Wollen Sie? Wille und Lernen im transgenerationalen Vergleich


Hausarbeit, 2006

15 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Einleitung

II Wille und Volition

III Formen und Strategien zur Verhaltenssteuerung

IV Wille und Alter

V Willenssteigerung im Alter

VI Zusammenfassung

Literatur

I Einleitung

„Ein altes japanisches Sprichwort lautet: Selbst auf einem Stein - drei Jahre. Das bedeutet, dass man selbst für etwas so Einfaches wie für das Sitzen auf einem Stein drei Jahre braucht, um es zu lernen.[1] “ Nimmt man dieses Zitat ernst und denkt es weiter, so wird ersichtlich, warum Virtuosen, Olympiagewinner und Wissenschaftsexperten viele Jahre des Lernens und Übens darauf verwenden mussten, um an den Zenit ihres Könnens anzugelangen, der ihnen eben jenen Ruf des Einzigartigen verleiht[2].

Aber auch wenn es „nur“ darum geht, eine Fremdsprache zu erlernen oder ein schwerverständliches Fachbuch durchzuarbeiten, müssen gewisse Anforderungen vom Lerner erfüllt werden, um ausdauernd voranzuschreiten und nicht wie es Rousseau sagt: „Von der Natur und von den Menschen auf entgegengesetzte Bahnen gezogen, gezwungen, bald diesen, bald jenen Antrieben nachzugeben, lassen wir uns von einer Verquickung beider leiten und kommen so weder zu dem einen noch zu dem anderen Ziele. Solcherart geschlagen und schwankend das ganze Leben hindurch, beendigen wir es, ohne mit uns selbst einig geworden zu sein, ohne weder uns selbst noch anderen genutzt zu haben.[3]

Inhalt dieser Abhandlung soll es sein, in einem ersten Schritt darzulegen, wie der Begriff des Willens hier verstanden werden soll (II). Daran anschließend werden die notwendigen Voraussetzungen aufgezeigt, um Lernbemühungen über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten (III). Diese Voraussetzungen werden mit Erkenntnissen aus der Altersforschung gekoppelt, um zu zeigen, wie sich Willensanstrengungen im Alter verhalten können (IV). Abschließend soll der Versuch gewagt werden, die eruierten Bestandteile für ein kontinuierliches Lernen über verschiedene Lebensphasen hinweg, also transgenerational zu vergleichen (VI).

Die Fragen, die durch diese Abhandlung zur Lösung gebracht werden sollen sind, welche Differenzen bestehen zwischen jüngeren und älteren Personen bei der Ausdauer des Lernens und welche Gründe sind hierfür zu finden? Diese Fragestellungen erlangten insbesondere durch den Aspekt des „Lebenslangen Lernens“ und die Diskussion um die Einbeziehung älterer Arbeitnehmer an beruflichen Weiterbildungen an Interesse[4].

II Wille und Volition

Was sind nun die Vorraussetzungen, um Lernbemühungen über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Alltagssprachlich wird für dieses Phänomen der Begriff „Wille“ verwendet. Jemand hat zum Beispiel einen starken oder eisernen Willen, wenn er seine Ziele auch gegenüber widrigen Umständen durchsetzen kann. Wir sprechen hier von Selbstbestimmung und lassen, wie viele andere, den deterministischen Geist des Laplace´schen Dämons und die Diskussion um den infiniten Regress hinter uns.

Das Wort „Wille“ bezeichnet allerdings „[...] eine komplexe Vielfalt an Begrifflichkeiten, die unterschiedlichsten Schattierungen und Bedeutungsarealen unterworfen ist [...].“[5] Auf theoretisch-analytischer Ebene soll hier zwischen diesen Schattierungen und Bedeutungsarealen differenziert werden, um in aller begrifflichen Schärfe darzustellen, was in dieser Arbeit unter „Wille“ verstanden werden soll.[6]

Zwischen imperativen und sequentiellen Konzepten der Volition[7] differenziert Sokolowskie wie folgt[8]: (1) Zielausrichtende bewusste Repräsentationen von Kontrollvorgängen stellen das wesentlichste Merkmal des imperativen Konzepts dar. Beispielhaft kann man sich einen übenden Pianisten in einem Lokal vorstellen, der trotz der Ablenkungsversuche der attraktiven Bardame, immer wieder seine Konzentration auf die auszuführende Tätigkeit zu lenken versucht. (2) Das sequentielle Modell ist eher phasisch aufeinanderfolgend gegliedert. Beispielhaft kann hier das Rubikon-Modell der Handlungsphasen genannt werden. Vordergründig geht es um das Umsetzen von Handlungsabsichten. Der Übergang vom Wählen zum Wollen, vom Abwägen zur Entscheidung stellt hier das sequentielle Konzept dar, welches in der Analogie der Überquerung des Rubikons durch Gaius Julius Caesar 49 v. Chr. plastisch dargestellt wird[9].

