Die Darstellung von Kindheit in neueren Kinderbüchern, unter besonderer Berücksichtigung der Auswahllisten 1999-2001 zum Deutschen Jugendbuchpreis


Examensarbeit, 2002

128 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Kindheit im wissenschaftlichen und literarischen Diskurs
1.1 Kindheit im wissenschaftlichen Diskurs
1.1.1 Kindheit als Lebensalter der Erziehungsbedürftigkeit
1.1.2 Kindheit im wechselseitigen Spannungsverhältnis zwischen kollektiven und individuellen Vorstellungen
1.1.3 Kindheit als individuelle Erfahrung
1.2 Kindheit im literarischen Diskurs
1.2.1 Kinderliteratur im 18. Jahrhundert
1.2.2 Kinderliteratur im 19. Jahrhundert
1.2.3 Kinderliteratur im 20. Jahrhundert
1.3 Kindheit im Diskurs dieser Arbeit

2. Inhalt und Abgrenzung des Untersuchungsgebietes
2.1 Zur Begrifflichkeit Kinderbuch
2.2 Der Deutsche Jugendliteraturpreis als Auswahlkriterium

3. Biografien der Autoren und inhaltliche Betrachtung der zum Deutschen Jugendliteraturpreis 1999-2001 nominierten
Bücher der Sparte Kinderbuch

3.1 Boie, Kirsten: Nicht Chicago. Nicht hier.
3.2 Doyle, Brian : Der Mann mit der Maske
3.3 Doorselaer, Willy van : Die Rache des Marmorzüchters
3.4 Fried, Amelie, Gleich, Jacky : Der unsichtbare Vater
3.5 Funke, Cornelia : Herr der Diebe
3.6 Härtling, Peter : Reise gegen den Wind. Wie Primel das Ende des Krieges erlebt
3.7 Leeuwen, Joke van : Viegelchen will fliegen
3.8 Lembcke, Marjaleena : Als die Steine noch Vögel waren
3.9 Morpurgo, Michael : Das Gespenst mit den roten Augen
3.10 Pennac, Daniel : Kamos gesammelte Abenteuer
3.11 Pludra, Benno : Jakob – heimatlos
3.12 Reuter, Bjarne : Hodder der Nachtschwärmer
3.13 Richter, Jutta : Der Hund mit dem gelben Herzen oder die Geschichte vom Gegenteil
3.14 Richter, Jutta : Der Tag, als ich lernte die Spinnen zu zähmen
3.15 Rowling, Joanne K. : Harry Potter – Der Stein der Weisen
3.16 Thor, Annika : Eine Insel im Meer
3.17 Vrancken, Kaat : Anna und die Sache mit der Liebe

4. Die Darstellung von Kindheit im Überblick

5. Die Darstellung von Kindheit an exemplarisch ausgewählten Texten
5.1 Auswahlkriterien
5.2 Die Kindheit im Werk von Kirsten Boie „Nicht Chicago Nicht hier.“
5.2.1 Die Darstellung der Protagonisten
5.2.2 Der Protagonist im soziokulturellen Umfeld
5.3 Die Kindheit im Werk von Amelie Fried und Jacky Gleich„Der unsichtbare Vater“
5.4 Die Kindheit im Werk von Kaat Vrancken „Anna unddie Sache mit der Liebe“
5.5 Die Kindheit im Werk von Rowling „Harry Potter und derStein der Weisen“
5.5.1 Der Protagonist als mythisches Kind
5.5.2 Der Protagonist im Spannungsfeld von Noch-Kindseinund Erwachsenheit
5.5.3 Der Protagonist im soziokulturellen Umfeld
5.5.3.1 Peer Group
5.5.3.2 Familienstrukturen
5.5.3.3 Geschlechtsspezifische Differenzierung imKindheitsbild

6. Resümee

Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Forschungsliteratur
Internetquellen
Verlagsanschriften

Einleitung

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Darstellung der Kindheit in den für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominierten Bücher der Jahre 1999, 2000 und 2001 gestaltet. Es liegt der Gedanke zu Grunde, dass grundsätzlich eine Korrelation von Kinderbüchern und Kindheit besteht. Die Betrachtung der Darstellung von Kindheit ist besonders in dem Zusammenhang bedeutsam, dass vor allem junge Lesende die Ideologie des fokussierenden Charakters oft als maßgeblich ansehen. Gerade dann, wenn die Erzählperspektive die Wahrnehmung und Gefühle eines Protagonisten[1] fokussiert, sind die Lesenden geneigt, dessen Weltanschauung und implizite Ideologie zu übernehmen.[2] Aus diesem Grund ist es interessant zu untersuchen, welches Bild von Kindheit dem kindlichen Leser durch das Kinderbuch vermittelt wird.

Bei der Betrachtung der Kindheit, muss zweierlei berücksichtigt werden: Erstens ist zu beachten, dass Kindheit im deutschen Sprachgebrauch mehrere Sachverhalte bezeichnet. Für die literarische Kindheitsdarstellung sind dabei neben den kollektiven Vorstellungen von Kindheit besonders die für jeden Autor persönlich geltenden Aspekte individueller Vorstellungen von Kindheit ausschlaggebend (zur Bedeutung der verwendeten Begriffe vgl. Abschnitt 1). Und zweitens ist zu bedenken, dass das Bild von Kindheit keineswegs als unveränderlich zu betrachten ist. Kindheit und die Vorstellung, die man sich von ihr macht, sind einem geschichtlichen Wandel unterworfen, auch wenn dies im begrenzten Zeitraum der eigenen Erfahrung nicht auf den ersten Blick deutlich wird. Kindheit im wissenschaftlichen und literarischen Diskurs soll daher in Kapitel 1 in Augenschein genommen werden.

