versuch, beginnend mit einer detaillierten Darstellung der Neuorganisation des Sports, zu zeigen, dass die Nationalsozialisten den Fußball gezielt für Propagandazwecke einsetzten. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, inwieweit der Fußball für diese Zwecke genutzt wurde, und wie sich die bürgerlichen Fußballfunktionäre zum neuen Regime verhielten.

Basis für meine Untersuchung ist die zeitgenössische Fachliteratur, welche sich im Allgemeinen mit der Thematik Sport im Nationalsozialismus auseinandersetzt und sich im Speziellen mit dem Fußball im NS-Regime beschäftigt. Als Primärquelle diente mir neben verschiedenen Publikationen aus der NS-Zeit in erster Linie das Fußballfachmagazin “Der Kicker“ der Jahrgänge 1933-1941, das ich in der Bibliothek der Sporthochschule Köln einsah.

1.1 Aufbau der Arbeit

Inhaltlich wie formal gliedert sich die Arbeit in sieben Abschnitte. An diese Einleitung, die einen kurzen Überblick über Struktur und Thematik der nachfolgenden Seiten bieten soll, schließt sich in Kapitel 2 eine Darstellung über die Entstehung und Entwicklung des Fußballs bis zum Ende des Ersten Weltkrieges an. Betrachtet wird dabei nur die Entwicklung in Deutschland.

Kapitel 3 setzt sich mit der Fußballbewegung in der Weimarer Republik auseinander. Beschrieben werden der Weg des Fußballs zum Massensport und die Spaltung des Sports in mehrere miteinander konkurrierende Organisationen. Der Rückblick auf die Geschichte des deutschen Fußballs vor 1933 ist deshalb unerlässlich, weil nur so das Verhalten der einzelnen Akteure und Institutionen im Dritten Reich verstanden werden kann. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der gesamte Sport neu strukturiert. Die Neuorganisation des Fußballs ist Inhalt von Kapitel 4. Insbesondere der Zusammenhang zwischen der Gleichschaltung des Sports und den Olympischen Spielen 1936 wird herausgearbeitet.

Kapitel 5 thematisiert den Fußball im Krieg. Selbst in den fast sechsjährigen Kampfhandlungen spielte die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs eine wichtige Rolle. Fußball wurde zu innen- und außenpolitischen Zwecken eingesetzt.

In Kapitel 6 wird exemplarisch am Beispiel des FC Schalke 04 gezeigt, wie sich die zuvor erläuterte Neuorganisation des Sports im Verein gestaltete und wie der Klub in die Propaganda der Nationalsozialisten eingebunden war. Gerade der FC Schalke 04 eignet sich für diese Analyse, da der Verein im Dritten Reich die mit Abstand erfolgreichste Mannschaft stellte.

Diesem Hauptteil folgt eine Abschlussbemerkung in Kapitel 7, die die einzelnen Abschnitte und die Ergebnisse der Beschäftigung mit den jeweiligen Themata in einen Gesamtzusammenhang bringt und somit ein Fazit der Arbeit erlauben soll. Den Abschluss der Arbeit bildet das Quellen- und Literaturverzeichnis.

2. Die Entstehung und Verbreitung der Fußballbewegung bis 1918

Der moderne Fußball stammt aus England und ist eine ’Erfindung’ von Pädagogen der englischen Public Schools. Durch das Spiel, das sich an verbindlichen Regeln orientierte, sollten die Heranwachsenden des Adels und des Bürgertums von gemeinsamen Unternehmungen mit der dörflichen Jugend abgehalten und zu einem disziplinierteren Freizeitverhalten erzogen werden. Nachdem das Spiel 1850 an mehreren Public Schools fester Bestandteil des offiziellen Lehrplans geworden war, fand es auch in kurzer Zeit Eingang in die Freizeit der Studenten. Mit der Gründung der “Football Association“5 im Jahr 1863 in London wurden die zum Teil voneinander abweichenden Regeln der Public Schools in einem festen Regelwerk vereinheitlicht. Das Spiel verlor innerhalb weniger Jahre seinen „elitären Charakter“ und begeisterte Hunderttausende, die überwiegend dem Arbeitermilieu zuzuordnen waren (Eisenberg 1994, 181).

Im folgenden Abschnitt soll die Verbreitung der Fußballbewegung in Deutschland nachgezeichnet werden.

2.1 Die Entstehung und Verbreitung des Spiels in Deutschland

Engländer machten den Fußball in Deutschland bekannt. Seit dem 18. Jahrhundert existierten in Handelszentren wie Berlin, Hamburg und Dresden sowie in Residenzstädten wie Hannover und Braunschweig so genannte „Engländerkolonien“ (Grüne 2003, 16). Die Bewohner dieser Kolonien waren überwiegend englische Unternehmer, Techniker und leitende Angestellte sowie Studenten und Touristen, die sich längere Zeit in Deutschland aufhielten und auf ihre Freizeitgewohnheiten nicht verzichten wollten. Sie pflegten die Ausübung der vertrauten Gesellschaftsspiele, zu denen neben Hockey, Leichtathletik und Rugby auch das Fußballspiel gehörte. Oftmals verfügten die Engländer wegen der Fluktuation in den eigenen Reihen nicht über die Möglichkeit, eine eigene Mannschaft zu stellen, so dass deutsche Geschäftspartner, Kollegen oder Studenten zum Mitspielen aufgefordert wurden. Nach einer ersten Berührung mit dem neuen Sport fanden viele daran Gefallen und sie schlossen sich englischen Mannschaften an oder gründeten eigene Vereine (vgl. Eisenberg 1994, 182).

Die deutsche Industrialisierung und die damit verbundene stärkere Entfaltung der internationalen Beziehungen führten zu einer weiteren Verbreitung des Fußballs. Immer mehr englische Kaufleute und Studenten kamen nach Deutschland und sorgten so für eine schnelle Popularität des Sports.

Auch in den Schulen fand das Spiel Einzug. Bereits 1874 ließ der Pädagoge Konrad Koch, er machte sich zunehmend Sorgen um den Zustand der deutschen Jugend und sah im Fußballspiel ein ausgezeichnetes erzieherisches und körperbildendes Mittel, am Braunschweiger Gymnasium Martino-Cathherineum den Sport im Turnunterricht ausüben. Durch das sportliche Treiben hoffte er, „die Schüler aus dem Dunste schlechter Kneipen in die frische Luft hinauszuziehen“ und damit den Tabak- und Alkoholkonsum der Jugendlichen einzuschränken (Koch 1894, 44). Über Turnlehrertagungen verbreitete sich der neue Sport schnell an Gymnasien wie in Hannover, Bremen und Göttingen (vgl. Grüne 2003, 17).

Als der Fußball eingeführt wurde, verstand man unter dem Spiel im wesentlichen zwei Hauptvarianten, und von einem festen Regelwerk konnte in Deutschland noch nicht gesprochen werden. Das Spiel befand sich in einem Spaltungsprozess. Unter dem englischen Begriff “Football“ verstand man sowohl den “FA-Football“ als auch Rugby. Namensgeber für die brutalere Variante des Sports war die mittelenglische Kleinstadt Rugby. An der ansässigen Public School setzten sich Regeln durch, die ein Aufnehmen des Balles mit der Hand und ein Treten des Gegners erlaubten. In Konkurrenz zu dieser Variante stellten Studenten in Eton Regeln auf, die das alleinige Spielen mit dem Fuß vorsahen (vgl. Hering 2002, 18).

Mehrere Faktoren sind laut Grüne dafür verantwortlich, dass sich die ’Soccer-Variante’, die als Vorgänger des heutigen modernen Fußballs bezeichnet werden kann, in Deutschland durchsetzte. Die hohe Verletzungsgefahr beim oftmals brutal geführten Rugby war neben dem komplizierten Regelwerk der Hauptgrund für diese Entwicklung. Die ’Einfachheit’ der Regeln aus Eton verhalf der ’Soccer-Variante’ schließlich zu einer immer stärkeren Verbreitung (vgl. Grüne 2003, 18 f.). Im weiteren Verlauf der Ausführungen findet nur diese Variante Berücksichtigung.

