Der Bildungsbegriff bei Wilhelm von Humboldt und seine Auswirkungen auf das deutsche Schulsystem


Hausarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Gliederung

I. Einleitung

II. Wilhelm von Humboldt und seine Zeit
II.1. Biographisches
II.2. Die historischen Rahmenaspekte

III. Die Bildungsreform
III.1. Die Bildungsreform als Teil des Gesamtwerkes
III.2. Die Reform Wilhelm von Humboldts
III.2.1. Die Ausgangslage
III.2.2. Was ist Bildung?
III.2.3. Die Gliederung der Reform
III.2.3.1. Elementarbildung
III.2.3.2. Schulbildung
III.2.3.3. Universitätsbildung

IV. Fazit

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die Bildungseinrichtung des Gymnasiums lässt sich, bei genügend großer Toleranz, bis auf die Platonische Akademie1 zurückführen. Sie entwickelt sich in der späteren Geschichte über die Kloster­, Dom­ und Stiftsschulen im 5. Jahrhundert, die Lateinschulen Melanchtons (16. Jahrhundert), den neuhumanistischen2 Schulen im 18. Jahrhundert hin zu dem, was wir heute als Gymnasium kennen. Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Name Wilhelm von Humboldts als großer Bildungsreformer des 19. Jahrhunderts und es wird auf seinen scheinbar bis in die heutige Zeit reichenden Einfluss3 auf das deutsche Bildungssystem verwiesen. In der vorliegenden Hausarbeit soll unter Anderem geklärt werden, unter welchen Umständen Humboldts Reformen überhaupt realisierbar und auch notwendig wurden.

Zudem wird auch sein Begriff der Bildung näher betrachtet, ohne den es nicht möglich ist, seine Reformpläne nachzuvollziehen und beurteilen zu können, ob und in wie weit die Ansätze Humboldts in das heutige deutsche Bildungssystem reichen. Die Hauptfrage der vorliegenden Arbeit ist also: Welchen Begriff bzw. welche Vorstellung hatte Humboldt von Bildung und wie sollte diese Menschenbildung realisiert werden? Ferner wird die von ihm konzipierte Bildungsreform und der geplante Aufbau des Schulsystems skizziert und an ge­ eigneter Stelle kurz auf die Gegenwart verwiesen. Ein Schwerpunkt wird hierbei auf das Gymnasium gelegt, da es, zumindest vom Namen und dem Selbstverständnis her, die traditionsreichste Bildungsform in Europa ist.4

II. Wilhelm von Humboldt und seine Zeit

II.1. Biographisches

Wilhelm von Humboldt entstammte einer pommerschen Familie, welche einige Beamte und Offiziere im Dienste der Hohenzollern hatte. Auffällig war sie indes nicht und gehörte auch nicht zum alten Hochadel. Geboren wurde er am 22. Juni 1767 in Potsdam, zwei Jah­ re vor seinem Bruder Alexander, welcher als Entdecker und Naturforscher heutzutage einen besonders hohen Bekanntheitsgrad inne hat. Ab 1787 besuchten beide gemeinsam die Uni­ versität in Frankfurt an der Oder. Wilhelm wechselte allerdings schon im Folgejahr nach Göttingen und wurde bereits 1790 als Referendar am Kammergericht in Berlin in den Staatsdienst aufgenommen. Schon 1791 schied er wieder aus aus, um sich der Wissenschaft zu widmen. Humboldt, welcher die französische Revolution zum Teil in Paris selbst erleb­ te, stellte Untersuchungen an, welche Auswirkungen und welche Bedeutung die franzö­ sische Revolution wohl für Preußen haben könne.5

Er lernte auf seinen umfangreichen Reisen sowohl Goethe als auch Schiller kennen, kor­ respondierte sehr intensiv mit beiden und kann mit diesen gemeinsam als Fundament der deutschen Klassik gesehen werden.6 Ab 1802 lebte Wilhelm von Humboldt als preußischer Gesandter in Rom und war fasziniert von der Stadt und dem antiken Flair.