Der meiner Untersuchung zugrundegelegte Textkorpus umfasst 17 Kinderbücher. Diese im Kapitel 3 in Kurzzusammenfassung dargestellten Titel bilden die Grundlage für quantitative Auswertung und Belegstellen. Darüber hinaus wurden zeitweise die am Textkorpus gewonnenen Thesen durch einige weitere Kinderbücher überprüft, so dass insgesamt mehr als zwanzig Texte die Ergebnisse bestätigen. Bei der Textauswahl handelt es sich um Kinderbücher, die in den Jahren 1999, 2000 oder 2001 zum Deutschen Jugendliteraturpreis[3] in der Sparte Kinderbuch nominiert wurden. Die Einschränkung auf den Deutschen Jugendliteraturpreis begründet sich aus der Tatsache, dass der Deutsche Jugendliteraturpreis der einzige Staatspreis für Literatur in Deutschland ist und damit seine kulturpolitische Besonderheit sichtbar wird. Zudem ist er nach seinem Ansehen, seiner Ausstattung und der ihm stets zuteil gewordenen Resonanz in In- und Ausland von keiner anderen Jugendbuchauszeichnung übertroffen worden. Durch diese Beschränkung kann die von mir gewählte Stichprobe nicht als repräsentativ für die gesamte Kinderliteratur dieses Zeitraums gesehen werden[4], denn die Selektion der eingesetzten Jury erfolgt sowohl nach literarischer Qualität und Innovation wie Leseförderung. Die Textauswahl ist somit repräsentativ für den Texttyp der sanktionierten Kinder- und Jugendliteratur (Kapitel 2).

Im Kapitel 4 wird versucht, aus dem gegebenen Textkorpus bestimmte Regularitäten der dargestellten Welt zu abstrahieren, z.B. Geschlechts- und Außenseiterrolle, Schule und Familienstruktur. Da es sich anhand des Überblicks gezeigt hat, dass die literarische Darstellung der Kindheit in einem engen Bezug zu der Subgattung steht, soll diese in Kapitel 5 als Grundlage für eine exemplarische Auswahl an Kinderbüchern dienen, die im Weiteren nochmals detailliert auf die Darstellung der Kindheit untersucht werden sollen.

1. Kindheit im wissenschaftlichen und literarischen Diskurs

1.1 Kindheit im wissenschaftlichen Diskurs

Kindheit bezeichnet in der deutschen Sprache mehrere Sachverhalte, die selten deutlich voneinander unterschieden werden.[5] Aus pädagogisch-kulturanthropologischer Sicht bezeichnet der Begriff zunächst ein Lebensalter, dass im besonderen Maße durch das von jedem Menschen erfahrene Kriterium der Erziehungsbedürftigkeit bestimmt ist.[6]

Des Weiteren beinhaltet der Begriff eine Vielzahl kollektiver, historisch bedingter und historisch wandelbarer Vorstellungen. Er konstituiert sich im Spannungsverhältnis zwischen allgemeinen (kollektiven), zeit- und kulturtypischen sowie speziellen (individuellen) und lebenslaufgemäßen Vorstellungen. Während das Lebensalter Kindheit als „Ist-Zustand“ in der alltäglichen Erziehungspraxis (in der Gegenwart) den Anlass dazu liefert, dass Erziehung im Hier und Heute stattfindet, umfasst diese zweite Leseart des Kindheitsbegriffs die Vorstellungen von Kindheit, die nicht anders als in ihrer historischen Entwicklung zu erklären sind.[7]

Der Kindheitsbegriff umfasst weiterhin den Begriff des Kindseins, der Kindheit als unverwechselbares, individuell erfahrenes Ereignis definiert, das den Lebenslauf jedes Menschen entscheidend prägt. In diesem Sinne erscheint Kindheit als eine persönliche Kindheit im Sinne einer rückerinnerbaren Lebensphase im eigenen Lebenslauf. Spezifische Merkmale der eigenen Person oder bestimmte Situationen der Lebensgeschichte werden dann mit diesem Begriff verbunden.[8]

1.1.1 Kindheit als Lebensalter der Erziehungsbedürftigkeit

Kindheit als Lebensalter wird heute durchgängig in der Abgrenzung zum Säuglingsalter einerseits und zur Jugend andererseits definiert. In der kategorialen Abgrenzung einer Lebensphase, die sich bis zum Eintritt der Geschlechtsreife erstreckt, werden die Altersgrenzen zwischen Kindern und Jugendlichen bereits geschlechtsspezifisch differenziert. Bründel und Hurrelmann setzen die Pubertät beim Mädchen ungefähr im Alter von 11,5-12 Jahren an, beim Jungen im Durchschnitt etwa ein Jahr später.[9]

Eine Definition, die sich jedoch lediglich an einem in Zahlen messbaren Lebensalter orientiert, kann aus pädagogischer Sicht nicht ausreichen. Der Kindheitsbegriff umfasst mehr als die bloße Orientierung an einem bestimmten Lebensalter. Die Problematik der bloßen Altersabgrenzung wird in einer historischen Untersuchung des Begriffes „Kind“, wie sie Ariès vorgenommen hat, verdeutlicht.[10] Es wird ersichtlich, dass sich in der Abgrenzung der Lebensalterbegriffe im Laufe der Geschichte wesentliche Begriffsveränderungen vollzogen haben. Die Vorstellung von Kindheit und Jugend etwa als direkt aufeinander folgende Lebensalter entwickelte sich erst in jüngerer Zeit. In einer mittelalterlichen Abhandlung über Lebensalter etwa heißt es:

Die erste Altersstufe ist die Kindheit [...], und es beginnt diese Altersstufe, wenn das Kind geboren ist und dauert bis zu sieben Jahren, und in diesem Alter wird das, was geboren ist, das Kind genannt [...]. Nach der Kindheit kommt die [...] pueristia, [...] und es dauert diese [...] bis zum 14. Lebensjahr. Danach folgt die [...] Adoleszenz [...], die [...] mit dem 21. Lebensjahr endet. [...] Darauf folgt die Jugend [...], und es dauert diese [...] bis zum fünfundvierzigsten Lebensjahr.[11]

Ariès leistet in seiner „Geschichte der Kindheit“ eine elementare Dokumentation zur Entstehung und Entwicklung der Begriffe, die im Laufe der Jahrhunderte in direktem Bedeutungszusammenhang mit dem Begriff des Kindes standen. In seiner Arbeit bezieht er sich jedoch lediglich auf den französischen Sprachraum. Für die neuhochdeutsche Standardsprache kann eine etymologische Begriffsklärung nur bedingt geleistet werden. Das mittelhochdeutsche „kint“ stammt aus dem althochdeutschen bzw. dem angelsächsischen „kind“, das wiederum auf das substantivierte 2. Partizip des germanischen „kénp a“ bzw. „kenda“ („gezeugt“, „geboren“) zurückzuführen ist. Das mittelhochdeutsche „kintheit“ stammt aus dem althochdeutschen „kindheit“. In der Gegenwartssprache wird der Begriff „Kind“ in erster Linie als altersunabhängige Bezeichnung für den leiblichen Sohn oder die leibliche Tochter verwendet.[12] Eine Vielzahl von Sprichwörtern und Redensarten verwendet den Begriff ungebunden an eine bestimmte Altersgrenze.

