Doing Gender im Beruf - Soziale Konstruktion von Geschlecht am Arbeitsplatz


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

23 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Geschlecht und Identität am Arbeitsplatz
1.1. „Interactive service work“
1.2. Auswirkungen auf die Identität
1.3. Zum Gender Aspekt

2. McDonald’s
2.1. Allgemeine Informationen zu McDonald’
2.2. Die Studie
2.3. Routinisierte Arbeit
2.4. Doing Gender bei McDonald’s

3. Combined Insurance Corporance
3.1. Allgemeine Informationen
3.2. Doing Gender at Combined Insurance
3.3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu McDonald’s

4. Resümee
4.1. Now hiring smiling faces
4.2. Auswirkungen
4.3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten

5. Literatur

Einleitung

Die folgende schriftliche Ausarbeitung des mündlichen Vortrags vom 08. Juli 2004 soll noch einmal die Untersuchungsergebnisse von Robin Leidner darstellen. Robin Leidner arbeitet aktuell an der University of Pennsylvania als Associate Professor of Sociology. Ihre Forschungsgebiete sind Gender, Arbeit (darunter insbesondere: Arbeit und Identität, Arbeit und Familie), Frauenbewegungen. Ihre nächste Veröffentlichung erscheint dieses Jahr: "Identity and Work." In Social Theory at Work, Oxford University Press.

1. Geschlecht und Identität am Arbeitsplatz

Mithilfe ihrer empirischen Studien über die Arbeit im Dienstleistungssektor zeigt Robin Leidner, dass Arbeitnehmer von „interactive service jobs“ auch unter den ungünstigsten Bedingungen ihren Beruf als geschlechtsadäquat interpretieren. Ihre dabei zugrunde liegende These ist, dass Arbeitnehmer die Identität, die ihnen ihr Beruf auferlegt, besser akzeptieren können, wenn sie diese als ihrem Geschlecht entsprechend interpretieren können. Die Autorin zeigt durch ihre Untersuchungen bei McDonalds und Combined Insurances wie die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung die Annahme von der Natürlichkeit der Geschlechterunterschiede verstärkt, sowie die hohe Flexibilität durch die sich die Geschlechtszuschreibungen auszeichnen.

1.1. „Interactive service work“

Mit „Interactive Service Work“ meint Leidner die Art von Beschäftigung, bei der die Arbeitnehmer direkt mit Kunden interagieren müssen.[1] Wie in der Industrie wird auch auf diesem Sektor standardisiert, das heißt jeder Arbeitnehmer führt immer wieder eine begrenzte Anzahl von genau festgelegten Aufgaben aus. Die Besonderheit, welche die Standardisierung und Routinisierung der Arbeitsbedingungen in „interactive service jobs“ erschwert, ist, dass das zu verarbeitende Rohmaterial unterschiedliche Individuen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen sind. Um die Gleichförmigkeit zu garantieren muss der Arbeitgeber bei interactive service jobs Einfluss auf viel mehr Lebensbereiche nehmen als bei Berufen, die keinen direkten Kundenkontakt verlangen. Er reguliert das Erscheinungsbild, die Verhaltensweisen, Launen und das Benehmen seiner Angestellten.[2]

Ein weiteres Merkmal, durch welches sich die „interactive service work“ vom industriellen Sektor unterscheidet ist die Art der Qualitätskontrolle. Das Produkt bzw. die Dienstleistung, der Arbeitsprozess und der Arbeiter selbst sind im Dienstleistungssektor oft nur schwer unterscheidbar. Wenn also die erfolgreiche Arbeit genauso davon abhängt wie die Angestellten aussehen und sich verhalten, als davon was sie tun, dann kann der Eingriff der Arbeitgeber in diese Bereiche als legitimes Interesse an Qualitätskontrolle betrachtet werden.[3]In jobs where the outcome or product [...] is not easily separable from the quality of the interaction, quality control is not a matter of standardizing products but of standardizing the workers themselves.“[4]

