Die Rolle der OHL beim Sturz Bethmann-Hollwegs - Wie konnten Hindenburg und Ludendorff in die Rolle einer wichtigen politischen Instanz hineinwachsen?


Seminararbeit, 2005

21 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
1. Das Thema
2. Die Quellen
3. Der Forschungsstand

II. Hauptteil
1. Der Verlauf des Kanzlersturzes
2. Die Rolle der OHL als wichtige politische Instanz
3. Die Motive der OHL
4. Die Zielvorstellungen der OHL an einen Frieden

III. Ergebnisse

IV. Bibliographie
1. Quellen
2. Darstellungen

I. Einleitung

1. Das Thema

Das Thema dieser Hausarbeit ist die Rolle der dritten Obersten Heeresleitung beim Sturz des Reichskanzlers Theobald von Bethmann-Hollweg im Juli 1917. Den Rücktrittsgesuchen der Generäle Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff folgte am 13. Juli fast zwangsläufig die Entlassung des Reichskanzlers durch Kaiser Wilhelm II. und damit das Ende Bethmann-Hollwegs Politik der Diagonale.

Doch wie konnte die Oberste Heeresleitung in eine Machtposition gelangen, die es ihr erlaubte, in grundlegende innenpolitische Entscheidungen, die laut Verfassung dem Zuständigkeitsbereich des Kaisers und der Reichsregierung unterlagen, derart massiv und entscheidend einzugreifen?

Dieser Frage soll die Hausarbeit hauptsächlich auf den Grund gehen und zugleich den Aufstieg Hindenburgs und Ludendorffs zu einem politisch entscheidenden Faktor beschreiben und analysieren.

Außerdem soll geklärt werden, wo die Hauptreibungspunkte zwischen der OHL und dem Reichskanzler lagen und welche Motive Hindenburg und Ludendorff beim Sturz Bethmann-Hollwegs verfolgten. Ein entscheidender Punkt in dieser Analyse sind die unterschiedlichen Vorstellungen von einem möglichen Frieden. Hindenburg und Ludendorff versuchten mit allen Mitteln die Friedensresolution des Reichstags zu verhindern und standen trotz der bereits im Jahre 1917 mehr als kritischen Kriegslage felsenfest hinter ihrem Konzept des Siegfriedens. In der Rückschau bewies der Reichskanzler einen deutlich klareren Blick für die Kriegsrealität und schloss sich der Maßlosigkeit der militärischen Führung nicht an.

2. Die Quellen

Neben der Klärung der Frage wie die Oberste Heeresleitung in die politisch entscheidende Rolle hineinwachsen konnte, soll diese Arbeit auch beschreiben und analysieren, wie Hindenburg und Ludendorff ihre Machtposition ausfüllten und ausnutzten. Zur Veranschaulichung dieser Frage dienen zwei Quellen. Zum einen das Abschiedsgesuch des Ersten Generalquartiermeisters General Ludendorff vom 12. Juli 1917[1] und zum anderen die Stellungnahme des Chefs der Obersten Heeresleitung Generalfeldmarschall von Hindenburg gegen die beantragte Friedensresolution (ebenfalls vom 12. Juli 1917)[2].

Das Abschiedsgesuch Ludendorffs wird zeigen, wie die Oberste Heeresleitung den Kaiser unter Druck setzte. Dabei soll auch deutlich werden, dass Hindenburg und Ludendorff die enorme eigene Machtposition genau einschätzen konnten. Sie rechneten nicht damit, dass der Kaiser ihren Gesuchen nachkommen würde, sondern stattdessen den Kanzler entlassen musste. Die Stellungnahme Hindenburgs erklärt die Zielvorstellungen der Obersten Heeresleitung an einen Frieden und zugleich die Konfliktlinien zur Politik Bethmann-Hollwegs.

Neben diesen beiden Quellen bietet der Auszug aus den Erinnerungen des Generalmajors a.D. Mertz von Quirnheim[3] einen interessanten Einblick in das Innenleben der Obersten Heeresleitung und die Vorgänge während des Sturzes Bethmann-Hollwegs. Allerdings muss bei dieser Darstellung natürlich die Subjektivität der vorliegenden Quelle beachtet werden.