Besonders im pädagogischen Bereich wird deutlich, dass sich Erziehung, unter anderem im Bereich der Kindheitsentwicklung, nicht allein an in Zahlen festgemachten Lebensaltern oder verbindlich gesetzten Altersstufen orientieren kann, sondern dass der Bereich Kindheit insbesondere mit Sozialisationserfahrungen im Zusammenhang steht.[13] Dennoch ist eine pädagogische Argumentation ohne eine Differenzierung nach Altersstufen nicht hinreichend. Erziehung, die an einem Entwicklungspunkt fördernd einsetzen will, muss den Grad des erreichten Entwicklungsstandes ausmachen können und sich dabei nach ungefähren Vorgaben, die sich kaum anders als am Lebensalter festmachen lassen, orientieren.

Elisabeth Mader arbeitet in ihrer Untersuchung heraus, dass Kindheit lange Zeit als „universeller Status“ gesehen wurde, der „auf das Entwicklungsziel des Erwachsenseins“[14] hin ausgelegt war. Die Erziehung habe es sich zur Aufgabe gemacht, die „Bildung zum erwachsenen Menschen“[15] voranzutreiben. Kindheit wurde somit als Entwicklungszeit verstanden, hatte keinen selbständigen Wert und war von auf die Zukunft ausgerichteten Ideen bestimmt. Sie wurde vorrangig als „notwendig ablaufende Phase“[16] verstanden, die es in der Entwicklung zu durchleben galt. Im 19. Jahrhundert erlebte diese Vorstellung einen Bruch. In diesem Zusammenhang sind vor allem Fröbel sowie in der Folge Bollnow und Erikson zu nennen, die betonten, dass Kindheit nicht lediglich als Anfangsstadium einer allgemeinmenschlichen Entwicklung betrachtet werden da, sondern dass Kindheit und Jugend sowie das Erwachsensein jeweils eigenständige und eigenwertige Lebensalter darstellen, die in ihrem gegenseitigen Verweisungsbezug zu betrachten sind.[17]

1.1.2 Kindheit im wechselseitigen Spannungsverhältnis zwischen kollektiven und individuellen Vorstellungen

Die zweite Leseart geht davon aus, dass Kindheit abhängig ist von den zeit- und kulturspezifischen Vorstellungen. Die Geschichte der Pädagogik belegt, dass die Vorstellung von Kindheit eng mit der wichtigen Grundfrage der Erziehung gekoppelt ist. An der Frage, welche Vorstellung von Kindheit in einer bestimmten Kultur vorherrschend ist, entscheidet sich letztendlich, wie sich Erziehung gestaltet und was unter ihr verstanden wird.

Rousseaus und Fröbels einschneidende Neudefinitionen des erzieherischen Verhältnisses basieren auf einer Neudefinition der Vorstellung von Kindheit. Somit ist es nicht der größte Verdienst der romantischen Pädagogik, dass sie die Erziehung reformierte, sondern dass sie die Grundlagen hierzu erschaffen hat, indem sie das Bild vom Kinde in ein neues Licht gerückt hat. Auffassungen der Erziehung bedingen bestimmte Vorstellungen von Kindheit und auf der Vorstellung, was Kindheit sei, basiert die Einschätzung, was Erziehung bedeutet.[18]

Die pädagogische Bedeutung, die Kindheit im Leben als auch in der Literatur der Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts einnimmt, erschließt sich erst in der historischen Betrachtung der einem starken Wandel unterworfenen Bedeutung des Kindheitsbegriffs. Einen entscheidenden Beitrag am Bedeutungswandel, den der Begriff der Kindheit seit Anfang des 19. Jahrhunderts erlebt hat, haben die pädagogischen Schriften von Ernst Moritz Arndt, Jean Paul, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Ludwig Jahn und insbesondere Friedrich Fröbel.

1.1.3 Kindheit als individuelle Erfahrung

Neben den bereits vorgestellten Lesearten des Begriffs Kindheit, soll nun eine weitere dargestellt werden, die Kindheit als einmaliges Ereignis definiert, als konkretes Leben des einzelnen, unvergleichbar mit jedem anderen. Dieser nicht generalisierbare Kindheitsbegriff meint das „Kindsein“.

Diese zusätzliche Deutung des Kindheitsbegriffs ist aus der Sicht der Untersuchung von entscheidender Bedeutung: Denn neben allgemeinen Vorstellungen von Kindheit kommt beim Abfassen kinderliterarischer Texte in der Darstellung von Kindern und Kindheit unweigerlich die eigene Kindheit des Autors ins Spiel – also sein Leben als Kind und die in dieser Zeit gemachten Erfahrungen. Die Produzenten von Kinderliteratur haben es somit stets mit zwei unterschiedlichen realhistorischen Ausprägungen von Kindheit zu tun: mit der Kindheit der Adressaten und der erinnerten eigenen Kindheit. In Zeiten geringen sozialen Wandels ist dies nicht von elementarer Bedeutung, da die Autoren die Lebensumstände ihrer kindlichen Adressaten weitgehend am Leitfaden der eigenen Kindheitserinnerungen erschließen können. Dies ändert sich jedoch in Epochen, in denen die kindlichen Lebenswelten einem starken Wandel unterliegen. Hier können die eigenen Kindheitserinnerungen die Wahrnehmung der neuen kindlichen Lebensverhältnisse beeinträchtigen.[19]

Die Bedeutung des Kindseins muss für die biografische Untersuchung neben den anderen Lesearten herangezogen werden, wenn es um die Klärung der Frage geht, welche Vorstellungen von der eigenen Kindheit ausschlaggebend sind für die reflexive Auseinandersetzung mit leitenden kollektiven Vorstellungen von Kindheit sowie die künstlerische Auseinandersetzung mit Kindheit als literarisches Thema.