Das Spiel blieb in den Anfangsjahren ein rein bürgerliches Vergnügen. Juristen, Ärzte, Professoren, Lehrer und Architekten gründeten die ersten Vereine. Zur Ausübung des Spiels bedurfte es eines gewissen Einkommens, da Schuhe und Trikots angeschafft werden mussten. Diese Kosten konnten die meisten Menschen nicht aufbringen, und deshalb konnte sich das Spiel unter den Arbeitern zunächst nicht durchsetzen. Auch die oftmals langen Arbeitszeiten in den Fabriken von zwölf und mehr Stunden und die Gefahr einer Verletzung und eines damit verbundenen Lohnausfalls verhinderten eine Ausbreitung des Sports in der Arbeiterschaft (vgl. Havemann 2005, 33).

In den 1890er Jahren setzte eine erste „Vereins-Gründungswelle“ ein, und Clubs wie die noch heute im Profifußball aktiven Mannschaften Hertha BSC Berlin, Eintracht Braunschweig, Hannover 96 und Werder Bremen entstanden (Eisenberg, 1994, 183). Zeitgleich änderte sich die soziale Zusammensetzung der Fußballbewegung. Angestellte verdrängten immer mehr die Mitglieder der Oberschicht des Bürgertums. Infolge der industriellen Revolution war der Anteil der Kaufleute, Ingenieure und Techniker an der Gesamtbevölkerung stetig angewachsen. Aufgrund der Novellierung der Gewerbeordnung, sie untersagte die Sonntagsarbeit, verfügten die Angestellten über freie Zeit, dem Sport nachzugehen. Sportliche Motive waren allerdings nicht allein entscheidend für die Ausbreitung des Fußballs unter den Angestellten. Sie suchten vielmehr Anschluss an das traditionelle Bürgertum und wollten ihre Zugehörigkeit zur ’feineren Gesellschaft’ demonstrieren. Die Angestellten hatten nämlich einen unbestimmten sozialen Status innerhalb der Gesellschaft. Dem Proletariat gehörten sie nicht an, aber um sich dem klassischen Bürgertum zuordnen zu können, fehlten ihnen die nötigen ’Bildungspatente’ wie das Abitur oder der Hochschulabschluss und die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Durch das Kopieren des studentischen Verbindungswesens innerhalb der Vereine versuchten die Angestellten sich dem Bürgertum anzunähern und ihren gesellschaftlichen Status zu heben. Fußball hatte für sie eine identitätsstiftende Funktion (vgl. Eisenberg 1999, 183-185). Die weitere Verbreitung des Fußballs profitierte von den Veränderungen der Lebensbedingungen. Die Entwicklung und der Ausbau der Eisenbahn war ein entscheidender Faktor bei der Entstehung einer Fußballszene, die auf Wettbewerb und gegenseitigem Austausch basierte. Ohne den Ausbau des Eisenbahnnetzes, so Grüne, wäre der Fußball niemals Volkssport geworden (vgl. Grüne 2003, 21).

Nachdem der Fußball sich in vielen Städten etabliert hatte, konnte nun eine geeignete überregionale Wettkampfstruktur geschaffen werden. Voraussetzung hierfür waren ein einheitliches Regelwerk und funktionierende Verbände. In jeder Region Deutschlands wurde nach unterschiedlichen Regeln gespielt, so dass Wettkämpfe über die regionalen Grenzen hinaus mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden waren. Die in der Folgezeit gegründeten regionalen Verbände6 standen teilweise in direkter Konkurrenz zueinander und eine Zusammenarbeit, um die Entwicklung des Fußballs voranzutreiben, blieb aus. Um der Fußballbewegung eine einheitliche Richtung zu geben, wurde die Forderung nach einem reichsweiten Fußballverband laut (vgl. Koppehel 1954, 66 f.).

2.2 Die Gründung des Deutschen Fußball-Bundes

Mit der Gründung des DFB auf dem “Ersten Allgemeinen Deutschen Fußballtag“ am 28. Januar 1900 im Leipziger Mariengarten begann die Geschichte des überregional organisierten bürgerlichen Fußballsports in Deutschland (vgl. Bitzer & Wilting 2003, S. 14). Die Ziele und Aufgaben des DFB, der als Dachverband für die meisten der im vorangegangenen Jahrzehnt gegründeten Lokal- und Regionalverbände fungierte, lagen in der Schaffung einheitlicher Spielregeln, der Einrichtung von Landesverbänden und der ’Ausmerzung’ englischer Spielausdrücke. Erster DFB-Präsident wurde Dr. Ferdinand Hueppe aus Prag, der das Fußballspiel durch englische Schüler am Gymnasium Neuwied kennen gelernt hatte. Die Gründung des Verbandes erwies sich als hilfreich für die weitere Entwicklung des Sports. Die Schaffung von Regionalverbänden, die als Bindeglied zwischen DFB und den Vereinen fungieren sollten, wurde forciert, und rund acht Monate nach der Gründungsversammlung wurden einheitliche Spielregeln erlassen, die aber erst 1903 ihre endgültige Fassung bekamen (vgl. Grüne 2003, 43 f.).

Trotzdem verlief die Arbeit des DFB zunächst schleppend. Es gab keine professionelle Verbandsführung und nur wenige Ehrenamtliche vertraten die Verbandsinteressen. Erschwert wurde die Arbeit durch das großräumige Deutsche Reich und die nur spärlich ausgebauten Kommunikationsmöglichkeiten (vgl. Schulze-Marmeling, Grüne, Skrentny & Dahlkamp 1999, 21). Einen ersten Deutschen Meister konnte der DFB mit dem VfB Leipzig erst 1903 präsentieren. Unter sportlichen Gesichtspunkten stellten die Meisterschaftsrunden in den ersten Jahren eine offensichtliche Verzerrung der tatsächlichen Leistungsverhältnisse dar. Hauptgrund hierfür war der Austragungsmodus und der unterschiedliche Organisationsgrad der Regionalverbände.

Die meisten der Regionalverbände waren nicht dazu bereit, dem DFB Kompetenzen abzutreten und beharrten auf ihrer Machtposition. Um eine Vereinheitlichung des Spielbetriebes zu erreichen, wäre eine Übertragung der Aufsichtsrechte der Regionalverbände an den DFB nötig gewesen. Dies ließen die regionalen Verbände aber auch nach jahrelangen Verhandlungen nicht zu. Der DFB befand sich in einer schwachen Ausgangsposition und war völlig von den Regionalverbänden abhängig (vgl. Grüne 2003, 48).

2.3 Gegner und Kritiker des neuen Sports

Die fehlende gesellschaftliche Anerkennung stellte für die Fußballbewegung anfänglich die größte Hürde dar. Staatliche Repressionen behinderten die Verbreitung des Spiels. Viele Gemeinden nutzten in den ersten Jahren jeden erdenklichen Vorwand, um den Sport zu unterbinden. Auch die Kirche verurteilte den Fußball auf schärfste, fürchtete sie doch um ihre Sonntagsruhe. In den meisten katholischen Jugendvereinigungen fand der Sport bis zum Ende des Ersten Weltkriegs keinen Eingang (vgl. Eisenberg 1994, 187).

Die Verbreitung des Fußballs in den Schulen hing stark vom Engagement einzelner Pädagogen ab. Zwar wurde das Spiel nach der Jahrhundertwende an den meisten höheren Schulen geduldet, doch gerade an humanistischen Gymnasien, die sich als Hort ’deutscher Tradition’ verstanden, wurde das aus England stammende Spiel verachtet und die Ausübung den Schülern untersagt (vgl. Schulze-Marmeling 2000, 68-70).

Zum größten Gegner der Fußballanhänger entwickelte sich die “Deutsche Turnerschaft“7, die eine Gefährdung ihrer Monopolstellung auf dem Gebiet der Leibesertüchtigungen sah. Friedrich Ludwig Jahn hatte die Turnbewegung, als Gründer und Ideengeber, ursprünglich zur „Rekrutierung einer paramilitärischen Reservearmee für die Befreiungskriege gegen Napoleon ins Leben gerufen“ (Hering 2002, 20). Turnen sollte dazu dienen, „die deutsche Jugend körperlich und weltanschaulich aufzurüsten“ (Heinrich 2000, 16).

Aufgrund antifeudalistischer Aktivitäten wurde die Turnbewegung im Jahr 1820 durch Preußen und weitere deutsche Staaten verboten und konnte sich erst um 1842 im Volk wieder etablieren. Nachdem sich zahlreiche Turner 1848 an der bürgerlichen Revolution beteiligt hatten, die blutig niedergeschlagen wurde, war man erneut der Verfolgung durch reaktionäre Kräfte ausgesetzt. Rund zehn Jahre musste die Turnbewegung nun aus dem ’Verborgenen’ agieren (Grüne 2003, 80 f.).