3. Der Forschungsstand

Die enorme Macht und die entscheidende Rolle der Obersten Heeresleitung beim Sturz Bethmann-Hollwegs sind in der Forschung unumstritten. Der Autor Hans-Ulrich Wehler sagt im vierten Band seiner Deutschen Gesellschaftsgeschichte:

„… trat die indirekte, gleichwohl massive faktische Machtausübung der 3. OHL unübersehbar zutage, zum Beispiel in der Durchsetzung des fatalen U-Boot-Krieges gegen Amerika, in den kompromisslosen Friedensdiktaten von Brest-Litowsk und Bukarest, in der hypertrophen militärischen Ausdehnung bis zum Kaukasus, in dem erzwungenen Rücktritt Bethmann-Hollwegs und der Entlassung moderater Spitzenbürokraten wie das AA-Staatssekretärs Richard v. Kühlmann und des Zivilkabinettschefs Rudolf v. Valentini. “ [4]

Allerdings befanden sich laut Wehler Hindenburg und Ludendorff nicht in der Stellung einer reinen Militärdiktatur. Wehler bezeichnet die dritte Oberste Heeresleitung als eine „diktaturähnliche Gewalt“.[5]

Ernst-Rudolf Huber sieht den Hauptgrund für die erhebliche Machtfülle der dritten Obersten Heeresleitung vor allem in der Popularität Hindenburgs und Ludendorffs nach ihrem Sieg gegen die russische Armee in der Schlacht von Tannenberg Ende 1914:

„…angesichts des Umstands, dass das ganze Vertrauen der Nation in der gegebenen Krise auf den beiden Heerführern ruhte, blieb dem Kaiser keine Wahl. Er musste sich dem Druck der Generäle beugen.“ [6]

Außerdem betont Huber, dass Hindenburg und Ludendorff sich ihrer enormen Macht durchaus bewusst waren und das Vertrauen des Volks auszunutzen verstanden.

„Dann allerdings sah er [der Kaiser] sich in den Jahren 1917/18 wiederholt gezwungen, sich dem Druck der der Militärgewalt zu beugen, weil das Duumvirat Hindenburg – Ludendorff die gleichsam plebiszitäre Vertrauensbasis, die es in der öffentlichen Meinung von rechts bis nach weit links gewonnen hatte, bedenkenlos ausnutzte, um dem die reale Autorität und Macht einbüßenden Kaiser seinen Willen aufzuzwingen […] Es gehört zu den Paradoxien der Verfassungswirklichkeit der Weltkriegszeit, daß es weithin gerade die öffentliche Meinung war, die durch ihr rückhaltloses Vertrauen auf die Oberste Heeresleitung den Primat der Militärgewalt begründete.“ [7]

Allerdings war die dritte Oberste Heeresleitung nicht alleinverantwortlich für den Sturz Bethmann-Hollwegs:

„Im Zusammenwirken der alldeutschen und konservativen Kräfte, der obersten Heeresleitung, der bürgerlichen Mitte und Linken sowie der Mehrheitssozialisten kam es zum Sturz des Reichskanzlers…“ [8]

Wolfgang J. Mommsen macht als Grund für die Stärke der Obersten Heeresleitung die Schwäche Kaiser Wilhelms II. aus.

„Wie unwillig und unfähig der Kaiser war, Hindenburgs und Ludendorffs Machtfülle auch nur begrenzt anzutasten, zeigte sich in krasser Weise auf der Kriegszielkonferenz in Bad Kreuznach […] Irritiert nahmen die engsten Berater des Kaisers zur Kenntnis, wie dieser sich den Vorschlägen der Obersten Heeresleitung umstandslos beugte.“ [9]

„…, weil der Kaiser des Deutschen Reiches unfähig war, die Probleme auch nur annähernd richtig einzuschätzen. Seit dem Frühjahr 1917 folget er der Obersten Heeresleitung fast blindlings.“ [10]

II. Hauptteil

1. Der Verlauf des Kanzlersturzes

Die Julikrise 1917 wurde durch die Rede Matthias Erzbergers im Hauptausschuss des Reichstags am 6. Juli ausgelöst, in der der Zentrumsabgeordnete eine Änderung des politischen Kurses und konkret einen Verständigungsfrieden forderte. Die Mehrheitsparteien des Reichstags wollten eine Friedensresolution erarbeiten. Bei der politischen Rechten und der Obersten Heeresleitung rief diese Idee große Ablehnung hervor. Bethmann-Hollweg konnte die hoch schlagenden politischen Wellen nur mit Mühe glätten. Vor allem die Zusicherung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts, die der Reichskanzler dem Kaiser mühsam abringen konnte, besänftigte die Befürworter des Verständigungsfriedens zumindest kurzzeitig.[11]