Im Jahre 1809 wurde Humboldt zum Direktor der Sektion für Kultus und Unterricht im Ministerium des Inneren ernannt, womit sein öffentlicher Auftritt als Bildungsreformer be­ gann. Ausersehen wurde er dafür von Freiherr vom und zum Stein, welcher allerdings schon nicht mehr im Amt weilte. Humboldt schreckte vor der großen Verantwortung, die ihm durchaus bewusst war, zurück und ließ sich mehrfach bitten seine Stelle anzutreten,7 Stein dagegen stieß mit seinen Reformen zunehmend auf Widerstände und wurde entlassen. Den Umstand, dass seine Abteilung dem Ministerium des Inneren unterstellt war, wollte Humboldt nicht akzeptieren, da es nicht von Vorteil sein könne, wenn sich der Staat in die Bildung einmische und die Freiheit von Forschung und Lehre so nicht gewährleistet sei.8 Seine Absicht, ein eigenes Bildungsministerium zu schaffen schlug fehl, und so stellte er bereits am 29. April 1810 ein Entlassungsgesuch, welchem am 14. Juni desselben Jahres stattgegeben wurde. Auch wenn seine Amtszeit lediglich 16 Monate andauerte, begründet sie doch große Teile seiner Bekanntheit - schließlich traf er in dieser Zeit weitreichende und folgenschwere Maßnahmen, erarbeitete Entwürfe und Konzepte, die das Gebiet der Schulbildung noch lange beeinflussten.9 Jedoch, soviel sei schon hier gesagt, darf man den Einfluss Humboldts auf die Bildungsreform in Preußen, und damit auf Grund der ge­ schichtlichen Entwicklungen im 19. Jahrhundert in Deutschland, nicht zu hoch bewerten.10

Nach seiner Entlassung aus dem Bildungsbereich wurde er Gesandter in Wien und trat auf dem Wiener Kongress nochmals während wichtigen politischen Entscheidungen in Er­ scheinung, jedoch hatte er nie wieder gestalterischen Einfluss. Im Jahre 1835 verstarb Humboldt am 08. April in Tegel. Im gleichen Jahr fuhr die erste deutsche Eisenbahn auf der Strecke Nürnberg - Fürth und läutete hierzulande die Industrialisierung ein.

Die Person des Neuhumanisten11 Wilhelm von Humboldt lässt sich nicht so ohne wei­ teres einordnen. Aus heutiger Sicht12 war er auf Grund der Herkunft und Bildung Gutsherr und auch Diplomat, ferner Philologe, Sprachforscher und Übersetzer,13 widmete viel Arbeit der Literaturwissenschaft,14 war Bildungstheoretiker und Schulreformer, Philosoph und Po­ litikwissenschaftler und interessierte sich ganz besonders für die Altertumskunde.15

Schon daran wird deutlich, wie wichtig für Humboldt umfassende Bildung ist. Sie scheint ihm ein wichtiger Teil, wenn nicht gar der wichtigste, zur Entwicklung des Men schen als Individuum.16 An dem breiten Spektrum, auf dem sich Humboldt zeitlebens betä­ tigte, lässt sich ein weiterer Grundsatz seiner Theorie und Überzeugung zu erkennen: Bil­ dung des Menschen ist etwas dauerhaft fortschreitendes und nie zu vollendendes, sie eröff­ net lediglich Möglichkeiten zu zusätzlichen Erkenntnissen.

II.2. Die historischen Rahmenaspekte

Das einschneidendste Ereignis des späten 18. Jahrhunderts war wohl die französische Re­ volution, welche 1789 am 14. Juli mit dem Sturm auf die Bastille in Paris begann. Sie präg­ te durch ihre Errungenschaften wie Freiheit, Abschaffung der Standesschranken und De­ klaration der Menschenrechte. Aber auch durch das Schreckensregime Robespierres oder die Feldzüge und die anschließende Beherrschung des europäischen Kontinents durch Na­ poleon beeinflusste sie das Europa ihrer Zeit und weit darüber hinaus.17

Das Königreich Preußen lag am Anfang des 19. Jahrhunderts ebenso wie andere euro­ päische Mächte am Boden, nachdem es 1806 in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt eine verheerende Niederlage gegen die napoleonischen Heere erlitten hatte. Innen­ wie außenpolitisch war nichts mehr wie noch Jahrzehnte vorher, selbst das Heilige römische Reich deutscher Nation, welches sich immerhin auf eine tausendjährige Tradition berufen konnte, war als Macht­ und Stabilisierungsfaktor in Mitteleuropa in Folge des Krieges 1806 aufgelöst worden und von der Bühne der Politik verschwunden.18 Preußen war zum Teil besetzt und entwaffnet, hatte etwa die Hälfte seiner Territorien verloren, musste Geldzah­ lungen an Frankreich liefern und es auf Grund des Vasallenstatus militärisch unterstützen.

