Die Vorbereitung auf die nachschulische Wohnsituation als Aufgabe der Schule für Körperbehinderte


Examensarbeit, 2001

125 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Beschreibung der Stationen

Die Unterrichtseinheit besteht aus sieben Stationen, die nachfolgend vorgestellt werden. Um einen Eindruck von den Arbeitsergebnissen der Schüler zu vermitteln, wurden, soweit vorliegend, Kopien von Schülerarbeiten in Anhang gestellt. Die im Unterricht verwendeten Arbeitsblätter wurden farbig ausgedruckt, dies ließ sich hier nicht realisieren. Arbeits-materialien (Broschüren, Internetinhalte, u.a.) auf die in den Arbeitsblättern verwiesen wird, konnten aus organisatorischen Gründen nicht in den Anhang gestellt werden.

Die ersten drei Stationen beschäftigen sich jeweils mit einer speziellen Wohnform: Berück-sichtigt werden dabei das Wohnheim, die betreute Wohngruppe für Behinderte sowie das Wohnen in der eigenen Wohnung. Die Schüler sollen sich hier näher mit einer von ihnen gewählten Wohnformen beschäftigen und entsprechende Vor- und Nachteile aus ihrer individuellen Sicht erarbeiten.

Die vierte Station ‚Wie miete ich eine eigene Wohnung ?‘ richtet sich vorwiegend an Schüler, die später in einer eigenen Wohnung wohnen möchten. Sie sollen hier ihre eigenen Wohnbedürfnisse reflektieren und basierend auf diesen Ergebnissen Zeitungsannoncen auswerten und, in einem zweiten Schritt, selbst verfassen.

Die fünfte Station soll den Schülern erste Ansatzpunkte zum Kontakt mit Einrichtungen der Behindertenhilfe aufzeigen. Dabei werden sowohl herkömmliche Wege, wie auch die Informationsbeschaffung aus dem Internet thematisiert. So wird der in Hamburg von der Sozialbehörde regelmäßig herausgegebene gedruckte ‚Ratgeber für behinderte Menschen‘ mit einem umfassenden Adressverzeichnis ausgewertet, gleichzeitig aber auch die entsprechenden Internetangebote der Träger besichtigt. Diese Station ist sowohl für Schüler, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen möchten gedacht, als auch für Schüler, die im eigenen Wohnraum leben, jedoch ambulante Betreuung beanspruchen möchten.

Die Station ‚Bücher zum Thema Auszug‘ soll die Schüler an das Thema ‚Auszug aus dem Elternhaus‘ über die Jugendliteratur heranführen. Insbesondere wird das Buch ‚Jetzt führe ich mein Leben selbst !‘ behandelt, in dem die Bewohner einer betreuten Wohngruppe ihre Erfahrungen mit dem Auszug aus dem Elternhaus darstellen. Das Buch ist im Stile einer Fotostory gehalten und beinhaltet nur wenig Text, der gut in einer Schulstunde bewältigt werden kann.

Die abschließende siebte Station ‚Meine Traumwohnung‘ ist eine sogenannte ‚Leerstation‘, wie sie das Konzept des Werkstatt-Unterrichts vorsieht. Hier sollen sich die Schüler kreativ beschäftigen, die zur Zeit keine Motivation oder Konzentration aufbringen, an anderen Stationen zu arbeiten.

Beobachtungsbericht 1

Es ist Dienstag, der 12. 6. 2001, der zweite Tag der Unterrichtseinheit. Die Stunde beginnt um 11.30 Uhr nach der großen Pause. Alle zehn Schüler der Klasse erscheinen pünktlich zum Unterrichtsbeginn. Jasmin, Sandra, Ralf und Walter sind schon etwa zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn anwesend. Sie beobachten mich beim Aufbau und stellen Fragen wie: „Was machen wir heute?“.

Kurz nach 11.30 Uhr eröffne ich die Stunde und begrüße die Schüler. Ich fordere die Schüler auf, mit der Stationsarbeit zu beginnen und sich Arbeitsaufträge auszusuchen. Markus, Chris und Sabine waren in der letzten Stunde, in der die Arbeitsweise beim Werkstatt-Unterricht erläutert wurde, nicht da. Ich sage ihnen, dass sie sich zusammensetzen sollen, damit ich ihnen rasch das Notwendigste erzählen kann. Markus und Sabine hören mir genau zu und stellen Verständnisfragen. Chris verhält sich dagegen zappelig und hört nicht zu. Er äußert den Wunsch sofort mit der Stationsarbeit beginnen zu wollen, seine Mitschüler können ihm ja alles sagen, was er wissen müsse.

