Internationalisierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung und steuerliche Gewinnermittlung


Seminararbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ausgangslage der Rechnungslegung in Deutschland
2.1 Der Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG
2.2 Zwecke der Rechnungswerke
2.2.1 Grundsätzliche Funktionen einer Rechnungslegung
2.2.2 Funktionelle Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanzrecht
2.3 Bisherige Reaktion des deutschen Gesetzgebers

3 Übernahme der IAS/IFRS in den handelsrechtlichen Einzelabschluss
3.1 Unterschiede zwischen HGB und IAS/IFRS
3.2 Zur Diskussion um die Übernahme der IAS/IFRS in den handelsrechtlichen Einzelabschluss

4 Maßgeblichkeit der IAS/IFRS für die Steuerbilanz?
4.1 Probleme bei der Fortführung der Maßgeblichkeit auf IAS/IFRS-Basis
4.1.1 Institutioneller Aspekt
4.1.2 Materielle Aspekte
4.2 Steuerbelastungsvergleich im Falle einer IAS/IFRS-Maßgeblichkeit
4.3 Zwischenergebnis

5 Alternativen für die zukünftige steuerliche Gewinnermittlung
5.1 Eigenständiges Bilanzsteuerrecht
5.2 Einnahmen-Überschuss-Rechnung

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

8 Rechtsprechungsverzeichnis

1 Einleitung

Die Europäische Union hat mit der IAS-Verordnung vom 19.07.2002[1] auf die zunehmenden Erfordernisse einer Inter-nationalisierung der Rechnungslegung[2] reagiert und in Art. 4 IAS-VO festgelegt, dass Kapitalgesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen und deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2005 beginnen, ihre konsolidierten Ab-schlüsse auf der Grundlage der International Accounting Standards/International Financial Reporting Standards (IAS/IFRS) erstellen müssen[3]. Darüber hinaus gibt die IAS-Verordnung den Mitgliedstaaten in Art. 5 ein Wahlrecht, die Anwendung der IAS/IFRS auch in den Einzelabschlüssen von Kapitalgesellschaften und Nicht-Kapitalgesellschaften zu gestatten oder vorzuschreiben[4]. Damit stellt sich die Frage nach der Zukunft der handelsrechtlichen und auch der steuerrechtlichen Gewinnermittlung in Deutschland, denn zur Zeit bildet gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG der handels-rechtliche Einzelabschluss die Grundlage für die steuerrechtliche Gewinnermittlung[5].

Im Rahmen dieser Arbeit wird daher zunächst die Ausgangslage der Rechnungslegung in Deutschland sowie die geplanten und die bereits durchgeführten Änderungen der letzten Jahre kurz skizziert (Kap. 2). Die Konzernrechnungslegung wird dabei nicht näher be-trachtet, denn hier geht es ausschließlich um die Auswirkungen der Internationalisierung auf das Verhältnis zwischen handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Gewinnermittlung im Einzelabschluss. Für die weitere Untersuchung wird im Folgenden die Annahme getroffen, dass die Entwicklung des Handelrechts dahin führen wird, dass der handelsrechtliche Einzelabschluss sowohl von Kapitalgesellschaf-ten als auch von Nicht-Kapitalgesellschaften zukünftig auf Basis der IAS/IFRS zu erstellen sein wird (Kap. 3). Vor diesem Hintergrund ist dann die Frage zu behandeln, ob weiterhin die Steuerbilanz auf der Grundlage einer solchen veränderten Handelsbilanz erstellt werden kann (Kap. 4) bzw. welche Alternativen sich für das zukünftige Bilanzsteuerrecht anbieten (Kap 5). Im letzten Abschnitt werden die Ergebnisse der Untersuchung in einem Fazit zusammengefasst.

