Rittersprache und Volkssprache, ca. 1100-1400


Seminararbeit, 2003

13 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Politische Situation
2.2 Einheit in der Vielheit und Entdeckung des Ich
2.3 Sprachausbau
2.4 Deutsch im Dienst der Kirche
2.4.1 Bibelübersetzungen
2.4.2 Wanderprediger und Mystiker
2.5 Die Rittersprache
2.5.1 Aufschwung des Ritterstandes und ritterliche Ideale
2.5.2 Die wichtigsten Dichter und Werke der Ritterzeit
2.5.3 Ritterliche Hochsprache
2.6 Geschriebene Volkssprache
2.7 Deutsch als Amtssprache
2.8 Die Sprache der Hanse
2.9 Ausweitung des deutschen Sprachraums

3 Schlusswort

4 Bibliographie

1 Einleitung

Die Geschichte der deutschen Sprache, bezogen auf politische, historische und soziokulturelle Gegebenheiten und Veränderungen in dem Zeitraum von ca. 1100 bis 1400 – grob gesagt die Periode des Mittelhochdeutschen, das normalerweise von 1050 bis 1350 datiert wird: das ist das Thema dieser Arbeit. Das beinhaltet die Blütezeit der Ritterkultur, die auch heute noch so große Faszination auf die Menschen ausübt; das beinhaltet Dichter wie den berühmten Walther von der Vogelweide und Werke wie den Tristan, Vorbild nicht nur für zahlreiche Nacherzählungen, sondern auch für die berühmte Wagneroper; das beinhaltet Glaubensfragen – Bibelübersetzungen in den Klöstern, Bettelmönche und Mystiker in Abkehr von der damals noch beinahe allmächtigen katholischen Kirche. Das wirft aber auch Fragen auf: In welcher Hinsicht hat sich das Deutsche damals verändert und entwickelt? Was waren die Ursachen dafür? In welcher Hinsicht können wir überhaupt von einem einheitlichen Mittelhochdeutsch ausgehen? Welches Ansehen wurde der deutschen Sprache und den Deutschsprechenden damals zuerkannt? Auf all diese Fragen werde ich im Folgenden einzugehen versuchen, in der Hoffnung, ein Bild zu zeichnen von den Umständen, unter denen die Werke und Schriften entstanden, die, mal von hehren christlichen oder ritterlichen Idealen, mal rein pragmatisch motiviert, als Zeugnisse des Mittelhochdeutschen auch dem Laien wenn auch nicht zu hundert Prozent verständlich, so doch bereits deutlich als Deutsch erkennbar sind.

2 Hauptteil

2.1 Politische Situation

In den dreihundert Jahren, die wir hier behandeln, gingen im deutschen Sprachraum viele Veränderungen vor sich. Zunächst auf der Grundlage des Ottonischen Bündnisses zwischen der katholischen Kirche in Rom und den weltlichen Herrschern, Kaisern seit der Zeit Karls des Großen, später aus eigener Kraft, erlebten das großdeutsche Kaiserreich und die Ritterkultur ihre Blütezeit und anschließend den Niedergang. Die Kirche verlor an Macht bis hin zur endgültigen Abspaltung der Protestanten zu Luthers Zeit … aber das ist bereits eine andere Geschichte.

Die einzelnen Herzogtümer, die das Reich konstituierten, lagen in ständiger Fehde untereinander; ohne die Unterstützung der Kirche wäre es den Saliern (von 1024 bis 1125) nie gelungen, sie alle zusammenzuhalten. Die ihnen folgenden Staufer (1125 bis 1250) brachen das Ottonische Bündnis; um sich aber dennoch gegen den Machtanspruch der Fürsten und Grafen behaupten zu können, stützten sie sich auf die Ministerialen, einen neuen Stand des niederen Adels – ursprünglich unfreie Hofdiener im Kriegs- und Verwaltungs­dienst mit besonderen Dienstrechten und ‑lehen, denen nun das Adelsrecht verliehen wurde. Ihr Ansehen hob sich durch Waffendienst besonders in der Ritterzeit, bis irgendwann jede Spur von Unfreiheit geschwunden war.

Auch der Handel erlebte in dieser Zeit großen Aufschwung; mit ihm bildete sich zum ersten Mal überhaupt so etwas wie ein Bürgertum in den an Einwohnerzahl und Bedeutung wachsenden Städten, das aus Kaufleuten und Handwerkern bestand. Eine weltliche Kultur begann, der geistlichen Konkurrenz zu machen.