Die „neue Turnbewegung“, die sich 1858 bildete, hatte nun „keinerlei demokratische Ambitionen mehr“ und „bezog klar Position an der Seite der Feudalherrschaft“ (Grüne 2003, 82). Durch die mit dem Wandel beginnende Entpolitisierung der Bewegung und dem Rückgang des Wehrsports konnte sich das Turnen schnell als allgemeine Bewegung der Leibesübungen etablieren und erlebte einen bemerkenswerten Aufschwung innerhalb der Gesellschaft.

Die im Jahr 1868 gegründete DT, sie übernahm die Führung und Organisation der Turnbewegung und stand voller nationalem Stolz hinter der Monarchie, zählte im Jahr 1900 fast 650.000 Turner in 6.500 Vereinen und besaß damit eine eindeutige Dominanz in Sachen Leibesübungen (vgl. Heinrich 2000, 15).

Anfänglich stand die DT dem Fußball durchaus offen gegenüber. In den einzelnen Turnvereinen gründeten sich eigenständige Spielabteilungen und Fußball konnte sich als Gesellschaftsspiel integrieren (vgl. Heinrich 2000, 22).

Die körperliche Betätigung war allerdings für die meisten Turner nur als gemeinsame Körper- und Charakterbildung ohne gegenseitige Konkurrenz denkbar. Die Ausübung des Fußballs, bei der eine Individualität zum Ausdruck kam und die persönliche Befriedigung durch Spannung oder eine besondere Leistung erreicht wurde, war deshalb nicht akzeptabel. Spannungen und Streitereien unter den Turnern innerhalb der Vereine waren folglich unausweichlich. Je mehr sich die Fußballspieler in den Turnvereinen einseitig auf das Spiel konzentrierten und dabei das Turnen vernachlässigten, umso mehr entfernten sich die unterschiedlichen Auffassungen voneinander. Der unausweichliche Bruch führte dazu, dass die Fußballer sich von den Turnvereinen lösten und eigene Spiel- und Sportvereine gründeten. Die Integration der Fußballer in die DT war somit gescheitert (vgl. Hering 2002, 39 f.).

Unter den Turnfunktionären machte sich nun zunehmend die Sorge breit, Mitglieder zu verlieren und damit einhergehend, gesellschaftlichen Einfluss einzubüßen. Besonders die steigende Attraktivität des Fußballs für die Jugend beunruhigte die Verbandsoberen. Mit allen Mitteln wurde nun gegen die Fußballbewegung vorgegangen. Die Turner warfen den Fußballern vor, das Spiel gehe aufgrund seiner Brutalität immer mit ernsten gesundheitlichen Schäden einher und sie geißelten es als „Aftersport“ und „Sportfexerei“ (Hering 2002, 40).

Die „schärfste Waffe“ im Kampf gegen den Fußball erblickten die Funktionäre in der Behauptung, Fußball sei ein „undeutsches Spiel“ (Heinrich 2000, 23). Sie wiesen auf den ausländischen Ursprung des Spiels hin und konfrontierten die Fußballbewegung mit dem Vorwurf der ’Engländerei’. Karl Planck, Professor und Turnlehrer am Eberhard- Ludwigs Gymnasium in Stuttgart und erbitterter Gegner der Fußballbewegung führte in seiner ’Kampfschrift’ gegen den Fußball, die den vielsagenden Titel “Fußlümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit“ trug, aus:

„Ei, so sieh ihn doch an, den feuchtohrigen Laffen, wie er mit seinen bunten, frisch aus Albion geholten Flicken und dem breitesten englischen Bulldoggengesicht dem erstaunten Repsbauern sein „half-time“ „Full-backs“ „scrummage“ entgegenfletscht! Wer das mit ansehen muß, dessen Geduld ist „out“ er macht einen wütenden „try“, den ganzen Fußball-„match“ und „matsch“ mit einem „Kick“ in die Luft zu sprengen“ (Planck 1889, 40).

Gerade die Benutzung der englischen Fachtermini wie “goal“, “captain“ oder “match“, welche unter den Fußballern üblich waren, bot den Sportgegnern eine große Angriffsfläche. Selbst bereits erwähnter Konrad Koch, Förderer der jungen Sportart, monierte den Gebrauch der englischen Ausdrücke. Der DFB machte es sich zur Hauptaufgabe, die englische Fußballsprache zurückzudrängen und durch eine deutsche Fachsprache zu ersetzen. Ziel der ’Eindeutschungskampagne’ war es, die vaterländisch-nationale Grundhaltung der Spielbewegung zu unterstreichen und die Kritiker verstummen zu lassen. Aus dem “captain“ wurde nun der Führer und aus dem “match“ das Spiel (vgl. Heinrich 2000, 34 f.).

Der Werbeeffekt, den diese Kampagne für den deutschen Fußball hatte, ist laut Eisenberg gar nicht hoch genug einzuschätzen. Das Spiel konnte sich auf diesem Wege nicht nur einem Teil der Kritik entziehen, sondern in einer Zeit, in der nur wenige Englisch verstanden, konnte der Fußball nun als ’deutsches Spiel’ populär werden (vgl. Eisenberg 1994, 185). Einhergehend bewirkte die Eindeutschung der Fußballsprache eine deutliche Annäherung an die martialische Sprache des Militärs. Diese Tatsache war von den Funktionären gezielt geplant, denn eine Übersetzung der Spielsprache in Kriegsszenarien musste ankommen „in einer Gesellschaft, in der Militärisches (kurz vor dem Ersten Weltkrieg, d.V.) selbst in kulturelle Nischen eingedrungen war“ (Heinrich 2000, 35).

2.4 Das Militär als Wegbereiter für die gesellschaftliche Anerkennung

Entscheidend für die weitere Entwicklung des Fußballs war das Interesse der staatlichen und gesellschaftlichen Führungselite. Der DFB, nach Größe und Macht strebend, suchte den Kontakt zu den Mächtigen des Landes. Er erhoffte sich vom Kaiserhaus und vom Militär Unterstützung bei der Förderung des Fußballs. Funktionäre betonten immer wieder die Gemeinsamkeiten von militärischer Ausbildung und dem Fußballspiel. Das Erlernen von Disziplin, Härte und Unterwerfung wurde als gemeinsames Ziel genannt. Um die Verbreitung des Spiels voranzutreiben, wurden speziell Kriegsakademien, Militärturnanstalten und Kriegsschulen mit „Werbematerial“ in Form von Jahrbüchern, Spielregeln und Sportzeitungen beliefert (vgl. Heinrich 2000, 36-38).

Der Plan ging auf. Das Spiel fand Eingang in die Armee und erfreute sich bald immer größer werdender Beliebtheit. Bereits 1903 wurde Fußball offiziell von Teilen der Militärverwaltung in den Ausbildungsplan eingeführt und war verbunden mit der Gründung von neuen Fußballmannschaften. Das Militär genoss in der Bevölkerung des Kaiserreiches enormes Ansehen und wirkte normbildend für weite Bereiche in der Gesellschaft. Der „noch junge Fußball profitierte vom hohen gesellschaftlichen Prestige der Armee und gewann so an Respektabilität und Akzeptanz weit über seine Anhängerschaft hinaus“ (Hering 2000, 36).

Mindestens die gleiche Wichtigkeit wie die steigende gesellschaftliche Anerkennung hatte die Tatsache, dass das Militär dem DFB neue Sportplätze zur Verfügung stellte. Exerzierplätze durften nun für den Fußball genutzt werden. Ihm wurde so in seiner Ausbreitung und Entwicklung bedeutend geholfen. Das Militär wurde laut Havemann zu „einem wichtigen, vielleicht sogar […] zum wichtigsten Multiplikator des jungen Sports“ (Havemann 2005, 46).

Innerhalb weniger Jahre gelang es dem DFB, der gesellschaftlichen Ächtung zu entkommen und sich als staatstragende Institution zu etablieren.

2.5 Die weitere Entwicklung des DFB bis 1914

Die Fußballbewegung und der DFB erlebten nach anfänglichen Schwierigkeiten einen stetigen Aufschwung. Mit Beginn des Jahres 1904 wurden 9.317 Mitglieder in 194 Vereinen gezählt. Anfang 1910 waren schon 82.326 Fußballer in 1.053 Vereinen unter dem Dach des DFB organisiert (vgl. Koppehel 1954, 50).

