Flexicurity - Der Königsweg aus der Arbeitslosigkeit?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

Einleitung

1 Flexibilisierung des Arbeitsmarktes als Reaktion auf zunehmende Arbeitslosigkeit
1.1 Flexibilität auf den Arbeitsmärkten in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit
1.2 Flexibilität und Sicherheit

2 Varianten einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes
2.1 Wirtschaftspolitische Impulse
2.2 Das Prinzip Flexicurity in Dänemark

3 Elemente flexibler Arbeitsmodelle
3.1 Typische Beschäftigungsmodelle
3.1.1 Übergangsarbeitsmärkte
3.1.2 Beschäftigungssicherung
3.1.3 Weiterbildung (Lebenslanges Lernen)
3.2 Atypische Beschäftigungsmodelle
3.2.1 Teilzeitarbeit
3.2.2 Leiharbeit
3.2.3 Befristung

4 Flexibilisierung als Jobmotor?
4.1 Versuch einer Diagnose
4.2 Weitere Forderungen an die Flexibilität der Arbeitnehmer

5 Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungen

NAV Normalarbeitsverhältnis

Einleitung

Ökonomen sehen in dem Modell der Liberalisierung von Märkten und der wirtschaftlichen Selbststeuerung durch Marktentscheidungen, die Entwicklung zu individueller und politischer Freiheit. Sie interpretieren die Globalisierung als Chance, die Märkte aus staatlichen Fesseln zu lösen und sehen damit einhergehend einen Freiheitsgewinn der allen zugute kommen soll.

Kritiker befürchten jedoch, dass staatliches Lenken und die Politik immer weniger in der Lage ist den Markt beeinflussen zu können. Besonders die Bereitstellung öffentlicher Güter, Bürgerechte und der Sozialleistungen werden durch die Erosion der Steuerbasis als bedroht gesehen. Nicht nur der internationale Warentausch wird den Wettbewerbseffekten stärker unterworfen, sondern auch die Arbeitsmärkte der Industrienationen werden dramatisch durch die Konsequenzen der Globalisierung und des internationalen Wettbewerbs tangiert.

Dort sucht man immer drängender nach Antworten auf Probleme in den Arbeitsmärkten, denn die alten Paradigmen der Beschäftigungssysteme scheinen nicht mehr zu funktionieren. Weltweit agierende Konzerne vertreiben ihre Produkte global und suchen sich ebenfalls global den für sie kostengünstigsten Ort einer Produktionsstätte. Die Entkopplung von Wirtschaft und Staat führt zwangsläufig, besonders für die Arbeitsmärkte, zu großen Veränderungen.

Was könnte die Antwort auf die sich zuspitzende Problematik der Arbeitslosigkeit in Deutschland sein? In den Niederlanden und Dänemark wurde Anfang der 90er Jahre mit großem Erfolg versucht dieser Entwicklung, durch eine gleichzeitige Politik der Flexibilisierung (Flexibility) und der Wahrung sozialer Sicherheit (Security), auf den Arbeitsmärkte Paroli zu bieten (Flexibility + Security = Flexicurity).

Könnte dies auch der Königsweg für einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeitsmisere auf dem deutschen Arbeitsmarktes sein?

Die folgende Ausarbeitung legt dar, um was es sich bei der Idee „Flexicurity“ handelt und zeigt die Probleme die sich bei der Übertragung auf den deutschen Arbeitsmarkt ergeben könnten.

Da das Thema „Flexicurity“ noch relativ neu und nur ein Modell zur Reform des Arbeitsmarktes neben anderen ist, war die Beschaffung von Quellen für die Bearbeitung dieser Ausarbeitung schwierig. Wenn möglich wurden deshalb Quellen und Aufsätze auch aus dem Internet benutzt, um eine breitere Informationsbasis ermöglichen zu können. Entstanden ist ein Einstieg in die Diskussion um das Modell Flexicurity der zeigt, dass es weiterer Recherchen und Auseinandersetzungen mit den arbeitsrechtlichen und sozialen Konsequenzen zunehmender Flexibilität in der Arbeitswelt bedarf.

