Eine vergleichende Analyse des Ernährungsverhaltens bewegungsaktiver Frauen im Fitnessstudio und bewegungsinaktiver Frauen


Magisterarbeit, 2005

105 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

0. Abbildungsverzeichnis

1. Geleit

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Ernährungspsychologische Grundlagen
2.1.1 Das Ess- und Trinkverhalten
2.1.2 Die Auswirkungen der Ernährung auf Körper und Seele
2.1.3 Die Entwicklung des Ernährungsverhaltens
2.1.3.1 Genetische, psychosoziale und kulturelle Faktoren
2.1.3.2 Ernährungspsychologische Betrachtungen in verschiedenen Lebensphasen
2.1.3.2.1 Das Säuglingsalter
2.1.3.2.2 Das Kindes- und Jugendalter
2.1.3.2.3 Das Erwachsenenalter und Alter
2.1.3.3 Die menschliche Esskultur
2.2 Ernährungsphysiologische Grundlagen
2.2.1 Die Ernährungssituation in Deutschland heute
2.2.2 Nährstoffe und ihre Funktionen
2.2.2.1 Kohlenhydrate
2.2.2.2 Fette
2.2.2.3 Proteine
2.2.2.4 Vitamine
2.2.2.5 Mineralstoffe
2.2.2.6 Wasser
2.2.3 Gesundes Essverhalten
2.2.4 Vegetarische Ernährung
2.2.5 Gesunde Gewichtsreduktion
2.3 Bewegungsphysiologische Grundlagen
2.3.1 Bewegung im Frauenfitnessstudio mit unterschiedlichen Zielsetzungen
2.3.1.1 Fettverbrennung
2.3.1.2 Herz-Kreislauf-Training
2.3.1.3 Präventives Gesundheitstraining
2.3.1.4 Körperstraffung
2.3.1.5 Muskelaufbau
2.3.2 Wirkungen von regelmäßiger Bewegung

3. Empirische Studie
3.1 Zielstellung und Arbeitshypothese
3.2 Untersuchungsmethodik
3.2.1 Fragebogen
3.2.2 Probanden
3.2.3 Methodenkritik
3.3 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
3.3.1 Auswertungsstrategie
3.3.2 Allgemeiner Teil
3.3.3 Aktivitätsspezifischer Teil
3.3.4 Ernährungsspezifischer Teil
3.4 Schlussfolgerungen bezüglich der Arbeitshypothese

4. Resümee

5. Literatur

6. Anhang
6.1 Fragebogen
6.2 Tabellen

0. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Altersstruktur der Probandinnen

Abbildung 2: Vergleich des aktuellen BMI mit dem gewünschten BMI

Abbildung 3: Bereitschaft, die Gesundheit durch eine gesündere Ernährung zu verbessern

Abbildung 4: Gründe bewegungsaktiver Probandinnen für regelmäßige Bewegung

Abbildung 5: Gründe bewegungsinaktiver Probandinnen gegen regelmäßige Bewegung

Abbildung 6: Trainingsschwerpunkte der bewegungsaktiven Probandinnen

Abbildung 7: Auf die Ernährung achten

Abbildung 8: Probleme mit der Ernährung

Abbildung 9: Gewünschte Änderung der Ernährungsgewohnheiten in Abhängigkeit vom BMI

Abbildung 10: Gründe für die Durchführung von Diäten

Abbildung 11: Anzahl der täglich zugeführten Mahlzeiten

Abbildung 12: Größe der täglich zugeführten Mahlzeiten

Abbildung 13: Umstände, unter denen die Probandinnen größere Mengen essen

Abbildung 14: Bevorzugtes Fett bei der Zubereitung von Speisen

Abbildung 15: Bevorzugte Zubereitung der Speisen

Abbildung 16: Bevorzugte Getränke

Abbildung 17: Alkoholkonsum pro Woche

Abbildung 18: Konsumierte Alkoholmenge

1. Geleit

Gesunde Ernährung + regelmäßige Bewegung = Salat + Dressing!?

Diese Formel sagt aus, dass eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung zusammengehören wie das Dressing zum Salat. Das ist in meinen Augen zutreffend. Deshalb lautet die Hypothese dieser Arbeit auch, dass sich bewegungsaktive Frauen im Fitnessstudio gesünder ernähren als bewegungsinaktive Frauen.

Was machen die Themen gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung heute so wichtig, warum lohnt es sich, darüber eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben?

Betrachtet man demografische Daten, zeigt sich, dass die Lebenserwartung der Deutschen, im Zuge der Industrialisierung, in den letzten 100 Jahren deutlich zugenommen hat und Experten prognostizieren eine weitere Zunahme. Mit der Industrialisierung ersetzten schwere körperliche Arbeiten die neu entwickelten Maschinen. Die Menschen mussten weniger hart arbeiten und hatten mehr Freizeit. Der Körper war nun noch nicht nach 20 Jahren schwerer Arbeit vielfach geschädigt. Zudem hatte die Wissenschaft seither riesige Fortschritte gemacht, zu nennen ist bezüglich der wachsenden Lebenserwartung natürlich in erster Linie der Bereich der Medizin. Es wurden neue Diagnose- und Behandlungsmethoden entdeckt und den Menschen wurden wieder ein paar Jahre Leben mehr geschenkt. Und die Experten forschen weiter. Es werden also zukünftig mehr alte als junge Menschen in Deutschland leben, da zusätzlich die Geburtenrate in den letzten Jahrzehnten drastisch zurückgegangen ist. Die Menschen werden heute immer älter, was nicht heißt, dass sie auch gesünder sind. Die Medizin hat zwar deutliche Fortschritte gemacht, doch den Lauf des Lebens kann auch sie nicht aufhalten. Der Körper jedes Menschen verschleißt irgendwann. Degenerative Erkrankungen ebenso wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen im Alter zu. Diese Prozesse können verzögert werden, indem man sich zum Beispiel regelmäßig bewegt und gesund ernährt. Leider sehen die gegenwärtigen Lebensgewohnheiten der meisten Menschen etwas anders aus. Fast- und Junkfood, vermehrt bewegungsarme Arbeitsplätze sowie fehlende körperliche Ausgleichsmaßnahmen fördern die degenerativen Prozesse. Erwiesenermaßen werden die Menschen unsere Gesellschaft immer dicker und träger. Seit einigen Jahren ist das Thema Gesundheit in aller Munde, doch die Wirklichkeit zeigt, dass die Menschen erst zum Arzt gehen und sich um ihren Körper bemühen, wenn bereits Schädigungen eingetreten sind. Vorbeugende Maßnahmen trifft kaum jemand. Dabei ist insbesondere im Alter die Gesundheit das wichtigste Gut, um den Lebensabend genießen zu können. Regelmäßige Bewegung und gesunde Ernährung tragen wesentlich zur Gesunderhaltung des Körpers und des Geistes bei und gehören zusammen wie die Butter zum Brot. Wer sich ausgewogen und vollwertig ernährt, wirkt vielen Risikofaktoren für Zivilisationserkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Rückenprobleme u.a.) entgegen, indem er zum Beispiel den Cholesterinspiegel senkt, das Normalgewicht wiederherstellt und hält und vieles andere mehr. Regelmäßige Bewegung wirkt positiv auf den Körper, weil das Herz-Kreislauf-System gestärkt wird und die Muskulatur größere Belastungen ohne Schädigung verkraftet.

Die Vermutung liegt nahe, dass sich gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung gegenseitig bedingen und sich demzufolge Sport treibende Menschen gesünder ernähren als inaktive.

Dass sich die hier untersuchte Hypothese speziell auf Frauen bezieht hat zwei Gründe. Zum einen arbeite ich seit vier Jahren als Trainerin in einem Frauenfitnessstudio. Es bot sich also an, diese Frauen als Probandinnen in die Studie zu integrieren. Zum anderen ist aus der Theorie bekannt, dass besonders oft Frauen Probleme mit ihrem Ernährungsverhalten haben und meine praktischen Erfahrungen bestätigen dies. Viele Frauen, die ich während meiner Arbeit im Fitnessstudio betreue, hatten beziehungsweise haben Schwierigkeiten mit ihrem Gewicht. Sie fühlen sich häufig zu füllig. Angesichts dieser Tatsache ist die Fragestellung nach dem Ernährungsverhalten bei Frauen sehr reizvoll. Sind Frauen wirklich oft übergewichtig oder haben sie eine verfälschte Körperwahrnehmung? Betrifft dies insbesondere bewegungsaktive oder auch bewegungsinaktive Frauen und inwiefern hängt das mit der Ernährung der Probandinnen zusammen? Hier sind durchaus interessante Ergebnisse zu erwarten.

