Das mittelalterliche Skriptorium


Seminararbeit, 2001

29 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Skriptorium

1. Definition / Was ist ein Skriptorium?

2. Entstehung und Aufgabe eines Skriptoriums

3. Lage eines Skriptoriums im Kloster

4. An der Buchherstellung beteiligte Mönche
a. Schreiber und Maler
b. Sonstige

5. Traktate, Werkstatt- und Musterbücher

6. Materialien für die Buchherstellung im Skriptorium
- Pergament
- Schreibgeräte
- Malwerkzeug
- Tinten
- Farben, Metallgründe und Bindemittel

7. Buchherstellung

8. Entwicklung der Schrift

9. Miniatur- und Buchmalerei
a. Initialen
b. Lehrbücher
c. Dekorationsbilder

10. Zentren der Buchherstellung

Literaturverzeichnis

Skriptorium

1. Definition / Was ist ein Skriptorium?

Unter einem Skriptorium versteht man sowohl die Räumlichkeit, in der handgeschriebene Bücher hergestellt werden -> Schreibstube, als auch die dort arbeitenden, durch Entwicklung bzw. Verwendung eines gemeinsamen Stils als Gruppe erkennbaren Schreiber / Schreibschule. Skriptorien befanden sich größten Teils in Klöstern, seltener an Bischofssitzen, später auch an Herrscherhöfen (z.B. Karl des Großen).[1]

2. Entstehung und Aufgabe eines Skriptoriums

Mittelalterliche Klöster waren Stätten des Gebetes und der Arbeit jedweder Art, in denen auch das geistige Leben eine rege Förderung erfuhr. Der Ursprung von Skriptorien und Bibliotheken, und deren Aufgaben, als fester Bestandteil eines christlichen Klosters reicht bis in den Übergang von der Antike in das Frühmittelalter zurück. Der katholische Minister und Sekretär Otakers, später des arianischen Ostgotenkönigs Theoderich, Flavius Magnus Aurelius Cassiodorius (480? - 573) zog sich 540 nach dem Zusammenbruch der ostgotischen Herrschaft auf sein kalabrisches Landgut zurück. Er gründete dort zwei Klöster und ordnete an, daß der „geistige Dienst im Krieg gegen den Teufel“ auch aus Abschreibarbeit von heidnischen und christlichen Handschriften bestehen sollte. Cassiodorius regte an, die Handschriften zu illustrieren, um ihnen so eine würdige Gestalt für Gottesdienst und Studium zu geben. Er besang sogar die Kunst des Buchmalens mit einer Hymne:

„Welch` selige Anstrengung, welch` teure Mühsal, mit den Händen den Menschen predigen zu dürfen, mit den Fingern ihre Lippen zu öffnen, den Toten eine stille Seelenrettung zu vermitteln und die verbrecherischen Anschläge des Teufels mit Feder und Tinte zu bekämpfen!“[2]

Dieses Modell wurde Vorbild für die Skriptorien mittelalterlicher Klöster.

Die Regula s. Benedicti (Mitte 6.Jh.), auf die sich das abendländische Mönchtum begründet, enthält keine Andeutungen, daß der Autor Benedikt von Nursia (*um 480, +547), die Klöster als Zentren der Kultur vorgesehen hätte. Er sah lediglich die Einrichtung einer „Schule für den Dienst an Gott“ und einer eigenen Bibliothek für jedes Kloster vor. Die Ordensregel schrieb jedoch vor, daß jeden Tag bestimmte Stunden der „heiligen Lektüre“ gewidmet werden sollten. Neben den offiziellen Lesungen im Gottesdienst, wurden auch bei Tisch private geistliche / erbauliche Lesungen gehalten, welche eine stattliche Bibliothek voraussetzten, zu deren Vergrößerung immerzu entlehnte Bücher abgeschrieben wurden. Bibliothek und Skriptorium also standen in enger Verbindung. Die Skriptorien arbeiteten aber nicht nur für den Eigenbedarf, sie nahmen auch Aufträge von außerhalb an. Denn Skriptorien gab es in der Regel nur in größeren Abteien, kleinere und unbedeutendere waren auf den Bezug von Büchern aus diesen angewiesen.

Ein produktives Skriptorium hatte viele Kontakte, oft auch zu weit entfernt liegenden Klöstern. Handschriften wurden von einem zum anderen Kloster entlehnt und dienten als Vorlage für die Schreiber, wobei Quellenzeugnisse die oft systematische Suche nach Texten belegen. Die Klosterchronik des Gall Öheim aus der Zeit um 1500, die auf einen Rotulus des 9. Jahrhunderts mit bibliotheksgeschichtlichen Notizen bis 842 zurückgeht, berichtet von der regen Tätigkeit der Schreibschule und von Handschriftenschenkungen, die auf intensive Beziehungen zu den Klostern von Rom, Pavia, Verona, Tours, St. Denis, Corbie, Peronne, und Juda (=Cornelimünster) verweisen. Ein lebhafter „Bücherverkehr“ bestand auch mit dem elsässischen Vivarium Murbach, mit Konstanz und St. Gallen.

