Zum Problem der Interpretierbarkeit von Filmen

Dargestellt an ausgewählten Filmen von David Lynch


Examensarbeit, 2005

133 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Mulholland Drive
2.1 David Lynch: Von der Malerei zum Film
2.2 Hintergrundinformationen zu Mulholland Drive
2.3 Zum Inhalt
2.4 Die Dramaturgie
2.5 Von der Erzählweise zur Form
2.5.1 Part A
2.5.2 Part B
2.6 Versuch einer Genrezuweisung: Von der Erzählstruktur zum Erzählmuster
2.6.1 Eine Detektivgeschichte
2.6.2 Eine tragische Liebesgeschichte
2.6.3 Der Horrorfilm
2.6.4 Eine Hollywoodsatire
2.6.5 Die Gangstersatire
2.7 Vom Genre zu den Filmzitaten
2.8 Die Unbestimmtheit der Figuren
2.8.1. Frauenfiguren
2.8.2 Adam Kesher
2.9 Das Spiel mit der Wahrnehmung
2.9.1 Doppelungen und Spiegelungen
2.9.2 Das Motiv des Playbacks
2.9.3 Elemente des Phantastischen und komisch-böse Figuren
2.10 Die Vermengung von Sex und Gewalt
2.11 Die Symbole
2.12 Das Unheimliche
2.13 Franz Kafka und David Lynch

3. Traumhaftes Erzählen
3.1 „Traumhaftes Erzählen“ in Blue Velvet
3.1.1 Wie wird erzählt
3.1.2 Was wird erzählt
3.1.3 Traumelemente und das Verschwimmen der Erzählebenen
3.1.4 Auflösung der Raum-Zeit-Struktur
3.1.5 Die Unbestimmtheit der Figuren
3.2 „Traumhaftes Erzählen” in Twin Peaks: Fire Walk with Me
3.2.1 Wie wird erzählt
3.2.2 Was wird erzählt
3.2.3 Die Auflösung von Raum und Zeit
3.2.4 Die Symbole
3.2.5 Die Unbestimmtheit der Figuren
3.2.6 Vermengung von Humor und Horror
3.3 „Traumhaftes Erzählen“ in Lost Highway
3.3.1 Wie wird erzählt
3.3.2 Was wird erzählt
3.3.3 Die Auflösung von Raum und Zeit
3.3.4 Die Unbestimmtheit der Figuren und die Frage des Genres
3.3.5 Sexualität, Misstrauen und Verbrechen

4. Schlusswort

5. Anhang
5.1 Sequenzprotokoll Mulholland Drive
5. 2 Segmentübersichten
5.2.1 Segmentübersicht Blue Velvet
5.2.2 Segmentübersicht Twin Peaks: Fire Walk with Me
5.2.3 Segmentübersicht Lost Highway
5.3 Filmographie (Kinofilme als Regisseur)
5.5 Abbildungsnachweis
5.6 Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Filme von David Lynch lassen sich als eine „Erzeugung seltsamer Welten, verstörender Stimmungen und bizarrer Bilder“[1] beschreiben, die wenig mit linearen und leicht verständlichen Erzählungen gemein haben. Sie scheinen sich in ihrer assoziativen und „unlogischen“ Erzählweise eher an der Wirkungsweise von Träumen und als an klassischen Filmerzählungen des kommerziellen Mainstreams zu orientieren und sind doch Hollywood-produktionen, die sich einer breiten Fan-Gemeinde erfreuen.

Besonders auffällig sind die polarisierten Reaktionen seitens der Kritiker, die nicht selten unsachlich und emotional ausfallen: Ortwin Thal beispielsweise bewertet den Film Blue Velvet als „Kunstgewerbe“, dessen Ende „einem Tollhaus“[2] gleiche. Alles gerate zu „einem Spiel mit ästhetischer Raffinesse und durch diese verspielte Unverbindlichkeit“ werde Lynchs Werk „vollends unerträglich“.[3] Der Rezensent Hans Günther Pflaum bewertet Lynch gar als „Effekthascher“, der nichts anderes zeige als „sexuelle Abartigkeiten, zudem Drogen, Gewalt und Psychopathen“ und „wohl kaum über Banalitäten hinaus“[4] gelange. Vor allem die schonungslose und explizite Darstellung von Sex und Gewalt scheint ein mögliches Hindernis darzustellen, sich auf die Geschichten David Lynchs überhaupt einzulassen. Andere enthusiastische Stimmen stehen diesen Kritiken diametral entgegen, loben Lynch als aufregendsten und innovativsten Regisseur seiner Zeit[5] und seine Werke als atemberaubende Meilensteine der amerikanischen Filmgeschichte[6].

Die Beurteilungen der Filme stehen einander folglich polar gegenüber, und es liegen unzählige Interpretationsansätze vor – wodurch die Forschung zu Lynchs Filmen der zu Kafkas Romanen und Erzählungen ähnelt[7] -, wobei zu gelten scheint: Jeder scheint möglich, keiner der „richtige“ zu sein. Bereits Blue Velvet wird von dem Filmkritiker Corrigan als ein typischer Vertreter „unlesbarer Filme“[8] klassifiziert. Einige Kritiker gehen in ihrer Rezension von Mulholland Drive so weit, dass sie dem Zuschauer resignierend empfehlen, „ihn sich am besten als bloßen Traum“ zu erklären, um zu einer „schlüssig ‚vernünftigen‛ Interpretation“[9] zu gelangen. Anne Jerslev rät in ihrer Beurteilung von Lost Highway dazu, sich erst gar nicht auf die Suche nach Sinn zu begeben, da der Film diesen vehement verweigere und überdies keine greifbare Story enthalte.[10] Georg Seeßlen spricht - in Bezugnahme auf den Film Twin Peaks: Fire Walk with Me - sogar von einer Erzählweise, die sich jeglicher Interpretation bewusst entziehe und keine Rücksicht auf die Erwartungen der Zuschauer nehme.[11]

David Lynch zu unterstellen, er wolle das Publikum mit seinen „schwierigen Filmen“[12] letztendlich nur verwirren, wäre jedoch zu simpel und zudem nicht gerechtfertigt: „Es geht nicht anders, nicht weil ich Verwirrung stiften will, sondern um das Geheimnis spürbar zu machen. […] Ich rede nicht besonders gerne über Dinge, weil man vieles zerredet“[13]. Letzteres wird besonders in Interviews deutlich, in denen der Regisseur jegliche Interpretationshilfe, Inhaltsangabe und Traumdeutung verweigert und stattdessen an das „innere Wissen“, an die Intuition der Zuschauer appelliert. Lynch selbst beschreibt sein filmisches Vorgehen als eine irrationale Methode, Geschichten aus dem Bauch heraus zu erspüren statt zu erdenken.[14] Diese Aussage provoziert den Vorwurf, Lynch leide unter der „gelegentlichen Unfähigkeit, Bedeutungen in Worte zu fassen“[15]. Seine Faszination für das Unbewusste, die menschliche Psyche und das Rätselhafte scheinen psychoanalytische Deutungen geradezu herauszufordern: „Filmen muss unter die Oberfläche gehen, sonst macht es keinen Spaß“[16], sagt er in einem Interview. Dennoch warnt der Regisseur immer wieder davor, das Mysteriöse auf medizinische und psychologische Begriffe zu reduzieren: „Psychology destroys the mystery, this kind of magic quality. It can be reduced to certain neuroses or certain things, and since it is nor named and defined, it lost its mystery and the potential for a vast, infinite experience.”[17]

David Lynchs Œvre ist somit durch Vieldeutigkeit und Offenheit gekennzeichnet, die zu einer genaueren Untersuchung herausfordern. Gegenstand dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es, sich dem Problem, David Lynchs Filme zu interpretieren, anhand einer Auswahl seiner Werken phänomenologisch zu nähern. Es geht also um das „Problem der Interpretierbarkeit anhand ausgewählter Filme von David Lynch“. Da ich David Lynch als Filmschaffenden ernst nehme und dessen Selbst-Verständnis ebenfalls berücksichtigen möchte,[18] gehe ich zunächst (Kapitel 2) kurz auf seine Person und Biografie ein und nehme – als Hilfsinstrument für die spätere Deutung der Filme – eine Zuordnung des Regisseurs in eine bestimmte Filmtradition vor.