Die Arbeit gliedert sich in zwei große Themenkomplexe, zum einen werden theoretische Grundlagen beleuchtet und zum anderen wird die empirische Studie vorgestellt und ausgewertet. Im Theorieteil werden ernährungspsychologische, ernährungsphysiologische und bewegungsphysiologische Grundlagen erläutert. Im zweiten Teil der Arbeit werden die These, die Untersuchungsmethodik und die Ergebnisse der Studie dargelegt.

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Ernährungspsychologische Grundlagen

2.1.1 Das Ess- und Trinkverhalten

Die Ernährungspsychologie beschäftigt sich mit dem Essen und Trinken der Menschen. Dieses Gebiet der Psychologie ist ein relativ neues. Untersucht werden sollen die psychologischen Bedingungen des menschlichen Ess- und Trinkverhaltens. Die körperliche Existenz wird über die Ernährung gesichert. Sie schlägt sich im Ernährungs- und Gesundheitszustand, der Zufuhr von Energie- und Nährstoffen und dem Gebrauch von Lebensmitteln nieder. Da die Ernährung eine sich immer wiederholende Handlung darstellt, führt sie zur Ausbildung von Gewohnheiten. Dies betrifft die Auswahl, die Beschaffung, die Zubereitung und die Aufnahme von Nahrungsmitteln. Befindet sich der Disscounter um die Ecke, liegt es nahe, dort häufig einzukaufen. Das, was das Angebot hergibt, wird genommen und meist so zubereitet, wie man es auch von zu Hause kennt. Je nach Zeit, Gewohnheit und Erziehung wird das Essen dann eingenommen.

Die psychischen und physischen Vorgänge im Organismus bilden eine psychobiologische Einheit. Sie ist die Grundlage für die Wechselwirkung zwischen Umweltreizen und Verhalten. Ernährungsverhalten ist motiviertes Verhalten. Deshalb fragt die Ernährungspsychologie nach den Beweggründen von Menschen zum Nahrungsverzehr. Hunger und Durst sind wichtige Beweggründe, um Nahrung aufzunehmen. Dietrichsen (1990, S. 2) führt aus: „Motivationen, Ziele und Umweltbedingungen bestimmen die Ernährungshandlungen eines Menschen“. Es stehen im Organismus ablaufende Prozesse, wie Wahrnehmung, Erwartung und Motivation zwischen der Ernährungssituation und der Ernährungshandlung, die das Ernährungshandeln entscheidend mitbestimmen. Das Ess- und Trinkverhalten ist wechselseitig abhängig von der Person und der Umwelt. Ob eine Person das Stück Kuchen vor sich isst, hängt sowohl vom eigenen Appetit als auch vom Aussehen und Geruch des Kuchens ab. Man spricht von Innensteuerung, wenn vorrangig Bedingungen in der Person das Verzehrverhalten bestimmen und von Außensteuerung, wenn das Verhalten eher von äußeren Bedingungen kontrolliert wird. Bei einigen Bedürfnissen ist die Außensteuerung größer, bei anderen die Innensteuerung. Hunger, Durst und Schlaf sind zum Beispiel primäre Bedürfnisse und hauptsächlich innengesteuert. Außengesteuert dagegen sind Umwelteinflüsse, die die Nahrungsaufnahme stark steigern oder senken können, wie zum Beispiel das eigene Lieblingsgericht. Es gibt unzählige Sekundärmotive, von denen das menschliche Essverhalten neben Primärmotiven, wie Hunger, Durst und Geschmack, gesteuert wird. Dies soll an einer modernen Essgeschichte verdeutlicht werden:

„Marcus M., 35 Jahre, isst zum Frühstück einen Teller Müsli mit Orangensaft und trinkt ein großes Glas Milch („Ich will was für meine Gesundheit tun“; Motiv: gesund). Seine Sekretärin überrascht ihn mit einem Zuckerkuchen, den er dankbar aufisst („Da kann ich mich nicht entziehen“; Motiv: sozial). Das Mittagessen in der Werkskantine lässt er ausfallen („Ich muss etwas für meine Figur tun“; Motiv: ästhetisch). Gegen 15 Uhr zieht er mit Geschäftspartnern um`s Eck. Man genehmigt sich Champagner und einen Shrimpscocktail („Geht ja auf die Firmenrechnung“; Motiv: ökonomisch). Am Abend verspeist er genüsslich mit seinen Kindern zusammen eine Riesenportion Spaghetti Napoli („Ich habe so selten was von den Kindern“; Motiv: familiär-sozial). Am nächsten Morgen genießt er in der Sonne auf der Terrasse ein tolles Frühstück mit Ei, frischen Konfitüre-Brötchen und heißem Kaffee („Das ist ein echter Genuss“; Motiv: hedonistisch). Vielleicht geht Marcus M. an diesem Tag noch Tennisspielen. Dann wird er schnell noch einen Eiweißdrink zu sich nehmen („Schließlich will ich fit sein“; Motiv: leistungsfähig). Und so geht es weiter.“ (Pudel, Westenhöfer 1998, S. 57).

In der Motivationspsychologie gibt es verschiedene Erklärungsmodelle zum Ernährungsverhalten, sie vertreten entweder biologische oder unterschiedliche psychologische Standpunkte. Es gibt jedoch keine allgemeingültigen Antworten zu Motiven im Ess- und Trinkverhalten. Dietrichsen (1990, S. 3) definiert: „Motive sind personale Bereitschaften zu einem bestimmten Verhalten mit beachtlichen individuellen Unterschieden“. Das Motiv und der Anregungsgehalt einer Situation bestimmen das Motivationsgeschehen. Demzufolge bestimmen Hunger und der Anregungsgehalt von einem Stück Kuchen die Nahrungsaufnahme. Dietrichsen (1990, S. 4) schreibt weiter: „Motivationen wie Hunger und Durst, Emotionen, wie etwa Nahrungsvorlieben und –abneigungen, und kognitive Vorgänge, wie Wahrnehmung und Erwartung, bestimmen ganz entscheidend die Art und Weise der Informationsaufnahme und –verarbeitung beim Menschen“.

Individuelles Ess- und Trinkverhalten ist lediglich eine relativ konstante Größe, da sich der Stellenwert der Ernährung für einzelne Personen mit der Zeit ändern kann. Es zeichnen sich Schwankungen und Unterschiede im Ernährungsverhalten zwischen und innerhalb von Personen ab und diese Komplexität erschwert wissenschaftliche Untersuchungen zum Verzehrverhalten.

2.1.2 Die Auswirkungen der Ernährung auf Körper und Seele

Um zu leben, müssen die Menschen essen und trinken, also hat die Ernährung biologisch gesehen die Funktion der Lebenserhaltung. Denn nur so können die Menschen wachsen und Leistung erbringen. Naturwissenschaftler sind der Meinung, dass der Körper die Basis für jedes Verhalten darstellt. Deshalb beeinflusst die Ernährung, die den Körper beeinflusst, auch das Verhalten. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass eine normale Ernährung auch zu normalem Verhalten führt, und umgekehrt eine abweichende Ernährung zu abnormem Verhalten. Doch wie lässt sich normales und annormales Verhalten charakterisieren? Dietrichsen (1990, S. 11) definiert hierzu: „Mit abnormem Verhalten sind in der Psychologie auffällige und relativ überdauernde Störungen im Verhalten und Erleben gemeint“. Wird vom Normalitätsbegriff gesprochen, ist sowohl die statistische und funktionale, als auch soziale Norm gemeint. Es reicht also nicht, das Verhalten der Mehrheit zu betrachten (statistische Norm), man muss auch die kulturspezifischen Wertvorstellungen zur Ernährung berücksichtigen (soziale Norm). Wie eine Person ihr Leben in allen Bereichen meistert, wird dann als funktionale Norm bezeichnet. Heute legen die Ernährungswissenschaft, die Ernährungspsychologie und die Sozialmedizin fest, was normale Ernährung ist und was nicht. Wer dieser Norm nicht gerecht wird, wird mit Stigmatisierungen wie „krank“ oder „sozial abweichend“ belegt. Dies kann soziale und individuelle Probleme oder Essstörungen bei den Betroffenen hervorrufen.

Das Wissen um die Beziehung zwischen kognitiven Prozessen und Ernährung lässt die Ernährungswissenschaft Anspruch auf vorbeugende Ernährungsmaßnahmen erheben, um ernährungsabhängige Erkrankungen, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zu verhindern. Das Ernährungsverhalten ist ein vielschichtiger Prozess. Es spielen sowohl medizinische als auch psychosoziale Faktoren eine Rolle. Um den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu verbessern, muss gesundes Ernährungsverhalten gefördert werden. Die am weitesten verbreitete Störung im Ernährungsverhalten der westlichen Welt ist gegenwärtig die Fettsucht (Adipositas), die viele gesundheitliche Probleme, wie zum Beispiel Diabetes, Gelenkverschleiß, Bluthochdruck und viele andere, nach sich zieht. Aber auch weitere Störungen im Verzehrverhalten, wie zu Beispiel Alkoholsucht, Anorexia nervosa (Magersucht) und Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht), nehmen stetig zu.