Die Gründung der “Fédération Internationale de Football Association“8 1904 und der Beitritt des DFB im selben Jahr, er wurde dadurch ein international anerkannter Vertreter des deutschen Fußballs, trieb die Entwicklung des Fußballs weiter voran. Die FIFA beschloss die Regeln aus England vollinhaltlich zu übernehmen, was den DFB dazu veranlasste, die eigenen Regeln in vielen Punkten zu ändern, um sie dem internationalen Regelwerk anzugleichen.

1908 kam es zum ersten offiziellen Länderspiel einer deutschen Nationalmannschaft, das diese drei zu fünf gegen die Schweiz verlor (vgl. Schulze 1986, 14).9

Hauptproblem für die Arbeit des DFB blieb, wie bereits erwähnt, das Machtgerangel mit den Landesverbänden und die geringe Durchsetzungskraft des DFB bei strukturellen und organisatorischen Problemen. Deutlich wurde dies besonders bei der Aufstellung der Nationalmannschaft. Entsprechend ihrer Größe durften die Landesverbände eine unterschiedliche Spielerzahl für bestimmte Positionen benennen. Die Nominierung der Spieler wurde komplett den Verbänden überlassen und der DFB hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung. So war oftmals die Folge, dass nicht die besten Spieler im Dienst der Nationalmannschaft standen, da „Proporzdenken und Vereinsegoismen stets zu ihrem Recht gekommen waren“ (Eisenberg 1990, 35).

Ein weiterer Schritt, der dem Fußball zu gesellschaftlicher Anerkennung verhalf, war die Stiftung eines Pokals durch den kaiserlichen Kronprinzen 1908. In der Folgezeit wurde der “Kronprinzpokal“ zwischen regionalen Auswahlmannschaften in einem K.o.-Wettbewerb ausgespielt (vgl. Grüne 2003, 63).

Im November des Jahres 1911 trat der DFB dem sich neu gegründeten “Jungdeutschlandbund“ bei. Ziel dieses Bundes war laut Heinrich eindeutig die „Schaffung einer kriegsverwendungsfähigen Jugend“ (Heinrich 2000, 39). Heinrich behauptet in seinen Ausführungen, der DFB hätte eine Mitgliedschaft nicht nur wegen der Aussicht an staatliche Fördergelder zu kommen angestrebt, sondern hätte auch seine Vorstellungen im Programm des neuen Bundes und seiner nationalistischen Ausrichtung wiedergefunden (vgl. Heinrich 2000, 40 f.).10

Bei den Landesverbänden bildete sich unter der Führung von Fritz Boxhammer, Vorsitzender des Brandenburgischen Regionalverbandes, eine Opposition gegen den Beitritt des DFB. Man befürchtete, durch den Beitritt und die damit verbundene politische Positionsnahme bestimmte Bevölkerungskreise von der Mitgliedschaft im DFB auszuschließen. Von der politischen Neutralität, die man bei der Gründung des DFB als Verhaltensregeln ausgegeben hatte, rückte man so ab. Für Grüne trieb das Bekenntnis zum Jungdeutschland einen unübersehbaren Keil in die Fußballbewegung. Dies sollte sich jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg auswirken (vgl. Grüne 2003, 86).

Trotz eines hohen Mitgliederzuwachses vor dem Krieg blieb die Popularität des Fußballs beschränkt. Bei Ausbruch des Krieges verzeichnete der DFB zwar 189.294 Mitglieder, Auswahlmannschaft mit 2:13. Da der DFB 1899 noch nicht gegründet war, geben die meisten Statistiken das Jahr 1908 als Jahr des ersten Länderspiels an (vgl. Grüne 2005, 33).

konnte aber an die Mitgliederzahl der DT, die bei Kriegsausbruch bereits die Millionengrenze überschritten hatte, nicht heranreichen. Die instabilen Organisationsstrukturen innerhalb des DFB und die geringen Zuschauerzahlen bei Endrundenspielen um die Deutsche Meisterschaft zeigten, Fußball sollte erst nach dem Ersten Weltkrieg seinen eigentlichen Aufschwung erleben (vgl. Eggers 2002, 76).

2.6 Fußball im Ersten Weltkrieg

Aufgehalten wurde die Entwicklung des Fußballs mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914. Die meisten Vereine standen aufgrund der massenhaften Einberufungen und „der im patriotischen Rausch erfolgten freiwilligen Meldungen ganzer Mannschaften“ plötzlich ohne Spieler da (Hering 2002, 47). Die bevorstehende Saison 1914/15 um die Deutsche Meisterschaft musste abgesagt werden.

Der DFB und die oberen Funktionäre begrüßten den Krieg frenetisch. Sie sahen den Krieg, den sie schon aus weltanschaulichen Gründen für gerechtfertigt hielten, als Chance, das gesellschaftliche Ansehen des Fußballs zu stärken. Durch kämpferisch herausragenden Einsatz sollten die Mitglieder zeigen, dass sie „durch und durch deutsch seien“, um auch die letzten Zweifler zu überzeugen, die nach wie vor den englischen Ursprung des Spiels kritisierten (Heinrich 2000, 45).

Obwohl der komplette Spielbetrieb aufgrund der Generalmobilmachung eingestellt werden musste, brach das Vereinsleben nicht völlig zusammen. Bereits einige Monate nach Kriegsbeginn konnte zu Beginn des Jahres 1915 schon wieder von einem geregelten Fußballbetrieb gesprochen werden, der sich allerdings auf größere Städte beschränkte und über den lokalen Rahmen nicht hinausging. Die Vereine waren allerdings in ihrer Zusammensetzung nicht wieder zu erkennen. Oftmals mussten Jugendliche den unterbesetzten Mannschaften aushelfen und standen Seite an Seite mit reaktivierten älteren Fußballern. Sportliche Gesichtspunkte traten während der Kriegszeit in den Hintergrund. Hauptziel des DFB bei der Fortsetzung des Fußballbetriebes war die Aufrechterhaltung der Kriegsmoral und die Vorbereitung der Jugend auf den Kriegseinsatz. Eine Militarisierung erfasste den Vereinsalltag und Gepäckmärsche, Geländeläufe und Schießübungen waren nun fester Bestandteil der Vereinsarbeit.

Je länger der Krieg dauerte, umso schwerer wurde die Situation für den Fußball. Viele Vereine mussten aufgrund des Verlustes von Mitgliedern und der materiellen Not ihre Arbeit einstellen. Mit der sich abzeichnenden Niederlage Deutschlands im letzten Kriegsjahr brach der Spielbetrieb dann vollends zusammen. Bis 1920 wurde kein Deutscher Meister mehr ausgespielt (vgl. Grüne 2003, 87 f.).

Während die Entwicklung des Fußballs in der Heimat einen Rückschritt erlebte, entstand an der Front im Verlauf des Krieges ein reger Spielbetrieb. Die Soldaten nutzten in den Gefechtspausen den Sport zur Hebung der Kriegsmoral und um sich körperlich fit zu halten. Fußball erwies sich laut Eisenberg als „probates Mittel, um die […] Kampfeinheiten zu stabilisieren und sie zu […] ’Frontsoldatengemeinschaften’ zusammenzuschweißen“ (Eisenberg 1997, 104).

Der Krieg erwies sich im Hinblick auf die soziale Ausdehnung des Spiels als ’Glücksfall’. Nahezu jede Kompanie spielte hinter den Schützengräben Fußball und die in den Krieg gezogenen Arbeiter kamen zum ersten Mal mit dem Spiel in Berührung und sollten ihre Begeisterung für den Sport auch nach Kriegsende behalten.

3. Fußball in der Weimarer Republik

Mit dem verlorenen Ersten Weltkrieg und der Abdankung des Kaisers am 9. November 1918 brach der monarchische Obrigkeitsstaat zusammen. An seine Stelle trat unter Führung der “Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ eine demokratisch geführte Republik auf präsidentiell-parlamentarisch geführter Basis (vgl. Longerich 1995, 50). Der verlorene Krieg hatte schwere ökonomische und soziale Folgen hinterlassen. Viele Menschen lebten am Existenzminimum. Hinzu kamen die durch den Versailler Vertrag von den Alliierten geforderten Reparationszahlungen, die eine schnelle wirtschaftliche Gesundung verhinderten und vom Volk als zu hart abgelehnt wurden. Die deutschen Politiker waren nicht auf eine Regierungsübernahme vorbereitet. Im deutschen Kaiserreich waren Regierung und Parlament unabhängig voneinander. Nun war man auf Verhandlungen und Kompromisse angewiesen, die aufgrund der großen Parteiendichte nur schwer zu erreichen waren. Erschwerend kam hinzu, dass ein Großteil der deutschen Führungsschicht weiterhin aus ’kaisertreuen’ Personen bestand, die eher antidemokratisch dachten und handelten (vgl. Kolb 2002, 30-57).