Für die folgenden Erörterungen wollen wir uns in erster Linie auf das imperative Konzept konzentrieren. Hierfür sind insbesondere die motivationspsychologischen, der neueren kognitiven Theorie zuzuordnenden, Konzepte von Kuhl interessant.

III Formen und Strategien zur Verhaltenssteuerung

Kuhl (1996) unterscheidet fünf Formen der Verhaltenssteuerung. Innerhalb dieser Verhaltenssteuerungsformen differenziert er wie folgt weiter aus. Es werden zwei volitionale Steuerungsformen, (1) Selbstkontrolle (SK) und (2) Selbstregulation (SR) unterschieden. Dem gegenüber steht eine nicht-volitionale Steuerungsform, die (3) Selbstorganisation (SO). Des Weiteren werden zwei Emotionsregulationen aufgeführt. Zum einen die (4) Lageorientierung und zum anderen die (5) Kontaktorientierung.

(1) Die volitionale Steuerungsform der Selbstkontrolle (SK) (auch als Handlungskontrolle bezeichnet) stellt eine straffe „autoritäre“ Steuerungsform dar. Sie ist deutlich erlebbar, da die motivationale Unterstützung der betreffenden Tätigkeit „mühsam“ erarbeitet wird. Greifen wir unser Beispiel des klavierübenden Pianisten wieder auf, so stellt das eigentliche Handlungsziel (ein Gespräch mit der Bardame) „andersthematische“ Anreize dar, als die auszuführende Tätigkeit (eine Etüde auf dem Klavier einüben). Das Koordinationssystem (der „Wille“) „hört“ auf ein verengtes Spektrum von Subsystemen. Weite Bereiche der momentanen Bedürfnislage können unterdrückt werden, wenn sie der handlungsleitenden Direktive entgegenstehen. Besonders sinnvoll erscheint diese Steuerungsform, wenn ein Ziel unter Zeitdruck erreicht werden muss, oder wenn Emotionen und Motivation „nicht richtig mitmachen“ und wir uns „zwingen“ müssen, das angestrebte Ziel zu erreichen.

(2) Eine weitere volitionale Steuerungsform wird als Selbstregulation (SR) (auch als Handlungsregulation) bezeichnet. Hierunter kann eine entspannt-demokratische Steuerungsform verstanden werden. Das heißt, dass intrinsische Motivationszustände zugrunde liegen, welche weniger deutlich erlebbar sind. Bei der Selbstregulation sind eine Vielzahl von Subsystemen am Steuerungsprozess beteiligt. Sinnvoll ist diese Steuerungsform bei der Bewältigung eines Problems, bei dem die Kompilierung oder Entwicklung neuer Verhaltensmuster erforderlich ist, und dafür ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Der Pianist könnte die Bardame zum Beispiel fragen, ob sie sein Klavierspiel nicht gesanglich begleiten möchte.

(3) Bei der nicht volitionalen selbstorganisierten Steuerungsform spielen subkognitiv instantiierte Bedürfnisse und ihre kognitiv-affektiven Repräsentationen (Motive) eine wesentliche Rolle. Hier beeinflussen („modulieren“) aktuelle Bedürfnisse im

selbstorganisierten Modus die Aufmerksamkeit und das Handeln, ohne das es dabei einer zentralen Koordinationsfunktion bedarf. Diese Steuerungsform kommt meist dann zum Zug, wenn das System über altbewährte Verhaltensprogramme verfügt. Der Pianist ist vollständig in sein Spielen vertieft, die Reize der Bardame lassen ihn völlig unberührt.

(4) Die Lageorientierung ist nicht Handlungs- sondern Emotionsorientiert. Die volitionale Handlungssteuerung ist demnach reduziert. Zwei Bedingungen können nach Kuhl zur Entstehung der Lageorientierung führen. (a) Überraschungen durch inkongruente Informationen müssen geklärt werden, bevor weiter gehandelt werden kann. Nach einer eingetretenen Situation, (die Bardame tritt in Erscheinung) steht die Anpassung des inneren Milieus an die eingetretene Lage im Vordergrund. Die Ablenkungsresistenz des Pianisten sinkt, er konzentriert sich mehr auf die eleganten Bewegungen der Frau, als auf die seiner Finger. (b) Durch degenerierte Elemente der Intention, wie verfestigte Misserfolgserlebnisse, Verlust vom Zielbindungselement (ich will) oder übermäßige Aufmerksamkeitslenkung auf ein Element und auf Kosten anderer Elemente kann ein lageorientierter Modus entstehen.