Dietrichsen (1990, S. 13) erklärt zusammenfassend: „Sowohl die Überernährung im Nahrungsüberfluss in den westlichen Industriestaaten, als auch die Unter- und Mangelernährung, z.B. in Ländern der Dritten Welt, haben Auswirkungen auf körperliche und seelische Funktionen. Befindlichkeit und Leistung des Menschen hängen ganz entscheidend von einer regelmäßigen und ausgewogenen Ernährung ab“.

2.1.3 Die Entwicklung des Ernährungsverhaltens

2.1.3.1 Genetische, psychosoziale und kulturelle Faktoren

Mit der Beschreibung und Analyse von Entwicklungsprozessen und der Suche nach Zusammenhängen mit dem Ernährungsverhalten beschäftigt sich die Entwicklungspsychologie. In jedem Entwicklungsstadium vom Säuglings- bis ins hohe Erwachsenenalter verändert sich auch das Ess- und Trinkverhalten. Mehrere Faktoren beeinflussen das Verzehrverhalten. Dabei spielen genetische Faktoren eine wesentlich kleinere Rolle bei der Entwicklung des Ess- und Trinkverhaltens als Umwelteinflüsse. Lediglich in den ersten Lebensmonaten eines Menschen sind angeborene Mechanismen bei der Nahrungsaufnahme von Bedeutung. Bei Jugendlichen und Erwachsenen sind Erbfaktoren weitestgehend außen vor zu lassen. Wissenschaftler entdeckten, dass Säuglinge eine angeborene Vorliebe für Süßes und eine Abneigung gegen Bitteres haben (vgl. Lawless 1985, zitiert nach Dietrichsen 1990, S. 15). Die Umwelt bestimmt eher Nahrungsablehnung und das Erbgut ist vorrangig für Nahrungsbevorzugung verantwortlich. Daraus lässt sich ableiten, dass sich Nahrungsabneigungen in der Regel leichter beeinflussen lassen als Nahrungsvorlieben, die meist genetisch bedingt sind. Auch Lernerfahrungen können eine Rolle bei der Entstehung von Nahrungsaversionen beziehungsweise –vorlieben spielen. Menschen probieren mal etwas Anderes, treffen auf andere Menschen mit neuen Rezepten oder lernen sogar andere Kulturen und ihre Nahrung kennen. Eine der großen Fragen in der Vergangenheit war, welchen Einfluss die Gene und die Umwelt bei der Entwicklung von Verhaltensunterschieden haben. Gegenwärtig hat sich die Fragestellung verändert. Es geht den Wissenschaftlern darum, die wechselseitige Beziehung zwischen Anlage und Umwelt aufzudecken. Wie Umwelt- und genetische Faktoren den Entwicklungsprozess beeinflussen, wird heute erforscht. Man ist sich einig, dass eine günstige soziale Umgebung förderlich ist, um genetische Faktoren bestmöglich entfalten zu können. Dietrichsen (1990, S. 17) meint:

„Für die Entwicklung des Eß- und Trinkverhaltens hat die interaktionistische Auffassung Konsequenzen. Es ist in seinem Entwicklungsverlauf durch Erziehung positiv zu beeinflussen. Mit Hilfe einer geeigneten Auswahl und Gestaltung von Umwelteinflüssen lässt sich gewünschtes Ernährungsverhalten formen und unerwünschtes ändern bzw. aufheben. Das gilt besonders für die therapeutische Beeinflussung von süchtigem Eß- und Trinkverhalten“.

Eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung wird durch gute Sozialisation gewährleistet. Das Individuum ist dann auch in der Lage, die eigenen Bedürfnisse in Abstimmung mit gesellschaftlichen Erwartungen und Interessen angemessen zu befriedigen. Sozialisation meint hier den lebenslangen Prozess des Hineinwachsens eines Individuums in die Gesellschaft. Eine Gesellschaft besteht aus einer Vielzahl von Gruppen. Außerdem existieren in jeder Gesellschaft besondere Wertvorstellungen, Verhaltensnormen, soziale Rollen sowie Traditionen, also eine Kultur. Das Bezugssystem für persönliches Ernährungsverhalten gestalten die Gruppen und die kulturellen Merkmale einer Gesellschaft. Das Verhalten, Denken und Fühlen einer einzelnen Person wird aber in der Regel eher von kleinen Gruppen, in der unmittelbaren Umgebung, beeinflusst. Wie zum Beispiel der Familie als primäre Lernumgebung der Kinder und als Vermittler epochaler, kultureller und sozialer Werte und Normen.

Es gibt negative Einflüsse, die schon vor und während der Geburt, aber auch in der weiteren Entwicklung zu Entwicklungsstörungen führen können. Dietrichsen (1990, S. 19) definiert dazu: „Entwicklungsstörungen sind geistig-seelische und körperliche Fehlentwicklungen, die in Beziehung zu einem bestimmten Entwicklungsalter stehen“. Zu diesen Entwicklungsstörungen zählen zum Beispiel im Jugend- bzw. frühen Erwachsenenalter auch Essstörungen. Als Ursachen für diese Störungen werden zu wenig emotionaler Halt, fehlende Reize oder auch zu hohe Erwartungen der Eltern an ihre Kinder angenommen.

Es spielen also genetische, psychosoziale und kulturelle Faktoren eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung des Ess- und Trinkverhaltens.

2.1.3.2 Ernährungspsychologische Betrachtungen in verschiedenen Lebensphasen
2.1.3.2.1 Das Säuglingsalter

Die Säuglingsernährung spielt eine große Rolle in der Eltern-Kind-Beziehung. Von Bedeutung für die Entwicklung des Säuglings sind vor allem Fragen nach der Fütterungsart, wie Flasche oder Stillen, und Fragen nach der Umstellung von flüssiger auf feste Nahrung. Sie sind die Basis für die beidseitige Verständigung zwischen Baby und Eltern und geben dem Säugling Sicherheit. Das Verhalten eines Neugeborenen verläuft anfangs fast ohne bewusste Steuerung ab, also reflektorisch und instinktiv, wie zum Beispiel der lebenswichtige Saug- und Schluckreflex. Zu Beginn eines neuen Lebens ist der komplizierte Ablauf der Nahrungsaufnahme noch sehr unvollständig und unausgereift. Erst durch Lern- und Reifungsvorgänge sowie Übung wird die Nahrungsaufnahme sicherer und gezielter. Es wird vor allem das Verhalten verstärkt, welches für die Nahrungsaufnahmen erfolgreich ist. Tiefenpsychologen vertreten die Meinung, dass besonders die Mutter-Kind-Beziehung die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen nachhaltig beeinflusst. Das Kind wird von der Mutter durch regelmäßige Nahrungszufuhr nicht nur primär befriedigt, also durch das Stillen des Hungers, sondern auch sekundär durch die Interaktion, den Kontakt und die emotionale Zuwendung. Dauerhafte Entwicklungsstörungen, wie zum Beispiel Entwicklungsverzögerungen oder Störungen in der emotionalen Beziehungsfähigkeit eines Menschen, können durch Vernachlässigung oder Trennung von Mutter und Kind entstehen. Aus tiefenpsychologischer Sicht sind die Ursachen für Essstörungen in der frühen Mutter-Kind-Beziehung zu suchen.

Babys werden heute nicht mehr nach einem strengen Plan gefüttert, sondern nach Bedarf des Säuglings. Das heißt, die Grundbedürfnisse, wie Nahrung und Kontakt, des Neugeborenen können zu jeder Zeit befriedigt werden. Erst später wird die Nahrungsaufnahme den typischen Essenszeiten in einer Kultur angeglichen. Es erfolgt die soziale Normierung des biologischen Wechsels zwischen Hunger und Sättigung.

Die Frage, ob das Stillen besser ist als die Flasche zu geben, wird von Tiefenpsychologen und Ernährungsmedizinern gleichermaßen mit ja beantwortet. Denn einerseits vermittelt es dem Baby Sicherheit durch Hautkontakt und Zuneigung der Mutter und andererseits hat Muttermilch eine optimale Zusammensetzung aller notwendigen Nährstoffe und erhöht die Widerstandsfähigkeit des Säuglings gegen Krankheiten und Allergien.

Bei der Entwöhnung, also dem Übergang von flüssiger zu fester Nahrung, passt sich das Neugeborene erst langsam durch Lernen an neue Gegebenheiten an. Dabei kann es durchaus zu individuellen Unterschieden in der Lernbereitschaft des Babys kommen.

Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass die Säuglingsernährung durchaus ein nicht zu vernachlässigendes Gebiet in der Ernährungspsychologie ist.

2.1.3.2.2 Das Kindes- und Jugendalter

Die Interaktion mit Personen der Umgebung nimmt Einfluss auf das Verzehrverhalten von Kindern und Jugendlichen. Hier sind besonders die Familie, die Schule und die Peer-Group (Gruppe der Gleichaltrigen) zu nennen. Im sozialen Umgang lernen die jungen Menschen von diesen Bezugspersonen, die Vorbilder für die Kinder und Jugendlichen darstellen. Die Kinder lernen zum größten Teil durch Nachahmung, wobei man herausfand, dass Söhne eher ihren Vätern und Töchter eher ihren Müttern in ihren Nahrungsgewohnheiten ähneln (vgl. Klesges et. al. 1986, zitiert nach Dietrichsen 1990, S. 21). Auch die Erziehung in der Familie spielt eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung des Ess- und Trinkverhaltens von Kindern und Jugendlichen. Das Erziehungsverhalten der Eltern lässt sich in zwei Dimensionen beschreiben: Kontrolle versus Liberalität und Ablehnung versus Zuwendung. Zudem lassen sich noch folgende Erziehungsstile differenzieren: autoritärer Stil, sozialintegrativer Stil und Laisser-faire-Stil. Die Entwicklung des Ess- und Trinkverhaltens wird zum Beispiel durch verwöhnende, angsterfüllte, extrem autoritäre oder sehr liberale sowie vernachlässigende Erziehungsformen negativ beeinflusst. Es gibt zum Beispiel Eltern, die selbst nach strenger Tradition erzogen wurden und dies nun bei ihren Kindern fortsetzen. Die Kinder müssen in diesen Familien stets den Teller leeren und dürfen auf gar keinen Fall Reste entsorgen. Das führt jedoch dazu, dass die Kinder über ihren Bedarf hinaus essen, und sie lernen, dass das auch so seine Richtigkeit hat. Besser wäre es, Kindern schon früh zu zeigen, dass sie nur so viel essen, bis sie satt sind und sich nur entsprechende Mengen auffüllen. Außerdem müssen Kinder lernen zu teilen, obwohl sie vielleicht noch Appetit auf ihre Lieblingsspeise haben. Denn gemeinsames Essen hilft die Persönlichkeit zu bilden, fördert prosoziales Verhalten und hat Kultur vermittelnde Wirkung.

Im Jugendalter wechseln häufig die Bezugsgruppen. Die Gleichaltrigen-Gruppe spielt eine bedeutende Rolle für die gesamte Entwicklung von jungen Menschen, auch für die Entwicklung des Verzehrverhaltens. In der Peer-Group lassen sich Freiräume für soziales Verhalten, neue Handlungsmöglichkeiten und emotionale Sicherheit finden.

Im Kindes- und Jugendalter unterliegt das Körperbild vielen Veränderungen. Jeder Mensch geht mit diesen Veränderungen und den gesellschaftlichen Idealvorstellungen anders um. Man fand heraus, dass besonders Mädchen sich häufig zu dick fühlen und schon früh über Diäten versuchen, das gesellschaftliche Ideal zu erreichen. Jungen haben mit dem Thema „Essen und Gewicht“ dagegen nur wenige Probleme. Die Entwicklungspsychologie hält besonders das Jugendalter für konfliktbeladen. Es treten häufiger Entwicklungsstörungen auf, da es eine Zeit mit körperlichen und psychosozialen Veränderungen ist. Es fällt nicht allen Jugendlichen leicht, mit diesen Veränderungen umzugehen. So entstehen häufig gerade bei Mädchen in diesem Alter Essstörungen. Tiefenpsychologen sind sich einig, dass Störungen besonders gut im Anfangsstadium behandelt werden können. Später kommt es häufig zur Manifestierung der Fehlstörung. Nicht entdeckte Entwicklungsstörungen belasten die Betroffenen dann bis ins Erwachsenenalter.

Dietrichsen (1990, S. 23) erklärt hierzu zusammenfassend: „Bezugspersonen in und außerhalb der Familie sind als Vorbilder wichtige Einflussfaktoren für die Entwicklung des Eß- und Trinkverhaltens. Ihr Ernährungs- und Erziehungsverhalten übt einen starken Einfluß auf die Einstellungen zur Nahrung und die Eß- und Trinkgewohnheiten bei Kindern und Jugendlichen aus“.

2.1.3.2.3 Das Erwachsenenalter und Alter

Vom Erwachsenenalter spricht man zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr. In diesem Alter ist die biologische und soziale Leistungsfähigkeit voll ausgeprägt. Beruf und Freizeit bestimmen das Leben, währenddessen Aufgaben und auch Krisen zu bewältigen sind. Studien zum Ess- und Trinkverhalten im Erwachsenenalter gibt es hauptsächlich zu Essstörungen.

Die Ernährungsforschung beschäftigt sich vorrangig mit dem Alter, da das Verzehrverhalten hier in engem Zusammenhang mit der Gesundheit steht. Durch die wachsende Technologie und Wissenschaft werden die Menschen heute immer älter. Gesundes Altern lässt sich durch ein angemessenes Ernährungsverhalten positiv beeinflussen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Der Kalorienbedarf sinkt im Alter, ist diese verkleinerte Nahrungsmenge dann auch noch unausgewogen, spricht man von Fehlernährung. Die Ursachen für diesen schlechten Ernährungszustand sind vielfältig. Zu nennen sind in jedem Fall soziale Probleme, physische Bewegungseinschränkungen oder Schwierigkeiten beim Kauen des Essens. Zudem trocknen alte Menschen oftmals im wahrsten Sinne des Wortes aus, weil sie schlichtweg vergessen zu trinken. Der Appetit der Senioren ist durch soziale Isolierung, die Verringerung des Geschmacks- und Geruchsvermögens oder durch finanzielle Probleme gemindert. Entgegen allen Vermutungen ist durchaus auch im Alter die individuelle Entwicklung einer Person möglich. In welchem Umfang sich Senioren noch entwickeln, hängt von ihrem eigenen Rollenverständnis ab, wie aktiv sie noch sind und welche Rolle ihre soziale Umgebung ihnen zumisst. „Ein wesentlicher Teil körperlichen und seelischen Verfalls geht auf falsches Ernährungsverhalten, ungeeigneten Lebensstil, mangelnde Zukunftsperspektiven und ungünstige psychosoziale Umstände zurück (vgl. Rowe und Kahn 1987, zitiert nach Dietrichsen 1990, S. 25). Im Alter ändern sich die Motive im Verzehrverhalten. Tradition und Bequemlichkeit bestimmen das Essen, statt Vergnügen oder Gesundheitsbewusstsein. Für Senioren ist besonders auch der psychologische Wert des Essens von Bedeutung. Nahrung spendet Trost, gibt Sicherheit, Bestätigung und Teilhabe. Hier wurde deutlich, dass besonders älteren Menschen und ihrem Ess- und Trinkverhalten mehr Beachtung geschenkt werden muss.

2.1.3.3 Die menschliche Esskultur

Die Esskultur einer Gesellschaft wird von gemeinsamen Ess- und Trinkstilen gebildet. Durch Erziehung und Sozialisation übernimmt der Einzelne die Esskultur seiner Gesellschaft. Vorurteile, Einstellungen und Werthaltungen entwickeln sich schon im Kindesalter. Diese erlernten Ess- und Trinkgewohnheiten sind weitgehend verselbständigte Abläufe. Ein wesentlicher Teil unseres Zivilisationsprozesses wird von der Geschichte der Esskultur widergespiegelt. Das individuelle Ernährungsverhalten wird durch gesellschaftliche Ernährungsstile geprägt. Was und wie wir essen, haben wir in einem langen Prozess gelernt, vorgegeben von einem überlieferten und meist stabilen Normen- und Wertesystem. Neuerungen bekommen nur sehr langsam ihre Daseinsberechtigung von uns traditionsbewussten Menschen. Betrachtet man unsere Kultur vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, kristallisieren sich Brot und Fleisch als Grundnahrungsmittel heraus, aber auch Fisch, Kartoffeln und Gewürze sind weit verbreitet. Wein, Bier und Kaffee sind Getränke zum Genießen gewesen. Der Rückgang oder das Wachstum der Bevölkerung, aber auch die Preis- und Einkommensentwicklung sind für die Qualität und Zusammensetzung der Ernährung und deren Veränderung verantwortlich. Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass die Bevölkerung früherer Jahrzehnte sich gesünder ernährt hat, weil der Kohlenhydratanteil sehr viel höher war und weniger Fleisch und Fett gegessen wurde als heute. Jedoch darf man dabei nicht vergessen, dass die Menschen damals nicht aus gesundheitlichen Gründen so lebten, sondern weil Fleisch und Fett schlichtweg Mangelware und viel zu preisintensiv waren. Hätten die Menschen früher dieselben Möglichkeiten wie wir heute, also eine große Auswahl an Lebensmitteln zu niedrigen Preisen, würden sie nicht weniger hedonistisch leben als die Bevölkerung des 21. Jahrhunderts. Die Ernährungsrealität legt also den äußeren Rahmen fest, innerhalb dessen sich das Ernährungsverhalten entwickeln kann.