Im zweiten Kapitel der Arbeit möchte ich in einer detaillierten Analyse des Kinofilms Mulholland Drive möchte ich die Charakteristika des Lynch`schen Filmens herausarbeiten, die sich in der Komposition, der Art und Weise der Darstellung, der Erzählweise und der Themenwahl finden lassen. Durch die Analyse möchte ich anhand der aufgezeigten „Auffälligkeiten“ eine Struktur, ein „Kategoriensystem“ erhalten, mit dem ich die spezifische Form des Films beschreiben kann.[19]

Darauf prüfe ich in einem Vergleichenden Verfahren, ob diese spezifischen Merkmale in weiteren Filmen David Lynchs zu finden und die Probleme in der Deutung seiner Werke auf diese zurückzuführen sind (Kapitel 3). Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, ist es unerlässlich, einige Filme aus dem Gesamtwerk David Lynchs auszuwählen. Ich habe mich neben Mulholland Drive (2001) für die Kinofilme Blue Velvet (1986), Twin Peaks: Fire Walk with Me (1992) und Lost Highway (1996) entschieden, die in chronologischer Reihenfolge abgehandelt werden. Die genannten Filme werden ausgewählt, da sich an ihnen in besonders eindrücklicher Weise die Kennzeichen des Filmschaffens von David Lynch zeigen lassen. Bei der Beschreibung der schwer verständlichen Struktur der Filme bin ich auf die Heranführung von Modellen und Begriffen angewiesen, deren Auswahl nicht willkürlich erfolgt, sondern auf die oben genannte Klassifizierung seiner Werke zurückgeführt wird.

Im Schlusswort möchte ich der Frage nachgehen, ob die Schwierigkeiten, die Filme Lynchs zu deuten, generell Probleme beim Interpretieren darstellen können.

2. Mulholland Drive

2.1 David Lynch: Von der Malerei zum Film

David Keith Lynch wurde am 20. Januar 1946 in Missoula, Montana, als ältestes von drei Kindern geboren. Sein Vater Donald Lynch war Agrarwissenschaftler, seine Mutter stammte aus Brooklyn und war Sprachlehrerin und Hausfrau. Bereits während seiner Highschool-Zeit wandte sich Lynch der Malerei zu, besuchte Kurse an der Corcoran School of Art. Nach seinem Examen begann er 1964 ein Studium an der Boston Museum School, das er jedoch nach einem Jahr abbrach, um für drei Jahre nach Europa zu gehen und in Salzburg bei Oskar Kokoschka[20] Malerei zu studieren. Nach bereits 15 Tagen kehrte er zurück nach Amerika, da er dort keine Inspiration fand.

Ende 1965 begann er ein zweijähriges Studium an der Pennsylvania Academy of Fine Arts. Dort entstanden große, düstere Gemälde, Action Paintings. Inspiriert wurde er dabei im Wesentlichen von den abstrakten Expressionisten Jackson Pollock, Franz Kline und Jack Tworkov. Später ließ er sich besonders von dem irischen Surrealisten und Expressionisten Francis Bacon und von dem Maler Edward Hopper beeinflussen, der zu den Künstlern des amerikanischen Realismus zählt. In Interviews betont David Lynch immer wieder diesen Ursprung seines Filmschaffens: Er sei „über die Malerei zum Film gekommen“[21] und sie habe ihn stärker beeinflusst als das Kino[22]. Als Maler habe er seine Bilder im Kopf immer in Töne umgesetzt, um sie mit einer bestimmten Stimmung zu füllen: Er wollte „in den Bildern leben können“[23].

Um nicht immer von den Inhalten sprechen zu müssen, vergleicht der Maler Lynch seine Filme auch gerne mit Musikstücken, die - ebenfalls wie seine Gemälde - abstrakt sind und ohne immer einen Sinn ergeben zu müssen eine bewegende Stimmung erzeugen können.[24] David Lynch denkt nicht wie ein Literat, sondern wie ein Maler in Bildern: „Es gibt Dinge, die sich mit Worten nicht ausdrücken lassen. Darum geht es in der Malerei und beim Filmemachen“[25]. In seinen Filmen zeigt Lynch deshalb unter anderem auch „übermalte Orte“, die weniger topografischer Natur sind, sondern Zustände und Stimmungen darstellen.[26] Für ihn sind seine Filme mit abstrakten Gemälden vergleichbar, also „offene Kunstwerke“[27], die eine Geschichte niemals vollständig erzählen und an denen „man ewig weitermalen könnte“[28]. So folgt der Regisseur als Künstler im Produktionsprozess zwar einer festgelegten Grundstruktur, diese wird jedoch während der Dreharbeiten häufig durch spontane oder intuitive Ideen, Bilder und Töne ergänzt.[29] Seine eigenen Malereien stehen ihm oft Modell für eine neue Filmidee, was anhand der folgenden Produktionsnotizen zu Blue Velvet verdeutlich werden soll:

„He [David Lynch; M.R.] had this three-by-five drawing that he´d done of this rustic roadhouse or saloon, out in the countryside. (…) He showed it to me and said, ‚We´re going to do Blue Velvet. It’s a movie.‘“[30]

David Bordwell siedelte diesen vieldiskutierten Film im „Art-Cinema“ an, da er mehr Informationslücken und eine stärkere Subjektivität der Erzählerperspektive aufwies als es im Mainstreamkino üblich war.[31] Der britische Maler und Regisseur Peter Greenaway bekannte sich nach Blue Velvet zum Lynch-Fan. Von ihm wurde Lynch als „eigenartiger amerikanisch-europäischer Filmemacher“[32] beschrieben. Lynchs Stand als Autodidakt[33] und als Künstler, der in seinen Filmen eigenständige Kunstwerke sieht, lassen in ihm nicht den typischen Hollywoodregisseur aufleuchten. Geoff Andrew nennt ihn wegen seiner in den Werken verankerten künstlerischen Persönlichkeit treffend einen typischen Vertreter des amerikanischen Independent Kinos, „einen Maverick: einer, der sich nicht anpasst“[34]. Georg Seeßlen sieht seine Filme als persönliche Kunstwerke im Sinne einer „magischen Autobiographie“: Die Filme David Lynchs wollen nicht die Biographie des Autors offen legen, sondern sie sprechen über Welterfahrung und bestehen aus einer Mischung von Transparenz und Geheimnis, aus erlebten und geträumten Dingen, erfahrenen und erfundenen.[35] „Die magische Autobiographie ist, wenn man so will, bereits ein zweites Leben.“[36] Meines Erachtens schafft David Lynch mit seinen Filmen eine eigene Erlebniswelt, die dann häufig auch mit den Namen Lynchville (Seeßlen), der Lynch-Kosmos, das Œvre David Lynchs oder Lynchland (Rodley) bezeichnet wird, in der sich Motive, Figuren und Themen wiederholen (Lynchismen). Diese entwickeln wiederum in der Selbstreferenz eines Kunstwerkes ein Eigenleben.