(5) Die letzte Verhaltenssteuerungsform ist die Kontaktorientierung. Hier ist die volitionale Handlungssteuerung, wie bei der Lageorientierung, reduziert. Aber im Gegensatz zur Lageorientierung steht nicht die Regulierung des internen, sondern die des externen emotionalen Milieus im Vordergrund. Bei der Kontaktorientierung werden die eigenen inneren Zustände stark mit anderen Menschen Kommuniziert, überwiegend über non-verbale Kanäle - der Pianist wirft der Bardame sehnsüchtige Blicke zu - und die Befindlichkeiten anderer werden intensiv verarbeitet - ein nervöses Augenleiden der Bardame wird als Flirtversuch verstanden.[10]

Kuhl (1996) leitet aus den fünf dargestellten Formen der Verhaltenssteuerung bewusst einsetzbare Strategien der Handlungskontrolle ab. Diese Strategien sollen hier in aller Kürze wiedergegeben werden, da sie für die folgende Erörterung von Interesse sind.

(1) Kontrolle der Aufmerksamkeit. Dies wird durch Ausblendung absichtsgefährdender Informationen und Stimuli erreicht. Die Aufmerksamkeit wird auf Zielrelevantes gelenkt und gehalten.
(2) Kontrolle der Motivation. Die Motivation wird dadurch gesteigert, dass wenn das Durchhaltevermögen zu erlahmen droht, die Fokussierung auf attraktive Anreizmomente gesteigert wird.
(3) Kontrolle der Emotionen. Es gilt absichtsgefährdende Emotionslagen (z.B. Traurigkeit) zu meiden. Erschwert die vorhandene Stimmung die Zielerreichung, so wird soweit wie möglich versucht zu modifizieren oder nachzuregeln.
(4) Misserfolgs- und Aktivierungskontrolle. Nach Misserfolgserlebnissen gilt es sich nicht selbst in Frage zu stellen, sondern weitere Anläufe zur Ausführung der Handlung zu unternehmen. Misserfolge zur Fehlerkorrektur auswerten und die mit dem Misserfolg verbundenen emotionalen Folgen zur weiteren Mobilisierung der Anstrengungen nutzen.
(5) Enkodierungskontrolle. Durch Umweltkontrolle wird versucht die unmittelbare Umgebung zu gestalten und zu verändern sowie absichtsgefährdende Stimuli zu meiden. Die Wahrnehmungsfunktionen werden auf Zielrelevantes abgestimmt.
(6) Initiierungskontrolle. Durch eine sparsame Informationsverarbeitung werden Gelegenheiten zur Ausführung einer beabsichtigten Handlung im richtigen Moment erkannt und zur Initiierung der jeweiligen Teilhandlung genutzt.[11]

[...]


[1] Stenudd, Stefan: 2004, S. 17

[2] „So geht beispielsweise einer öffentlich anerkannten Höchstleistung bei Musikern mindestens zehnjähriges intensivstes Üben voraus.“ Kliegl, Reinhold/ Mayr, Ulrich: 1996, S. 103

[3] Rousseau, Jean-Jacques: 1963, S. 115

[4] Kurse, Andrea/ Rudinger, Georg: 1996, S. 47 und Geldermann, Brigitte: 2005, S. 1

[5] Gundlach, Horst: 1996, S. 361

[6] In der Praxis, dies soll noch einmal explizit gesagt sein, sind die einzelnen analytischen Ebenen nicht so klar zu trennen, wie dies hier auf theoretischer Ebene vorgenommen wird.

[7] Wille und <lat.> Volition werden im folgenden Synonym verwand.

[8] Sokolowski, Kurt: 1996, S. 492

[9] Mehr zum Rubikonmodell der Handlungsphasen bei: Gollwitzer, Peter M.: 1996 und Fuchs, Helmut; Huber, Andreas: 2003

[10] vgl. Kuhl, Julius: 1996, S. 670 ff.

[11] vgl. Kuhl, Julius: 1996, S. 684

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Wollen Sie? Wille und Lernen im transgenerationalen Vergleich
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V70505
ISBN (eBook)
9783638625944
ISBN (Buch)
9783638754651
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wollen, Wille, Lernen, Vergleich
Arbeit zitieren
Torsten Bergt (Autor:in), 2006, Wollen Sie? Wille und Lernen im transgenerationalen Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70505

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