Das Kloster Fulda unterhielt ebenfalls einen regen Büchertausch innerhalb ganz Europas.

Für die Auswahl der Texte sorgten bereits im Frühmittelalter Bibliographien wie Cassiodors „Instituiones“, „De viris illustribus“ von Hieronymus und Gennadius v. Marseille, der Katalog „De libris recipiendis et non recipiendis“ (um 700). Aus Bibliothekskatalogen läßt sich die Literatur, welche die Skriptorien nach Möglichkeit herzustellen hatten, feststellen: AT, NT, patrist. Werke, liturgische Bücher, Handbücher, Gesetzbücher, Werke aus Philosophie, Geschichte, Dichtkunst und den Septem Artes Liberales, dazu die jeweiligen neueren Autoren aus den für Theologie, Unterricht und Wissenschaft, nötigen Gebieten.

Die heute noch erhaltene Literatur, wie beispielsweise die des klassischen Altertums, verdankt ihre Erhaltung über die Wirren der Völkerwanderung und des Mittelalters hinaus, zum größten Teil der Kopierarbeit, der im Skriptorium tätigen Mönche. Besonders hervor zu heben ist an dieser Stelle das Kloster Fulda. Das Skriptorium von Fulda hat viel zur Überlieferungsgeschichte eben dieser klassischen Literatur der Antike beigetragen. In der Klosterbibliothek fand man neben vielen anderen, die Werke von Cicero, Vergil und Servius. Fuldaer Handschriften haben auch wichtige althochdeutsche „Literaturdenkmäler“ überliefert, wie zum Beispiel das Hildebrandslied, die Merseburger Zaubersprüche und die Kasseler Glossen.

Bücher waren damals unglaublich wertvoll. Und das nicht, weil ein immenser Arbeits- und Zeitaufwand mit der Herstellung von Handschriften verbunden war, sondern auf Grund der benötigten Materialien. Arbeitskraft war im Mittelalter beinahe kostenlos und in fast unerschöpflicher Menge vorhanden. Rohstoffe und die daraus hergestellten Materialien hingegen waren nahezu unerschwinglich. So entspricht der Wert, bzw. der Preis, der für einen Codex benötigten Pergamentmenge, etwa dem eines mittelgroßen Steinhauses. Kaum eine Abtei besaß mehr als zehn Bücher, nur die ganz großen Abteien, wie beispielsweise St. Gallen, besaßen mehr als 500 Handschriften.

Aufgrund dieses großen materiellen, aber auch wegen des hohen ideellen Wertes, die meisten Codex hatten religiöse Inhalte, fanden sich nicht wenige „weltliche“ Stifter, die sich so ihr Seelenheil nach dem Tod erkaufen wollten.

3. Lage eines Skriptoriums im Kloster

Das Skriptorium befand sich in der Regel in Bibliotheksnähe.

Es war entweder im Erdgeschoß, darüber im ersten Stock die Bibliothek, wie beispielsweise im Kloster St. Gallen, oder die Schreibtische wurden direkt in der Bibliothek untergebracht. Das Skriptorium der Zisterzienserklöster befand sich im Mönchsaal; später gab es einige Zellen für Schreiber im Kopistenkreuzgang. Die einzige Ausnahme bildeten die Karthäuser. Sie arbeiteten in ihren Zellen.

Allen gemein ist aber die Größe, hohe Anzahl und Beschaffenheit der Fenster. Die Fenster waren in der Regel aus klaren, in Blei gefaßten, runden Glasstückchen, nicht wie sonst üblich aus gefärbtem Glas oder gar, ganz ohne Glas. Dennoch herrschten in den Skriptorien ehr düstere Lichtverhältnisse und eisige Temperaturen, was nicht zu letzt darauf zurück zu führen ist, daß, wie bereits erwähnt, die Skriptorien oft an die Bibliothek angegliedert waren. Da die Bücher meist den wertvollsten Besitz eines Klosters darstellten, waren sie nicht selten hinter „wehrhaft“ dicken Mauern und außerhalb der Reichweite von Feuerstellen, die die Bücher gefährden könnten, untergebracht. Aus unterschiedlichen Quellen geht hervor, daß es in den Schreibsälen nicht zuletzt deshalb, kalt, zugig und dunkel war. In einer Nachschrift des westgotischen Rechtsbuches beschreibt ein unbekannter Mönch in einer Randnotiz, wie beschwerlich die Arbeit in einem Skriptorium ist.