3.1 Fußball auf dem Weg zum Massensport

Nach dem Ende des Krieges 1918 erlebte der Fußball in Deutschland einen regelrechten Boom. Fußball wurde zur Massenbewegung und breitete sich über das ganze Reichsgebiet aus. Selbst in den kleinsten Dörfern entstanden Fußballmannschaften, und in nur vier Jahren vervielfachte sich die Zahl der organisierten Fußballer von 150.000 Ende des Krieges auf etwa eine Million im Jahr 1922 (vgl. Luh 2006, 1).

Aus dem vor dem Weltkrieg fast ausschließlich bürgerlichen Sport wurde nun ein schichtübergreifendes Massenphänomen, denn dem Fußball gelang die Überwindung aller Klassengrenzen.11 Infolge der politischen und sozialen Umwälzungen setzte er sich jetzt auch in der Arbeiterschaft durch. Dadurch erfuhr die Fußballbewegung eine radikale Änderung in ihrer sozialen Zusammensetzung. Ursachen für die Entwicklung waren die positiven Erfahrungen der Arbeiter mit dem Fußball während des Krieges und die infolge der Novemberrevolution 1919 durchgesetzte Einführung des Achtstundentages. War den Arbeitern vor dem Krieg der Zugang zum Fußball aufgrund ihrer oft überlangen Arbeitszeit verwehrt, besaßen sie nun durch ihre verbesserte Freizeitsituation die Möglichkeit, dem Spiel nachzugehen (vgl. Heinrich, 2000, 62). Auch wenn die Arbeitszeit in den verschiedenen Branchen sehr unterschiedlich blieb und die Schwerindustrie den Achtstundentag Mitte der Zwanziger Jahre sogar wieder abschaffte, ermöglichte sie doch großen Teilen der Arbeiterschaft am Ende des Arbeitstages oder am Wochenende eine regelmäßige Ausübung des Sports.

Nicht nur die Zahl der Aktiven innerhalb der Vereine und Verbände stieg, sondern auch das öffentliche Interesse nahm zu. Diese Entwicklung zeigte sich im enormen Ansteigen der Zuschauerzahlen. Spiele, die vor dem Krieg in der Regel nur einige hundert oder tausend Zuschauer besucht hatten, mobilisierten nun Zehntausende. Rund 50.000 Besucher sahen durchschnittlich die Endspiele um die Deutsche Meisterschaft (vgl. Eisenberg 1993, 148). Grüne sieht den Boom als „Spiegelbild der allumfassenden Aufbruchstimmung der frühen zwanziger Jahre“ (Grüne 1999, 45). Die in den Jahren der Monarchie aufgestaute Sehnsucht nach Individualität und Moderne äußerte sich in der Weimarer Republik unter anderem im Verhalten zum Fußball. In allen Teilen der Bevölkerung herrschte durch die jahrelangen Kriegsentbehrungen nach dem Sturz des Kaiserreiches ein Bedürfnis nach Vergnügen, Entspannung und Ablenkung. Zu dessen Befriedigung wurde neben der aufkommenden kommerziellen Unterhaltungsindustrie wie dem Kino oder dem Radio auch der Fußball genutzt (vgl. Hering 2002, 109 f.). Eggers sieht im stark aufkommenden Fußball in der Gesellschaft sogar eine identitätstiftende Wirkung: „In einer Phase verloren gegangener Werte, die zusammen mit dem Kaiserreich untergegangen waren, suchten viele Menschen nun nach neuen Formen der Identität“ (Eggers 2001, 65).

Ein weiterer Grund für den rasanten Aufschwung des Fußballs lag in der öffentlichen Sportförderung. Der Wechsel von der Monarchie zur Demokratie wirkte sich auf die Entwicklung durch den reichsweiten Bau von Sportplätzen und Stadien positiv aus. In Fußballhochburgen wie München (Grünwalder Stadion), Köln (Müngersdorfer Stadion), Duisburg (Wedau Stadion) und Nürnberg (Zabo Stadion) entstanden mit kommunaler und industrieller Unterstützung neue Stadien und schufen somit Grundvoraussetzungen für ein weiter ansteigendes Zuschauerinteresse (vgl. Luh 2006, 4).

In den Printmedien und dem neu aufgebauten Medium Rundfunk wurde der Fußball ein zentrales Thema, und jede größere Tageszeitung verfügte über einen eigenen Sportteil, der sich ausführlich dem Fußball widmete. Unabhängige Fußball-Fachzeitschriften, wie der 1920 vom Herausgeber Walter Bensemann ins Leben gerufene “Kicker“, erschienen im Wochenrhythmus (vgl. Eggers 2001, 142).12 Nachdem 1923/24 zehn Rundfunkgesellschaften entstanden waren, erfolgte im November 1925 die erste Live- Berichterstattung eines Fußballspiels. In ’blumigen Worten’ berichtete Bernhard Ernst von der Partie Preußen Münster gegen Arminia Bielefeld. Nach nur einigen Monaten konnte im April 1926, mit der Partie Deutschland gegen Holland, sogar das erste Länderspiel live übertragen werden (vgl. Eggers 2001, 143 f.). Das Radio wurde für den Fußball zum „wichtige[n] Wegbereiter und elementare[n] Multiplikator auf seinem Weg zum Volkssport“ (Grüne 2003, 127).

Innerhalb kurzer Zeit gelang es dem Fußballsport sich zum festen Bestandteil der Alltags- und Freizeitkultur in weiten Teilen der Bevölkerung der Weimarer Republik zu entwickeln.

3.2 Die heterogene Organisationsstruktur des Fußballs

Der Sport, und somit auch der Fußball, war Spiegelbild der „politisch und kulturell gespaltenen Weimarer Gesellschaft“ (Luh 2006, 7).

Jede gesellschaftliche Kraft versuchte mit der Schaffung einer eigenen Sportstruktur seine ideologischen oder konfessionellen Vorgaben in die körperlichen Aktivitäten einzubinden. Deshalb war die Fußballbewegung organisatorisch und ideologisch in einzelne miteinander konkurrierende Verbände ’aufgespalten’. Sowohl im bürgerlich-nationalen Verbandslager, zu dem der DFB, die DT, die katholische “Deutsche Jugendkraft“, der “Reichsverband Deutscher Firmen-Sportvereine“ und die Behördensportverbände von Post, Bahn und Polizei zählten, als auch im sozialdemokratisch-sozialistischen Lager, zu dem der “Arbeiter- Turn- und Sportbund“13 gehörte, spielte man Fußball. Eine geringe Zahl jüdischer Fußballer war in den jüdischen Turn- und Sportverbänden “Schild“, “Makkabi“ oder “VINTUS“ organisiert (vgl. Luh 2006, 7).

3.2.1 Der DFB als Hauptakteur der Fußballbewegung

Der DFB war in der Weimarer Republik die mitgliederstärkste Fußballorganisation. Bereits 1920 waren knapp 470.000 Sportler unter dem Dach des DFB organisiert. Zu Beginn des Jahres 1931 überschritt die Mitgliederzahl des Verbandes erstmalig die Millionengrenze (vgl. Eggers 2001, 64). Als Gründungsmitglied des 1917 entstandenen “Deutschen Reichsausschuß für Leibesübungen“14, der als Dachorganisation der bürgerlichen Sportverbände diente, war der DFB erster Ansprechpartner für die Belange des Fußballs auf staatlich-nationaler Ebene. Der Verband verstand sich als die standes-, schichten-, konfessions- und parteiübergreifende Fußballbehörde in Deutschland und strebte die ’Alleinherrschaft’ über den Fußballsport an (vgl. Luh 2006, 7 f.).

Personell bewies der Verband Kontinuität, blieben doch die Funktionäre, die den Kriegsausbruch 1914 euphorisch gefeiert hatten, auch in der Weimarer Republik im Amt. Lediglich der 2. Vorsitzende Hans Hofmann war im Krieg gefallen und musste ersetzt werden (vgl. Eggers 2001, 72). Auf dem ersten Nachkriegsbundestag 1919 in Eisenach übernahm Felix Linnemann das Amt des Verstorbenen und entwickelte sich in der Folgezeit zum mächtigsten Funktionär des DFB.

