Karl Homann - Fortsetzung der Ethik mit besseren Mitteln: Anwendung auf den Fall Enron


Seminararbeit, 2006

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis II

Anhang III

1. Die Notwendigkeit der Gewinnmaximierung in der Unternehmung

2. Institutionenethik als Primat für ethisches Handeln
2.1 Ordnungs- versus Handlungsethik
2.2 Dilemmastrukturen und Wettbewerb
2.3 Anreize und Wettbewerb
2.4 Überwindung von Dilemmastrukturen durch die Ordnungsethik

3. Das Versagen des Ordnungsrahmens im Fall Enron
3.1 Die Liaison von Kontroll- und Beratungsinstanz
3.2 Die Konsolidierungskreisproblematik von SPEs nach US-GAAP
3.3 Anreizbedingungen im Fall Enron

4. Plädoyer für einen ordnungstheoretischen Ansatz

Literaturverzeichnis

1. Die Notwendigkeit der Gewinnmaximierung in der Unternehmung

Unternehmen haben viele Ziele, wobei unter Ökonomen die Frage, ob Un­ternehmen nur nach dem Gewinnmaximierungskalkül[1] agieren sollten, um­stritten ist. Ohne an dieser Stelle partialanalytische mikrökonomische Studien zu bemühen, herrscht in den Wirtschaftswissenschaften Einigkeit darüber, dass Unternehmen vor allem langfristig Gewinne maximieren sollten, um am Markt bestehen zu können[2]. Denn nur Unternehmen, die Profit erzielen, können sich noch andere Ziele leisten. Wenn nun Gewinn­maximierung das Oberziel einer Unternehmung ist, dann stellt sich die Frage, nach welchen Gesichtspunkten man andere Unternehmensziele bewerten soll. Wenn man ein wertfreies Bewertungsmodell für die Analyse von Handlungsmustern und -zielen sucht, dann bietet es sich an, Inter­aktionen und Zielformulierungen auf Kosten- und Nutzenüberlegungen hin zu untersuchen. Dieser ökonomische Ansatz[3] eines Gary Becker bietet die Möglichkeit, systematisch über Vorteilsüberlegungen zu Erkenntnissen von interagierenden Wirtschaftssubjekten und Handlungssituationen jed­weder Art zu gelangen[4]. Das Ethikkonzept von Homann baut auf solchen Vorteils- und Anreizüberlegungen auf, um darüber hinaus aufzuzeigen, wie z.B. konfligierende Interessen ökonomisch sinnvoll überwunden werden können. Wenn eine Unternehmung ihren Gewinn maximieren will und die Arbeitnehmerschaft konträre Interessen verfolgt, dann gilt es nach Homann einen derartigen Rahmen an Regeln zu gestalten, der die Anreiz­strukturen beider Parteien berücksichtigt, um Kooperationsgewinne zu erzielen.

2. Institutionenethik als Primat für ethisches Handeln

2.1 Ordnungs- versus Handlungsethik

Das Ethikkonzept Karl Hommans trägt zum einen ordnungspolitische Züge, die sich weitgehend in den staatlichen Rahmenbedingungen und Normen manifestieren, zum anderen spielen ökonomische Vorteils­kalkulationen und Anreizüberlegungen eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung der Handlungen von Wirtschaftssubjekten[5]. Die Handlungen der Wirtschafsakteure werden von moralischen Forderungen entlastet und richten sich nach dem Effizienzgebot der eigenen Handlungen. Moralische Forderungen werden gleichsam in eine Rahmenordnung eingebettet, synonyme Begriffe hierfür sind die Ordnungs-, Bedingungs-, Struktur- oder Institutionenethik[6], die das Handeln der Akteure wesentlich mitbestimmen und „Spielregeln"[7] enthalten, deren Verletzung idealtypisch sanktioniert wird. Im Wesentlichen sind dies Normen, die Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte zusichern, die sich im Grundgesetz, dem öffentlichen und dem Privat-, Wirtschafts- und Tarifrecht oder auch sonstigen Gesetzen sowie in bestimmten kulturellen Verhaltensstandards[8] wiederfinden. Im Rahmen dieser Regeln verfolgen die Handelnden ihre eigenen Ziele[9]. Die Ausrichtung an eigenen Zielen ist immanent wichtig für das Verständnis des Konzepts, da Moral von den Handlungen der Akteure entkoppelt wird und lediglich in dem Überbau von Normenfestlegungen manifestiert ist. Tendenziell kann nach Homann nur der Staat einen stabilen Ordnungsrahmen aufgrund seines Gewaltmonopols garantieren oder anders ausgedrückt: der Staat stellt den Hauptanteil an dem Ordnungs­rahmen dar[10].