Manche Arbeitgeber legen nur Serviceleistungen detailliert fest und überlassen ihren Angestellten die emotionale Komponente, andere formen den gesamten Habitus ihrer Angestellten. Hochschild nennt die Arbeitsweise, die in den Kunden einen besonderen emotionalen Zustand (auch Angst) herstellen soll „emotion work . Im Dienstleistungsservice ist sie ständig gefordert, kann jedoch unterschiedlich stark ausgeführt werden. Folgende drei Faktoren erfordern eine striktere Standardisierung der „emotion work“: wenn die Qualität der Interaktion mit den Kunden wesentlich den Erfolg des Unternehmen beeinflusst oder wenn Arbeitgeber ihre Angestellten für unfähig oder unwillig halten ihre Arbeit angemessen auszuführen. Wenn aber die Aufgaben zu komplex oder kontextabhängig sind, müssen die Arbeitgeber auf die Fähigkeiten teurerer Arbeitnehmer setzen.[5]

Weiterhin unterscheidet Leidner drei Arten von „interactive service work“, in denen der Erfolg der Arbeit mit von der Qualität der Interaktion –und damit von den persönlichen Attributen des Angestellten abhängt: Bei Typ eins ist die Interaktion untrennbar mit dem gelieferten Produkt oder der Dienstleistung verbunden, wie beispielsweise in der Psychotherapie oder bei der Prostitution. Beim zweiten Typ von „interactive service work“ existieren Produkt bzw. Dienstleistung unabhängig von der Interaktion. Die „emotion work“ ist hier ein wichtiger Aspekt des Services. Als Beispiel kann eine Fluggesellschaft angeführt werden, deren Primärziel es ist, Kunden von A nach B zu bringen. Ein freundlicher Service jedoch spielt ebenfalls eine große Rolle. Zuletzt kann Interaktion ein entscheidender Teil des Arbeitsprozesses sein, obwohl sie nicht Teil des verkauften Produkts ist, wie zum Beispiel bei McDonald’s.[6]

Eine exakte Spezifizierung kann jedoch problematisch werden, da der Kunde immer ein Unsicherheitsfaktor im Standardisierungsprozess ist. Sein Verhalten und seine Reaktionen sind nur in einem bestimmten Maße kontrollierbar, vor allem wenn die Interaktion nicht vom Kunden selbst gesucht wird. Unternehmen mit „interactive service jobs“ müssen deshalb sowohl Angestellte als auch Kunden dazu bringen, ihre Handlungen und Verhaltensweisen mit den Bedürfnissen des Unternehmen in Einklang zu bringen.[7]

Eine besondere Herausforderung ist, dass Kunden als Individuen und nicht als austauschbar wahrgenommen werden wollen. “They want to feel that they are engaged in a real conversation with a real person who listens to them.“[8] Der Kunde ist eine Person „who regards himself as a highly special individual and will react favorably only to those who treat them as such.“[9]

Die Unternehmen arbeiten also auf unterschiedliche Ziele hin. Einerseits behandeln sie Kunden als austauschbare Einheiten, wollen aber andererseits erreichen, dass diese sich persönlich bedient fühlen. „We want to treat each customer as an individual- in sixty seconds or less“[10]

1.2. Auswirkungen auf die Identität

Wie oben bereits kurz erwähnt hat die Routinisierung der Verhaltensweisen am Arbeitsplatz Auswirkungen auf die Identität der Arbeitnehmer. Die Standardisierung bremst die individuelle Entfaltung des Arbeitnehmers und nimmt ihm die Möglichkeit selbst Probleme zu bewältigen oder eigene Entscheidungen zu treffen. Die Arbeit bietet keine Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung oder anderweitigen Befriedigung, da sie von der Persönlichkeit des Arbeiters getrennt wird. In „interactive service jobs“ wird dies auch auf Gefühle, Launen und das Erscheinungsbild der Arbeiter ausgeweitet. Daraus ergeben sich Probleme erstens mit Unstimmigkeiten zwischen Handlungen und Gefühlen, zum Beispiel immer Lächeln zu müssen und zweitens mit der Art der routinierten Arbeit (wie sollen die Arbeitnehmer mit anderen umgehen und wie gehen sie normalerweise mit anderen um).[11]

