Die Bahnstrukturreform aus gesamtwirtschaftlicher Sicht


Hausarbeit (Hauptseminar), 1998

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Entwicklung und Inhalte der Bahnstrukturreform
2.1 Europäische Eisenbahnpolitik
2.2 Deutsche Eisenbahnpolitik
2.3 Bahnstrukturreform

3. Umsetzungsproblematiken der Bahnstrukturreform
3.1 Trassenpreissystem
3.2 Quersubventionen
3.3 Diskriminierungspotential
3.4 Materielle Privatisierung

4. Zielerreichung der Bahnstrukturreform

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis:

6. Anlage 1:
6.1 Die Gemeinschaft der Europäischen Eisenbahnen (GEB)

1. Einführung

Im Jahr 1994 wurde das Eisenbahnwesen in Deutschland grundlegend reformiert. Die Reform war zu diesem Zeitpunkt längst überfällig, ihre Notwendigkeit stand außer Frage. In einem längerfristigen Prozess wird der ehemalig marode Staatsbetrieb durch ein mehrstufiges Reform­modell in ein wettbewerbs- und gewinnorientiertes Unternehmen überführt. Diese Arbeit soll im Sinne einer aktuelle Bestandsaufnahme die Bahnstrukturreform darstellen.

Der Aufbau der Arbeit gliedert sich in drei wesentliche Abschnitte. Im ersten Abschnitt werden die nationalen und europäischen Rahmenbedingungen und die Ausgestaltung der Bahnstrukturreform dargestellt. Die Umsetzungsproblematiken werden im zweiten Abschnitt diskutiert. Ein kurzer Überblick über die bisherige Zielerreichung wird im letzten Abschnitt gegeben. Die Schlussbetrachtung verzichtet bewusst auf eine Zusammenfassung der Inhalte, sondern gibt vielmehr Denkanstöße zur Weiterentwicklung der Reform der Bahn.

Ein Leitgedanken der Arbeit war, dem Entwicklungscharakter mit seinen Veränderungspotentialen, welcher Bestandteil von grund­legenden Reformprozessen ist, gerecht zu werden.

2. Entwicklung und Inhalte der Bahnstrukturreform

2.1 Europäische Eisenbahnpolitik

Grundsätzlich sah der 1958 in Kraft getretene Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eine gemeinsame Verkehrs­­­politik mit gleichen ordnungspolitischen Regeln für alle vor. Die gemeinsame Verkehrspolitik litt unter einer Vielzahl von strittigen Punkten. Vorschläge der EG-Kommission wurden vom Verkehrs­ministerrat verworfen oder vertagt. Eine deutliche Kompromissunfähigkeit auf nationaler und europäischer Ebene gipfelte im sog. Untätigkeitsurteil des EuGH (1985). Der Ministerrat wurde vom Europäischen Parlament wegen langjähriger Untätigkeit und Nichtbeachtung festgelegter zeitlicher Fristen verklagt.[1] Ein weiterer Schritt in Richtung Bahnreform war die Vollendung des Gemeinsamen Binnenmarktes.

Ein Meilenstein der Bahnstrukturreform in Deutschland war die Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes der Europäischen Union. Speziell ist hier die Richtlinie 91/440/EWG zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft und die Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 über gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen der Verkehrsunternehmen zu nennen. Oberziel der Europäischen Bahnreform sollte die Gleichstellung der Bahn mit ihren Konkurrenten und die damit einhergehende Beseitigung bestehender Wettbewerbsverzerrungen im Verkehr sein. Die grundsätzlichen Vorgaben der Europäischen Union zur Zielerreichung waren:[2]

- Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Eisenbahn von Eingriffen des Staates
- Trennung des Betriebes der Eisenbahninfrastruktur von der Erbringung der Verkehrsleistungen
- Zugangsrechte für Eisenbahnen zu fremder Infrastruktur
- Sanierung der Eisenbahnen

Die Inhalte der Richtlinie war von den Mitgliedstaaten zum 1. Januar 1993 umzusetzen. 1995 folgte die Richtlinie 95/18/EG zur Regelung der Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und die Richtlinie 95/19/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und deren Wegeentgelte. Die Vision eines einheitlichen europäischen Eisenbahnmarktes scheitert noch am Zögern der Mitgliedsstaaten. Großbritannien und Deutschland sind bisher die einzigen Staaten, welche die Europäischen Richtlinien in geltendes nationales Recht umgewandelt haben.