Was die Nahrungsauswahl betrifft, werden Speisen, die immer wieder angeboten werden, auch am liebsten verzehrt. Sie werden als vertraut und emotional angenehm erlebt. Nahrungsmittel, die nie gekostet wurden, werden meist auch nicht gemocht. Das sind Vorurteile, die nichts mit rationalem Wissen über diese Speisen zu tun haben, sondern von Kindesbeinen anerzogen wurden. Diese auszulöschen ist schwer, sie sind ausgesprochen änderungsresistent. Positiv sind in dieser Hinsicht Kontakte mit entsprechenden Nahrungsmitteln. Wobei nicht gesagt ist, dass die Speisen danach gerne gegessen werden. Aber eine Person kann so herausfinden, ob ihr zum Beispiel Miesmuscheln schmecken oder nicht.

Ernährung ist nicht nur biologisch als Lebenserhaltung zu betrachten, auch aus ernährungspsychologischer Sicht sind menschliche Ernährungsgewohnheiten äußerst interessant. Wieso essen Menschen so verschieden? Warum essen Chinesen Hundefleisch und den Deutschen zieht sich bei dem Gedanken daran der Magen zusammen? Warum verspeisen Moslems und Juden kein Schweinefleisch? Solche Fragen lassen sich endlos weiter stellen. Harris untersuchte 1988 Nahrungstabus und –aversionen. Er kam zu dem Schluss, dass Vorlieben und Abneigungen aufgrund des wirtschaftlichen Kosten-Nutzen- Prinzips entstehen. Eines seiner Beispiele dafür betrifft das Verspeisen von Insekten. In Europa, wo es genügend Fleischquellen gibt, ist es nutzlos, sich von Insekten zu ernähren. Hierzulande rufen sie Ekel hervor. Wohingegen in anderen Teilen der Welt Wild und Haustiere nicht in ausreichendem Maß vorhanden sind, aber es große und schwarmbildende Insekten gibt.

Die Entwicklungen einer Gesellschaft prägen die Ess- und Trinkgewohnheiten ihrer Menschen. Ein Beispiel dafür ist das Fast Food. Die heutige Gesellschaft ist Zeitmangel von geprägt. Die schnelle Zubereitung und der schnelle Verkauf und Verzehr von Fast Food kommt vielen Menschen daher sehr entgegen. Welchem Trend der Ernährung der Einzelne folgt, ist einerseits vom persönlichen Geschmack abhängig und andererseits eine Frage der finanziellen Situation, der Bedürfnisse und Erwartungen, die an das Essen gestellt werden.

Dass eine Gesellschaft die Esskultur bestimmt und damit dem Einzelnen auferlegt, hat auch Nachteile. Immer mehr Frauen haben Probleme mit ihrer Figur und ihrem Essverhalten. Wer als Frau zu dick ist und zu viel isst, aber auch wer zu dünn ist und hungert, wird ausgegrenzt. Denn unsere Gesellschaft gibt ein normiertes Ess- und Trinkverhalten vor. Wer dieser Norm nicht entspricht, wird als essgestört abgestempelt. In anderen Kulturen ist Körperfülle ein Zeichen für Wohlstand und Macht, egal ob bei Mann oder Frau. Frauen stehen heute unter dem Druck epochaler Ideale von weiblichen Körperformen und den Vorstellungen über Mode und Erotik. Dies zeigt sich unter anderem in Frauenzeitschriften. Ernährungsbezogene Artikel sind aus ihnen nicht mehr wegzudenken. Bei Frauen sind aufgrund dieses Druckes gehäuft Essstörungen zu diagnostizieren. Dies betrifft besonders weibliche Jugendliche, da sie ihren Platz im Leben noch nicht gefunden haben.

Die Entwicklung des individuellen Ess- und Trinkverhaltens hängt eng mit der jeweiligen Esskultur einer Gesellschaft zusammen. Deshalb sollte die Betrachtung der Esskultur nicht außer Acht gelassen werden.

2.2 Ernährungsphysiologische Grundlagen

Nahrung steht für Leben und eine gesunde Nahrung trägt zu einem gesunden Leben bei. Die Gesundheit ist das höchste Gut der Menschen. Leider wird dies den meisten Menschen erst bewusst, wenn sie ernsthaft erkranken. Es bestehen viele Wechselbeziehungen zwischen der seelischen und körperlichen Gesundheit. Ist der Körper krank, so wird auch das seelische Befinden beeinträchtigt. Also wirkt auch Ernährung, die die körperliche Gesundheit beeinflusst, auf das seelische Befinden.

Das Wort „Nahrung“ stammt ursprünglich aus dem Mittelhochdeutschen, vom Wort „narunge“ ab. Es ist eng verwandt mit dem späteren Verb „genesen“ und bedeutete in der Vergangenheit „das am Leben erhaltende“, „das Rettende“. Heute ist mit dem Wort „Nahrung“ die Quelle der Fortpflanzung, des Wachstums und der Gesunderhaltung sowie notwendiger Nahrungsinhaltsstoffe gemeint. Nach Elmadfa (2004, S. 9) sind „Nährstoffe chemische Elemente und Verbindungen in der Nahrung, die in unveränderter Form oder umgewandelt zu körpereigenen Substanzen für den Ablauf sämtlicher Körperfunktionen einschließlich Fortpflanzung und Wachstum benötigt werden“.

Die Nährstoffe sind in Makronährstoffe, Ballaststoffe, Mikronährstoffe und Wasser eingeteilt. Makronährstoffe sind Energielieferanten, zu ihnen gehören Proteine, Fette, Kohlenhydrate und auch Alkohol. In die Gruppe der Ballaststoffe fallen nicht verwertbare Kohlenhydrate, die für die Energieversorgung ohne Bedeutung, aber für die Darmfunktion sehr wichtig sind. Zu den Mikronährstoffen zählen Vitamine und Mineralstoffe, welche die Körpervorgänge regeln. Wasser hat sehr viele Funktionen im menschlichen Organismus.

Werden die Nährstoffe sinnvoll kombiniert, steht einem gesunden Leben nichts mehr im Weg.

2.2.1 Die Ernährungssituation in Deutschland heute

Ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland ernährt sich ungesund. Etwa ein Drittel der Erwachsenen und ein Zehntel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind übergewichtig. Jede zweite Frau fühlt sich zu dick. Die Dunkelziffer der an Magersucht und Ess-Brech-Sucht Erkrankten lässt sich nur schwer erahnen. In den letzten Jahren entwickelten Fachleute über 500 Diäten und drei von vier Frauen haben schon Diäten durchgeführt. Dies sind nur einige Fakten, die auf eine Fehlernährung in Deutschland hinweisen.

Die häufigsten Ernährungsfehler der Deutschen sind: die Menschen essen zu viel und zu energiereich, sie essen das Falsche und zu einseitig, nehmen zu wenig Ballaststoffe auf, essen zu viel Fett von schlechter Qualität und salzen zu stark. Durch diese Fehler kommt es unter anderem zu den oben erwähnten Auswirkungen. Die Menschen sollten etwas ändern. Wie eine gesunde und bedarfsgerechte Ernährung aussieht, wird im Weiteren beschrieben.

2.2.2 Nährstoffe und ihre Funktionen

2.2.2.1 Kohlenhydrate

Die wichtigste Energiequelle in der Ernährung des Menschen sind Kohlenhydrate. Sie liefern weltweit im Durchschnitt den Hauptteil der benötigten Nahrungsenergie für die Menschheit. Bei der Oxidation (Verbrennung) von 1 Gramm (g) Kohlenhydrat wird eine Energie von 4,1 Kilokalorien (kcal) freigesetzt. Aufgebaut sind Kohlenhydrate, unter Ausnutzung der Sonnenenergie durch Pflanzen und Mikroorganismen, aus Kohlendioxid und Wasser. Gegenüber Fetten und Eiweißen sind Kohlenhydrate sehr ökonomische Energiespender, weil sie ihrer Strukturformel nach Sauerstoff enthalten, der bei der Oxidation seine Verwendung findet. Es muss demzufolge weniger Sauerstoff von außen zugeführt werden.