Währenddessen bilden sich in der Klasse zwei Arbeitsgruppen. Jasmin und Nadine setzen sich zusammen und besprechen, welche Station für sie interessant ist. Jasmin schlägt vor, sich mit „Wohnen auf eigene Faust“ zu beschäftigen. Nadine ist damit einverstanden, gemeinsamen besorgen sie sich das Material vom zentralen Materialtisch. Eine zweite Arbeitsgruppe bilden Ralf, Walter, Ben und Arne. Ralf fragt mich, ob sich die Gruppe in den Nebenraum setzen kann, weil dort mehr Platz ist. Ich willige ein, denn für eine so große Gruppe ist die Sitzordnung der Klasse recht ungünstig. Auf meine Aufforderung, sich Gedanken darüber zu machen, welche Station denn für die Schüler besonders interessant sei, antwortet Ralf: „Ich will alles schaffen !“. Ben besorgt daraufhin das Material für den ersten Auftrag der ersten Station „Wohnheime“. Yang hat sich keiner Gruppe angeschlossen. Da in ca. 15 Minuten seine Fußball AG beginnt, möchte er keinen neuen Auftrag beginnen. Er schaut teils interessiert, teils nervös auf die Uhr schauend zu, was in der Jungengruppe passiert. Einige Zeit später verlässt er die Klasse Richtung Fußballplatz.

Nach rund 10 Minuten Einführung können auch Sabine, Markus und Chris mit der Stationsarbeit beginnen. Während Sabine ruhig und systematisch die Liste der Stationen durchliest und sich schließlich für die Station „Wohngruppen“ entscheidet, ruft Chris laut: „Ich will alleine wohnen !“. Ich schlage ihm also vor, die Station „Wohnen auf eigene Faust“ zu bearbeiten. Markus fragt Chris, ob sie zusammen arbeiten wollen. Zu dritt gehen wir zum Materialtisch und suchen die Materialien für den entsprechenden Auftrag.

Jasmin und Nadine arbeiten derweil still an ihrem Auftrag. Jeder liest für sich den entsprechenden Text. Jasmin ist damit deutlich früher fertig, sie beschäftigt sich mit der nächsten Aufgabenstellung, wartet aber mit schriftlichen Arbeiten, bis Nadine fertig ist. Kaum ist es soweit, schlägt sie Nadine vor, wie der schriftliche Teil zu bearbeiten sei. Diese liest jedoch zunächst selbst die Fragestellung und macht dann einen eigenen Vorschlag. Auch in der Jungengruppe ist es leise geworden: Jeder liest für sich die Aufgabenstellung durch. Ben beschwert sich: „Ich will nicht lesen !“ –daraufhin liest erst Walter und dann Arne das Material zum Auftrag durch (ca. eine DIN A4 Seite). Anschließend diskutieren die vier die Aufgabenstellung. Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten, ich werde um Rat gefragt. Arne und gleich danach Ralf kommen durch meine Hinweise auf den richtigen Lösungsweg, während Walter protestiert „Blöder Auftrag !“. Ich wandele den Auftrag für Walter leicht ab, so dass er seine Vorstellungen verwirklichen kann. Ben verhält sich während der Diskussion sehr zurückhaltend. Nachdem ich die Gruppe verlassen habe, machen sich alle vier Jungen wieder gemeinsam konzentriert an die Arbeit.

Auch Jasmin und Nadine arbeiten weiter an ihrem Auftrag. Nadine versteht eine Textpassage nicht und fragt Jasmin um Hilfe. Jasmin unterbricht ihren Text und erklärt etwas. Sandra hat sich währenddessen für einen Auftrag entschieden, sie geht an den Materialtisch, es dauert etwas, ehe sie sich zurecht gefunden hat und mit dem entsprechenden Material an den Tisch zurück geht. Chris liest derweil halblaut die Aufgaben zum ersten Auftrag vor. Markus ruft zwischendurch freudig: „Hey, das ist ja voll einfach !“. Anschließend schreiben Markus und Chris sehr schnell etwas auf ihre Arbeitsblätter. Markus scheint von Chris abzuschreiben. Nach kurzer Zeit holt Markus nach Aufforderung von Chris bereits das Material für den zweiten Auftrag. Nachdem er zurückkehrt nimmt ihm Chris den Auftrag aus der Hand, beginnt zu lesen und schreit: „Das brauche ich alles nicht !“. Markus liest davon weitgehend unbeeindruckt die Arbeitsanweisungen weiter. Ich ermahne Chris etwas ruhiger zu sein und versuche ihn zu motivieren, weiter am Auftrag zu arbeiten.