III. Die Bildungsreform

III.1. Die Bildungsreform als Teil des Gesamtwerkes

Vor diesem Hintergrund muss auch die Bildungsreform Humboldts gesehen werden! Durch die umfassende Niederlage des preußischen Staates waren weitreichende Reformen auf allen Gebieten nicht zu umgehen, wenn Preußen nicht völlig untergehen und die eigene Un­ abhängigkeit wiedererlangen wollte. Der mit der Regierung beauftragte Freiherr vom und zum Stein startete somit auch ein weitreichendes Reformprogramm des preußischen Staa­ tes. In die Geschichte ging es als Stein­Hardenbergsches Reformwerk ein. Es konzentrierte sich zunächst auf eine Agrar­, Städte­ und Wirtschaftsreform, mit der eine gesellschaftliche Neuausrichtung erreicht werden sollte. Durch dieses Paket wurde die Leibeigenschaft auf­ gehoben und das Erbschaftsrecht reformiert. Der freie Gebrauch des Grundeigentums sollte ebenso begünstigt werden, wie das Entstehen eines freien Berufsstandes der Bauern, was wiederum erhöhte Produktivität zum Ziel hatte. Die Reform der Städte führte die kommu­ nale Selbstverwaltung ein und die Wirtschaftsreform hob die alten starren Zünfte auf, um auch hier die Wirtschaftskraft zu steigern.19 Eine Heeresreform sollte Preußen wieder in die Lage versetzen, ein schlagkräftiges Heer zu unterhalten. Dabei wurde bewusst auf viele drakonische Strafen der Vergangenheit verzichtet und die höheren Positionen für Bürgerli­ che geöffnet.

Im Zentrum der Reformen stand die Erneuerung der Verwaltung und der Ministerien mit den fünf Facheinrichtungen Äußeres, Inneres, Krieg, Justiz und Finanzen. Die Bürger sollten mehr an den öffentlichen Angelegenheiten beteiligt werden, Erkenntnissen der zeit­ genössischen Wissenschaft ein größerer Einfluss gesichert werden und somit insgesamt eine Neuausrichtung der staatlichen Politik erreicht werden.20

[...]


1 Vgl. Röhrs (1969), S. VI.

2 Neuhumanismus: Die Wiederaufnahme humanistischer Ideale und antik­klassischer Kulturwerte mit

Schwerpunkt auf Griechenland im deutschen Raum ab Mitte des 18. Jahrhunderts.

3 Z.B. „Berliner Rede“ des Bundespräsidenten Horst Köhlers im September 2006. Vergleiche hierzu:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,438462,00.html (25.09.06, 20:13 Uhr).

4 Vgl. Burkert (1994), S. 13 ff.

5 Vgl. Benner (1995), S. 12.

6 Vgl. Berglar (2003), S. 42.

7 Vgl. Berglar (2003), S. 81.

8 Vgl. Berglar (2003), S. 96.

9 Vgl. Berglar (2003), S. 81.

10 Vgl. Benner (1995), S. 176.

11 Der Begriff Neuhumanismus ist kein zeitgenössischer. Er wurde erst am Ende des 19. Jahrhunderts von dem Bildungstheoretiker Friedrich Paulsen geprägt (Vgl. Blättner (1960)) Humboldt selbst sah sich also nicht als solchen.

12 Wilhelm von Humboldt verstand sich zum Beispiel nicht als Philosoph, wird jedoch heutzutage durchaus als solcher geschätzt.

13 Vgl. Borsche (1990), S. 12.

14 Vgl. Benner (1995), S. 13.

15 Vgl. Berglar (2003), S. 68.

16 Vgl. Benner (1995), S. 16 f.

17 Vgl. Art.: Französische Revolution. In: Carl Ploetz (Begr.): Der Große Ploetz. Köln 2005, S. 928, ff.

18 Vgl. Schäfer (1998), S. 665.

19 Vgl. Benner (1995), S. 177.

20 Vgl. Benner (1995), S. 177 f.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Bildungsbegriff bei Wilhelm von Humboldt und seine Auswirkungen auf das deutsche Schulsystem
Hochschule
Universität Mannheim
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V69348
ISBN (eBook)
9783638621793
Dateigröße
969 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bildungsbegriff, Wilhelm, Humboldt, Auswirkungen, Schulsystem
Arbeit zitieren
Lutz Spitzner (Autor:in), 2006, Der Bildungsbegriff bei Wilhelm von Humboldt und seine Auswirkungen auf das deutsche Schulsystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69348

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