1.2 Kindheit im literarischen Diskurs

Betrachtet man die literarische Kindheitsmotivik und die Wirklichkeit, so fällt auf, dass Literatur und Wirklichkeit eng miteinander korrespondieren. Manche Autoren haben fast seismographisch die Veränderungen von Kindheit aufgespürt und literarisch umgesetzt. Somit erzählt ein Kinderbuch stets mehr als nur eine Geschichte. Immer, er kann nicht anders, erzählt sein Autor auch, was er von seinen Lesern hält und erwartet. „Die Generation der Erwachsenen zeigt darin ihr der Jugend zugewandtes Gesicht.“[20] Kaminski sieht das Beziehungsgeflecht Kindheit – Kinder- und Jugendliteratur folgendermaßen:

Die Kinder- und Jugendliteratur entstand nämlich in engem Zusammenhang mit der Herausbildung von ‚Kindheit‘, indem sie ein bestimmtes Bild des Kindes verbreiten half und wiederum selbst von der Geschichte der Kindheit beeinflusst wurde.[21]

Dabei ist nach Wild

Kinder- und Jugendliteratur bezogen auf ‚Kindheit‘ Ausdruck kultureller Bewertung, ja nimmt selbst Teil an der kulturellen Bewertung, an der Erstellung und Hervorbringung der Bilder von Kindheit.[22]

Die Bedeutung literarischer Kindheitsdarstellungen sagt somit immer etwas aus über die jeweilige Literatur und Gesellschaft allgemein. Sie reflektiert, welchen Stellenwert Realität oder Traum, Vernunft oder Phantasie besitzen und auch wie viel Gewicht pädagogischen, psychologischen, soziologischen und anthropologischen Themen beigemessen wird.[23] In der vorliegenden Arbeit kommt der literarischen Darstellung der Kindheit eine zentrale Rolle zu. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, einen Überblick über die Geschichte von Kind und Kindheit in der deutschsprachigen Literatur zu geben.

1.2.1 Kinderliteratur im 18. Jahrhundert

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts beschäftigte sich die Kinderliteratur nahezu gar nicht mit Kindern und deren Problemen. Tatsächlich entsteht erst etwa Mitte der sechziger Jahre des 18. Jahrhunderts eine spezifische oder intentionale Kinder- und Jugendliteratur, eine Literatur, die ausdrücklich für Kinder und Jugendliche produziert wurde. Zuvor hat es bereits auch Bücher gegeben, die sich an junge Leser wandten.[24] Ihre Intention war es, den Kindern zu vermitteln, wie die Welt der Erwachsenen beschaffen war. Über welches Wissen man verfügen muss, um in dieser bestehen zu können, welche moralischen Normen und Werte dort gelten und welche Verhaltensregeln zu befolgen sind.[25] „Man hatte zu der Zeit noch keine Bibliotheken für Kinder veranstaltet“[26], schrieb Goethe in bezug auf seine Kindheit. Die Aussage verdeutlicht, dass es zu Beginn der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch keine Separierung von Erwachsenen- und Kinderliteratur in dem Sinne gab, dass sich bereits ein eigenes kinder- und jugendliterarisches Kommunikationssystem herausgebildet hätte.[27]

In der zweiten Jahrhunderthälfte vollzieht sich ein Wandel hin zum Verständnis des Kindes als eigenständiges Geschöpf. Als einschneidend und bahnbrechend für die Diskussion um Kindheit erwies sich der Erziehungsroman „Émile“ von Jean Jacques Rousseaus, der 1762 erschien und den Kindheitsvorstellungen jener Zeit eine neue Dimension verlieh. Entscheidend für die tiefgreifende Wirkung waren nicht nur seine häufig rigiden Erziehungsprinzipien, sondern vorrangig die Prämisse, Kindheit ernst zu nehmen und sie nicht lediglich als Vorstufe zum Erwachsenenalter zu sehen.[28] Es ist eine neue „pädagogische Entdeckung des Kindes“[29], wie Honig 1999 formuliert, die mit Rousseaus Verständnis von der Natur des Kindes einhergeht. Rousseau stößt mit seinem Entwurf einer „Pädagogik vom Kinde aus“ auch unter Deutschlands Spätaufklärern eine nachhaltige Diskussion an. Sie kulminiert in der philanthropistischen Reformbewegung und ist mit Namen wie Basedow und – in der jüngeren Generation- Campe, Salzmann, Trapp oder Gutsmuths verbunden.[30]