Dass die Unabhängigkeit beim Filmemachen ein unantastbares Credo sei[37], betont der Regisseur immer wieder in Interviews und sieht sich selbst in der Tradition der unabhängigen Autorenfilmer[38] wie Federico Fellini oder Billy Wilder: „Was ich wunderbar finde, ist das Wissen, wie viele Leute da draussen sind, die beim Film arbeiten, den Film lieben – verwandte Seelen. Jeder mit einer eigenen Stimme, die frei singen kann.“[39]

2.2 Hintergrundinformationen zu Mulholland Drive

Die Idee zu Mulholland Drive reicht zurück in die Zeit, in der Twin Peaks: Fire Walk with Me gedreht wurde. 1998 bot der Sender ABC David Lynch eine Serie in der Tradition von Twin Peaks (1989-1991) an und drehte einen zweistündigen Pilotfilm mit offenem Ende. Der Sender verlangte zunächst eine Kürzung auf 88 Minuten und lehnte schließlich das gesamte Konzept und die Ausstrahlung des Pilotfilms ohne Begründung ab. Nach der Absage von ABC bot ihm P. Edelman, ein Freund und Produzent des französischen Senders Canal Plus die Möglichkeit, eine Kinoversion zu schaffen. Der Regisseur ließ die Schauspieler nach einem Jahr Pause noch einmal in ihre Rollen schlüpfen, richtete das gesamte Set erneut her und drehte einige neue Szenen nach. Das Drehbuch zum Piloten wurde wiederholt bearbeitet, indem viele Szenen umgestellt, gekürzt und das frisch gedrehte Material eingebettet wurde.[40]

Das Umstellen und Kürzen des Filmmaterials ist jedoch nicht zwingend eine Erklärung für die losen Enden der Handlung und den Aufbau des Films, da dies keine ungewöhnliche Methode der Filmproduktion darstellt.

Da der Kinofilm aus dem für das Fernsehen produzierten Pilotfilm hervorgegangen ist und kein eigenes Drehbuch besitzt, kann ich mich bei den in der nachfolgenden Analyse angeführten Zitaten lediglich auf das Skript des Pilotfilms stützen. Die angehängten, neuen Szenen muss ich entsprechend dem Wortlaut der Schauspieler aus dem Film selbst herauslesen, beziehungsweise heraushören.

2.3 Zum Inhalt

Der Begriff „Inhaltsangabe“ ist auf David Lynchs Mulholland Drive nur mit Einschränkungen anwendbar: Einen Film objektiv und chronologisch beschreiben zu wollen, der schwer interpretierbar ist und dessen Erzählstruktur fragmentiert und undurchschaubar scheint, klingt zunächst wie ein sinnloses Unterfangen. Dennoch wird im Folgenden der Versuch unternommen, einen Überblick über die dargestellte Handlung zu geben.

Die Geschichte spielt in Los Angeles. Eine dunkelhaarige, elegant gekleidete Frau wird in einer Limousine von zwei Männern in Anzügen den Mulholland Drive entlang chauffiert. Hinter einer Biegung kommt das Auto plötzlich zum Stehen und die Frau wird von einem ihrer Begleiter unter vorgehaltener Pistole aus dem Wagen gezerrt. Im gleichen Augenblick kollidiert ein anderes Fahrzeug mit dem parkenden Wagen. Als einzige Überlebende verlässt sie den Unfallort und findet zunächst unerkannt Unterschlupf im Apartment einer alten Dame, die gerade im Begriff ist zu verreisen. Zur gleichen Zeit kommt Betty, eine junge blonde Schauspielerin aus der Provinz, in Los Angeles an, um dort eine große Schauspielerin oder vielleicht sogar ein Hollywoodstar zu werden. Einen Vorsprechtermin in Aussicht gestellt, fährt sie zum Apartment ihrer verreisten Tante und entdeckt die oben beschriebene Frau in der Dusche, die sich ihr unter dem Namen Rita vorstellt und unter Gedächtnisverlust leidet. Zusammen begeben sie sich auf die Suche nach Ritas wahrer Identität. Aus der verschworenen Freundschaft wird eine Liebesbeziehung, und Bettys anfänglicher Karrieregedanke scheint immer mehr in den Hintergrund zu rücken. Nach einem nächtlichen Theaterbesuch der beiden Protagonistinnen erfährt die Erzählung einen Bruch, nach dem sich dem Rezipienten eine scheinbar völlig veränderte Situation darstellt: Betty heißt nun Diane und Rita wird zu Camilla, einer in Filmkreisen bekannten Schauspielerin. Letztere geht eine Beziehung mit einem jungen Filmregisseur ein und beendet infolgedessen die Beziehung zu Betty/Diane. Diese zieht sich zutiefst verletzt und gekränkt zurück und führt ein Einsiedlerleben, bis sie eines Tages von der intriganten Rita/Camilla zu einer Party eingeladen wird, die für Betty/Diane als „Fest der Erniedrigung“ zum persönlichen Alptraum werden soll. In ihren eigenen Erinnerungen gefangen, schlägt ihre anfängliche Trauer schließlich in Hass um: Sie engagiert einen Auftragskiller und lässt Rita/Camilla gegen Bezahlung töten. Als sich Betty/Diane ihrer Tat bewusst wird, begeht sie schließlich unter Verfolgungswahn Selbstmord.

Diese Beschreibung klingt übersichtlich und eindeutig. Schließlich bezeichnet der Regisseur seinen Film selbst als „Eine Liebesgeschichte in der Stadt der Träume“[41].

Trotzdem gibt es beim Betrachten des Films zu viele Elemente, die sich nicht in den oben nachgezeichneten Handlungsverlauf einpassen, sodass diese Klassifizierung über den Plot zugleich alles und gar nichts aussagt.[42]

2.4 Die Dramaturgie

Die Struktur des Films ist schwer beschreibbar, da es sich hier um eine Art hybride und paradoxe Form handelt: Der Rezipient macht zunächst mehrere Erzählstränge aus, die teilweise linear, zum Teil nichtlinear und aus verschiedenen Erzählperspektiven mittels unterschiedlicher Montagetechniken erzählt werden. Die Erkenntnisse über Figuren und Geschehen werden allerdings im Verlauf der Handlung in Frage gestellt und bisweilen geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Es gibt jedoch ein Indiz, anhand dessen sich das komplexe Geflecht in fünf Abschnitte unterteilen lässt; dabei handelt es sich um den Identitätswechsel der beiden Protagonistinnen, den man vordergründig als Wendepunkt der Geschichte bezeichnen kann.

Aufgrund des Wechsels kann man - der Inhaltsangabe als „Roten Faden“ folgend - eine Dramaturgie der Filmhandlung analog zur „Franz´sche(n) Pyramide“[43] konstruieren, was anhand des folgenden Schemas verdeutlicht werden soll:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1

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Abb. 2

In der Exposition werden die Zuschauer in die Geschichten von Rita und Betty eingeführt. Die beiden Handlungsstränge werden in Sequenz 9 durch das Ereignis zusammengeführt, dass Betty Rita im Apartment ihrer Tante findet. Die Freundschaft zwischen den Protagonistinnen entwickelt sich zur Liebesgeschichte, die in Sequenz 30 ihren Höhepunkt erfährt: Betty gesteht ihre Liebe zu Rita. Nach einem Wechsel der Identitäten in Sequenz 34 (Rita wird zu Camilla und Betty zu Diane) beendet Camilla die leidenschaftliche Beziehung zu Diane (Wende). In Sequenz 43 wird die zutiefst verletzte Diane von ihrer Ex-Geliebten bloßgestellt und erniedrigt. Am Boden zerstört lässt sie Camilla umbringen und begeht schließlich Selbstmord (Untergang).