1 Flexibilisierung des Arbeitsmarktes als Reaktion auf zunehmende Arbeitslosigkeit

1.1 Flexibilität auf den Arbeitsmärkten in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit

Die Arbeitsmärkte in Mitteleuropa, besonders der in Deutschland, werden insbesondere aus amerikanischer Sicht als inflexibel und bürokratisch verkrustet betrachtet. In Deutschland ist damit das Niveau gesetzlicher Regelungen im Arbeitsrecht, durch Institutionen und Organisationen im öffentlichen Sektor und nicht zuletzt durch die Menge des bürokratischen Aufwandes, Formalitäten und Versicherungsbelastungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeint. Bestandteile der sozialen Marktwirtschaft, wie z.B. Kündigungsschutz und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, werden ebenso dazu gezählt. Daraus folgen, allerdings nicht spezifizierte, Forderungen an ein deutlich höheres Maß von Flexibilität auf Seiten der Arbeitssuchenden in Zeit eines hohen und anhaltenden Arbeitslosigkeitsniveaus (vgl. Keller/Seifert 2000, 291). Die Forderung nach der Flexibilisierung von Beschäftigungsverhältnissen muss nicht zwingend eine Abnahme der sozialen Sicherung bedeuten (vgl. ebd., 292 und Kronauer/Linne 2005, 9) sondern es wird die sinnvolle Verknüpfung zwischen dem Prinzip des Wohlfahrt- und Wettbewerbsstaates gesucht (vgl. Frenzel 2003, 482). Jahrzehntelang galt das Normalarbeitsverhältnis[1] (NAV) als die Richtlinie für die Ausgestaltung eines Standardberufslebens und wurde von den Gewerkschaften als die Normalform der Erwerbsarbeit bezeichnet. Im Mittelpunkt stand zu dieser Zeit die Diskussion um die sozialen Folgen und Gestaltungsmöglichkeiten des technischen Wandels und die daraus resultierenden Umbrüche. Obwohl diese Themen heute nicht weniger aktuell sind, stehen sie nunmehr im Schatten durch die Beschäftigungsprobleme auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Helfert/Trautwein-Kalms 2000, 2).

Eine Flexibilisierung der Arbeitswelt ist nicht ausschließlich als externe Maßnahme zu verstehen, d.h. auf der Seite des Individuums oder durch Deregulierungsmaßnahmen des Staates wie bei Ab- und Umbau der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen (vgl. Keller/Seifert 2000, 292), sondern kann auch betriebsintern in einem Unternehmen erfolgen und umgesetzt werden. Die Anpassung der Beschäftigungsverhältnisse von der Unternehmensseite kann ebenfalls Flexibilität fördern und fordern und die Personalkostensituation für das Unternehmen deutlich ändern. Maßnahmen zur Anpassung der Belegschaft an unterschiedlichen Personalbedarf kann durch eine numerische Flexibilisierung (zahlenmäßige Personalanpassung durch Entlassung und Einstellung), zeitliche Flexibilisierung (befristete Arbeitsverhältnisse und Leiharbeit) und funktionale Flexibilisierung (Anpassung der Arbeitsorganisation bei breiter Qualifikation der Mitarbeiter) erfolgen. Ein Perspektivenwechsel kommt auch überall dort ins Spiel wo Forderungen nach Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse nicht aus Unternehmensinteressen, sondern von Seiten der Beschäftigten geäußert werden (vgl. Kronauer/Linne 2005, 10).

Die Annahme flexibler Arbeitsverhältnisse und die Abkehr vom NAV betrifft leider einige Gruppen des Arbeitsmarktes stärker als andere. Besonders jüngere und niedrig qualifizierte Menschen befinden sich gezwungen und überproportional in flexiblen Arbeitsverhältnissen (vgl. Klammer/Seifert 2003, 21 und Kronauer/Linne 2005, 17). Ein hohes Arbeitslosigkeitsniveau, verbunden mit einem starken Wettbewerbsdruck unter den Arbeitssuchenden, begünstigt die Flexibilitätsforderungen von Unternehmen und die Gefahr soziale Aspekte aus dem Blick zu verlieren.

1.2 Flexibilität und Sicherheit

Flexibilität ist keineswegs ein Begriff der nicht unterschiedlich interpretiert werden kann. Flexibel zu sein kann bedeuten, sich, wenn erforderlich, auf neue Situationen schnell einstellen zu können. Genauso wird darunter aber auch verstanden eigene Bedürfnisse und Wünsche aufgrund äußerer Bedingungen zurückstellen und Unsicherheiten in Kauf nehmen zu müssen. Die Diskussion zunehmender Flexibilität in der Arbeitswelt befasst sich vornehmlich mit der Anpassung von unternehmerischer Organisation und Arbeitnehmern an sich dramatisch verändernde Marktbedingungen (vgl. Kronauer/Linne 2005, 10). Ähnlich kontrovers ist das Verständnis von Sicherheit, in diesem Kontext verstanden als soziale Sicherheit, und unterschiedlich die politische oder auch individuelle Auffassung darüber wie sich diese ausgestaltet und welche Sicherheitsbedürfnisse vorhanden und notwendig sind. Soziale Sicherheit wird mit unterschiedlichem Maß betrachtet und steht im Spannungsfeld zwischen Leistenden und Empfangenden einerseits und den Arbeitgebern und Arbeitnehmern andererseits. Persönliche Sicherheit kann jedoch verstanden werden als die Möglichkeit einer mittel- und langfristigen Lebensgestaltung und die Vorsorge auf kritische Lebensphasen und einen Lebensstandard aufbauen zu können der soziale Teilhabe und Partizipation erlaubt.

Organisatorische und persönliche Flexibilität wird, vor dem Hintergrund transnationaler Märkte unter den Zeichen der Globalisierung, nicht zur Diskussion geboten sondern als eine Frage des Überlebens postuliert. Die flexible Gestaltung der Arbeitsverhältnisse verspricht dementsprechend kaum zusätzliche Beschäftigung, sondern höchstens eine mittelfristige Bestandssicherung im Gegenzug auf die Bereitschaft der Beschäftigten (vgl. ebd., 11)!