2 Ausgangslage der Rechnungslegung in Deutschland

2.1 Der Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG

Die gegenwärtige Situation der externen Rechnungslegung in Deutschland ist das Ergebnis eines langen historischen Prozesses. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich einerseits im Rah-men der handelsrechtliche Rechnungslegung die Handelsbilanz als Gewinnermittlungsmethode, andererseits wurde in vielen deutschen Ländern eine Allgemeine Einkommensteuer geschaffen, die bei der Gewinnermittlung zunächst auf eine Art Einnahmen- und Aus-gabenrechnung zurückgriff[6]. Im Jahr 1874 wurde in Bremen und Sachsen dann erstmals die kaufmännische Buchführung der steuerrechtlichen Gewinnermittlung zu Grunde gelegt, d. h. die Handelsbilanz bildete die Grundlage für eine Steuerbilanz[7]. Heute drückt sich die Verbindung zwischen Handels- und Steuerbilanz in dem als Maßgeblichkeitsprinzip bezeichneten § 5 Abs. 1 EStG aus. Demnach haben einerseits nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG insbe-sondere Vollkaufleute im Rahmen Ihrer Steuerbilanz das Betriebs-vermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grund-sätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB)[8] auszuweisen ist (allgemeines bzw. materielles Maßgeblichkeitsprinzip), andererseits sind nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der handelsrecht-lichen Jahresbilanz auszuüben (umgekehrtes bzw. formelles Maßgeblichkeitsprinzip). Das Maßgeblichkeitsprinzip stellt damit eine Klammer dar, die im Idealfall Handels- und Steuerbilanz zu einem einheitlichen, identischen Rechenwerk, der sog. Einheits-bilanz, werden lässt[9]. Als Vorteil der Einheitsbilanz wird vor Allem die Vereinfachung der Gewinnermittlung und die Kostenersparnis besonders für kleine und mittelständische Unternehmen ange-führt[10]. Teilweise wird die Idee einer Einheitsbilanz aber auch negativ bewertet, da beiden Rechnungswerken völlig unterschied-liche Zwecke[11] zugeschrieben werden[12]. Allerdings ist das Maßgeblichkeitsprinzip durch spezielle Einschränkungen durch das Steuerrecht sowie weiteren Einschränkungen durch die steuerliche Rechtsprechung inzwischen stark deformiert und die Erstellung einer Einheitsbilanz bildet heute eher die Ausnahme als die Regel[13]. Beispielhaft sei hier nur angeführt das Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen in § 5 Abs. 4a EStG sowie die steuerlichen Ansatzvorschriften im Bereich der Rückstellungen in § 5 Abs. 4b EStG und die Bewertungsvorschriften in § 6 Nrn. 1, 2, 3, 3a EStG.

2.2 Zwecke der Rechnungswerke

2.2.1 Grundsätzliche Funktionen einer Rechnungslegung

Die Rechnungslegung hat die Aufgabe, für verschiedene Stake-holder eines Unternehmens unterschiedliche Funktionen zu er-füllen. Einerseits zwingt sie den Kaufmann zur Selbstinformation über die eigene wirtschaftliche Lage und entfaltet somit Schutz-wirkung für den Unternehmer selbst und auch für die anderen Marktteilnehmer. Andererseits macht die Existenz von kontrakt- und residualbestimmten Ansprüchen eine insbesondere nachprüfbare Rechnungslegung erforderlich, um zum Einen das Gläubigerkapital vor Ausschüttungen zu schützen und zum Anderen die erfolgsab-hängigen Ansprüche zu ermitteln[14]. Der Maßstab für den Erfolg einer Periode ist der Gewinn, die Aufgabe der Rechnungslegung ist folglich die Gewinnermittlung. Trotz intensiver Auseinander-setzungen konnte sich bis heute für diesen Begriff keine einheitliche Definition durchsetzen[15]. Den „richtigen Gewinn“, den es mit der einzig „richtigen Gewinnermittlungsmethode“ zu ermitteln gilt, gibt es daher schlichtweg nicht. Vielmehr wird der Gewinnbegriff vom Rechnungszweck bestimmt[16], und dieser ist für die unterschied-lichen Rechnungswerke durchaus unterschiedlich.

2.2.2 Funktionelle Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanzrecht

Der handelsrechtliche Jahresabschluss nach HGB hat nach über-wiegender Literaturmeinung mehrere Funktionen parallel zu er-füllen, ohne dass es ein klares Oberziel gäbe[17]. Neben die Infor-mationsfunktion über die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gem. § 264 Abs. 2 HGB tritt die Ausschüttungsbe-messungsfunktion, denn der ermittelte Gewinn ist Grundlage für die Ausschüttung an die Gesellschafter. Bei der Ausschüttungs-bemessung ist der Gläubigerschutz zu berücksichtigen. Daher ist das Ausschüttungspotential auf realisierte Gewinne zu beschränken (Realisationsprinzip) und ungewisse Risiken sind ausschüttungs-mindernd zu berücksichtigen (Imparitätsprinzip)[18]. Neben der Gläubigerschutzfunktion ist damit auch die Funktion der Kapital-erhaltung verbunden. Die HGB-Bilanzierung ist daher stark vom Vorsichtsprinzip und zahlreichen Wahlrechten, die das potentielle Ausschüttungsvolumen minimieren, geprägt.

Ein Jahresabschluss nach IAS/IFRS konzentriert sich dagegen ausschließlich auf das Ziel der Informationsvermittlung[19]. Nach Framework, Par. 12 hat dieses Rechnungswerk die Aufgabe, entscheidungsrelevante Informationen für die verschiedenen Bilanzadressaten bereit zu stellen. Nach Framework, Par. 10 S. 2 ist dabei davon auszugehen, dass die Informationsbedürfnisse der Anteilseigner, die dem Unternehmen Risikokapital zur Verfügung stellen, den Informationsbedürfnissen der meisten anderen Inter-essengruppen (z. B. Gläubiger, Arbeitnehmer, Kunden oder Lieferanten) entsprechen. Das Vorsichtsprinzip ist in der IAS/IFRS-Rechnungslegung nicht so stark ausgeprägt, vielmehr geht es um einen True-and-Fair-View auf die Vermögenslage des Unterneh-mens[20].