2.2 Deutsche Eisenbahnpolitik

Die Deutsche Bundesbahn wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes in Form einer Hoheitsverwaltung ins Leben gerufen. Damit wurde sie entscheidungspolitisch unter die Verwaltung des Bundes gestellt. Eine Reihe von hier aufgezählten Fehlentwicklungen waren die Folge:[3]

- Begrenzte Entscheidungsspielräume, da alle Maßnahmen vom Bundesverkehrsministerium bzw. Bundesfinanzministerium genehmigt werden mussten.
- Starker Einfluss der einzelnen Bundesländer über den Verwaltungsrat der DB auf Entscheidungen der Leitung der Bahn.
- Versuche der Politik die Bahn als Instrument zur Durchsetzung eigener Zielsetzungen zu benutzen.
- Fehlende Marktorientierung und Mangel an einer langfristig ausgerichteten Eisenbahnkonzeption.

Diese Rahmenbedingungen führten bereits Anfang der 70er Jahre dazu, dass die Einnahmen aus Personen- und Güterverkehr nicht einmal die Personalaufwendungen deckten. Der sinkende Marktanteil und die nicht mehr kalkulierbaren Haushaltsbelastungen führten 1989 zur Einsetzung der „Regierungskommission Bundesbahn“.[4] Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die Deutsche Reichsbahn (DR) ebenfalls in ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes überführt und 1992 unter einheitliche Leitung gestellt. Die Regierungskommission stellte 1992 fest, dass beide Bahnen ein negatives Eigenkapital aufweisen, wenn nach handelsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewertet wird (DB: 50 Mrd. DM/DR: 26 Mrd. DM). Nach diesen Grundsätzen waren beide Bahnen konkursreif.[5]

Die Kommission stellte bereits 1991 in ihrem Bericht (sog. Eckwerte-Papier) folgende Veränderungsvorschläge vor:[6]

- Umwandlung der Sondervermögen in eine Aktiengesellschaft mit Trennung von unternehmerischer Verantwortung und der Beaufsichtigung durch die Kapitaleigner.
- Rechnerische und organisatorische Trennung von Fahrweg und Eisenbahntransportbetrieb.
- Entlastung der Bahn von nicht benötigtem Personal und Schaffung einer Personalüberleitungsinstitution.
- Keine Wahrnehmung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben durch die Bahn.
- Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs.

Die EU Richtlinie 91/440/EWG als übergeordneter Handlungsrahmen, die katastrophale Wirtschaftsentwicklung der DB/DR und die prognostizierten weiteren Situationsverschlechterungen veranlasste die Bundesregierung, wesentliche Teile der genannten Vorschläge der Regierungskommission in Gesetzesentwürfe zu transformieren.

2.3 Bahnstrukturreform

Am 1.1.1994 wurde in Frankfurt am Main mit Unterzeichnung der Gründungsurkunde die Deutsche Bahn AG (Stammkapital 4,2 Milliarden DM) gegründet. Das Unternehmen gliedert sich in die Geschäftsbereiche: Fernverkehr, Nahverkehr, Personenbahnhöfe, Ladungsverkehr, Stückgutverkehr, Netz, Bahnbau, Traktion und Werke. Das Streckennetz umfasst heute rund 42000 Kilometer bei ca. 33000 Züge pro Tag. Im Nahverkehr sind zusätzlich 30000 Züge täglich unterwegs.[7] Die Einordnung der Deutschen Bahn AG, hinsichtlich Betriebslänge, Beförderungsleistung und Mitarbeiter, in die Gemeinschaft der Europäischen Eisenbahnen (GEB) wird in Anlage 1 dargestellt.

Die neue Eisenbahnpolitik in Deutschland fand ihren Rahmen in einer Reihe von Gesetzesänderungen zur Jahreswende 1993/94. Allen voran war der neugeschaffene Artikel 87e [Verwaltung der Eisenbahnen des Bundes] des Grundgesetzes für die zukünftige Entwicklung der Bahn von größter Bedeutung. Dieser setzte eine neue politische Zielrichtung, da er nun zwischen den staatlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge und dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur trennte. Zwar bestimmt der Artikel, dass die formell in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft umgewandelte Infrastruktur mehrheitlich im Eigentum des Staates verbleiben muss, doch erhält die Bahn die Möglichkeit das Netz nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu führen.[8]

Das Eisenbahnneuordnungsgesetz kodifizierte die institutionellen Regelungen. Inhalte sind die mehrstufigen Vorgehensweisen zur Trennung der Infrastruktur und dem Transportbetrieb sowie der intramodale Wettbewerb im Schienenverkehr.[9] Die Sachverhalte sind in einer Reihe von Artikeln geregelt.[10] Der Gründung der Deutschen Bahn AG standen nun keine gesetzlichen Regelungen mehr gegenüber. Die staatlichen deutschen Eisenbahn­gesellschaften Deutsche Bundesbahn (DB) und Deutsche Reichsbahn (DR) wurden am obigen Gründungstermin fusioniert und in die privatrechtliche Rechtsform einer Aktiengesellschaft überführt. In funktioneller Hinsicht setzt sich die Bahnstrukturreform aus den Elementen (a) Privatisierung, (b) Entschuldung, (c) Trennung von Transportaufgaben und hoheitlichen Aufgaben sowie (d) Regionalisierung zusammen.