Standardisierungen können des Weiteren Spannungen zwischen Order und Selbstverständnis verursachen. Beispielsweise kann es unter den Angestellten dazu kommen, dass sie die, für selbstverständlich gehaltenen Normen über soziales Miteinander und den Glauben an Individualität, Authentizität und persönliche Integrität in Frage stellen. Dadurch kann es zu Identitätskrisen kommen, in der sich der Arbeitnehmer darüber klar werden muss, ob er der Typ Mensch sein kann, den die Arbeit von ihm zu sein verlangt. Dagegen können die Standardisierungen am Arbeitsplatz auch als Schutzmechanismus dienen und Distanz zur Berufsrolle schaffen, wie z.B. im Falle der Beschäftigung bei einer Sexhotline.[12]

Da nach Mead das Selbst durch Andere und deren Reaktionen auf dieses Selbst mitbestimmt wird, ist für die eigene Identität weiterhin wichtig, wie die Angestellten von Anderen aufgrund ihrer Berufsrolle behandelt werden. Obwohl die Angestellten keinen Einfluss darauf haben, müssen sie die Auflagen des Arbeitgebers erfüllen und gleichzeitig die Bedürfnisse der Kunden befriedigen. Sie stellen das Bindeglied zwischen Unternehmen und Kundschaft dar und müssen deshalb oft in die Rolle des Sündenbockes schlüpfen.

1.3. Zum Gender-Aspekt

Einer der wichtigsten Aspekte, der entscheidet wie eine Arbeit angesehen und bewertet wird, ist ihre Assoziation mit einem bestimmten Geschlecht. Dabei verstärkt geschlechtsspezifische Arbeitsteilung den Anschein von der Natürlichkeit der Geschlechterunterschiede. Wenn alle Stelleninhaber einer bestimmten Arbeit dasselbe biologische Geschlecht haben, scheint es für die Öffentlichkeit, dass Menschen mit diesem Geschlecht besonders gut dafür geeignet sind. Selbst wenn zu anderen Zeiten oder an anderen Orten das „andere“ Geschlecht dieselbe Arbeit ausführt.

Die folgenden Studien zeigen, dass Arbeitnehmer solche Interpretationen von der geschlechtlichen Eignung ihres eigenen Berufes auch unter ungünstigsten Bedingungen durch führen, also auch dann, wenn der Beruf eigentlich viel eher als passend für das andere Geschlecht gelten würde oder wenn viele Aspekte nicht Ausdruck des Charakters einer Person sondern per Skript festgelegt sind.[13]

Bei der Konzeption dieser Skripts stellen die Arbeitgeber Vermutungen darüber an, was Kunden mögen, was sie motiviert oder was sie als normal erachten. Manche dieser Annahmen betreffen die Art wie sich Geschlechter verhalten und sagen viel über die unterstellten Beziehungen zwischen Männer und Frauen beziehungsweise darüber wie die Machtkonstellationen verteilt sind, aus. Diese Annahmen über geschlechtsspezifische Verhaltensweisen werden in die tägliche Arbeitsroutine so eingebaut, dass die Sevice Empfänger sie im Interaktionsprozess automatisch akzeptieren.[14]

Beispiele für Unternehmen die „interactive service work“ bis ins kleinste planen und standardisieren sind McDonalds und das Versicherungsunternehmen Combined Insurance. Die beiden Unternehmen stellen Extremfälle dar, in denen die Routinisierung bis zum äußersten getrieben wurde. Sie machen jedoch das zentrale Paradox bei der Geschlechtskonstruktion deutlich. Die Tatsache der enormen Flexibilität der Geschlechtszuschreibungen in Bezug auf ihre Interpretation, minimiert nicht die Annahme der Natürlichkeit der Geschlechterunterschiede, welche die Geschlechtersegregation am Arbeitsplatz hervorrufen und fortführen.[15]