Nach Friedrich Barbarossa (1152 – 1190) und Heinrich IV (1190 – 1197) jedoch setzte der politische Zerfall ein. Die politische Einheit wurde in Einzelreiche aufgesplittert, dem eben erst aufblühenden Sprachbewusstsein ein schwerer Schlag versetzt. Nach dem sogenannten Interregnum (1254 – 1273) regierten die Habsburger (1273 – 1308) und die Luxemburger (1308 – 1437), doch es sollte noch eine Weile dauern, bis die deutsche Sprache wieder an ihren bereits erreichten Höhepunkt gelangen und ihn endlich auch übertreffen konnte.

2.2 Einheit in der Vielheit und Entdeckung des Ich

Trotz, oder vielleicht gerade wegen der Unterschiedlichkeiten, die das deutsche Volk (die Bewohner des deutschen Sprachraums) beherrschten, finden wir in der Zeit des Mittelhochdeutschen zum ersten Mal ein National­bewusstsein, dass sich vor allem darin ausdrückt, dass man sich bewusst wird, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, und diese wird seit dem Ende des 11. Jahrhunderts allgemein als „deutsch“ bezeichnet, sowohl von Dichtern und Chronisten als auch von den Herrschern (den Staufern) selbst:[1]

da was von tiuschem lande

Flaeminge und Brâbande

und der herzoge von Lôhrein [= Lothringen].

(Wolfram von Eschenbach)

Der deutsche Sprachraum erstreckte sich

von der Elbe unz [= bis] an den Rîn

und her wider unz an Ungerland [= Ungarn].

(Walther von der Vogelweide)

Das bedeutet nun nicht, dass bereits ein einheitliches Deutsch als Ausbausprache gesprochen worden wäre, vielmehr war es Abstandsprache [2] zu den umgebenden romanischen und slawischen Sprachen: In der Vielheit der deutschen Mundarten (bairische, alemannische, fränkische und sächsische vs. niederdeutsche und niederländische Dialekte) entdeckte und benannte man die Einheit, die sie unter­einander zum Großteil verständlich werden ließ, und baute darauf ein National­bewusstsein auf – nicht als politische Einheit gesehen jedoch (das Heilige Römische Reich schloss noch viel mehr Nationalitäten ein), sondern als Volk mit (v.a. sprachlich) einheitlichen Wurzeln.

Auch die Kreuzzüge trugen zu dieser Entwicklung insofern gewiss ihr Teil bei, als in der Begegnung mit dem Fremden die eigene – nationale – Identität reflektiert werden musste. Was sie aber in unserem Kontext vor allen Dingen bedeutsam macht, ist die durch sie hervorgerufene Heraus­bildung der höfischen Kultur und des Ritterstandes.

All diese Faktoren führten auch zu einer veränderten Ich-Wahrnehmung. Während vorher die Kirche die alles beherrschende Größe gewesen war, verlor sie nun an Einfluss, so dass der Weg frei wurde weg von der kollektiven Frömmigkeit hin zu einem individuelleren Glauben. Dichter fangen an, von sich selbst zu erzählen, sie bauen Selbstbeschreibungen und ‑einschätzungen in ihre Werke mit ein, wie in dem berühmten Gedicht Walthers von der Vogelweide:

Ich saz ûf eime steine,
und dahte bein mit beine:
dar ûf satzt ich den ellenbogen:
ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange.
dô dâhte ich mir vil ange,
wie man driu dinc erwurbe,
der keines niht verdurbe.
diu zwei sint êre und varnde gout,
daz dicke ein ander schaden tout:
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
die wollte ich gerne in einen schrîn. […][3]

In diesem Gedicht ist auch eine Dualisierung des Weltbildes zu sehen: himmlisches und irdisches Glück liegen im Widerstreit; „der êre (Achtung in der Gesellschaft) und dem varnde gout (bewegliche Habe, Besitz) steht gotes hulde (Gnade Gottes) gegenüber und ist ihnen zugleich übergeordnet.“[4]

[...]


[1] Vgl. Eggers (1965).

[2] Vgl. Kloss, H. (1987): „Abstandsprache und Ausbausprache“, in: Sociolinguistics/ Soziolinguistik, HSK 3.1: 302-308.

[3] Zitiert aus: Wolff (41999), S. 95.

[4] Wolff (41999), S. 77.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Rittersprache und Volkssprache, ca. 1100-1400
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Deutsch als Fremdsprache/Transnationale Germanistik)
Veranstaltung
Sprache und historisches Geschehen. Deutsch im Spiegel der Geschichte
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
13
Katalognummer
V70672
ISBN (eBook)
9783638619271
ISBN (Buch)
9783638769174
Dateigröße
403 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rittersprache, Volkssprache, Sprache, Geschehen, Deutsch, Spiegel, Geschichte
Arbeit zitieren
M.A. Friederike Kleinknecht (Autor:in), 2003, Rittersprache und Volkssprache, ca. 1100-1400, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70672

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