Linnemann, als Sohn eines Architekten 1882 in Essen geboren, begann nach einem abgebrochenen Jura- und Medizinstudium eine Laufbahn zum höheren Kriminalbeamten in Berlin. 1912 bestand er die Staatsprüfung und war in der Folgezeit als Leiter verschiedener Kommissariate tätig. Linnemann, der schon in seiner Jugend sportlich aktiv war, sammelte während seiner Tätigkeit als 1. Vorsitzender eines großen Berliner Vereines erste Erfahrungen als Sportfunktionär. Ab 1918 war er über mehrere Jahre Vorsitzender des Verbandes Brandenburgischer Ballspielvereine (vgl. Dwertmann 2005, 14). Mit der Wahl zum 1. Vorsitzenden des DFB 1925 vertrat Linnemann auch die Interessen des Verbandes im DRA, in dem er das Amt des 3. Vorsitzenden bekleidete. Geprägt durch das

Abb. 1. Felix Linnemann

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kaiserreich und den Weltkrieg konnte sich Linnemann problemlos in die Führungselite des deutschen Fußballs einreihen. Politisch und ideologisch sahen die obersten Funktionäre keinen Grund, von ihrer konservativ-nationalen Sichtweise abzurücken. Der Krieg war „im Nachhinein aller Ehren wert und jeglicher Kritik entzogen“ (Heinrich 2000, 53). „Nicht nur dass das Leistungspersonal weitgehend dasselbe blieb“, wie Heinrich feststellt, „auch […] ein ideologischer Bruch fand nicht statt“ (Heinrich 2000, 73). Eine echte Identifikation des Verbandes mit der demokratischen Republik blieb nach Grüne aus (vgl. Grüne 2003, 95).

Trotz der „Denkmuster wilhelminischer Prägung“ und seiner eindeutigen ideologischen Positionen gab der DFB sich bewusst unpolitisch (Luh 2006, 21). 1919 trat der Verband nach Druck von einigen Regionalverbänden aus dem “Jungdeutschlandbund“ aus. Dieser Schritt erfolgte nicht aus Überzeugung, sondern hatte ausschließlich opportunistische Gründe. Man passte sich im Interesse der Organisation den demokratischen Entwicklungen an, um nicht in den Verdacht einer reaktionären Gesinnung zu kommen und um die „allenthalben gepredigte politische Neutralität des Fußballs“ zu wahren (Heinrich 2000, 112). Ebenso verfolgte man mit dem Austritt das Ziel, der Arbeitersportbewegung in der konkurrierenden Auseinandersetzung um Mitglieder keinen Angriffspunkt zu bieten. Die Mitgliederbindung aus allen Schichten der Gesellschaft war so gewahrt.

Ein weiterer Beleg für die politische Gesinnung der Führungselite zeigte sich im Verhalten zur Wehrertüchtigung. Die Bedingungen des Versailler Vertrages verboten eine allgemeine Wehrpflicht in Deutschland und legten fest, dass die künftige deutsche Armee auf 100.000 Berufssoldaten beschränkt werden musste (vgl. Benz 2000, 119). Der Verband sah es als seine Pflicht an, den Fußballsport als Wehrpflichtersatz zu nutzen. Linnemann und andere Funktionäre bekannten sich offen zu der Absicht, „durch Förderung der körperlichen Leistungsfähigkeit eine Grundlage zum Aufbau einer Reichswehr in alter Stärke zu schaffen“ (Heinrich 2000, 106). Gerade in der Jugendarbeit erkannte man den erzieherischen Wert und versuchte, militärische Verhaltens- und Wertemuster zu vermitteln. In der Endphase der Weimarer Republik und der sich verändernden politischen Atmosphäre legte der DFB seine vermeintliche politische Neutralität ab und begrüßte freudig die Gründung des “Reichskuratoriums für Jugendertüchtigung“. Ziel des Kuratoriums war die militärische Ausbildung von Heranwachsenden. Auch wenn der Fußballsport „die vorherrschende Form der Bewegungskultur“ in den Vereinen blieb, entsandte auch der DFB seine Mitglieder zur Teilnahme an den Wehrsport-Lehrgängen des Kuratoriums (Luh 2006, 22).

Die obersten Funktionäre waren, wie Heinrich treffend formulierte, „politisch und machten auf ihre Art Politik - unter dem Etikett politischer Abstinenz“ (Heinrich 2000, 120). Luh sieht zum Ende der Weimarer Republik sogar eine „ideologische Ausrichtung des DFB“, die eine „wachsende Nähe zum Nationalsozialismus“ erkennen ließ (Luh 2006, 22).

3.2.1.1 Aufbau und Organisation des DFB in der Weimarer Republik

Organisatorisch war der DFB in mehrere Gremien unterteilt. Das entscheidende Organ war der Bundesvorstand. Er umfasste zunächst fünf Mitglieder, wurde aber in der Folgezeit weiter aufgestockt. 1932 zählte der Vorstand mit dem ersten Vorsitzenden, seinem Stellvertreter, dem Geschäftsführer, zwei Beisitzern, dem Ehrenvorsitzenden und den Vertretern der sieben Landesverbände, die unter dem Dach des DFB organisiert waren und die organisatorische Grundlage bildeten, insgesamt 18 Mitglieder. Gewählt wurde der Bundesvorstand vom einmal im Jahr einberufenen Bundestag. Dieser setzte sich aus den Mitgliedern des Bundesvorstandes und den Vertretern der Landesverbände zusammen. Die Landesverbände verfügten je 10.000 Mitglieder über eine Stimme. Der Bundestag musste sich wiederum vor den Bezirken, Kreisen und Vereinen für seine Arbeit verantworten. Mit den laufenden Geschäften befasste sich der geschäftsführende Ausschuss, der aus Mitgliedern des Vorstandes gebildet wurde (vgl. Havemann 2005, 74). Havemann widerspricht in seinen Ausführungen dem wie er sagt „vorherrschenden Vorurteil in der Literatur“ und bezeichnet den DFB als einen formal „demokratisch verfasste[n] Verband“ (Havemann 2005, 75). Andere Positionen beziehen Heinrich (2000, 60), Luh (2006, 8), Zöller (1976, 90 f.) und Eggers (2001, 59), die dem DFB die innerverbandliche Demokratie absprechen. Kritisiert wird der Bundestag, „der seine Bezeichnung […] an sich nicht verdiente“ (Luh 2006, 8). Der Bundestag war ein um die Vertreter der Landesverbände entsprechend deren Mitgliederzahl erweiterter Bundesvorstand. Aufgrund der hohen Stimmenanteile der großen Regionalverbände waren Absprachen zur Stimmenbündelung im Vorfeld einer Abstimmung an der Tagesordnung. „Ein überschaubarer Kreis von Funktionären, weitgehend abgeschottet gegenüber der Mitgliedschaft“ und „sich selbst in regelmäßigen Abständen im Amt bestätigend“ bestimmte, so Heinrich, die Arbeit des DFB (Heinrich 2000, 70).

Der Spielbetrieb innerhalb des DFB unterlag keiner verbindlichen Norm und wurde individuell von den Regionalverbänden geregelt. Eine einheitliche Reichsliga, wie sie oft von den großen und spielstarken Vereinen gefordert wurde, gab es nicht. Jeder Regionalverband ließ seine eigenen Ligen ausspielen. Zeitweise konnten sich so 615 Mannschaften in 62 Staffeln erstklassig nennen (vgl. Grüne 2003, 162). Leittragende dieser Tatsache waren die Spitzenmannschaften, die über den regionalen Vergleich hinaus keine ernsthaften Konkurrenten hatten. Um die Deutsche Meisterschaft, die vom DFB veranstaltet und vermarktet wurde, spielten ab der Saison 1924/25 die sechzehn besten Teams der jeweiligen Landesverbände. Jeder Landesverband durfte abhängig von der Mitgliederstärke eine bestimmte Anzahl von Teams stellen.

Die Organisation des Spielbetriebes spiegelt deutlich das große Problem des DFB wider, das bereits in Kapitel 2.2 und 2.5 angesprochen wurde. Der DFB war ein Dachverband, „ein Verband der Verbände, der keine Entscheidungsbefugnis über die Landesverbände und Vereine besaß“ (Luh 2006, 8). Damit war die Handlungsfähigkeit des Verbandes stark eingeschränkt. Der DFB konnte nur dann tätig werden, wenn ein Konsens unter den sieben Landesverbänden15 hergestellt worden war.