Der steuerrechtliche Jahresabschluss dagegen dient ausschließlich der Ermittlung des steuerlichen Gewinns als Bemessungsgrundlage der Ertragsbesteuerung nach den Grundsätzen der Tatbestands-mäßigkeit, Leistungsfähigkeit und Gleichmäßigkeit[21]. Diese Grund-sätze erfordern einerseits die Erfassung des „vollen“ Gewinns des Unternehmens und andererseits den willkürfreien Ansatz objektiv feststellbarer und auf einfache Art berechenbarer Positionen[22]. Trotz erheblicher Unterschiede bei der Ausgestaltung zwischen IAS/IFRS-Bilanzierung und Steuerrecht erscheint die True-and-Fair-View-Konzeption der IAS/IFRS im Unterschied zur Vorsichtskon-zeption des HGB durchaus mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das das Steuerrecht beherrscht, vereinbar[23], zumal in der höchst-richterlichen Rechtsprechung Tendenzen erkennbar sind, den dominierenden Zweck der Steuerbilanz zu Gunsten der Funktion der Informationsvermittlung zu öffnen. In einer Entscheidung des Großen Senats des BFH aus dem Jahre 2000[24] heisst es sogar, der Senat lasse es „dahinstehen“, ob die True-and-Fair-View-Kon-zeption „als Generalnorm des deutschen Steuerbilanzrechts zu verstehen ist“[25].

Vor dem Hintergrund dieser funktionellen Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanzrecht wird das Maßgeblichkeitsprinzip praktisch seit seiner Einführung kritisch diskutiert mit eben so vielen Befürwortern wie Kritikern[26]. Gerade vor dem Hintergrund der Inter-nationalisierung der Rechnungslegung bekommt diese Diskussion verständlicherweise eine neue Richtung.

[...]


[1] Vgl. Verordnung 1606/2002 vom 19.07.2002, ABIEG L 246/1.

[2] Vgl. Mader, M., B&D 2005, S. 222 f.

[3] Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, S. 2372.

[4] Vgl. Vasel, A., SteuerStud 2003, S. 213.

[5] Vgl. Buchholz, R./Weis, R., DStR 2002, S. 512.

[6] Vgl. Sigloch, J., BFuP 2000, S. 159.

[7] Vgl. Dziadkowski, D., DStZ 2001, S. 10 f.

[8] Der Gesetzestext bezieht sich ausdrücklich nur auf die GoB, nicht auf die einschlägigen Vorschriften des HGB. Zwar sind durch das Bilanzrichtliniengesetz die wichtigsten GoB in §§ 238 ff. HGB kodifiziert worden, es bestehen aber daneben auch weiterhin ungeschriebene GoB. Vgl dazu ausführlich z. B. Kort, M., FR 2001, S. 53 ff. m. w. N. Vereinfachend soll im Folgenden von der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz ausgegangen werden.

[9] Vgl. Lauth, B., DStR 2000, S. 1365.

[10] Vgl. Sigloch, J., a. a. O. (Fn. 6), S. 157 m. w. N.

[11] Vgl. Abschnitt 2.2.

[12] Vgl. z. B. Weber-Grellet, H., BB 1999, S. 2659 ff. m. w. N.

[13] Vgl. Lauth, B., a. a. O. (Fn. 9), S. 1366 f.

[14] Vgl. Sigloch, J., Kritisches zur Rechnungslegung und Unternehmensbesteuerung: Festschrift zur Vollendung des 65. Lebensjahres von Theodor Siegel, 2005, S. 552 f.

[15] Vgl. z. B. Wöhe, G., Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2005, S. 25.

[16] Vgl. Küting, K., DB 2006, S. 1441 ff.

[17] Vgl. Kirsch, H., DStR 2006, S. 1199.

[18] Vgl. Schulze-Osterloh, J., BB 2004, S. 2567.

[19] Vgl. Kirsch, H., a. a. O. (Fn. 17), S. 1199.

[20] Vgl. Schreiber, J., DStR 2005, S. 1352.

[21] Vgl. Kort, M., FR 2001, S. 60.

[22] Vgl. Weber-Grellet, H., DB 1994, S. 289.

[23] Vgl. Weber-Grellet, H., a. a. O. (Fn. 12), S. 2659.

[24] BFH-Beschluss vom 07.08.2000 GrS 2/99, BFHE 192, 339, BStBl II 2000, S. 632

[25] Vgl. Moxter, A., Unternehmenssteuerung: Ökonomie, Controlling, Rechnungslegung und Recht: Festschrift für Prof. Dr. Hans G. Bartels zum 65. Geburtstag, 2006, S. 110.

[26] Vgl. Sigloch, J., a. a. O. (Fn. 14), S. 551 f. m. w. N.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Internationalisierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung und steuerliche Gewinnermittlung
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Lehrstuhl Steuer- und Prüfungswesen)
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V70046
ISBN (eBook)
9783638614481
ISBN (Buch)
9783638673938
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aktuelle Fragen der Rechnungslegung
Schlagworte
Internationalisierung, Rechnungslegung, Gewinnermittlung
Arbeit zitieren
Diplom Kaufmann Thomas Kruse (Autor:in), 2006, Internationalisierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung und steuerliche Gewinnermittlung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70046

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