Damit wäre zunächst eine stringente Dramaturgie im Film Mulholland Drive nachgewiesen, die der Regisseur in einem Interview selbst andeutet: „Er hat einen Anfang, eine Mitte und einen Schluss.“[44]

2.5 Von der Erzählweise zur Form

Da die Hauptpersonen in Sequenz 34 ihre Identitäten in einem „magischen Twist“[45] verändern und dadurch thematisch eine andere Voraussetzung für den weiteren Verlauf der Filmhandlung geschaffen wird[46], lässt sich die Geschichte in zwei Teile gliedern: Dabei nimmt Part A etwa zwei Drittel (ca. 1 Stunde 50 Minuten) der Erzählzeit ein, während Part B das restliche Drittel ausfüllt.

Die Ereignisse in Part A werden in chronologischer Reihenfolge erzählt, während Part B von Rückblenden und Zeitsprüngen durchsetzt ist, die keinen linearen Handlungsverlauf und keine klare zeitliche Zuordnung mehr zulassen[47].

In beiden Teilen des Films prägen Nahaufnahmen (Nah, Groß und Detail) die Erzählung, die dem Zuschauer ein unmittelbares Teilhaben am Geschehen suggerieren. Dabei wird die Aufmerksamkeit des Betrachters besonders auf die Mimik und Gestik der Figuren gelenkt, die deren Emotionen und innere Vorgänge visualisieren.[48]

Diese Darstellungsweise nutzt David Lynch, um „mood pictures“ zu produzieren, Abstraktionen, die beim Zuschauer intuitive Assoziationen auslösen[49]. Es geht dem Regisseur darum, das Unausdrückbare darzustellen, Gefühle in Bilder umzusetzen: „Ich bin ziemlich schlecht darin, Dinge mit Worten zu beschreiben. Wenn ich mich hinsetze, um einen Film zu machen, dann beschließe ich nicht, einen Film über ein bestimmtes Thema zu machen, denn ich weiß meistens noch nicht einmal, was das für ein Thema sein könnte. Ich handle nach Gefühl.“[50]

2.5.1 Part A

Der erste Teil des Films weist viele einzelne Erzählstränge auf, die mittels konventioneller Schnitttechniken miteinander verbunden werden: Innerhalb der Erzählung wechseln sich harte Schnitte mit weichen Überblendungen oder Ab- und Aufblenden ab, wobei die harten Übergänge deutlich dominieren. Letztere werden eingesetzt, um Ereignisse zeitlich parallel zu erzählen. Der Zuschauer wird beispielsweise zu Beginn in die beiden Welten von Rita und von Betty eingeführt. Diese beiden zunächst getrennten Erzählstränge werden in Sequenz 9 thematisch zusammengeführt, sodass der Eindruck entsteht, sie seien vorher simultan verlaufen. Bei den weichen Abblenden fällt auf, dass die Kamera etwas länger als üblich in der absoluten Schwärze verharrt (double fading), als wolle sie eine kleine Pause einfügen. Für Lynch selbst hat die Farbe Schwarz „Traumqualität“[51]: Sie sei wie eine Tür zu einer anderen Welt und rege die Phantasie an.[52] Das double fading zögert das weitere Geschehen um wenige Sekunden hinaus und erzeugt dadurch eine narrative Leerstelle.[53] Besonders deutlich wird dies im Übergang von Sequenz 2 zu Sequenz 3: Das obige Zitat legt nahe, dass es sich bei der kurzen Pause um ein gezielt eingesetztes Verfahren handelt, der Erzählung einen traumhaften Charakter zu verleihen. Diese Annahme wird durch eine weitere Aussage des Regisseurs über die Erzählweise des Film untermauert: „The best for me is to combine the surface of a simple story with the sensation of a dream, with the abstraction possible in a dream“.[54]

Tatsächlich deuten viele Interpreten den kurzen Augenblick des oben genannten Szenenwechsels als Einstieg in einen Traum, der mit Sequenz 36 zu enden scheint[55], die eine ähnliche Blendentechnik aufweist. In letzterer betritt ein Cowboy Bettys/Dianes Apartment und weckt sie. Andere wiederum sehen den ganzen Film als Erzählung eines Traums bzw. einer Illusion der Protagonistin.[56]

Da David Lynch in einem Interview den Hinweis gibt, dass sich die Erzählung vom ersten Bild aus entfalte („since the very beginning“[57] ), wird im Folgenden der Prolog detailliert betrachtet, der sich aus den ersten beiden Sequenzen zusammensetzt.

In der ersten Sequenz wird die abstrakte Bildkollage eines Tanzwettbewerbes, auf der Tonebene von dem Jazzmusikstück Jitterburg begleitet, zunächst in slow motion verschwommen eingeblendet und gewinnt nach einem Unsichtbaren Schnitt[58] plötzlich normale Geschwindigkeit (24 Bilder pro Sekunde[59]). Das Bild der tanzenden Paare vor einem blau-violetten Screen wird durch eine grelle Überblendung gestört: Verwackelt erscheint eine abstrakte weiß-graue Fläche, die einer Wolke ähnelt[60] und bei zunehmender Schärfe eine im Rampenlicht stehende und strahlende, blonde junge Frau zeigt, die von einem älteren Paar flankiert wird. Noch weiß der Zuschauer nicht, wer diese Frau ist. Später wird Betty/Diane auf der Pool-Party in Sequenz 43 bestätigen, dass sie vor vielen Jahren einen Jitterburg-Tanzwettbewerb gewonnen hat. In der schablonenhaften Montage ineinander verschachtelter Tanzpaare wird die Siegerehrung vorweggenommen, indem sie als Ebenen-Folie in den „Handlungsverlauf“ hinein projiziert wird.

Die darauf folgenden Bilder zeigen aus der Perspektive der Subjektiven Kamera[61] schemenhaft ein Zimmer mit einem Bett. Die Höhe der Kamera­position suggeriert, dass die Person auf dem Bettrand sitzt und sich für einen kurzen Augenblick nach vorne in Richtung Boden beugt.

Diese Bewegung wird auf der Tonebene begleitet von einem schweren, rasseligen Atemzug[62], der vermutlich mittels eines technischen Effektes stark verfremdet wurde. Für wenige Sekunden scheint in dieser Bewegung die oben beschriebene abstrakte helle Form erneut eingeblendet zu werden. Wegen der starken Bildunschärfe zeichnen sich keine deutlichen Umrisse von etwaigen Gegenständen ab, denen sich die Person hätte nähern können. Die anschließende langsame Kamerafahrt über das Bett endet im Kopfkissen[63] und wird von dem Geräusch eines langen Ausatmens untermalt, das sich in einem Windgeräusch und einem „distant sound of freeway traffic“[64] verliert. Letzteres amalgamiert mit dem langsam anschwellenden Titellied Mulholland Drive und leitet dadurch auf der Tonebene bereits die nächste Sequenz ein, während auf der Bildebene zunächst nur eben jene tiefe Schwärze zu sehen ist, die in zahlreichen Interpretationen als Traumbeginn gedeutet wird: Für Charles Martig scheint die Großaufnahme des Kopfkissens am Ende der Sequenz eine „Form der Subjektivierung“ zu sein, „die die Erzählperspektive andeutungsweise in diejenige einer Träumenden überführt: Wir sind kurz erwacht und wieder eingeschlafen“.[65]

In dieser kurzen Zeit von etwa drei Minuten werden dem Zuschauer drei Erzählstränge dargeboten, die in ihrer Darstellungsform nicht unterschiedlicher sein könnten:

Eine abstrakte „Popcollage“[66] wird mithilfe der Subjektiven Kamera von den diffus anmutenden Eindrücken einer Figur abgelöst, die keine eindeutige Referenzierbarkeit aufweist - es ist unklar, ob hier der Rezipient, der Autor oder eine Person im Film gemeint ist - und deren verschwommene Sicht der Dinge alsbald in eine klassische Filmnarration mündet, die (im Gegensatz zur vorherigen Sequenz) zunächst keinesfalls Merkmale einer konventionellen Traum-Darstellung offeriert: „Lynch offers none of the standard cinematic tropes to suggest we are in a dream sequence.“[67]

Die weichen Blendentechniken scheinen dabei die Brüche zwischen den unterschiedlichen Erzählformen zu kaschieren und somit eine gewisse Kontinuität vorzutäuschen. Diese besondere Form des „fluiden Erzählens“ wird vor allem im Übergang von Part A zu Part B in Sequenz 35 und 36 wieder aufgegriffen: Hier werden in weniger als 35 Sekunden drei weiche Überblenden, zwei Abblenden und eine Aufblende aneinander gereiht.