Untermauert wurde die schwache Machtposition des DFB mit dem Verfahren zur Aufstellung der Nationalmannschaft, das sich nach dem Krieg nicht änderte. Mit der Einstellung von Otto Nerz 1926 konnte zwar ein verantwortlicher Reichstrainer präsentiert werden, aber auch er schaffte es nicht, die Missstände bei der Auswahl der Nationalspieler völlig zu beseitigen. Nerz, 1892 geboren und seit 1919 an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen tätig, konnte allerdings als ’Glücksgriff’ für die Nationalmannschaft bezeichnet werden. Mit ihm wurde ein Umschwung eingeleitet. Er schuf durch Einführung von Sichtungslehrgängen, Vorbereitungslagern und systematischen Trainingseinheiten die Grundlage für die späteren Erfolge der Mannschaft (vgl. Grüne 2005, 96-

Abb. 2. Otto Nerz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

101). Der negativen Länderspielbilanz vor seiner Zeit stand im Zeitraum von 1926 bis 1932 mit siebzehn Siegen, acht Unentschieden und elf Niederlagen eine positive Bilanz gegenüber (vgl. Schulze 1986, 117). Lehnte der DFB anfangs Länderspiele gegen ehemalige Feindstaaten des Krieges wie Frankreich oder England ab, gab er in der Folgezeit diese Position auf. Auch die sportliche Isolation durch die FIFA konnte nicht aufrechterhalten werden. 1928 nahm die Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen in Holland teil. Das Auftaktmatch gegen die Schweiz konnte mit vier zu null gewonnen werden, in der nächsten Runde verlor das deutsche Team allerdings mit eins zu vier gegen Uruguay und schied aus dem Turnier aus (vgl. Schulze-Marmeling et al. 1999, 63 f.).

3.2.1.2 Die Haltung des DFB in der Berufsspielerfrage

Spätestens mit der Gründung der ersten Fußballvereine war der Fußball keine wirtschaftsfreie Zone mehr. Nach dem Krieg und dem Boom des Sports nahm die Kommerzialisierung zu, und der Fußball entwickelte sich zwangsläufig zu einem veritablen Wirtschaftsgut. Die Vereine versuchten durch Werbeeinnahmen, Spiele gegen ausländische Mannschaften oder mit Hilfe der stetig steigenden Zuschauereinnahmen den immer höher werdenden Herausforderungen, die der Spitzenfußball stellte, gerecht zu werden. Die großen Vereine sahen sich gezwungen, wirtschaftlich zu denken und nutzten jede sich darbietende Form der Finanzierung (vgl. Grüne 2003, 120).

Um die Leistungsfähigkeit des eigenen Teams zu verbessern, wurden die ersten Trainer eingestellt und ein regelmäßiges Training durchgeführt. Einige Spitzenklubs hatten diesen Schritt bereits schon vor dem Krieg gewagt. Den Spielern war es durch den gestiegenen Zeitaufwand, den die Vorbereitungen auf das Spiel nun an sie stellten, kaum möglich, neben dem Sport noch einem Beruf nachzugehen. Der DFB wusste um dieses Problem, untersagte aber Zuwendungen der Vereine an die Spieler und lehnte jede Form des Profitums ab. Diese Entwicklung machte den Weg zum “Scheinamateurismus“ frei (vgl. Fischer & Lindner 1999, 31).

Schon bei seiner Gründung legte sich der DFB auf den Amateurismus fest. Als Berufsspieler galt, wer:

„um einen Geldpreis oder eine Entschädigung in Geld, Geldeswert oder Gegenständen spielt oder aber zum Zwecke des Lebensunterhalt Unterricht in dem von ihm betriebenen Sportzweige erteilt oder der als Spieler für Reisen eine Entschädigung in Geld, Geldeswert oder Gegenständen erhalten hat, die seine Reise- und Unterhaltskosten […] erheblich überstiegen, oder der für die verlorene Zeit entschädigt worden ist“(DFB-Jahrbuch 1905/1906 Satzungen des DFB §41, zitiert nach Röwekamp 2006, 92).

Der DFB war der Meinung, die Zulassung des Berufsspielertums würde den erzieherischen Wert des Sports gefährden. Argumentiert wurde mit der Verlockung durch Prämien und Preise, mit dieser der erzieherische Anspruch verloren gehe und der Fußball zum reinen Selbstzweck verkümmere (vgl. Heinrich 2000, 78). Nach Auffassung des Verbandes könne Fußball nur dann zu „wahrer Mannesbildung, uneigennützigem Leistungswillen, Disziplin und Unterordnung […] und zur körperlichen und geistigen Gesundung beitragen“, wenn der Fußball „um seiner selbst willen betrieben werde“ (Luh 2006, 23).

Trotz der einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen in der Weimarer Republik die, wie oben beschrieben, auch den Fußball betrafen, hielt der DFB an der ideologischen Überhöhung des Amateurprinzips fest.

Während Heinrich (2000, 75-79) und Eisenberg (1997, 106 f.) in ihren Ausführungen den ideologischen Aspekt des Verbandes zur Begründung des Amateurgedankens in den Vordergrund stellen, werden für Eggers (2001, 162-166) und Havemann (2005, 56-61) die ideologischen Motive dazu gebraucht, um von eigenen wirtschaftlichen Motiven abzulenken, die entscheidend für die Ablehnung des Profitums waren.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die damit verbundene steuerrechtliche Situation in Deutschland waren, so die Meinung der Autoren, ausschlaggebend für die strikte Einhaltung des Amateurprinzips. Um die Abgaben des Verbandes so gering wie möglich zu halten, passte sich die Einstellung des DFB zur Berufsspielerfrage dem deutschen Steuerrecht an. Der Verband nutzte das im preußischen Einkommensgesetz von 1906 verankerte Prinzip der Gemeinnützigkeit aus. Es verschaffte der Organisation, im Falle der Anwendung, steuerliche Erleichterungen oder sogar die vollständige Steuerbefreiung.

Gemeinnützigkeit lag unter anderem dann vor, wenn die Organisation oder der Verband der Allgemeinheit dienten. Die Förderung der körperlichen Ertüchtigung war ein Dienst für die Allgemeinheit. Der Sachverhalt der Gemeinnützigkeit kam aber nur dann zum Tragen, wenn die Gewinne des Verbandes in den gemeinnützigen Zweck zurückflossen oder beim Verband verblieben. Sie durften nicht an Mitglieder ausgezahlt werden. Wollte der DFB seine Steuerprivilegien behalten, durfte er es nicht zulassen, dass nur ein einziger Spieler eine gehaltsähnliche Zahlung erhielt. Der Sport als Mittel zum Gelderwerb hätte zum Verlust der Steuerbefreiung geführt. Man hätte auf die Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten zusätzlich noch Körperschaftssteuer, Umsatzsteuer und unter Umständen Gewerbesteuer zahlen müssen (vgl. Havemann 2005, 58 f.). Im “Kicker“ gab man seine wirtschaftlichen Eigeninteressen letztendlich zu. Zu Gründen, die gegen eine Professionalisierung sprachen äußerte sich der DFB:

Wir haben keinen Grund, den Fiskus zu einer veränderten Steuerpolitik zu ermutigen […].Durch die falsche Darstellung, als ob wir den Professionalismus züchten wollten, würden wir die Steuerbehörde auf einen vollkommen falschen Weg führen […] (“Der Kicker“ vom 10. Januar 1933, Nr. 2, 50).

Mit einer Einführung des Profitums wäre neben dem Verlust der steuerlichen Privilegien noch eine zusätzliche Gefahr für den Verband verbunden gewesen. Der DFB befürchtete, dass sich bei einer Zulassung des Berufsfußballs die Profis vom DFB losgelöst und sich in einem eigenen Verband organisiert hätten. Dies hätte zu einer Einbuße an Größe und Macht geführt und musste deshalb unter allen Umständen verhindert werden (Havemann 2005, 60). Trotz aller Vorschriften seitens des Verbandes war es ein offenes Geheimnis, dass zahlreiche Sportler von den Vereinen durch geldliche Leistungen entlohnt wurden. Die Vereine richteten ihren herausragenden Sportlern Geschäfte ein, über welche die Gehälter an die Spieler flossen, oder stellten ihnen über dem Verein nahe stehende Betriebe Arbeitsplätze zur Verfügung, an denen sie nur selten anzutreffen waren (vgl. Havemann 2005, 56). Der DFB wusste von den Zuständen in den Abteilungen, verteidigte aber aus den oben genannten Gründen mit allen Mitteln den Amateurgedanken. Gegen Vereine, Funktionäre und Spieler, die nachweislich gegen den Amateurgedanken verstoßen und Geld angenommen oder gezahlt hatten, wurde hart vorgegangen.