Das Gehirn und das Nervensystem sind zwingend auf die Versorgung mit Kohlenhydraten angewiesen, wohingegen das Muskelgewebe auch über Fette und Eiweiße mit Energie versorgt werden kann. Deshalb ist eine Mindestaufnahme von 100-120 g täglich notwendig, um zum Beispiel eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) zu vermeiden. Bei der Hypoglykämie sinkt der Blutzuckerspiegel ab und es kann zu Schweißausbruch, Unruhe, Fingerzittern, Tachykardie (Herzrasen), psychischen Symptomen bis hin zu Krämpfen und Heißhunger kommen. Gefährlich wird eine Unterzuckerung, wenn der Blutzuckerspiegel unter 40 Milligramm je Deziliter (mg/dl) fällt, da dies zu einem Hypoglykämischen Schock (Ohnmacht) führen kann. Bekommt der Organismus dann nicht schnellstmöglich Zucker zugeführt, kann es zu schweren Schädigungen am Gehirn kommen oder bis hin zum Tod führen.

Beim Sport sind Kohlenhydrate insbesondere für kurzzeitige, intensive Belastungen die wichtigsten Energielieferanten. Je länger die Belastung andauert, umso größer wird die Bedeutung der Fette.

Sogar für die Gewichtsabnahme spielen Kohlenhydrate eine wichtige Rolle. Dabei sind besonders die komplexen Kohlenhydrate gemeint, denn sie sättigen länger als Fette. Hinzu kommt, dass Fette im Feuer der Kohlenhydrate verbrennen (vgl. Lehrbrief der BSA-Akademie, „Ernährungstrainer“ 2001, S. 37). Um also Fett zu verbrennen, müssen Kohlenhydrate zugeführt werden.

In der heutigen Ernährung sind kohlenhydratreiche Nahrungsmittel die besten Vitamin-, Mineralstoff- und Ballaststoffquellen. Die aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gehen dahin, dass 55-60 Prozent (%) der aufgenommenen Kalorien in Form von Kohlenhydraten zugeführt werden. So werden zusätzlich genügend Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe aufgenommen. Zudem sind kohlenhydratreiche Lebensmittel wasserhaltig und damit relativ energiearm. Leider liegt die gegenwärtige Zufuhr von Kohlenhydraten bei lediglich 40%. Fette dagegen werden mit ebenfalls 40% in zu großen Mengen zugeführt. Dazu kommt, dass häufig einfache Kohlenhydrate statt der empfohlenen komplexen aufgenommen werden, was wiederum die Ballaststoffaufnahme begrenzt und den Blutzuckerspiegel in die Höhe schnellen lässt.

Monosaccharide (Einfachzucker) sind die Grundbausteine der Kohlenhydrate. Zu ihnen zählen zum Beispiel Glucose (Traubenzucker), Fruktose (Fruchtzucker) und Galaktose (Schleimzucker). Süßigkeiten, Getränke, Obst, Milch und Milchprodukte gehören also zu den Einfachzuckern. Verbinden sich zwei Monosaccharide, entsteht ein Disaccharid (Zweifachzucker), wie zum Beispiel Saccharose (Rohrzucker), Lactose (Milchzucker) oder Maltose (Malzzucker). Lebensmittel, die aus Zweifachzuckern bestehen, sind zum Beispiel Haushaltszucker, Marmelade, Süßigkeiten, Limonaden, Malzbier, Milch und Milchprodukte. Drei bis zehn Einfachzucker verbinden sich zu Oligosacchariden (Mehrfachzucker). Das sind künstliche Zuckergemische wie Maltotriose, Maltotetrose, Dextrine und Maltodextrin. Hier lassen sich beispielhaft Energiedrinks, Kohlenhydratkonzentrate, Toast und Zwieback anführen. Polysaccharide (Vielfachzucker) sind Verbindungen aus mehr als zehn Einfachzuckern. Zu ihnen gehört Stärke, Glykogen, Zellulose, Lignin und Pektin. Vielfachzucker sind die so genannten komplexen Kohlenhydrate, wie Kartoffeln, Teigwaren, Reis, Getreide, Brot, Leber, Fleisch, Vollkornprodukte, Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst. Da alle größeren Zuckerbausteine im Körper in ihre kleinste Einheit, die Glucose, zerlegt werden, brauchen komplexe Kohlenhydrate sehr viel länger, um für den Stoffwechsel verfügbar zu sein. Das spielt für die hormonelle Regulation eine entscheidende Rolle. Der Blutzuckerspiegel im Körper steigt nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit, danach wird das einzige blutzuckerspiegelsenkende Hormon, Insulin, ausgeschüttet und der Blutzuckerspiegel fällt. Daraufhin bekommen wir Hunger. Bei einem sehr niedrigen Blutzuckerspiegel kann es zum so genannten Heißhunger kommen. Ein möglichst konstanter Blutzuckerspiegel sorgt für eine gute körperliche und seelische Leistungsfähigkeit. Ein hoher Insulinspiegel im Körper hemmt die Freisetzung von Fettsäuren zur Energiegewinnung, also den Fettabbau, und fördert die Speicherung von Fett, also den Fettaufbau. Der Blutzuckerspiegel steigt nicht immer in derselben Zeit nach Verzehr einer Mahlzeit. Der Glykämische Index misst, wie stark der Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr einer Kohlenhydratquelle steigt. Es werden dazu 50g Kohlenhydrate aufgenommen und der Blutzuckerspiegel wird nach zwei Stunden gemessen. Glucose gilt als Referenzwert mit einem Glykämischen Index von 100. Da einfache Kohlenhydrate sofort verfügbar für den Stoffwechsel sind, steigt der Blutzuckerspiegel sehr schnell. Einfache Kohlenhydrate haben also einen hohen Glykämischen Index, wie zum Beispiel Honig, Cornflakes oder Weißbrot. Der schnell erhöhte Blutzuckerspiegel führt zu einer schnellen und hohen Insulinausschüttung und damit zu einer schnellen Senkung des Blutzuckerspiegels. Die Folge ist, man bekommt sehr schnell nach der Mahlzeit wieder Hunger. Nimmt man zusätzlich zu den Einfachzuckern auch noch große Fettmengen auf, werden diese aufgrund des hohen Insulinspiegels sofort gespeichert. Es empfiehlt sich also, möglichst fettarm zu speisen, wenn man vermehrt einfache Kohlenhydrate aufnimmt. Noch besser wäre es allerdings, komplexe Kohlenhydrate mit einem niedrigen Glykämischen Index zuzuführen, wie zu Beispiel Vollkornprodukte, Haferflocken oder frisches Gemüse. Der Blutzuckerspiegel steigt dann nur langsam an, hält sich lange, weil erst nach und nach Insulin ausgeschüttet wird, und man ist somit länger satt. Dann ist auch eine relativ fettreiche Mahlzeit nicht so verheerend. Um den Blutzuckerspiegel also möglichst konstant zu halten, empfehlen sich wenige Einfachzucker, viele Vielfachzucker, mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt und viele Ballaststoffe, um die Stoffwechselverfügbarkeit zu verzögern.

Die Ballaststoffe nehmen eine Sonderstellung unter den Kohlenhydraten ein. Zu ihnen gehören Beta-Glucan, Zellulose, Hemizellulose und Pektin. Diese Stoffe finden sich wieder in Obst, Gemüse, Getreideprodukten und Hülsenfrüchten. Ballaststoffe sind Bestandteile pflanzlicher Zellen, die unverdaut wieder ausgeschieden werden, da die Verdauungsenzyme des Menschen sie nicht spalten können. Sie liefern also keine Energie. Ballaststoffe haben trotzdem viele Vorteile für den menschlichen Organismus. Sie dienen der Kariesprophylaxe, weil mehr alkalischer Speichel im Mund durch die Kauverlängerung entsteht. Ballaststoffe quellen im Magen auf und erzeugen so ein längeres Sättigungsgefühl. Sie verweilen also länger im Magen, dafür verkürzt sich die Passagezeit im Darm. Das Stuhlvolumen vergrößert sich durch Gasbildung und das Stuhlgewicht wird durch Wasserbindung erhöht. Zusätzlich wachsen vermehrt physiologische Darmbakterien. Ballaststoffe binden außerdem Gallensäure, was zu einer Senkung des Cholesterinspiegels führt. Die DGE empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 30-40g Ballaststoffen. Durch eine ballaststoffreiche Ernährung lassen sich einige Krankheiten verhindern, beziehungsweise sie treten seltener auf. Da wäre zum Beispiel Obstipation (Verstopfung) durch die verkürzte Transitzeit im Darm. Dazu kommt Übergewicht, weil eine ballaststoffreiche Ernährung bei einem größeren Nahrungsvolumen meist energieärmer ist. Diabetes mellitus kann verhindert werden, weil die Insulinausschüttung relativ konstant ist bei ausreichend zugeführten Ballaststoffen. Durch die Cholesterinspiegelsenkung sinkt auch das Arterioskleroserisiko enorm. Gallensteine werden durch die Verhinderung der Bildung von cholesteringesättigter Gallenflüssigkeit seltener gebildet. Es kommt nicht so häufig zu Diverkulose, das heißt zu sackartigen Ausstülpungen der Darmschleimhaut durch sehr harten Kot. Ballaststoffe vermindern das Risiko der Entstehung krebserregender Stoffe und verringern den Kontakt mit der Darmwand, was Darmkrebs verhindern kann.