Bei der Datenerhebung ging die Autorin folgendermaßen vor: In einem ersten Schritt versuchte Leidner durch Interviews mit Managern und durch die Teilnahme an Trainingsprogrammen soviel wie möglich über die Ziele und Strategien des Unternehmens zu lernen. Der zweite Schritt bestand anschließend aus einem Praxistest, aus Interviews mit Angestellten sowie informeller Konversationen im Pausenraum.[16]

2. McDonald’s

Leidners Studie soll zeigen, wie die Geschlechtertrennung am Arbeitsplatz die Konzeption der Natürlichkeit der Geschlechterunterschiede verstärkt. Ihre teilnehmende Beobachtung bei McDonalds macht gleichzeitig deutlich, dass der Versuch dieser Unternehmen (Interactive Service Jobs) die Arbeit ihrer Angestellten zu routinisieren, von der Absehbarkeit des Verhaltens der Kunden abhängt. Diese Absehbarkeit wiederum ist von den Mitteln abhängig, welche die Unternehmen zur Kanalisation des Kundenverhaltens zur Verfügung haben. So wird bei McDonalds die Autonomie des Arbeitnehmers gegenüber den Kunden durch die Routine stark limitiert. Anders als bei Leidners zweiter Untersuchung des Versicherungsunternehmens, hat der Arbeitnehmer keinerlei Macht über den Kunden.[17]

[...]


[1] vgl. Leidner, Robin: Fast Food, Fast Talk. Service Work and the routinization of everyday life. University of California Press. 1993, S.2

[2] vgl. ebd. S. 30

[3] vgl. ebd. S. 26

[4] Leidner, Robin: Fast Food, Fast Talk. Service Work and the routinization of everyday life. University of California Press. 1993, S. 24

[5] vgl. ebd. S. 27

[6] vgl. ebd. S. 26

7 vgl. ebd. S. 27

[7]

[8] Leidner, Robin: Fast Food, Fast Talk. Service Work and the routinization of everyday life. University of California Press. 1993: S. 11

[9] Roman 1979: 15 in Leidner, Robin: Fast Food, Fast Talk. Service Work and the routinization of everyday life. University of California Press. 1993: S. 11

[10] Leidner, Robin: Fast Food, Fast Talk. Service Work and the routinization of everyday life. University of California Press. 1993: S. 35

[11] vgl. ebd. S. 12

[12] vgl. ebd. S. 13

[13] vgl. Leidner, Robin: Serving Hamburgers and Selling Insurance. Gender, Work and Identity in Interactive Service Jobs. In: Gender&Society, Vol. 5, No. 2, June 1991: S. 155

[14] vgl. ebd. S. 156

[15] vgl. Leidner, Robin: Serving Hamburgers and Selling Insurance. Gender, Work and Identity in Interactive Service Jobs. In: Gender&Society, Vol. 5, No. 2, June 1991: S. 158

[16] vgl. ebd. S. 159

[17] vgl. Leidner, Robin: Fast Food, Fast Talk. Service Work and the routinization of everyday life. University of California Press. 1993. S. 44/45.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Doing Gender im Beruf - Soziale Konstruktion von Geschlecht am Arbeitsplatz
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Empirische Studien zur sozialen Konstruktion von Geschlecht
Note
1,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V69541
ISBN (eBook)
9783638613613
Dateigröße
428 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Doing, Gender, Beruf, Soziale, Konstruktion, Geschlecht, Arbeitsplatz, Empirische, Studien, Konstruktion, Geschlecht
Arbeit zitieren
Marco Librera (Autor:in), 2004, Doing Gender im Beruf - Soziale Konstruktion von Geschlecht am Arbeitsplatz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69541

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