Der eintretende Wandel betrifft zunächst nicht die grundlegenden Ziele bzw. das zentrale Anliegen der zeitgenössischen Kindheitsliteratur. Diese versteht sich weiterhin als ein Medium der Vermittlung allgemeingültiger Kenntnisse, Werte und Verhaltensnormen. Es geht weiterhin um die Propagierung des rationalen Weltbildes und des aufgeklärten bürgerlichen Tugendsystems. Im Mittelpunkt des Interesses der literarischen Erzieher steht jedoch seit Mitte des 18. Jahrhundert die Frage, wie diese Werte den kindlichen Lesern nahe gebracht werden könnten. Es begann sich die Auffassung durchzusetzen, dass für Kinder am ehesten solche Geschichten nachvollziehbar seien, welche ihren eigenen Erlebnishorizont betreffen. Es setzte sich weiterhin die Auffassung durch, dass geschilderte Verhaltensweisen dann am ehesten den kindlichen Leser beeindrucken, wenn sie nicht ausschließlich von Erwachsenen, sondern auch von kindlichen Figuren gezeigt bzw. praktiziert werden. Diese Auffassung vollzog einen tiefgreifenden Wandel der Motive und Inhalte der Kinderliteratur.[31] Mit einer Welle pädagogischer Literatur schwillt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch die Produktion didaktischer Kinder- und Jugendbücher stark an. Neben utopisch braven Musterkindern, literarischer Projektionen erzieherischer Wunschträume, setzen sich, bis weit ins nächste Jahrhundert, bebilderte „Warngeschichten“ oder „Unglücksgeschichten“ durch, mit denen Kinder durch drastisch geschilderte Beispiele davon abgehalten werden sollten, unbesonnene Dinge zu tun. Eins der berühmtesten Beispiele ist Heinrich Hoffmanns „Struwwelpeter“ von 1845.[32] Es werden Kinderfiguren dargestellt, die sich zu ihrem eigenen Wohl den Anweisungen der Erziehungsautoritäten fügen oder sich deren Geboten zu ihrem eigenen Schaden widersetzen. Es handelt sich somit bei dieser Art von Kinderliteratur zwar um Kindheitsdichtung, in erster Linie ist es jedoch Erziehungsliteratur.

1.2.2 Kinderliteratur im 19. Jahrhundert

Der Kindheitsdiskurs ab Mitte der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts ist relativ heterogen, da die Kinderliteratur sich aus einer Mehrzahl divergierender, teils auch einander entgegengesetzter Strömungen zusammensetzt. Ewers macht auf eine im weiten Sinne romantische Tendenz, mit dem Urvater Herder, aufmerksam, deren Grundsatz man so formulieren könnte, dass die Kinderliteratur stets zugleich auch Kindheitsdichtung zu sein habe, und zwar nicht lediglich ihrer äußeren Einkleidung nach und auch nicht teilweise, sondern in uneingeschränkter Weise.[33]

Die Autoren der romantischen Kinder- und Jugendliteratur sind allesamt Dichter, Schriftsteller und Germanisten. Somit hat die Kinder- und Jugendliteratur eine vornehmlich literarische Prägung, während zuvor und wieder späterhin vor allem Theologen und Pädagogen auf dem Feld der Kinder- und Jugendliteratur tätig waren.[34] Für die Romantiker zeichnet sich das Kind aus durch

ursprüngliche Integrität und Vollkommenheit, es besitze daher eine gleichsam natürliche Reinheit, einen engelhaften Charakter; in seine Seele seien das Bedürfnis nach Gott und der Sinn für Tugend, Schönheit und Wahrheit eingesenkt.[35]

Während die aufklärerischen Texte durch ihre allzudeutliche pädagogische Intention häufig gekünstelt und wenig subtil wirken, sind die Werke der romantischen Kinder- und Jugendliteratur von jeher unbestritten als literarische Höhepunkte der romantischen Bewegung allgemein angesehen worden und haben, im Unterschied zur übrigen Kinder- und Jugendliteratur, einen unangefochtenen Platz innerhalb der allgemeinen Literaturgeschichte inne.[36] Erinnert sei z. B. an Grimms Märchen, die heute immer noch als zeitlos gültige und pädagogisch wertvolle Literatur für Kinder im Vor- und Grundschulalter gelten und an die Kinderlieder C. Brentanos und Achim von Arnims.[37]

In der Spätromantik gerät allerdings die Darstellung der Engelhaftigkeit und Reinheit der Kinder ins Wanken. Es beginnt die Darstellung des Kindes als höchst zwiespältiges Wesen. Es wird nicht nur wie in Hoffmans Nachtstück „Der Sandmann“ die idealisierte kindliche Kraft geschwächt, sondern die Kinder erscheinen zuweilen selbst als unheimlich und schuldbeladen. Bezeichnend sind wieder Hoffmannsche Figuren wie beispielsweise „Ignaz Denner“ und „Klein Zaches genannt Zinnober“.[38]

Nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Systems bilden sich soziale Differenzierungen heraus, die dazu führen, dass sich Kindheiten getrennt nach Klassenfunktionen entwickeln. Vereinfacht ausgedrückt: sie sind getrennt durch die Linie zwischen arm und reich. Trotz Unterschiede zwischen Adeligen und reichen Bürgern, zwischen wohlhabenden Handwerkern und Bildungsbürgertum war Kindern dieser sozialen Schichten gemeinsam, dass sie Kindheit und Jugend als Schonraum erfahren konnten. In diesem konnten sie frei von der täglichen Arbeit und den alltäglichen Sorgen spielen und lernen, Interessen entwickeln und Begabungen entfalten. Gestärkt durch ein intimes Familienleben verstärkten sich die affektiven Bindungen der Familienmitglieder. Zu den Pflichten der Kinder gehörten nun nicht mehr nur auf konkrete Anforderungen und Situationen bezogene Tugenden, sondern auch die von allem Utilitarismus abstrahierende Liebe zu den Eltern. In den unteren sozialen Schichten musste hingegen unausgesetzt gearbeitet werden um wenigstens das Minimum des täglichen Lebensbedarfs erwerben zu können. Für Kinder dieser Schichten gab es keinen Schonraum, kaum Zeit für Lernphasen. Kinderliteratur die zu diesen sozial schwachen Schichten vordringen wollte, musste anders sein als die für wohlhabendere, bildungsorientierte Schichten: vor allem billiger, also auch anspruchsloser ausgestattet, inhaltlich einfacher und überschaubarer sowie emotional direkt ansprechender.[39] Die pädagogischen Ansprüche an die Kinder- und Jugendliteratur werden zurückgenommen. Man versucht dem Unterhaltungsbedürfnis des jungen Publikums entgegenzukommen.