(a) Privatisierung

Die Überführung in die privatrechtliche Form der Aktiengesellschaft betrifft das Schienennetz und den Schienenverkehr. Die DB AG ist organisatorisch und buchführungsmäßig in die Sparten Fahrweg, Güterverkehr, Personenfernverkehr und Personennahverkehr unterteilt worden. In der zweiten Stufe der Reform sollen die einzelnen Betriebssparten zu eigenständigen Aktiengesellschaften umgewandelt werden, welche unter einer bundeseigenen Holding stehen. Diese Holding bzw. Konzernobergesellschaft gliedert sich dann in jeweils fünf Unternehmensbereiche (Geschäftsfelder):[11]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im letzten Ausbauschritt (Stufe 3) besteht die Möglichkeit die Holding aufzulösen (Eine Gesamtübersicht gibt Anlage 2). Dies ist etwa im Jahr 2002 vorgesehen, allerdings durch ein vom Bundesrat noch zustimmungspflichtiges Gesetz. Erst an diesem Punkt der Reform kann von einer materiellen Privatisierung gesprochen werden, wobei für den Fahrweg gesetzlich (GG 87e) nur eine Minderheitsprivatisierung zulässig ist.[12]

Zentrales Anliegen der Privatisierung ist der Marktzutritt für Drittanbieter von Schienenverkehrsleistungen und die dadurch herbeigeführte Etablierung des Wettbewerbs auf dem Eisenbahnmarkt. Es sind alle Eisenbahnen zugelassen, welche ihrerseits den Netzzugang öffnen. Die Benutzung des Schienennetzes der DB AG wird über ein Trassen­preissystem geregelt.

b) Entschuldung

Die Entschuldung der Bahn war nötig für den Übergang in die Aktiengesellschaft und Voraussetzung, um im freien Wettbewerb bestehen zu können. Die DB AG wurde über das als Sondervermögen des Bundes verbliebene Bundeseisenbahnvermögen (BEV) von den kumulierten Schulden der Rechtsvorgänger DB/DR entlastet. Die Höhe der Total­entschuldung betrug 67 Mrd. DM. Wobei 1991 eine Schulden­übernahme von 12,6 Mrd. DM vorausging. Gleichzeitig wurde auch das Anlagevermögen um rund 75% herabgesetzt.[13] Neben der Schulden­verwaltung gehören folgende Bereiche zu den Aufgaben des BEV: Personalverwaltung, finanzielle Altlasten im Umweltbereich, Mehrkosten aus Altansprüchen der Beamten der DB und Mehrkosten für überhöhten Personalbestand (begrenzt auf 9 Jahre).

[...]


[1] ) Vgl. Aberle, G. (1996), S. 145ff

[2] ) Vgl. Eiermann, R. (1997), S. 459

[3] ) Vgl. Aberle, G. (1996), S. 124f

[4] ) Vgl. ebenda, S. 126

[5] ) Vgl. Aberle, G. (1992), S. 69

[6] ) Vgl. Aberle, G. (1996), S. 127f

[7] ) Vgl. Busse und Bahnen – Website (1998)

[8] ) Vgl. Fricke, E. (1997), S. 580

[9] ) Vgl. Hedderich, A. (1996), S. 234

[10] ) Detaillierte Zusammenstellung bei: Freise, R. (1994)

[11] ) Vgl. Deutsche Bahn AG (1997a)

[12] ) Vgl. Boss, A. (1996), S. 4f

[13] ) Vgl. Wissenschaftlicher Beirat (1997), S. 4

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Bahnstrukturreform aus gesamtwirtschaftlicher Sicht
Hochschule
Universität Potsdam  (Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik)
Veranstaltung
Hauptseminar: Deregulierung
Note
2,0
Autor
Jahr
1998
Seiten
23
Katalognummer
V70012
ISBN (eBook)
9783638623124
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bahnstrukturreform, Sicht, Hauptseminar, Deregulierung
Arbeit zitieren
Dipl. Betriebswirt / Dipl. Geograf Klaus-Dieter Färber (Autor:in), 1998, Die Bahnstrukturreform aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70012

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