Im Nebenraum schreibt die Jungengruppe weiter an den Ergebnissen des ersten Auftrages. Dies läuft sehr ruhig ab, zwischendurch vergleichen die vier ihre Ergebnisse. Besonders Walter und Ralf tun dies häufig, jedoch schreibt keiner explizit vom anderen ab. Ralf und Ben sind als erstes mit der Aufgabe fertig, Ralf fordert Ben auf, „schon mal den nächsten Auftrag“ zu holen (Ralf ist dazu aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage). Auch Jasmin und Nadine sind mit ihrem Auftrag fertig. Nadine will den folgenden Auftrag holen, findet ihn aber nicht. Sie bittet mich um Hilfe, gemeinsam stellen wir fest, dass Chris und Markus gerade an diesem Auftrag arbeiten und daher das Material fehlt. Ich schlage vor, zunächst den dritte Auftrag der Station zu bearbeiten. Die beiden Mädchen willigen ein und beginnen mit der Arbeit. Wenig später stellen sie jedoch fest, dass ihnen zum Bearbeiten des Auftrages Grundlagen fehlen, die in Auftrag 2 vermittelt werden. Jasmin geht daher zu Chris und fragt, ob sie fertig seinen und Materialien tauschen können. Chris willigt ein und auch Markus protestiert nicht, obwohl ich den Eindruck habe, dass beide den Auftrag noch nicht vollständig bearbeitet haben.

In der Zwischenzeit hat Yang wieder die Klasse betreten. Er berichtet, dass seine Fußball AG wegen Regens ausgefallen sei. Gemeinsam überlegen wir, welchen Auftrag er beginnen möchte. Ich zeige ihm noch einmal die Liste mit allen Stationen, er entscheidet sich dann spontan für „Wohngruppen“. Sandra, die bisher alleine für sich sehr sorgfältig und konzentriert am ersten Auftrag dieser Station gearbeitet hat, ist in diesem Moment fertig geworden. Yang bittet sie um das Material. Sandra gibt es ihm zusammen mit einen Tip, worauf er achten solle. Danach holt sie sich selbst vom Materialtisch den zweiten Auftrag der Station. Obwohl beide Schüler dieselbe Station bearbeiten und auch in räumlicher Nähe sitzen, findet keine Kommunikation zwischen Yang und Sandra statt. Yang sitzt ruhig auf seinem Platz und beginnt langsam und mühsam den Aufgabentext aus Auftrag 1 zu lesen. Ihm ist die Enttäuschung über den Ausfall der AG anzumerken. Sandra arbeitet an Auftrag 2, nach einiger Zeit ruft sie mich wegen Verständnisproblemen mit dem Text. Ich vereinfache ihn, indem wir gemeinsam einige Begriffe klären und durch andere, einfachere ersetzen.

Die Jungengruppe beschäftigt sich unterdessen mit dem zweiten Auftrag der Station „Wohnheime“, jeder liest leise für sich die Aufgabenstellung. Plötzlich entsteht Streit zwischen Ralf und Ben, wer als erster das zugehörige Material ansehen darf. Ben geht aus dieser Auseinandersetzung, vermutlich aufgrund seiner motorischen Überlegenheit, als Sieger hervor. Nach ihm lesen Ralf und Walter gemeinsam das Material. Zwischen den anderen Gruppenmitglieder entsteht während der Wartezeit ein Gespräch ohne Bezug zum Unterrichtsgegenstand. Während Arne als letzter der Gruppe das Material liest, entsteht eine Diskussion über den richtige Lösungsansatz. Schließlich schreibt jeder für sich unter ständiger gegenseitiger Vergewisserung etwas auf seine Arbeitsblätter. Nachdem Arne fertig gelesen hat, fügt er sich in den Stand der Gruppenarbeit ein, später schreibt er den ersten Teil der Arbeit bei Ben ab.