Ab der dritten Sequenz verästeln sich insgesamt fünf Erzählstränge, wobei diese unterschiedliche Gewichtungen erfahren: Zum einen wird die detektivische Identitätssuche von Rita/Camilla und Betty/Diane nach dem Unfall auf dem Mulholland Drive erzählt. Diese nimmt zusammen mit der Geschichte des jungen Regisseurs Adam Kesher, der von zwielichtigen Studiobossen und einem mephistophelischen Cowboy dazu gezwungen wird, die Hauptrolle seines Films neu zu besetzen, zeitlich den größten Raum ein.

Die anderen drei Stränge werden beiläufig eingestreut: In der vierten Sequenz nehmen zwei Detektive die Spurensicherung und das Ermittlungsverfahren auf, treten aber im Verlauf des gesamten Films nicht wieder in Erscheinung. Des Weiteren wird uns ein junger von Alpträumen geplagter Mann namens Dan vorgestellt, der sich in Sequenz 6 mit seinem Psychoanalytiker Herb im Diner Winkies trifft, um anschließend hinter dem Restaurant seiner „wahr“ gewordenen Schreckensgestalt zu begegnen und infolgedessen einem Herzinfarkt zu erliegen. In der dritten Geschichte tritt der Auftragskiller Joe auf, der bei der Ausübung seines Berufes in bester Pulp Fiction -Manier mehr Todesopfer hinterlässt, als ihm lieb ist. Dabei kommt Joe vor dem Mord an einem seiner Opfer auf einen Unfall zu sprechen, der eine Referenz auf Rita/Camillas Kollision am Mulholland Drive suggeriert. In Sequenz 14 wird dem Killer ein weiterer Auftritt eingeräumt: Zusammen mit einem „Arbeitskollegen“ hält er im Rotlichtmilieu nach einer Frau Ausschau, deren Beschreibung unter anderem auf Rita/Camilla zutrifft.

Diese drei Episoden werden durch harte Schnitte in die übrigen zwei Erzählstränge eingebettet und scheinen simultan und chronologisch zu verlaufen. Dennoch erzeugen sie durch ihre offene Form „lose Enden“ und eine Sprunghaftigkeit im Gesamtverlauf der Erzählung.[68]

Erst in Sequenz 33 werden die letzten Reminiszenzen an die konventionelle Narration des klassischen Hollywoodfilms[69] für kurze Zeit aufgebrochen. Als Betty/Diane und Rita/Camilla zu Beginn der Sequenz mit dem Taxi zum Club del Silencio fahren, wird das Bild durch kurze, ruckartige Kamerabewegungen und einem speziellen Effektfilter stark verfremdet: Ähnlich wie in der zweiten Sequenz wird eine subjektive Erzählerposition suggeriert, durch die das Geschehen in nebulösen Bildern beobachtet wird. Auch die abstrakte Wolkenfläche wird in einem Bruchteil von Sekunden subluminal in die Erzählebene montiert. Das Motiv der Subjektivierung rekurriert in seiner Wiederholung auf den Anfang von Part A. Diese indirekten Referenzen im Film werden vom Betrachter selbst assoziativ geleistet; durch Ähnlichkeitsbilder oder „Reizmuster“[70] wird er aufgefordert, diese mit dem bisher Gesehenen abzugleichen. Eine mögliche Kohärenz der Erzählung wird also erst durch die Wahrnehmung des Rezipienten gebildet.[71] Durch die Verweise gewinnt die offen gestaltete Erzählform bereits im ersten Teil eine zirkuläre Struktur und wirkt damit in sich geschlossen.

Vordergründig lassen sich verschiedene Modalitäten des Traumes feststellen, die vom Autor in die Handlung eingestreut werden: Die „Erinnerungserzählung“, die „Traumerzählung“ und das „Sich Ausmalen“.[72] Die Erinnerungserzählung spiegelt sich vornehmlich in den von Rita/Camilla geschilderten Gedankensplittern bezüglich ihres Unfalls und ihrer Identität wider. Eine Traumerzählung findet sich im Gespräch zwischen Dan und Herb im Winkies. Das Sich-Ausmalen zeigt sich in dem Auftritt von Luise Bonner als Archetyp der hellseherischen blinden Frau[73] in Sequenz 23; auch die detektivische Forschungsarbeit von Betty/Diane und Rita/Camilla wird von diesem Modell bestimmt: Wenn Betty/Diane mit leuchtenden Augen von ihrem nächsten Vorhaben berichtet, malt sie sich zunächst etwas Wünschenswertes aus. In Sequenz 32 wird das Modell Traum angewandt, das sich aber im Verlauf mit den bereits genannten vermengt: Zunächst redet Rita im Schlaf. Nach dem Erwachen wird eine Traumerzählung im Ansatz begonnen, jedoch nicht fortgeführt. Diese mündet schließlich in einem Sich-Ausmalen: Rita und Betty fahren zu der Nachtvorstellung eines Theaters, das bisher nur in Ritas Traum existierte, aber nun tatsächlich existiert.

Part A endet in Sequenz 34 mit einem Kamerazoom in einen geöffneten blauen Kubus.

2.5.2 Part B

Mit Sequenz 35 wird die gesamte Chronologie der bisher gezeigten Erzählstränge instabil. Betty und Rita sind spurlos verschwunden; stattdessen sieht der Zuschauer Tante Ruth, die für einen kurzen Augenblick suchend das leere Schlafzimmer ihres Apartments betritt. Inhaltlich verweist diese knappe Szene auf eine ähnliche in der „Vergangenheit“ (5.2). Diese gegen die Logik einer chronologischen Erzählweise laufende Sequenz wird zudem kurz durch die weiche Überblendung in eine andere Erzählebene unterbrochen, die wiederum in der Folgesequenz weitererzählt wird: Die bruchhaften Erzählungen sind ineinander verschachtelt und werden dadurch abermals fragmentiert. Dabei evozieren die weichen Blendentechniken - wie bereits in Part A beschrieben - eine Kontinuität, indem sie die Grenzen der Ebenen verwischen. Obwohl „das Aufwachen“ in Wort und Bild thematisiert wird, lässt sich durch die Verschmelzung der Teilerzählungen keine klare Abgrenzung zwischen Traum und „Wirklichkeit“ eruieren[74]. Dabei scheinen die Sequenzen 35 und 36 eine Art Übergangsstadium in Form eines Prologs zur zweiten Hälfe der Erzählung (Sequenz 37) zu bilden. Auch diese bieten durch Reizmuster oder Ähnlichkeitsbilder wieder assoziative Verknüpfungen bzw. Referenzen auf die Sequenzen 2 und 29 des ersten Teils, können jedoch zeitlich nicht mehr zugeordnet werden.

In Part B bricht David Lynch vollends mit der traditionellen filmischen Erzählweise. Im Haupterzählstrang wird dargestellt, wie eine Frau namens Diane Selwyn aufwacht, ihrer Nachbarin die ausgeborgten Utensilien zurückgibt, Kaffee kocht und schließlich im Schlafzimmer Selbstmord begeht. Diese Erzählung wird von zahlreichen Flashbacks und Erzählfragmenten unterbrochen, die durch fließende Übergänge miteinander verschränkt werden und zu einem Ganzen amalgamieren.