Es bedarf also einer politischen Vision in welcher Art sich diese zu gestalten haben und eines gesellschaftlichen Konsens auf welchem Niveau und Umfang sich soziale Absicherung zu bewegen hat. Für die Ankurbelung des Arbeitsmarktes bedarf es an Impulsen aus Wirtschaft und Politik.

2 Varianten einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes

2.1 Wirtschaftspolitische Impulse

Die Frage nach den politischen Notwendigkeiten für arbeitsmarktpolitische Anstöße wurde von den europäischen Ländern, die erfolgreiche Arbeitsmarktimpulse umsetzen konnten, unterschiedlich gelöst. Dänemark leitete die Wiederbelebung des Arbeitsmarktes, nach deutlich liberaleren Ansätzen mit dem Ziel der Flexibilisierung in den Niederlanden, zunächst mit neokeynesianischen[2] Methoden ein und investierte Ende der 1990 Jahre große Summen von Steuergeldern in die Förderung des Wirtschaftswachstums und Förderung des Binnenmarktes. Dieser in erster Instanz sehr umstrittene Weg, zahlte sich dann einige Jahre später nach Umsetzung des Flexicurity-Modells aus und leitete die Kehrtwende auf dem Arbeitsmarkt ein (vgl. Frenzel 2003, 488). Der Erfolg kann sich sehen lassen. In weniger als einem Jahrzehnt wurde die Anzahl der Arbeitssuchenden in Dänemark halbiert. Das System der Flexicurity funktionierte und brachte dynamische Wirtschaftsimpulse ohne Abbau des Sozialstaates (vgl. Madsen 2003, 24). Elemente traditionelle linker (soziale Sicherung) und konservativer Politik (liberale Elemente) wurden symbiotisch miteinander verbunden und zeigen beispielhaft die Tragfähigkeit eines politischen Kompromisses der „neuen Mitte“[3]. Schönig und Theisen beziehen sich darauf und sehen in der Verbindung liberaler und sozialer Elemente Chancen und die Herausforderung das soziale Netz von einer Hängematte zu einem Trampolin umzuwandeln. Das bedeutet in der Sozialpolitik Hilfe zur Selbsthilfe und in der Arbeitsmarktspolitik auf Flexibilität mit sozialer Absicherung zu setzen (vgl. Schönig/Theisen 2002, 38). Diese Idee ist nicht neu und fand bereits in der Politik des sozialdemokratischen britischen Premierministers Tony Blair unter der Bezeichnung „dritter Weg“ seinen Niederschlag begann von dort seinen Weg in die deutsche Sozialdemokratie, wie das Schröder-Blair Papier vom Juni 1999 belegt.

[...]


[1] Unter dem Normalarbeitsverhältnis (NOV) wird der Typus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit verstanden die durch Merkmale wie unbefristete Dauer der Anstellung, Vollzeitbeschäftigung (abhängig von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen), Tagesarbeit, Anstellung bei einem Arbeitgeber, organisatorische Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter die Weisungsgewalt des Arbeitgebers. Da für Arbeitnehmer das NOV die einzige Einkommensquelle darstellt, besteht zum Arbeitgeber eine große Abhängigkeit.

Dombois, Rainer: Der schwierige Abschied vom Normalarbeitsverhältnis. [online] URL: http://www.sowi-online.de/reader/berufsorientierung/dombois.htm [Stand 11.03.2006]

[2] Angelehnt an die Theorien des britischen Ökonomen Sir John Maynard Keynes nach der alle Marktteilnehmer ein natürliches Interesse daran haben aus unterschiedlichen Motiven liquide zu sein, um damit am Marktgeschehen teilhaben zu können. Dementsprechend ist die Marktwirtschaft durch Wirtschaftspolitik stabilisierbar.

[3] Die Bezeichnung der neuen Mitte wurde maßgeblich von den Sozialdemokraten in der Wahlkampfzeit um 1998 geprägt und wurde verstanden als ein politischen Brückenschlag zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft.
Fritz-Vannehme, Joachim (1998): Die Politik umschmeichelt die neue Mitte. In: Wochenzeitschrift „Die Zeit“ [Online] URL: http://www.zeit.de/archiv/1998/18/mitte.txt.19980423.xml?page=1 [Stand 14.03.2006]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Flexicurity - Der Königsweg aus der Arbeitslosigkeit?
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)  (Institut für Wirtschaft und Politik und seine Didaktik)
Veranstaltung
Wirtschaftspolitik - Konzepte, Strategien und Kontroversen
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V70803
ISBN (eBook)
9783638626040
ISBN (Buch)
9783640332496
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Flexicurity, Königsweg, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftspolitik, Konzepte, Strategien, Kontroversen
Arbeit zitieren
Christian Lang (Autor:in), 2006, Flexicurity - Der Königsweg aus der Arbeitslosigkeit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70803

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