Süßstoffe und Zuckeraustausch sind gegenwärtig umstritten. Sie besitzen zwar eine höhere Süßkraft als normaler Zucker, bei ähnlichem, geringerem oder nicht vorhandenem Energiegehalt, doch die gesundheitlichen Wirkungen sind noch nicht endgültig geklärt. Es ist daher sinnvoll, langfristig das Süßeempfinden durch weniger Zucker zu drosseln und zum Süßen Naturprodukte wie Honig oder Trockenfrüchte in geringen Mengen zu verwenden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kohlenhydrate für eine gesunde Ernährung unverzichtbar sind und vermehrt zugeführt werden müssen. Dabei sollte aber auf die Zusammensetzung der Kohlenhydrate geachtet werden, um einen konstanten Blutzuckerspiegel zu gewährleisten.

2.2.2.2 Fette

In die Stoffgruppe der Fette und fettähnlichen Substanzen gehören viele strukturell sehr unterschiedliche Substanzen, man bezeichnet sie auch als Lipide und Lipoide. Eines haben sie jedoch gemeinsam, sie sind nur schlecht oder gar nicht in Wasser löslich. Verbrennt man 1g Fett, so entstehen dabei 9,3 kcal Energie. Das ist sehr viel und es wird deutlich, dass die Hauptaufgabe der Fette die Energiegewinnung ist. Hinzu kommen noch viele andere nützliche Funktionen für den menschlichen Organismus. Als Organfett dient es zur Abwehr mechanischer Schädigungen besonders empfindlicher Organe, wie zum Beispiel dem Gehirn, den Nieren und den Augäpfeln. Das Körperfettgewebe isoliert außerdem und schützt somit vor Körperwärmeverlust. Eine weitere wichtige Aufgabe der Fette ist ihre Funktion als Träger fettlöslicher Vitamine (Vitamin A, D, E und K). Ohne Fett können diese Vitamine im Darm nicht resorbiert werden. Um also ausreichend mit den Vitaminen A, D, E, und K versorgt zu werden, bedarf es Fett. Essentielle Fettsäuren, das sind Fettsäuren, die der Körper nicht selbst synthetisieren kann, regulieren unter anderem die Permeabilität (Durchlässigkeit) der Haut für Wasser, sind Vorläufersubstanzen für Prostaglandine (Gewebshormone) und Bestandteile von Zellmembranen.

Der Körperfettanteil eines normal ernährten Mannes beträgt etwa 15-20%, der einer Frau 20-25%. Die DGE empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 25-30% Fett der aufgenommenen Nahrung. Mit 40% liegen die Deutschen weit über der Empfehlung. Dazu kommt, dass viele nicht auf die Qualität der Fette achten beziehungsweise nicht ausreichend informiert sind.

Zu den Lipiden gehören zwei Gruppen, die Neutralfette, oder auch Triglyceride genannt und fettähnliche Substanzen, die Lipoide. Die Fette, die für die menschliche Ernährung als Energieträger in Frage kommen, sind lediglich Neutralfette. Es sind Verbindungen aus einem Molekül Glycerin, das mit drei Fettsäuren verestert ist. Daher stammt auch der Name Triglyceride. Man unterteilt die mit dem Glycerin verbundenen Fettsäuren in kurzkettige (3-6 Kohlenstoffatome), mittelkettige (8-12 Kohlenstoffatome) und langkettige (14 und mehr Kohlenstoffatome) Fettsäuren. Außerdem gibt es noch die Unterscheidung nach der Zahl der Doppelbindungen in gesättigte (keine Doppelbindung), einfach ungesättigte (eine Doppelbindung) und mehrfach ungesättigte (zwei und mehr Doppelbindungen) Fettsäuren. Die DGE empfiehlt, dass etwa 50% der täglich aufgenommenen Fette einfach ungesättigte Fette sind, 30% mehrfach ungesättigte Fette und 20% gesättigte Fette. Tatsächlich nehmen die Deutschen aber 47% gesättigte Fette, 40% einfach ungesättigte und 13% mehrfach ungesättigte Fette zu sich.

Bei gesättigten Fetten sind alle Kohlenstoffatome mit der höchstmöglichen Anzahl an Wasserstoffatomen gesättigt, bis auf das endständige Kohlenstoffatom, das die Säuregruppe enthält. Zu nennen wären hier beispielsweise die Ameisen-, Essig-, Palmitin- und Stearinsäure. Bei Raumtemperaturen sind diese Fettsäuren fest und schwerer verdaulich als ungesättigte Fettsäuren. Hinzu kommt, dass bei erhöhtem Verzehr der Cholesterinspiegel steigt, insbesondere der des „schlechten“ LDL-Cholesterins. Diese Erhöhung lässt das Risiko einer vorzeitigen Arterienverkalkung steigen, verschlechtert die Insulinempfindlichkeit der Zellen und führt somit zu einem höheren Insulinspiegel, was dann eine erhöhte Fettspeicherung nach sich zieht. Gesättigte Fettsäuren stehen zusätzlich im Verdacht, krebserregend zu sein, wenn sie in zu großen Mengen zugeführt werden. In Butter, Käse, Wurst, Fleisch, fetten Milchprodukten, Eiern, Süßem, Kuchen, Pizza und anderem sind überwiegend gesättigte Fettsäuren vorhanden. Diese Lebensmittel sollten immer in Maßen genossen werden.

Wenn nicht alle Kohlenstoffatome mit der höchstmöglichen Zahl von Wasserstoffatomen gesättigt sind, handelt es sich um einfach ungesättigte Fettsäuren. Es entsteht dann eine Doppelbindung zwischen den freien Bindungsstellen zweier Kohlenstoffatome innerhalb einer Kette. Diese einfach ungesättigten Fettsäuren sind nicht essentiell für den menschlichen Organismus, weil der Körper sie selbst synthetisieren kann. Ein Beispiel wäre hier die Ölsäure. Es werden gesundheitsförderliche Effekte vermutet, wenn man vermehrt einfach ungesättigte Fette zu sich nimmt, wie zum Beispiel die Arterioskleroseprophylaxe durch die Senkung des LDL-Cholesterins. Einfach ungesättigte Fettsäuren finden sich vorrangig in Olivenöl, Rapsöl, Mandeln, Haselnüssen und Erdnussöl wieder.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren besitzen mehrere Doppelbindungen und sind bei Raumtemperatur flüssig, leichter verdaulich als gesättigte Fettsäuren und werden auch bei erhöhtem Verzehr kaum als Fett gespeichert. Die wohl wichtigsten Vertreter der mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind die Linolsäure, aufgrund der Stellungen der Doppelbindungen auch als omega6-Fettsäure bekannt und die Alpha-Linolensäure (omega3-Fettsäure) beziehungsweise die Eicosapentaensäure (EPA) und die Docosahexaensäure (DHA), die häufig in fetten, freischwimmenden Meerfischen vorkommen und deshalb auch Fischöle genannt werden. Der Körper kann diese Fettsäuren nicht selbst herstellen, ist also auf eine Zufuhr von außen angewiesen. Omega6-Fettsäuren sind hauptsächlich in Diestel-, Sonnenblumen-, Weizenkeimöl, Haferflocken und Nüssen vorhanden. Man sollte täglich etwa 10-15g omega6-Fettsäuren zu sich nehmen. Es kommt zu einer Vielzahl von Störungen bei zu geringem Verzehr. Da wären zum Beispiel Wachstumsstörungen, Hautausschläge, Nierenschäden, Infektanfälligkeit, Haarausfall, gestörte Wundheilung, Störungen im Wasserhaushalt etc.