Die Erzählform entsteht aus dem Zusammenspiel einer Wiederholung des ersten Teils und dessen gleichzeitiger Fortschreibung, die ineinander verwoben sind und sich gegenseitig zu bedingen scheinen. Dabei stellt sich die Frage, „was die beiden einander abgewandten Seiten des endlos geflochtenen Bandes in ihren Windungen voneinander wissen oder ahnen können.“[75]

Um diese komplexe Struktur näher zu beschreiben, bediene ich mich des Modells der Möbius-Schleife[76]. David Lynch selbst beschreibt diese wie folgt: „The story melts prior to the beginning to arrive at the end. More than a circle it is a spiral or a Moebius Strip which is twisted around itself.“[77]

Ist sie „einmal geschlossen, (kann) nicht mehr unterschieden werden, auf welcher der beiden Seiten wir uns befinden, da die Möbius-Ebene letztendlich nur eine Seite kennt.“[78] Die folgende Abbildung, die in der Kunstwissenschaft wohl bekannteste Darstellung des Möbius-Bandes von Maurits Cornelis Escher[79], soll dies veranschaulichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: M. C. Escher: Möbiusstreifen II, 1963.

Durch die Dynamik in der Erzählstruktur wird der Rezipient dazu angehalten, den Verlauf des Films - und damit eine mögliche Sinnzuschreibung - selbst durch assoziative Verknüpfungen zu formulieren und diesen bei jedem wiederholten Sehen erneut zu überprüfen. Der Rezipient scheint sich in einem „Kunstwerk in Bewegung“ zu befinden, das „eine Mobilität in sich“[80] aufweist und die Fähigkeit besitzt, sich beständig neu zu formieren.

2.6 Versuch einer Genrezuweisung: Von der Erzählstruktur zum Erzählmuster

Indem David Lynch zunächst einer konventionellen Hollywood-Erzählweise vordergründig folgt, deren Kompositionsmerkmale jedoch im Verlauf der Handlung neu arrangiert, folgt er zumindest partiell einer Methode, die in der Filmgeschichte mit der des Film Noir[81] vergleichbar ist: Der Film noir manipuliert die Chronologie der Erzählung mit Hilfe von Rück- oder Vorausblenden und ordnet die Handlungsstränge achronologisch an, sodass eine nichtlineare Erzählweise entsteht, die dem Rezipienten eine eindeutige Konstruktion der Geschichte erschwert[82]. Ebenso wie im Film noir wird der Zuschauer bei Mulholland Drive zunächst im Unklaren darüber gelassen, welche der multiplen parallelen Handlungsstränge zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort eine Relevanz für die Story haben werden. Der filmische Ausdruck von Ungewissheit und Unübersichtlichkeit (besonders in Part B) subjektiviert nicht nur die Erzählerperspektive, sondern verunsichert den Rezipienten in seiner Alltagswahrnehmung und Kognition, indem er ihn einem beständigen Erinnern und Rekombinieren aussetzt. Nicht zuletzt zielt das filmische Verfahren des Film Noir darauf ab, objektivierbare realistische Ordnungsprinzipien in Frage zu stellen.[83]

David Lynch geht jedoch noch einen Schritt weiter, indem er die Kategorien des Zeitlichen spätestens in Part B gänzlich auflöst: Die Erzählebenen verschwimmen und verweigern sich jeglicher zeitlicher Einordnung. Dieses Erzählprinzip Lynchs beschreibt Georg Seeßlen meines Erachtens zutreffend wie folgt: „Was auf der einen Ebene geschehen wird, ist auf der anderen längst Vergangenheit, und Lynchs Personen blicken sozusagen in die Zukunft, während sie sich in der Vergangenheit bewegen.“[84]

Die bereits angesprochene Auflösung der Ordnungsprinzipien soll im Folgenden daran geprüft werden, inwieweit der Film einem Genre zuzuordnen ist.

2.6.1 Eine Detektivgeschichte

Folgt man einem der „roten Fäden“ des ersten Teils, so entfaltet sich die Geschichte um Rita und Betty[85] ab Sequenz 3 nach einem klassischen Erzählmuster des Kriminalfilms, genauer dem des Detektivfilms: Am Anfang steht ein Mord oder ein Verbrechen, das an jemandem verübt wurde. Da jede Gewalttat in der Regel eine Störung des bestehenden Ordnungssystems darstellt (zumindest im Rechtssystem der westlichen Kulturen) und einer Klärung bedarf, kommt eine weitere Person ins Spiel, die als Ermittler fungiert. Oft handelt es sich dabei um einen Privatdetektiv, der das vergangene Geschehen in der Gegenwart retrospektiv rekonstruiert, den Täter ermittelt (Whodunit[86]) und überführt, um das ins Wanken geratene Ordnungssystem wiederherzustellen. Gelegentlich geht es aber auch um die Suche nach dem Wie und Warum der Tat.[87]

[...]


[1] Geoff Andrew: stranger than paradise. Mavericks - Regisseure des amerikanischen Independent-Kinos. Mainz 1999, S. 41 (abgekürzt: Andrew 1999, S. 41).

[2] Ortwin Thal: „Widerstreit: Kunststücke oder Kunstgewerbe“. In: medien + erziehung, Heft 3, München 1987, S. 157-162, hier: S. 160.

[3] Ebd. S. 162.

[4] Hans Günther Pflaum: Der Triumph des Effekthaschers. In: Andreas Rost (Hrsg.): Bilder der Gewalt. Frankfurt am Main 1994, S. 96.

[5] Vgl. Peter Travers: „The Wizard of Odd“. In: Rolling Stone Magazine, New York 06.09.1990, S. 35.

[6] Vgl. Geoff Andrew in: David Hughes: The Complete Lynch. London 2002, S. 90 (abgekürzt: Hughes 2002, S. 90).

[7] Vgl. u. a. Michael Müller: Interpretationen. Franz Kafka. Romane und Erzählungen. Stuttgart 2003, S.7.

[8] Vgl. Timothy Corrigan: A Cinema without Walls: Movies and Culture after Vietnam. New Brunswick 1991, S. 62.

[9] Rüdiger Suchsland: “Just like in the movies”. Lynchs MULHOLLAND DRIVE feiert das Kino. In: artechock. filmmagazin, Februar 2001, S. 3. In: http://www.artechock.de/film/text/kritik/m/mudriv.htm (12.01.2004) (abgekürzt: Suchsland 2001, S. 3).

[10] Vgl. Anne Jerslev: Beyond Boundaries: David Lynch´s Lost Highway. In: Erica Sheen und Annette Davison: the cinema of DAVID LYNCH. american dreams, nightmare visions. London 2004, S. 156 (abgekürzt: Jerslev 2004, S. 156).

[11] Georg Seeßlen: David Lynch und seine Filme. Marburg 2003, S. 144 (abgekürzt: Seeßlen 2003, S. 144).

[12] Chris Rodley (Hrsg.): Lynch über Lynch. Frankfurt am Main 2002, S. 304 (abgekürzt: Rodley 2002, S. 302).

[13] Ebd.

[14] Vgl. ebd. S. 89.

[15] Ebd. S. 77.

[16] Seeßlen 2003, S.9.

[17] David Lynch in: www.geocities.com/Hollywood/2093/quotecollection/psych._html O. A. (20.01.2000).

[18] Dabei betrachte ich David Lynchs Aussagen nicht als „objektives“ Maß, sondern verstehe ihn als einen, aber einen wichtigen Interpreten seiner Werke.