2.2 Dilemmastrukturen und Wettbewerb

In Anlehnung an das klassische Konzept des spieltheoretischen „Gefang­enendilemmas[11] verdeutlicht Homann den Nutzen von Institutionen: da in Dilemmasituationen wie dem „Gefangenendilemma“ für die Spieler pareto- optimale Interaktionen an den Ausbeutungsrisiken scheitern[12], sorgen die Regelsysteme von Institutionen dafür, dass bestimmte Handlungsweisen unterbunden werden (z.B. Ausbeutung durch Nicht-Erfüllen eines Vertrags). Im klassischen Beispiel vom „Gefangenendilemma“ gestehen beide Spieler die Straftat und bringen sich in eine pareto-inferiore Situation (hohes Strafmaß für beide Spieler)[13]. Aufgrund eigener Anreizüber­legungen erzeugen sie somit das kollektiv schlechteste Ergebnis. Die Spielregeln sind derart gestaltet, dass beide Spieler gegen Ihr Hauptinteresse („leugnen“ mit evtl. Straffreiheit) verstoßen müssen. Die „Logik der Situation“[14] zwingt sie regelrecht dazu. Dieselbe Situation liegt auf Wettbewerbsmärkten vor, wenn die Anbieterseite zum einen an hohen Absatzpreisen und zum anderen gleichzeitig daran interessiert ist, die Konkurrenz preislich zu unterbieten. Ebenso wie bei den „Gefangenen“ suchen die Anbieter Kooperationsvorteile mittels Preis- und Mengen­absprachen auszunutzen, die jedoch durch ein Kartellamt (Ordnungs­rahmen) ausbleiben müssen. Die „kollektive Selbstschädigung“[15] der An­bieter erzeugt jedoch einen Nutzenzuwachs in Form fallender Preise auf Seiten der Nachfrager. Der Nutzenzuwachs beschränkt sich jedoch nicht auf die Nachfragerseite alleine. Die Folgen der Normensetzung sind weit reichend und generieren zum einen Nutzenzuwächse auch auf der Anbieterseite sowie Wohlfahrtsgewinne im Allgemeinen für beide Parteien.

2.3 Anreize und Wettbewerb

Der wettbewerbsrechtliche Ordnungsrahmen (Kartellrecht) zwingt die Anbieter zu Konkurrenzverhalten, so dass das individuelle Ziel der Gewinnmaximierung eines Anbieters mit dem kollektiven Ziel aller kollidiert und Kartelle auf funktionierenden Märkten ebenso instabil sind wie die Abspracheversuche[16] im Gefangendilemma. Der marktwirtschaftliche Wett­bewerb[17] ist der Prozess, der über den Preismechanismus dafür sorgt, dass sich Nutzenzuwächse bei allen Parteien einstellen, sofern es Regeln gibt, die Wettbewerbsprozesse oder wettbewerbsähnliche Strukturen erst ermöglichen. Zu beachten ist, dass Dilemmastrukturen „normativ ambi- valent"[18] sind: Im obigen Zusammenhang setzt man ein Kartellamt ein, um Absprachen und kooperatives Verhalten zwischen den Beteiligten zu ver­meiden. Hier wird Wettbewerb gezielt gefördert. Denn zum einen fördert der Wettbewerb zwischen den Anbietern technischen Fortschritt (Innovationsprozess) und generiert Pioniergewinne bei den Anbietern, die Innovationen als erste am Markt umsetzen. Zum anderen fordert der Wettbewerb von den Konkurrenten Innovationen nachzuahmen, so dass Neuerungen breiten Bevölkerungsschichten zugänglich werden (Diffusionssprozess)[19] und es stellen sich Wohlfahrtsgewinne ein („total welfare concept")[20]. An anderer Stelle wie z.B. beim Wettlauf um Sub­ventionen oder dem Missbrauch der Sozialversicherungen ist Wettbewerb unerwünscht, da Wohlfahrtsverluste unvermeidbar sind. Damit überhaupt jene Wettbewerbsprozesse in Gang gesetzt werden, müssen Anreize vor­handen sein, bestimmte Stimuli, die die Wirtschaftssubjekte erst zu Hand­lungen anregen. Zu den wichtigsten Anreizarten zählen:

- monetäre und
- soziale Anreize[21]
- Sanktionsandrohungen (als Anreiz zur Regelbefolgung)
- Intrinsische Motivation[22].

Anreize stellen die Gründe dafür dar, warum Akteure in bestimmten Situationen bestimmte Handlungen ausführen. Es sind Handlungsimpulse für bewusste als auch unbewusste Handlungen und damit auch das Axiom menschlichen Tun und Handelns[23]. Hierbei muss beachtet werden, dass bei Anreizanalysen alle Wechselwirkungen von Anreizen Berücksichtigung finden. Vor allem dann, wenn Anreize im Ordnungsrahmen derart gestaltet werden, dass ein bestimmtes Verhalten erwirkt werden soll, dies aber aus anderen Gründen oder eben gerade wegen diesen Anreizen nicht gelingen kann.

Beispiele[24]: - 1997 mussten für Verkehrsverstöße in Moskau drastische Strafen gezahlt werden. Der Anreiz, Strafe durch Regelverfolgung zu vermeiden, schlug fehl, da korrupte Verkehrspolizisten gegen ein Aufgeld die Verkehrssünder weiterfahren ließen.

- wenn potentielle Präzedenzfälle geschaffen werden, kann es sein, dass in der Zukunft für Nachahmer Anreize entstehen, Handlungen, die prinzipiell unerwünscht sind, auszuführen. Bspw. liefert die Forderungserfüllung von terroristischen Einheiten anderen Gruppen den Anreiz, ähnliche Aktivitäten zu wiederholen.
- Bei Geldtransfers in Entwicklungsländer ist das Phänomen beo­bachtbar, dass liquide Mittel nicht effizient eingesetzt werden und die Lebensbedingungen der Bevölkerung künstlich von den herrschenden Eliten niedrig gehalten werden, um weiterhin in den Genuss von Transfers zu kommen.
- Einwanderungsbestimmungen in Westeuropa sollen illegale Immigranten fernhalten. Besser wäre es, diese überflüssigen Anreize abzuschaffen, die Immigranten ins Land und arbeiten zu lassen, u.d.N., dass ihnen jegliche Sozialleistungen verwehrt werden, da sie auch nicht in die Sozialkassen einzahlen. Der Wohl­fahrtsnutzen wäre deutlich höher[25].

Bereits bei Adam Smith dominieren der Gedanke des eigenen Vorteils­kalküls und damit verbunden persönliche Anreize die Handlungsmoti­vation aller Wirtschaftssubjekte:

„Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers, und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen- sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil."[26] Obwohl Smith ausdrücklich kein Gesellschaftssystem propagiert, das aus­schließlich auf dem Egoismus seiner Mitglieder aufbaut[27], finden sich bereits hier Anzeichen dafür, dass Eigennutz- und Vorteilsstreben wichtige Handlungseinflussgrößen sind.

Homann sieht bereits bei Smith einen Paradigmenwechsel aufkommen, der sich in einem Wechsel von der Individual- hin zur Ordnungsethik mani­festiert und das wirtschaftliche Handeln mit hoher Arbeitsteilung und anonymen Austauschprozessen mitberücksichtigt[28].

[...]


[1] Vgl. Pindyck / Rubinfeld [Mikroökonomie], S. 438.

[2] Vgl. Ebda, S. 359 ff.