Der Kampf gegen den Berufssport ging soweit, dass es den Vereinen des DFB 1925 verboten wurde, gegen ausländische Teams zu spielen, in deren Länder das Profitum bereits eingeführt worden war.16 Dieser Beschluss wurde aber 1928 wieder gelockert. 1930 wurde es schließlich den Landesverbänden freigestellt, den Vereinen die Erlaubnis für internationale Spiele zu erteilen (vgl. Eggers 2004, 104 f.).

Berühmtestes Beispiel für die Maßnahmen, die der DFB bei Verstoß gegen das Amateurprinzip einleitete, wurde der Skandal 1930 um den Verein FC Schalke 04. Das Fußballgericht stellte fest, dass mehrere Spieler für ihren Sport eine Entlohnung erhalten hatten. Im Zuge des Verfahrens wurden 14 Spieler zu Berufssportlern erklärt und ein Jahr vom Spielbetrieb suspendiert (vgl. Zöller 1978, 139 f.).17

Die zunehmende Kritik der Vereine und der Presse, die eine Einführung des Profitums forderten, nahm mit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 ein immer größeres Ausmaß an. Nach der Gründung des “Deutschen Professional-Fußballverbandes“, dessen Arbeit an unterschiedlichen Interessen der beteiligten Vereine scheiterte, gründete sich im Jahr 1932 der “Süddeutsche Verband für Berufsfußballspiele“. Er kämpfte für eine Einführung einer professionellen Reichsliga. Auf den vielen in der Folgezeit abgehaltenen Sitzungen, auf denen das Anliegen diskutiert wurde, gelang es dem DFB immer wieder, die endgültige Entscheidung bezüglich der Berufsspielerfrage hinauszuzögern. Diese ’Hinhaltetaktik’ wurde auch vom “Kicker“ kritisch bemerkt:

„Wer die Taktik des Bundes kennt, der weiß im voraus, daß das bescheidene Ergebnis lediglich die Ansetzung einer neuen Konferenz in absehbarer Zeit sein wird […]“ (“Der Kicker“ vom 17. Januar 1933, Nr. 3, 94).

Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten sollten die verantwortlichen Funktionäre mit dieser Taktik Erfolg haben (vgl. Eggers 2001, 162).

[...]


1 Buss unterteilt das Subsystem Sport noch einmal in einen kulturellen Kern (der Sportpraxis) und ein institutionelles System von Regeln und Organisationen (vgl. Buss 2006, 1).

2 Peiffer veröffentlichte eine kommentierte Bibliographie, die alle Publikationen zum Thema Sport im Nationalsozialismus bis 2004 enthält (vgl. Peiffer 2004).

3 Im weiteren Verlauf der Arbeit nur als DFB bezeichnet.

4 Heinrich unterstellt den Autoren, bei ihren Darstellungen größtenteils von anderen Veröffentlichungen abgeschrieben zu haben. Für diese Behauptung liefert er mehrere Beispiele (vgl. Heinrich 2003, 117 f.). Gleichzeitig findet er inhaltlich „zahllose Fehler“, die den Wert dieses Buches sehr in Frage stellen (Heinrich 2003, 121). Das Buch wird im weiteren Verlauf der Arbeit nur dann als Quelle angegeben, wenn der Inhalt der Aussage anhand anderer Publikationen überprüft wurde.

5 Im weiteren Verlauf der Arbeit nur als FA bezeichnet.

6 Die erste vereinsübergreifende Organisation gründete sich am 4. November 1890 mit dem “Bund Deutscher Fußballspieler“ in Berlin. Der Bund kam nie über regionalen Charakter hinaus und löste sich im Frühjahr 1892 nach 15-monatigem Bestand wieder auf (vgl. Grüne 2003, 20).

7 Im weiteren Verlauf der Arbeit nur als DT bezeichnet.

8 Im weiteren Verlauf der Arbeit nur als FIFA bezeichnet.

9 Der erste ’Ländervergleich’ einer Auswahlmannschaft fand bereits am 23 11. 1899 statt. Eine deutsche Mannschaft bestehend ausschließlich aus Akteuren Berliner Vereine verlor gegen eine englische

10 Heinrich unterstellt dem DFB eine ideologische Anfälligkeit. Seinen Ausführungen zufolge identifizierte sich der DFB „völlig selbstverständlich mit den Herrschaftsverhältnissen im Kaiserreich, pflegte den Nationalismus, hatte ein Faible für den gesellschaftlich üblichen Militarismus und teilte die machtpolitischen Ambitionen, wie sie Wilhelm II. vertrat“ (Heinrich 2006, 743).

11 Eisenberg (1990, 25-30) ist der Meinung, dass die geringe Repräsentanz der Arbeiterschaft auch in der Weimarer Republik erhalten blieb und erst der Übergang von den Zwanziger zu den Dreißiger Jahren eine Zäsur in der sozialen Zusammensetzung darstellte. Eine Fußballeuphorie, die alle Schichten der Gesellschaft erfasste, stellt für sie eine rein ideologische Fiktion dar, die von Funktionären des DFB gepflegt wurde. Luh (2006, 39) versucht diese These zu widerlegen, und auch Eggers (2001, 69 f.), Grüne (2003, 104), Heinrich (2000, 62), Hering (2002, 103) und Schulze-Marmeling et al. (1999, 46) sprechen von einer radikalen Änderung der sozialen Zusammensetzung des Fußballs direkt nach dem Weltkrieg.

12 Bensemann widmete sein ganzes Leben dem Fußball, und galt als Pionier des jungen Sports. Bereits in Jugendjahren war er, 1873 geboren, an mehreren Vereinsgründungen beteiligt. Engagiert setzte er sich für eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung des Spiels ein und machte sich als Kosmopolit daran, erste Begegnungen mit ausländischen Mannschaften zu organisieren. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 emigrierte Bensemann in die Schweiz, wo er 1934 starb (vgl. Schulze-Marmeling 2000, 72 f.). Beyer, der sich intensiv mit dem Leben Bensemanns beschäftigt hat und eine Biographie über ihn schrieb, bezeichnet Bensemann mit dem gleichnamigen Buchtitel als „Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte“ (vgl. Beyer 2003).

13 Im weiteren Verlauf der Arbeit nur als ATSB bezeichnet.

14 Im weiteren Verlauf der Arbeit nur als DRA bezeichnet.

15 Die sieben Landesverbände im einzelnen: Norddeutscher Sportverband, Baltischer Sportverband, West- deutscher Spielverband, Südostdeutscher Fußballverband, Verband Mitteldeutscher Ballspielvereine, Süddeutscher Fußball- und Leichtathletikverband, Verband Brandenburgischer Ballspielvereine (vgl. Eggers 2001, 55).

16 Der bezahlte Fußball wurde 1924 in Österreich, 1925 in Ungarn, 1926 in der Tschechoslowakei, 1926 in Spanien und 1929 in Frankreich eingeführt. In England war das Profitum schon seit 1888 erlaubt (vgl. Eggers 2004, 100)

17 Der detaillierte Verlauf des Verfahrens um die Sperren ist in den Darstellungen von Röwekamp sowie von Goch und Silberbach zu finden (vgl. Röwekamp 2006, 82-90 & Goch & Silberbach 2005, 58-63).

Ende der Leseprobe aus 123 Seiten

Details

Titel
Die Neuorganisation des Fußballsports in Deutschland durch die Nationalsozialisten ab 1933 und die Funktionalisierung des Hochleistungsfußballs im Kontext der NS-Propaganda
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
123
Katalognummer
V70809
ISBN (eBook)
9783638617192
Dateigröße
2335 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neuorganisation, Fußballsports, Deutschland, Nationalsozialisten, Funktionalisierung, Hochleistungsfußballs, Kontext, NS-Propaganda
Arbeit zitieren
Björn Pollmann (Autor:in), 2006, Die Neuorganisation des Fußballsports in Deutschland durch die Nationalsozialisten ab 1933 und die Funktionalisierung des Hochleistungsfußballs im Kontext der NS-Propaganda, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70809

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