[19] Vgl. Werner Ingendahl: Umgangsformen. Produktive Methoden zum Erschließen poetischer Literatur. Frankfurt am Main 1991, S. 75 (abgekürzt: Ingendahl 1991, S. 75).

[20] Oskar Kokoschka (1886-1980) war Maler, Grafiker und Schriftsteller. Er gründete 1953 die „Schule des Sehens" an der Salzburger Sommerakademie für Bildende Kunst. Vgl. Digitale Bibliothek Band 43: Lexikon der Kunst. Berlin 2001, S. 16190.

[21] Vgl. Seeßlen 2003, S. 229.

[22] Vgl. Robert Fischer: DAVID LYNCH. Die dunkle Seite der Seele. München 1997, S. 304 (abgekürzt: Fischer 1997, S. 304).

[23] Seeßlen 2003, S. 229.

[24] Vgl. Joan Dupont: A Smooth Exterior But Wild at Heart. David Lynch in Competition for 4th Time. International Herald Tribune, Cannes Filmfestival 19.-20. Mai 2001. In: http://www.davidlynch.de/ (12.02.2005).

[25] Rodley 2002, S. 44.

[26] Vgl. Seeßlen 2003, S. 227.

[27] Für Umberto Eco sind Kunstwerke generell offen und mehrdeutig, selbst wenn der Künstler nach eigenen Aussagen eine eindeutige Botschaft vermitteln will. Vgl. Umberto Eco: Das offene Kunstwerk. Frankfurt am Main 1973, S. 85. (abgekürzt: Eco 1973, S. 85).

[28] David Lynch in: Hanns-Georg Rodek: Wie kann O. J. Simpson einfach Golf spielen? Die Welt. Berlin 3. Januar 2002, S. 1. In: http://davidlynch.de/welt2002.html (12.02.2005) (abgekürzt: Rodek 2002, S. 1).

[29] Rodley 2002, S. 77.

[30] Hughes 2002, S. 72.

[31] David Bordwell: Narration in the Fiction Film. London 1985, S. 205 ff.

[32] Fischer 1997, S. 136.

[33] Vgl. Rodley 2002, S. 17.

[34] Vgl. Andrew 1999, S. 10.

[35] Vgl. Seeßlen 2003, S. 10.

[36] Ebd. S. 9 ff.

[37] „There´s never any outside force that keeps you from making the film the way it wants to be. If there is, you should stop.” David Lynch in: David Hughes: halloffame david lynch, weird on top… In: Empire Magazin, November 2001, S. 4. In: http://davidlynch.de/empire2001.html (21.03.2005).

[38] Als Autorenfilmer bezeichnet man allgemein einen Filmemacher, der alleiniger Schöpfer seiner Filmwerke, also Regisseur, Drehbuchautor und gegebenenfalls auch Produzent ist und seinen ausgeprägten persönlichen Stil durchsetzt, der sich über die Werke hin entwickelt und eine Grundtendenz, einen Werkzusammenhang schafft. Vgl. James Monaco: Film und Neue Medien. Lexikon der Fachbegriffe. Hamburg 2000, S. 19 und 130. (abgekürzt: Monaco 2000, S. 19).

[39] David Lynch in: Beatrice Schlag: Ideen sind wie Fischschwärme. In: Weltwoche, Ausgabe 11/02. In: http://davidlynch.de/kulturweltwoche.html (29.03.2005). (abgekürzt: Schlag 2002).

[40] Vgl. u. a. Hughes 2002, S. 236 ff.

[41] David Lynch in: Wilfried Wiegand: Die Tage eines Nachtfalters. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.05.2001. In: http://davidlynch.de/fazm.html (13.02.2005).

[42] Vgl. ebd.

[43] Dieses Modell orientiert sich an der aristotelischen Poetik und wird traditionell von vielen Filmanalytikern angewandt. In: Wolfgang Gast: Film und Literatur. Analysen, Materialien, Unterrichtsvorschläge. Grundbuch. Einführung in Begriffe und Methoden der Filmanalyse. Frankfurt am Main 1993, S. 59 (abgekürzt: Gast 1993, S. 59).

[44] David Lynch in: Michael Bodmer: „Man muss den Ideen treu bleiben und tun, was sie einem sagen, denn man ist ja in sie verliebt“. In: Filmbulletin. Kino in Augenhöhe, Heft Nr. 5 2001, S. 18-19. Hier: S. 18. In: http://www.davidlynch.de/bulletlynch.html (20.02.2005) (abgekürzt: Bodmer 2001, S. 18).

[45] Ulrich Lössl: Interview. David Lynch - Ein Kafka Hollywoods. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Dezember 2001, S. 2. In: http://www.faz.net/s/Rub21DF2D6EC9BC45F993E0206F06AC3103/Doc~ED2B9178A6F38470589AE96A8B5D90438~ATpl~Ecommon~Scontent.html#top (29.03.2005) (abgekürzt: Lössl 2001, S. 2).

[46] „[...] wird eine Geschichte erzählt, die sich in einem bestimmten Punkt bricht und nun vollkommen anders, rückwärts erzählt wird, in Spiegelungen und Variationen, die zu einem neuen Durchlauf am Anfang führen“. Georg Seeßlen In: Seeßlen 2003, S. 209.

[47] „From this point forward, the linear quality of the narrative falls apart“. In: Kirsten Ostherr und Arash Abizadeh: Amnesia, Obsession, Cinematic U-Turns: On Mulholland Drive. In: Senses of Cinema, Ausgabe 19/2002, S. 2. In: http://www.senseofcinema.com/contents/01/19/mulholland_amnesia.html (14.02.2005) (abgekürzt: Ostherr 2002, S. 2).

[48] Vgl. u. a. Gast 1993, S. 16 f.

[49] „Abstraktion löst beim Zuschauer Intuition aus, und damit arbeitet er dann. Das tut er im Alltag ständig, manchmal eben auch im Kino.“ David Lynch in: Schlag 2002.

[50] David Lynch in: Fischer 1997, S. 296.

[51] David Lynch in: Rodley 2002, S. 36.

[52] Vgl. ebd.

[53] Vgl. Seeßlen 2003, S. 239.

[54] David Lynch in: Ana Maria Bahiana: The Subversion of the Senses. In: „Bravo!“ Magazin, Nr. 6. (5/2002), S. 1. In: http://www.davidlynch.de/subversion.html (29.03.2005) (abgekürzt: Bahiana 2002, S. 1).

[55] „Ab der dritten Sequenz beginnt Diane ohne Unterbrechung tief und fest zu schlafen.“ In: Nicole Velten: Narzisstische Strukturen in Sunset Boulevard und Mulholland Drive. S. 19 f. In: http://www.uni-koeln.de/phil-fak/englisch/berressem/velten/mulholland.html (29.03.2005).

[56] Vgl. Elmar Krekeler: Auch Schlafen nützt nichts. Nichts ist echt, nichts ist unter Kontrolle: David Lynchs neues Filmrätsel „Mulholland Drive “. In: http://www.welt.de/daten/2002/01/03/0103kfi305413.htx (18.02.2005).

[57] Bahiana 2002, S. 2.

[58] Der Unsichtbare Schnitt verbindet zwei Einstellungen auf eine Weise miteinander, dass er selbst als Schnitt kaum bemerkt wird. Diese störungsfreie Vermittlung einer Geschichte wird auch als „klassischer Hollywood-Stil“ bezeichnet. Vgl. u. a. Werner Kamp und Manfred Rüsel: Vom Umgang mit Film. Berlin 1998, S. 71 f. (abgekürzt: Kamp 1998, S. 71).

[59] Vgl. James Monaco: Film verstehen. Hamburg 2001, S. 111.