Omega3-Fettsäuren kommen in pflanzlichen Lebensmitteln vor, wie zum Beispiel in Leinsamen, Leinsamenöl, Walnüssen, Walnussöl und Sojaöl. Empfohlen wird hier eine Zufuhr von 2-4g täglich. Das Verhältnis von omega6-Fettsäuren und omega3-Fettsäuren sollte den Faktor 4 nicht überschreiten. In der Steinzeit lag er bei lediglich 1 und heute dagegen bei 20. Bei einer zu geringen Zufuhr von omega3-Fettsäuren kommt es auch hier zu Störungen, wie zu Beispiel Wachstumsstörungen, Schwächegefühl, Sehstörungen, nachlassende Konzentrationsfähigkeit, Unsicherheit in der Bewegungskoordination, psychische Veränderungen etc. Den Fischölen, die gehäuft im Hering, Lachs und der Makrele vorkommen, wird eine große Bedeutung bei der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zugeschrieben, da sich die Blutfettwerte verbessern, die Insulinempfindlichkeit der Zellen erhöht, eine Blutplättchenverklumpung verhindert und der Blutdruck gesenkt wird. Deshalb wird bei folgenden Krankheitsbildern eine ausreichende Zufuhr von omega3-Fettsäuren empfohlen: bei erhöhtem Blutdruck, erhöhten Blutfettwerten, Entzündungen, der Neigung zu Thrombosen, Ödemen, trockener Haut und anderen.

Wird das Verfahren der Fetthärtung zum Beispiel bei der Margarineherstellung angewendet, entstehen so genannte trans-Fettsäuren. Sie werden in geringen Mengen vom Körper selbst synthetisiert. Bei der Margarineherstellung entstehen jedoch 8-12%. Bei dieser Menge besteht der Verdacht, dass sie Arteriosklerose verursacht. Wenn man also Margarine kauft, sollte man unbedingt darauf achten, dass sie frei von gehärteten Fetten ist. Trans-Fette entstehen aber auch, wenn mehrfach ungesättigte Fettsäuren stark erhitzt werden. Zum Braten und Backen sollte man daher auf einfach ungesättigte Fette, wie Olivenöl, oder gesättigte Fette in geringen Mengen, wie zum Beispiel Butter, verwenden. Bei trans-Fettsäuren besteht der Verdacht, dass sie das „schlechte“ LDL-Cholesterin erhöhen, bei gleichzeitiger Verminderung des „guten“ HDL-Cholesterins. Trans-Fettsäuren kommen nicht nur in Margarine vor, sondern auch in Brotaufstrichen (zum Beispiel Nutella), manchen Gebäcksorten (besonders Blätterteig), Chips, Pommes frites (frittiertes Fett) und in stark schwankenden Mengen in manchen Fertiggerichten wie zum Beispiel in Pizza.

In die Gruppe der Lipoide (fettähnliche Substanzen) gehören die Carotinoide (Vorstufen des Vitamin A), die Terpene (Duft- und Aromastoffe) sowie die Steroide (Grundgerüst der Steroidhormone). Zu den Steroiden gehört unter anderem das Cholesterin. Es übernimmt wichtige Funktionen für den menschlichen Organismus, wie zum Beispiel den Aufbau der Zellmembran, die Bildung von Hormonen, die Bildung von Provitamin D3 und es ist der Grundstoff bei der Bildung von Gallensäuren. Cholesterin wird von der Leber in ausreichender Menge (1-1,5g) selbst hergestellt. Zusätzlich nimmt der Mensch Cholesterin aus tierischen Lebensmitteln auf. Der Cholesterinspiegel ist von der Menge des aufgenommenen Nahrungscholesterins nur zu etwa 20% abhängig. Die Eigensynthese des Körpers regelt sich in Abhängigkeit von der Cholesterinzufuhr selbst. Führt man allerdings große Mengen an Cholesterin von außen zu, nimmt man gleichzeitig auch mehr gesättigte Fettsäuren auf. Durch zu viele gesättigte Fettsäuren gelangt zu viel Cholesterin ins Blut, was sich dann im Körper in oxidierter Form vor allem an den Wänden der Blutgefäße ablagert und diese zunehmend verengt (Arteriosklerose). Das kann zum Herzinfarkt, zu Durchblutungsstörungen in den Beinen oder zum Hirnschlag führen.

Die Bestandteile der Lipide gelangen nach der Aufnahme in die Blutbahn, wo sie irgendwie transportiert werden müssen. Dafür werden die Fettpartikel an Eiweiße gekoppelt. Dabei entstehen so genannte Lipoproteine mit verschiedenen Aufgaben. Zu den wichtigsten gehören das LDL-Cholesterin, das VLDL-Cholesterin und das HDL-Cholesterin. Das low density lipoprotein (LDL-Cholesterin) ist ein Fett-Eiweißmolekül mit niedriger Dichte und wird als gefäßaggressives „böses“ Cholesterin bezeichnet, da es Arterienverkalkung verursachen kann, weil es sich an den Gefäßinnenseiten ablagert. Das very low density lipoprotein (VLDL-Cholesterin) ist ein Fett-Eiweißmolekül mit sehr niedriger Dichte. Als Vorstufe des LDL-Cholesterins ist auch seine Bedeutung eher negativ einzuschätzen. Das high density lipoprotein (HDL-Cholesterin) ist ein Fett-Eiweißmolekül mit hoher Dichte und ist gefäßgünstiges „gutes“ Cholesterin, weil es das Cholesterin aus der Körpermitte zurück zur Leber zum Abbau transportiert und deshalb der Arteriosklerose entgegenwirkt. Um das Risiko der Koronaren Herzkrankheit zu mindern, sollte das Verhältnis zwischen LDL- und HDL-Cholesterin um den Faktor 4 liegen, bei schon bestehendem Risiko eher noch kleiner. Um das HDL-Cholesterin zu erhöhen, kann man zum Beispiel Sport treiben, das Rauchen aufgeben und sein Gewicht reduzieren.

Zusammenfassend ist wichtig, die Gesamtmenge an aufgenommenem Fett zu reduzieren und besonders auf die Qualität der Fette zu achten. Durch die sinnvolle Zusammensetzung der Fette lässt sich der Gesundheitszustand erheblich verbessern und lassen sich Krankheiten vermeiden.

2.2.2.3 Proteine

Die Grundbausteine der Zellen aller Lebewesen sind die Proteine (Eiweiße). Der Begriff Protein stammt aus dem griechischen von protos - der Erste - ab, weil sie die wichtigsten, also ersten Stoffe sind. Ein Leben ohne Eiweiße gibt es nicht. Bei der Verbrennung von 1g Eiweiß wird eine Energie von 4,1 kcal freigesetzt. Die Eiweißzusammensetzung eines jeden Lebewesens ist sehr individuell. Es gibt in jeder Zelle bis zu 5000 verschiedene Eiweißarten. Der größte Teil davon sind Enzyme (biologische Katalysatoren), sie steuern alle biochemischen Prozesse. Die Hauptaufgabe von Proteinen ist der Aufbau und Erhalt von Körpersubstanz. Einige Eiweiße sind Baustoffe von Hormonen und fungieren als Boten. Wieder andere sind Transportproteine, wie zum Beispiel das Hämoglobin (roter Blutfarbstoff), das Sauerstoff transportiert oder Plasmaproteine, die Nährstoffe und Stoffwechselprodukte transportieren. Proteine bilden zudem noch die Antikörper des Immunsystems und schützen uns vor Krankheiten. Außerdem sind sie die wichtigsten Strukturelemente des menschlichen Organismus und zwar als Grundbaustein der Muskelfasern (Actin und Myosin) und als Gerüst- und Strukturprotein der Sehnen, Knochen, Knorpel und Haut. Die Bedeutung der Eiweiße für die Energiegewinnung ist nur gering, da erst bei Langzeitbelastungen, wie zum Beispiel beim Marathonlauf, auf Eiweiße als Energielieferanten zurückgegriffen wird. Die DGE empfiehlt, dass der Eiweißanteil der Nahrung täglich 10-15% der aufgenommenen Gesamtkalorien betragen soll. Etwas genauer formuliert, soll ein Normalbürger 0,8g/kg Körpergewicht täglich zu sich nehmen. In Deutschland wird im Allgemeinen zu viel Eiweiß aufgenommen, insbesondere zu viel tierisches Eiweiß.

[...]

Ende der Leseprobe aus 105 Seiten

Details

Titel
Eine vergleichende Analyse des Ernährungsverhaltens bewegungsaktiver Frauen im Fitnessstudio und bewegungsinaktiver Frauen
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
105
Katalognummer
V70175
ISBN (eBook)
9783638614948
Dateigröße
866 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Analyse, Ernährungsverhaltens, Frauen, Fitnessstudio, Frauen
Arbeit zitieren
Magister der Sportwissenschaft Dürten Zorn (Autor:in), 2005, Eine vergleichende Analyse des Ernährungsverhaltens bewegungsaktiver Frauen im Fitnessstudio und bewegungsinaktiver Frauen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70175

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