Dennoch brachte die Friedensfrage Bethmann-Hollweg zu Fall. Der Staatsekretär im Innern Karl Theodor Helfferich nahm am Morgen des 12. Juli bei der Parteiführerbesprechung die Erklärung der Nationalliberalen Gustav Stresemann, Schiffer und List-Eßlingen entgegen, die die Entlassung des Reichskanzlers forderten. Dadurch wurde eine parlamentarische Mehrheit des Reichskanzlers im Reichstag praktisch unmöglich. Noch schwerer wog in diesem Zusammenhang die Erklärung Stresemanns, dass General Ludendorff für den Fall eines Verbleibens Bethmann-Hollwegs im Amt seinen Abschied nehmen würde. Seitens der Obersten Heeresleitung wurde diese Meldung zwar nicht bestätigt, aber - und das war in dieser Situation entscheidend - auch nicht dementiert.[12]

Den letzten Schlag gegen Bethmann-Hollweg setzte aber Kronprinz Wilhelm an. Tags zuvor hatte der sich bei der preußischen Wahlrechtsfrage noch auf die Seite des Kanzlers geschlagen, am 12. Juli wurde der Kronprinz aber zu einem entscheidenden Faktor beim Sturz Bethmann-Hollwegs. Wilhelm, von seinem politischen Berater Hans Jaspar von Maltzahn und dem Vertrauensmann der Obersten Heeresleitung, Oberst Bauer, beeinflusst, empfing noch am Vormittag Vertreter der verschiedenen Fraktionen. Er achtete bei der Einladung darauf, lediglich Abgeordnete zu sich zu bitten, die offenkundig den Kanzler seines Amts entheben wollten. Dazu gehörten Graf Westarp, der Freikonservative Mertin, Erzberger, Stresemann, von Payer und David. Die Gespräche drehten sich in der Hauptsache um den Verbleib Bethmann-Hollwegs im Amt. Alle Abgeordneten erklärten in unterschiedlicher Form und Schärfe, dass der Kanzlerwechsel zum Wohle der Nation notwendig sei. Der Kronprinz suchte noch am Nachmittag des 12. Juli das Gespräch mit dem Kaiser und wirkte im Sinne der gewonnenen Meinungen auf seinen Vater ein.[13]

[...]


[1] Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Band 3, Deutsche Verfassungsdokumente 1900-1918, 3. Auflage, hrsg. Von Ernst Rudolf Huber, Stuttgart 1990

[2] Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Band 3, Deutsche Verfassungsdokumente 1900-1918

[3] Erich Matthias u. Hans Meier-Wecker (Hg.), Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band I/II, Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914-1918 (bearbeitet von Wilhelm Deist), Düsseldorf 1970

[4] Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vierter Band, Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914-1949, München 2003, Seite 113

[5] Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vierter Band, Seite 113

[6] Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band V: Weltkrieg, Revolution und Reichserneuerung 1914-1919, Stuttgart 1978, Seite 309

[7] Ernst Rudolf-Huber, , Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band V, Seite 196

[8] Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band V, Seite 308

[9] Wolfgang J. Mommsen, War der Kaiser an allem schuld? – Wilhelm II und die preußisch-deutschen Machteliten, München 2002, Seite 244

[10] Wolfgang J. Mommsen, War der Kaiser an allem schuld?, Seite 244

[11] Wolfgang J. Mommsen, War der Kaiser an allem schuld?, Seite 245

[12] Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band V, Seite 308

[13] Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band V, Seite 309

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der OHL beim Sturz Bethmann-Hollwegs - Wie konnten Hindenburg und Ludendorff in die Rolle einer wichtigen politischen Instanz hineinwachsen?
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Bethmann-Hollweg - Reichskanzler 1909-1917
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V70211
ISBN (eBook)
9783638615174
ISBN (Buch)
9783638768993
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Thema dieser Hausarbeit ist die Rolle der dritten Obersten Heeresleitung beim Sturz des Reichskanzlers Theobald von Bethmann-Hollweg im Juli 1917. Wie konnte die Oberste Heeresleitung in eine Machtposition gelangen, die es ihr erlaubte, in grundlegende innenpolitische Entscheidungen, die laut Verfassung dem Zuständigkeitsbereich des Kaisers und der Reichsregierung unterlagen, derart massiv und entscheidend einzugreifen?
Schlagworte
Rolle, Sturz, Bethmann-Hollwegs, Hindenburg, Ludendorff, Rolle, Instanz, Bethmann-Hollweg, Reichskanzler
Arbeit zitieren
Jan Große-Geldermann (Autor:in), 2005, Die Rolle der OHL beim Sturz Bethmann-Hollwegs - Wie konnten Hindenburg und Ludendorff in die Rolle einer wichtigen politischen Instanz hineinwachsen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70211

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