„(...) o wie schwer ist das Schreiben: es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben, der ganze Körper leidet (...)“[3]

4. An der Buchherstellung beteiligte Mönche

a. Schreiber und Maler

Die direkt an der Handschriftenherstellung beteiligten Mönche genossen im Kloster sehr hohes Ansehen. Sie mußten aber auch, meist schon von Kindesbeinen an, eine strenge Lehre durchlaufen. Diese Berufe sind nur mit viel Disziplin und schier unendlicher Übung, und natürlich mit dem erforderlichen Maß an Intelligenz und Begabung zu erlernen. Für diese harte Schule genossen sie allerdings auch einige Privilegien im Klosterleben. Sie waren beispielsweise von einigen Gebeten in der Kirche befreit, damit sie das Tageslicht voll ausnutzen konnten. Die im Skriptorium Tätigen waren allerdings nicht ausschließlich nur Männer, auch zahlreiche Frauenklöster unterhielten Skriptorien. Die Schreiber usw. mußten auch nicht immer dem Kloster in dem sie gerade schrieben, angehören. Klöster konnten auch „peregrini“ anwerben; so sind Iren und Engländer in Nordfrankreich, in den Niederlanden und im Rheinland, Italiener in Deutschland, Spanier im Loiregebiet und Normannen in England keine Seltenheit.

Eine Handschrift anzufertigen dauerte in der Regel weniger lang, als man bei dem immensen Arbeitsaufwand vielleicht annehmen könnte. Ein Codex wurde in „Arbeitsteilung“ angefertigt, d.h. für jeden „Arbeitsgang“ gab es andere, auf diesen spezialisierte Mönche. Einer schrieb die Schrift, einer malte die Ranken, einer die Miniaturen und einer zeichnete die Initialen. Oft haben Schreiber selbst in die Handschrift eingetragen, wann sie damit begannen und wann sie ihr Werk vollendeten. In einer 300 Blätter starken Handschrift des 15. Jahrhunderts ist vermerkt, daß der Schreiber nur 18 Tage gebraucht hatte, um sie fertig zu stellen. Ein weiteres Beispiel wurde mit dem irischen Mönch Columba überliefert. Er soll um das Jahr 680 das „Book of Durrow“, welches 248 Blätter umfaßt, in nur 12 Tagen geschrieben haben. Die Schreibermönche wurden durch nichts bei ihrer Arbeit abgelenkt, so konnten sie dieses erstaunliche Pensum durchaus in dieser kurzen Zeit bewältigen.

Die Handschriften beginnen ohne Titelblatt auf der ersten Seite mit einer großen, kunstvollen Initiale und dem Wort „incipit“ oder, bei deutschen Handschriften, mit „hie beginnt“ oder „hie hebt an“. Nähere Angaben über den Inhalt des Werkes, über den Verfasser und über den Schreiber befinden sich in der Regel am Ende des Werkes. Hier stehen auch die sogenannten Schreibersprüche, die manchmal den Namen des Schreibers überliefern und sehr oft von der Mühe des Schreibens erzählen.

„Finito libro sit laus et gloria Christo“

„Hie hat das Buch ein End - des freun sich mine hend“

„Ach wie froh ich was - do ich schib deo gratias“[4]

- Schreiber / Kopisten: Sie hatten zur Aufgabe die Texte der zu schreibenden oder zu kopierenden Handschrift zu übertragen. Der Beruf des Schreibers setzt nicht voraus, daß sie auch wirklich schreiben konnten. Oft „malten“ sie die Buchstaben einfach nur ab, ohne den Inhalt lesen zu können. Da dies offensichtlich zu Abschreibefehlern führte, zeigt sich an den Ermahnungen der Äbte, die ihre Schreibermönche immer wieder zu Genauigkeit ermahnten, da sie ja schließlich das Wort Gottes abschrieben.
- Miniaturmaler: Der Name „Miniatur“ zum einen auf den Namen der Farbe „minium“, die in der antike für Federzeichnungen verwendet wurde zurückzuführen, zum anderen aber auch auf den lateinischen Wortstamm „min-„, was soviel wie verkleinern heißt. Miniaturmaler hatten die Aufgabe die Handschriften mit winzig kleinen Bildern zu verzieren.

[...]


[1] Lexikon für Theologie und Kirche, Hrsg. Kasper, Walter, u.a.. 3. Völlig neu bearbeitete Auflage. Freiburg, Basel, Rom, Wien, 2000. Bd. 9. Spalte 660.

[2] Die gelehrte Welt des Mittelalters, Anders Pittz, Köln /Wien, 1982, Seite 21.

[3] Notiz des Schreibers eines westgotischen Rechtsbuchs aus dem 8. Jahrhundert, Berlin PKB lat. Fol. 270: Mon. Germ. Leg III (1863), Seite 589.

[4] Das Buch vom Buch, Helmut Presser. In: Sammlung Dieterich, Band 240. Hrsg. Blühm, Elger; Mackensen Lutz. Bremen, 1962.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Das mittelalterliche Skriptorium
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Literatur II)
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
29
Katalognummer
V6966
ISBN (eBook)
9783638143981
Dateigröße
574 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Skriptorium
Arbeit zitieren
Andrea Lippert (Autor:in), 2001, Das mittelalterliche Skriptorium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6966

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