[60] „The young blond and the older couple burst over the dancing figures in a white cloud illuminated by blaze of brilliant white light [...]“. Martha P. Nochimson: ‘All I Need is the Girl’: The Life and Death of Creativity in Mulholland Drive. In: Erica Sheen & Annette Davison: the cinema of DAVID LYNCH. american dreams, nightmare visions. London 2004, S. 167 (abgekürzt: Nochimson 2004, S. 167).

[61] Diese besondere Blickperspektive soll dem Zuschauer den Eindruck von Authentizität vermitteln: Die Kamera zeigt das Geschehen aus der Sicht der Filmfigur und lässt das Publikum unmittelbar am Geschehen teilhaben. Vgl. Helmut Korte: Einführung in die Systematische Filmanalyse. Berlin 2001, S. 30.

[62] „[...] we hear laboured, anxious breathing“. Nochimson 2004, S.167.

[63] „[...] a brief scene that terminates in a dissolve into a pillow”. Ebd.

[64] David Lynch in: Mike Dunn: David Lynch: Mulholland Drive. The Pilot – Screenplay. 1.05.1999, S. 2. In: http://www.wordsfromhere.com/scripts/lynch/mulholland.pdf (02.02.2005).

[65] Charles Martig: Lynchville. Selbstbezüglichkeit und Irrealisierung im Werk von David Lynch. In: Charles Martig und Leo Karrer (Hrsg.): Traumwelten. Der filmische Blick nach innen. Marburg 2003, S. 162 (abgekürzt: Martig 2003, S. 162).

[66] Rupert Koppold: Filmkritik der Stuttgarter Zeitung. Eine teuflische Story aus der Stadt der Engel. In: Stuttgarter Zeitung vom 07.01.2002, S. 1. In: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/359147 (20.04.2005).

[67] Allen B. Ruch: „No hay banda.“ A Long, Strange Trip Down David Lynch´s Mulholland Drive. In: The Modern Word vom 23.04.2002, S. 4. In: http://www.themodernword.com/mulholland_drive.html (29.03.2005) (abgekürzt: Ruch 2002, S. 4).

[68] Martig 2003, S. 162.

[69] „Konventionelle Narrationen im Standard-Hollywoodfilm“ verwenden Ordnungsprinzipien, die sich an die der Alltagswahrnehmung anlehnen, um durch ihre zeitliche, räumliche und logische Linearität einen Realitätseffekt zu erzeugen. Burkhard Röwekamp: Vom Film noir zur méthode noire. Die Evolution filmischer Schwarzmalerei. Marburg 2003, S. 98 (abgekürzt: Röwekamp 2003, S. 98).

[70] Wuss geht davon aus, dass man eine Filmkomposition auch als fixiertes Reizangebot betrachten kann, das für den Zuschauer einen spezifische Rezeptionsvorgabe schafft. Vgl. Peter Wuss: Träume als filmische Topiks und Stereotypen. In: Bernard Dieterle (Hrsg.): Träumungen und Traumerzählungen in Film und Literatur. St. Augustin 2002, S. 95 (abgekürzt: Wuss 2002, S. 95).

[71] Vgl. ebd. S. 98.

[72] In der Filmtheorie unterscheidet man Filmträume nach ihren unterschiedlichen Graden an Wirklichkeitsbezug. Wulff entwickelt daraus sieben Modalitäten: 1. Flashback I –Erinnerung als aktuelle Bewusstseinstatsache, 2. Flashback II –Erinnerungserzählung als aktuelle Kommunikationstatsache, 3 . Traum als aktuelle Bewusstseinstatsache, 4. Traumerzählung als aktuelle Kommunikationstatsache, 5. Halluzination als aktuelle Bewusstseinstatsache, 6. Phantasie I – Vorstellen als aktuelle Bewusstseinstatsache, 7. Phantasie II – Sich Ausmalen als aktuelle Bewusstseinstatsache. Hans-J. Wulff: Intentionalität, Modalität, Subjektivität. In: Berhard Dieterle (Hrsg.): Träumungen und Traumerzählungen in Film und Literatur. St. Augustin 2002, S. 58.

[73] Vgl. auch Nochimson 2004, S. 174.

[74] „Die Montage der Erzählung geht von einem gleichwertigen Nebeneinander und Ineinander von Traum und Wirklichkeit aus.“ Martig 2003, S. 149.

[75] Seeßlen 2003, S. 208.

[76] Zahlreiche Interpreten und Kritiker bedienen sich gleichfalls dieses Modells, um eine Beschreibung der Erzählstruktur überhaupt zu ermöglichen. Vgl. hierzu u. a. Martig 2003, S. 161.

[77] David Lynch in: Michael Henry: David Lynch Interview with french film magazine Positive. 21.11.1996. In: http://www.geocities.com/~mikehartmann/losthighway/intlhpos.html (23.03.2005) (abgekürzt: Henry 1996).

[78] Robert Blanchet: Circulus Vitiosus. Spurensuche auf David Lynchs Lost Highway mit Slavoj Zizek. Cinetext vom 02.05.1997, S. 1. In: http://cinetext.philo.at/magazine/circvit.html 2.5.1997 (13.03.2005) (abgekürzt: Blanchet 1997, S. 1).

[79] Mauritius Cornelius Escher war ein holländischer Grafiker (1898-1972). Vgl. J. L. Locher (Hrsg.): Leben und Werk M. C. Escher. Amsterdam 1984, S. 3.

[80] Eco 1973, S. 42.

[81] „Film noir“ wird auch als „Schwarze Serie“ bezeichnet, da die schicksalhaften und aussichtstrüben Geschichten meist auf nächtlichen, verregneten Straßen oder in dunklen Räumen mit harten Hell-Dunkel-Ausleuchtungen spielen, die inhaltlich und ästhetisch auf die amerikanischen Gangsterfilme der 30er Jahre und die Klassiker des deutschen expressionistischen Stummfilms zurückgreifen. Vgl. Werner Faulstich und Helmut Korte (Hrsg.): Fischer Filmgeschichte Band 3: Auf der Suche nach den Werten. 1945-1960. Frankfurt am Main 1990, S. 14 ff. Die tragische Liebesgeschichte in Mulholland Drive erinnert tatsächlich in den Grundzügen an das Sujet der „amour fou“ in Friedrich Wilhem Murnaus Phantom (1922): Ein Mann einfachen Ranges geht an dem Phantom der unerreichbaren Liebe zugrunde, ehe er ein „stilles Glück“ findet.

[82] Vgl. Röwekamp 2003, S. 99 ff.

[83] Vgl. ebd. S. 113.

[84] Seeßlen 2003, S. 226.

[85] Die mehrschichtigen und mit mehreren Identitäten versehenen Figuren werden im Folgenden mit dem Namen aufgeführt, der ihre dem gerade erprobten Genretyp zugehörende Seite bezeichnet.

[86] Vgl. u. a. Georg Seeßlen: Detektive. Mord im Kino. Marburg 1998, S. 138 f.

[87] Vgl. Werner Faulstich: Grundkurs Filmanalyse. München 2002; Georg Seeßlen: Detektive. Mord im Kino. Marburg 1998 und Lothar Mikos: Dem Verbrechen auf der Spur. Die Ästhetik der Gewaltdarstellung im Krimi. Baden-Baden 2002.

Ende der Leseprobe aus 133 Seiten

Details

Titel
Zum Problem der Interpretierbarkeit von Filmen
Untertitel
Dargestellt an ausgewählten Filmen von David Lynch
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
133
Katalognummer
V70353
ISBN (eBook)
9783638615679
ISBN (Buch)
9783638680745
Dateigröße
1850 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Problem, Interpretierbarkeit, Filmen, David, Lynch
Arbeit zitieren
Marcel Riedel (Autor:in), 2005, Zum Problem der Interpretierbarkeit von Filmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70353

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