Allgemein nehmen die Kindheitstexte um 1900 explosionsartig zu. Es sind vorrangig die Einflüsse des Marktes, bedingt durch die Modernisierung der Papierherstellung und neuer Satz- und Drucktechniken, die den Buchpreis erheblich senken und somit eine gestiegene Lesefähigkeit auch in unteren Bevölkerungsschichten ermöglichen. Seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wird im besonderen Maße die Kinder- und Jugendliteratur immer mehr bebildert. Vor allem naturkundliche, geographische und technische Sachbücher, aber auch die neu entstandenen Jugend- und Familienunterhaltungszeitschriften enthielten eine Vielzahl von Illustrationen und gehörten nicht zuletzt deswegen zur meistverbreiteten Literatur der Zeit.[40]

An Popularität übertroffen wurden diese Zeitschriften nur noch von der Reiseliteratur. Diese entwickelt sich immer mehr von der informativen und literarisch gediegenen Reiseliteratur, zu mehr oder weniger trivialliterarischen Erzeugnissen für Kinder- und Jugendliche und setzt auch in Teilen die Tradition der Robinsonaden des 18. Jahrhunderts und der noch älteren Ritter- und Räuberromane fort. Die bis heute stärkste Breitenwirkung haben zweifellos die Reise- und Abenteuerromane Karl Mays ausgeübt. Dass die in Nordamerika und der Wüste Arabiens spielenden Abenteuer Fluchträume bildeten, in der sich vorwiegend junge männliche Leser aus den pädagogisch eingeengten Zonen ihres Alltags im autoritären deutschen Kaiserreich für begrenzte Zeit hinwegträumen konnten, ist aus Leserbiographien bekannt. Der Autor lässt aber auch klar erkennen, dass bereits im Schreiben und Erfinden exotischer Figuren und Landschaften das gleiche Fluchtverlangen am Werke ist. May identifiziert sich so stark mit seiner Hauptfigur (Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi), dass er seine Identität mit dem in der Ich-Form auftretenden Erzähler ausdrücklich vorgibt. Die Pädagogen haben Mays Werke mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Vielfach wurden seine Bücher als triviale Schundliteratur kritisiert, was seine Leserschaft jedoch nicht sonderlich beeindruckte.[41]

Ein weiteres bedeutendes Genre der Kinder- und Jugendliteratur des 19. Jahrhunderts erfuhr eine zwiespältige Bewertung: der Unterhaltungsroman für junge Mädchen, für den sich früh der Name „Backfischliteratur“ eingebürgert hat. Bis heute bekannt blieb aus jener Zeit Emmy von Rhodens „Der Trotzkopf“ (1885). Diese Erzählung wird bis in unsere Gegenwart immer wieder bearbeitet und neu aufgelegt.[42] In ihm werden gegensätzlich zu der Tradition der Lebensgeschichten die „Pflichten“ der Frau in der Ehe, die Realität der Liebesbeziehung zwischen Eheleuten und die Normalität der zeitgenössischen Konvenienzehe im Versprechen auf einer Liebesheirat verdrängt.[43] Gisela Wilkending stellt fest, dass der Bestseller der Backfischliteratur, nicht nur unser Bild von der Mädchenliteratur, sondern auch vom Mädchenleben der Vergangenheit entscheidend und problematisch geprägt[44] hat.

Bei genauer Betrachtung dieser Literatur tut sich jedoch ein erstaunlich weites Feld auf. Die gesellschaftlichen Widersprüche werden nicht einfach nach dem Muster des heute als Prototyp der Backfischliteratur geltenden Trotzkopf negiert, verdrängt oder im Versprechen auf eine Liebesheirat kompensiert. In vielen Texten der Literatur wird das Problem der Selbstverwirklichung von Mädchen und Frauen in Bildung und Berufstätigkeit und das Leiden an der autoritären Vorherrschaft der Männer eindringlich dargestellt.[45]

1.2.3 Kinder- und Jugendliteratur im 20. Jahrhundert

Wenn auch die in Grenzen kritische Literatur des Jugendstils kaum gegen den vorherrschenden Patriotismus bestehen konnte, so zeigt sich doch, dass die fortgeschrittene Kinder- und Jugendliteratur der zwanziger Jahre – nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Untergang des Kaiserreiches – nicht an die wilhelminische Kinder- und Jugendliteratur anknüpft, sondern, häufig in interessanter Abgrenzung, an die Jugendschriftbewegung und Kunsterziehungsbewegung. So fand Heinrich Wolgasts kritische Vorarbeit ihre Frucht in der neuen Kinder- und Jugendliteratur von Hermynia zur Mühlen, Alex Wedding und natürlich Erich Kästner.[46]

Kästners Kinderroman „Emil und die Detektive“ (1928) war das Ereignis der Kinder- und Jugendliteratur in der Weimarer Republik. Er hat hier

die ‚Neue Sachlichkeit‘, eine der wichtigen künstlerischen und literarischen Strömungen der zwanziger Jahre, für die Kinder- und Jugendliteratur fruchtbar gemacht.[47]

Die Großstadt wird als faszinierender Lebensraum, wenn auch von Widersprüchen und sozialen Gegensätzen bestimmt, realistisch geschildert.[48] Sie ist Symbol für Technik und Fortschrittsbegeisterung, wird zum Ort neuer Sozialformen, Erfahrungen und Wahrnehmungsweisen, die den „Drang in die Fremde“[49], die Lust am Abenteuer kompensieren können. Kästners Kinder, ungewöhnlich für die zeitgenössische Kinder- und Jugendliteratur, sprechen Dialekt, Gassenjargon und haben kaum Respekt von den Erwachsenen. Sie sind aufgeweckt und neugierig. Es scheint fast so, als würde Kästner Kindheit idealisieren, um sie dadurch umso stärker von der Erwachsenenwelt abzusetzen.[50] Der Autor erzählt jedoch nicht nur humoristische Geschichten, er erteilt häufig auch moralisierend belehrende Kommentare, die an die Kinderliteratur der Aufklärung erinnern.[51]

Linke Kinderbücher, sowie die Bücher Erich Kästners wurden 1933 von den Nationalsozialisten verboten und verbrannt. Die Machtergreifung der Nazis beendete somit einen Abschnitt der Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. Diese hatte sich soeben erst von direkter politischer Bevormundung befreien können, als von ihr erneut verlangt wurde, das Sprachrohr der Politik zu sein. Tonangebend wurden propagandistische Erzählungen wie Schenzingers „Der Hitlerjunge Quex“ (1932), Fritz Steubens rassistische Indianerbücher, aber auch germanische Heldensagen sowie Kolonial- und Kriegsbücher aus der Zeit des Ersten Weltkrieges.[52]