[3] Vgl. Becker [Ökonomische], S. 4 f.

[4] Vgl. Ebda., S. 7:„[..]dass der ökonomische Ansatz so umfassend ist, dass er auf alles menschliche Verhalten anwendbar ist[..]“.

[5] Vgl. hierzu Gliederungspunkt 2.3.

[6] Vgl. Homann [Einführung], S. 30.

[7] Vgl. Homann [Wirtschaftsethik], S.21: Homman setzt die Ordnungsethik mit Spielregeln, die Handlungsethik mit Spielzügen gleich.

[8] Vgl. Ebda., S. 23. Ferner kann die Rahmenordnung auch Gewohnheitsrecht enthalten (Anm. d. Verf.). Vgl. auch Detterbeck [Öffentliches Recht], S. 10.

[9] Vgl. Homann [Wirtschaftsethik], S. 24.

[10] Vgl. Gerlach [Ethik], S. 268.

[11] Vgl. Pyndick / Rubinfeld [Mikroökonomie], S. 594.

[12] Vgl. Homann [Ökonomik], S.36.

[13] Vgl Auszahlungsmatrix im Anhang.

[14] Homann / Blome-Drees [Wirtschaftsethik], S.32.

[15] Ebda.

[16] In manchen Varianten des „Prisoner's dilemma“ sind die Delinquenten in getrennten Räumen, in anderen Fällen nicht. Dies spielt jedoch keine Rolle, da Ausbeutungsrisiken dennoch bestehen, da einer trotz Absprache stets defektieren kann und diese Überlegung mitberücksichtigt et vice versa.

[17] Zur Problematik des Wettbewerbsbegriffs vgl. Herdzina [Wettbewerbspolitik], S. 8.

[18] Homann [Anreize], S. 219.

[19] Ebda., S. 26f

[20] Vgl. hierzu Herdzina [Wettbewerbspolitik], S. 27.

[21] Vgl. hierzu auch den Beitrag von Frey / Neckermann, der Auszeichnungen in Form von Preisen, Titeln etc. untersucht und zu dem Schluss kommt, dass Auszeichnungen wohlfahrtssteigernd wirken können. In [Perspektiven], S. 271-284.

[22] Homann / Suchanek [Ökonomik], S. 58.

[23] Vgl. Becker [Ökonomische Erklärung], S.6: Becker beschreibt den „ökonomischen Ansatz“ und die Vereinbarkeit mit der Betonung des Unbewussten in der modernen Psychologie.

[24] Entnommen aus Homann / Suchanek [Ökonomik], S.56 f.

[25] Vgl. Becker / Becker [Die Ökonomik], 64 ff.

[26] Vgl. Homann [Anreize], S. 177.

[27] Vgl. Aßländer [ökonometrische Gesellschaft], S. 35. Smith widerspricht in seiner „Theory of moral sentiments“ direkt Bernard Mandelvilles Gedanken, dass das Eigeninteresse des Menschen das bedeutendste sei.

[28] Vgl. Homann / Blome-Drees [Wirtschaftsethik], S. 21 ff.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Karl Homann - Fortsetzung der Ethik mit besseren Mitteln: Anwendung auf den Fall Enron
Hochschule
Universität Hohenheim  (Institut für Kulturwissenschaften)
Veranstaltung
Konzepte der Wirtschafts- und Unternehmensethik, Hauptseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V70625
ISBN (eBook)
9783638629096
ISBN (Buch)
9783638911870
Dateigröße
638 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anhand Homanns Konzept der Institutionenethik wird untersucht, inwieweit dieses Konzept die Firmenpleite Enrons hätte verhindern können. Keywords: Spieltheorie, Instititutionenethik, Handlungsethik, US-GAAP, Dilemmastrukturen, Anreiz
Schlagworte
Karl, Homann, Fortsetzung, Ethik, Mitteln, Anwendung, Fall, Enron, Konzepte, Wirtschafts-, Unternehmensethik, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Damir Cacic (Autor:in), 2006, Karl Homann - Fortsetzung der Ethik mit besseren Mitteln: Anwendung auf den Fall Enron , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70625

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