Unterdessen liest Jasmin laut das Material von Auftrag 2 der Station „Wohnen auf eigene Faust“ vor. Nach einiger Zeit wird gewechselt, obwohl Nadine stöhnt: „Sooo viel zu lesen !“. Nach einer kurzen Besprechung fangen die beiden dann an jeder für sich die Aufgaben schriftlich zu bearbeiten, dabei kommt es kaum noch zu Absprachen. Chris arbeitet währenddessen am dritten Auftrag seiner Station. Er ist recht unruhig, schaut immer wieder zum Nachbarn oder in der Klasse herum. Manchmal bemerkt er unterrichtsfremde Auffälligkeiten und ruft diese laut in die Klasse (z.B. „Du hast ein Loch im Pulli !“). Plötzlicher ruft er „fertig !!“ und beendet seine Arbeit am Auftrag. Ich schaue mir seine Ergebnisse an und versuche, ihn mit geringem Erfolg zum Weiterarbeiten zu motivieren, da die Aufgabe nur ansatzweise gelöst wurde. Markus ist von der Störung unbeeindruckt. Während ich mich mit Chris unterhalte, arbeitet er eifrig weiter an Auftrag 3. Auch im Folgenden versucht Chris einige Male Markus anzusprechen, wird aber meist ignoriert oder mit kurzen Antworten abgetan. Ich ermahne Chris, nachdem Markus sich über Störungen durch ihn beschwert hat.

Yang ist derweil noch immer am Lesen der Aufgabenstellung zu Auftrag 1. Dabei unterbricht er häufig und sitzt dann beinahe regungslos auf seinem Stuhl, vermutlich ist dies eine kleine Abscene, die in Verbindung mit seiner Epilepsie steht. Ich setze mich eine Zeitlang zu ihm, erkläre noch einmal die Aufgabenstellung und vereinfache den Text, da Yang offensichtlich Verständnisprobleme hat. Kurze Zeit später schreibt er dann einige Sätze auf sein Arbeitsblatt, das Arbeitstempo ist aber noch immer sehr langsam. Auch Sandra schreibt langsam, aber doch produktiv. Inhaltlich passen die Antworten gut zu ihrem Auftrag. Etwa 10 Minuten vor Ende der Stunde ist sie mit dem zweiten Auftrag fertig. Sie äußert den Wunsch trotz des nahen Stundenendes noch mit dem dritten Auftrag beginnen zu wollen und besorgt sich den dafür notwendigen Katalog über Wohngruppen vom Materialtisch. In der Jungengruppe wird derweil weiter zusammen am zweiten Auftrag der Station über Wohngruppen gearbeitet. Plötzlich ruft Ralf „geschafft !“ und kurz danach hören auch die anderen auf zu schreiben. Es entsteht eine lebhafte Diskussion, deren Inhalt mit dem Unterrichtsthema zu tun hat. Walter schlägt nach einer gewissen Zeit vor, nun mit der Station „Wie miete ich eine eigene Wohnung ?“ zu beginnen, Arne äußert Zustimmung und holt den Auftrag für die Gruppe. Ralf und Ben reagieren nicht auf den Vorschlag, sie sind noch im Gespräch vertieft. Ich weise auf den nahen Unterrichtsschluss hin, worauf sich Walter und Ben den Auftrag zwar noch ansehen, jedoch nicht mehr mit schriftlichen Arbeiten beginnen.

Auch Jasmin aus der Mädchengruppe hat inzwischen ihren Auftrag beendet, sie wartet auf Nadine, die kurze Zeit später ebenfalls fertig ist. Sie beginnen ein Gespräch. Als ich dazu komme, überzeugen sie mich, dass sie keine Lust mehr auf einen neuen Auftrag haben und es sich auch nicht mehr lohne, da bald Unterrichtsschluss sei. Ich stimme zu und ermutige sie, ihre Sachen zu ordnen und die Materialien zurückzulegen. Markus hat ebenfalls seinen Auftrag fertiggestellt. Chris hilft ihm beim Wegräumen der Materialien, dabei unterhalten sie sich recht laut. Ich beende nun die Stunde offiziell und entlasse die Schüler in die Pause.

[...]

Ende der Leseprobe aus 125 Seiten

Details

Titel
Die Vorbereitung auf die nachschulische Wohnsituation als Aufgabe der Schule für Körperbehinderte
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für Körperbehindertenpädagogik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
125
Katalognummer
V695
ISBN (eBook)
9783638104562
Dateigröße
883 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
incl. Anhang 126 Seiten
Schlagworte
Körperbehinderung, Schule für Körperbehinderte, Wohnen, Wohnvorbereitung
Arbeit zitieren
Christoph Ziehm (Autor:in), 2001, Die Vorbereitung auf die nachschulische Wohnsituation als Aufgabe der Schule für Körperbehinderte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/695

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