Wenige kritische Autoren versuchten im Exil weiterzuschreiben. Thomas S. Hansen vermutet in einem Aufsatz der Zeitschrift „Phaedrus“, dass man lediglich gut 30 Autoren namhaft machen könnte, die im Exil zwischen 1933 und 1945 für Kinder und Jugendliche geschrieben haben.[53] Unter den Büchern des Exils ragen Werke von Irmgard Keuns (Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften, 1936; Kind aller Länder, 1938), Lisa Tetzner (Vom Märchenbaum, 1942) und Kurt Held (Die rote Zora und ihre Bande, 1941) heraus.[54]

Die westdeutsche Kinder- und Jugendliteratur der unmittelbaren Nachkriegszeit ist vielfach kritisiert worden, auch bedingt durch ihre direkte Einbindung in einen pädagogischen Zusammenhang. Kaminski beklagt, dass kein „Kahlschlag“[55] stattgefunden habe.

Bestandsaufnahme, Aufarbeitung der Vergangenheit fand zunächst nicht statt. Die Verstrickung von Pädagogen, Autoren und Verlegern in das NS-System wurde weitgehend verdrängt.[56]

Wie zutreffend oder abwegig diese Bestimmungsversuche auch sein mögen, man sollte sich vor Augen führen, dass diese Phase im Zusammenhang mit den damaligen gesellschaftlichen Verhältnissen gesehen werden muss, die gekennzeichnet waren durch Not, Armut, Flüchtlingselend und Arbeitslosigkeit. Durch den Krieg war das Verlags- und Distributionssystem in Mitleidenschaft gezogen worden und dadurch bedingt stand die Herausbildung einer eigenständigen westdeutschen Kinder- und Jugendliteratur erst an. Sie konnte sich auf eine hauptsächlich in den Jahren von 1948-56 stattfindende Institutionalisierungswelle stützen (z.B. 1948: Gründung der Internationalen Jugendbibliothek in München; 1955: Gründung des Arbeitskreises für Jugendschrifttum; 1956: Etablierung des Deutschen Jugendbuchpreises).[57]

Ein Problem der Verlage in den ersten Jahren war der Mangel an Manuskripten. Sie reagierten darauf mit Maßnahmen, die der Kinder- und Jugendliteratur bis heute den Ruf des Restaurativen einbrachte. Die ersten Maßnahmen waren Wiederauflagen der Klassiker. Hierzu zählten Karl Mays Indianererzählungen Grimms Märchen, Mark Twains „Tom Sawyer“, Heinrich Hoffmanns „Struwwelpeter“ u.v.a.[58]

Gegen die Zahl der Neuauflagen stellte sich 1949 die deutsche Ausgabe von Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ (schwed. 1944). Mit diesem Werk vollzieht sich ein Wechsel der Kindheitsvorstellungen und sogleich ein kinderliterarischer Themen- und Formenwandel. Lindgren schaffte eine Kinderfigur, die den gängigen Vorstellungen von Kindheit als ein Lebensalter der Schwäche und Unselbständigkeit widerspricht. Die Kindheit wurde als ein Zustand der Freiheit, ja als Fest inszeniert. Auch in einem weiteren Punkt stellte Lindgrens Kindheitsbild eine Innovation dar: Pippi ist eine grandiose Lügnerin, sie neigt zu grotesken Übertreibungen, ihre Lügengeschichten werden aber nicht unter dem moralischen Aspekt eines kindlichen Fehlverhaltens betrachtet. Der Schwerpunkt liegt auf dem ästhetischen Vergnügen, dem Spaß am Verrückten. Damit tritt das entwicklungspsychologische Paradigma an die Stelle der bislang vorherrschenden moralischen Kindheitsauffassung.

Während es bisher üblich war, in Kinder- und Jugendbüchern zu zeigen, wie das Kind in die menschliche Gesellschaft und Gesittung hineinwächst oder hineingezwungen wird, macht Astrid Lindgren es umgekehrt: Sie entfesselt das Kind.[59]

Die Kinderliteratur, die bis zu diesem Zeitpunkt vorrangig als Erziehungs- und Sozialisationsliteratur verstanden wurde, wird hiermit verabschiedet. Ein Kennzeichen der neuen Kinderliteratur sieht Ewers in einem Erzählprinzip, dass „nicht nach dem Realitäts-, sondern nach dem kindlichen Lustprinzip“[60] gestaltet ist. Mit „Pippi Langstrumpf“ beginnt die Epoche der Nachkriegskinderliteratur, die als progressive kinderliterarische Strömung der fünfziger und sechziger Jahre angesehen werden kann.

Die Kindgemäßheit wird zum obersten Gestaltungsprinzip der neuen Kinderliteratur, die Vorrang hat vor dem ästhetischen und dem pädagogischen Grundsatz. Sie fordert für das „gute“ Kinderbuch, dass seine Form einfach und sich der Stoff am Kind und seiner Umwelt zu orientieren habe.

Alle differenzierten und künstlerisch komplizierten Darstellungsformen, wie sie uns der moderne Roman bietet[61]

werden abgelehnt. Ebenso wird der psychologische Realismus, sowie jegliche Kritik an der Wirklichkeit abgelehnt. „Die seelischen Probleme der Erwachsenen versteht das Kind nicht.“[62] Als Folge wird das lesende Kind von einer Vielzahl von Motiven, Problemen und Lebensbereichen ausgegrenzt.

Im Zusammenhang mit der Studentenrevolte, Ende der 60er Jahre, kam es zu einer Kulturrevolution, die die Entwicklung der Kinder- und Jugendliteratur nachhaltig beeinflusst hat. Erzieher und Eltern verlangten nach einer anderen Kinderliteratur, die gegenüber den anstehenden Fragen Farbe bekannte, die Kinder nicht länger in einen Schonraum stellte und die mithelfen sollte, die Gesellschaft zu verändern. Es entstanden die „antiautoritären Texte“ der Jahre 1970/71. Die „antiautoritäre Kinderliteratur“ ging im Verlauf der siebziger Jahre in das ruhigere und besonnenere Fahrwasser der „emanzipatorischen Erziehung“ über. „Emanzipation“ war schließlich auch das Schlagwort der 70er Jahre, obwohl es nie endgültig definiert wurde. Die Literatur hatte die Intention zur „emanzipatorischen Erziehung“ beizutragen – worunter sich allerdings sehr unterschiedliche Aspekte (Selbständigwerden, mit Selbstbewusstsein seine Interessen vertreten, politisch bewusst und solidarisch handeln u.v.m.) verbargen.[63] Als Konsequenz aus dem neuen Kindheitsbild geht hervor, dass Kinder nicht per se eine thematisch und stilistisch andersgeartete Literatur benötigen als Erwachsene. Es kommt zu Veränderungen der Themen, der literarischen Formen und Gattungsmuster, der Funktionen und Grenzziehungen. Es beginnt die Annäherung kinderliterarischer Erzählweisen an solche, die bislang nur in der Erwachsenenliteratur zu finden waren.[64] Das Kind bekommt einen völlig neuen Stellenwert: Es wird zum selbständigen, gleichberechtigten, mündigen Mitglied der Gesellschaft und bewegt sich nicht mehr in einem außerhalb des erwachsenen Lebens liegenden kindlichen Freiraum, sondern wird gleichberechtigtes Mitglied des sozialen Lebens. Kinder sollen (unter dem Schlagwort „Enttabuisierung“) umfassend informiert werden, nicht ausschließlich über die sie betreffenden Bereiche, sondern über alle gesellschaftlichen Probleme.

Zu einer Revidierung der Kinderliteraturreform von 1970 kommt es zu Beginn der 80er Jahre mitnichten. Es vollzieht sich kein grundlegender Wandel der Kindheitsauffassung, die Kinderliteratur rückt auch nicht von ihrer Aufgabe ab, Kinder aufzuklären. Sie betreibt nun sogar ein „zweifaches Aufklärungsgeschäft“[65]:

Der erste Auftrag beinhaltet die rückhaltlose Aufklärung der Kinder über die Gesellschaft, die Aufdeckung ihrer zentralen Funktions- und Herrschaftsmechanismen. [...] Das zweite aus der Mündigerklärung der Kinder resultierende Projekt ist die Exploration des Innenlebens der Kinder.[66]

Für Kinder- und Jugendliteratur der 70er und 80er Jahre bedeutet Mündigkeitserklärung und Gleichberechtigung der Kinder

das Ende des Zeitalters der Unmündigkeit, gleichzeitig aber auch das Ende des Zeitalters der Unbeschwertheit.[67]

1.3 Kindheit im Diskurs dieser Arbeit

Bei aller erforderlichen Trennung zwischen den zuvor aufgeführten Grundlagen der Kindheitsdarstellung ist es für die literarische Darstellung von Kindheit entscheidend, dass eine klare Trennung weder beim Akt des Schreibens noch bei der Textanalyse zu leisten ist. Das Zusammenwirken lebenslaufgemäßer und literarischer Momente ist gerade für die Darstellung von Kindheit ausschlaggebend; gerade das Miteinfließen persönlich-subjektiver Aspekte in die literarische Auseinandersetzung mit dem Kindheitsthema bedingt schließlich, dass Kindheit ein Thema ist, das niemals ‚abgehandelt’ oder gar literarisch ‚verbraucht’ sein wird.

Die pädagogische und individuelle Funktion, die das Schreiben über Kindheit auf der Ebene der für den Schriftsteller persönlich geltenden biografischen Grundlage stets hatte, kann trotz der Bedeutung der Kindheit vor dem jeweiligen literaturtheoretischen Hintergrund, nicht gänzlich in Abrede gestellt werden. Schreiben über Kindheit hat neben der biografischen immer auch eine pädagogische Nuance, weil die Auseinandersetzung mit Kindheit nicht ohne ein Miteinbeziehen der Lebensumstände des Kindseins, der Erziehungsumstände sowie der bedeutenden pädagogischen Beziehungen stattfinden kann. Wo Kindheit beschrieben wird, wird Erziehung zwangsläufig mitthematisiert.

Kindheitsdarstellung verläuft stets im wechselseitigen Spannungsverhältnis zwischen kollektiven und individuellen Kindheitsvorstellungen. Der Autor trifft wie jeder Mensch in seinem persönlichen Umfeld, in wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Diskursen über Kindheit, in den zeitgenössischen und historischen Betrachtungen usw. auf kollektive Kindheitsvorstellungen. In einer reflexiven Auseinandersetzung mit diesen und der Reflexion über die Autorenkindheit entwickelt sich eine individuelle Vorstellung von Kindheit, die sich in der literarischen Darstellung zeigt.

In der vorliegenden Arbeit geht es vorrangig um die Darstellung von Kindheit. Dennoch ist die Frage interessant, in welcher Art sich die Reflexion über die eigene Kindheit – jeweils vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Erziehungs- und Kindheitsvorstellungen – im Werk des Autors niederschlägt. Aus diesem Grund wird der Autor in Kapitel 3 mitbetrachtet und ggf. werden Bezüge zur Darstellung der Kindheit aufgezeigt.

2. Inhalt und Abgrenzung des Untersuchungsgebietes

2.1 Zur Begrifflichkeit Kinderbuch

Als gewissermaßen diffizil gestaltet sich die Verwendung des Begriffs Kinderbuch.

In Handbüchern und Überblicksdarstellungen stößt man bis auf die jüngste Zeit auf eine zumeist unreflektierte Aneinanderreihung von Textsorten, Buchgenres und benutzerorientierten Korpusbildungen (Bilderbuch, Mädchenbuch, Abenteuerbuch oder Tierbuch neben Kinderlyrik, phantastischer Kinder- und Jugenderzählung oder Detektivgeschichte).[68]

Ungeachtet dieser Diskussion, liegt dem hier verwendeten Begriff des „Kinderbuchs“ eine sehr enge Auffassung zugrunde, die weder die „Kinderlektüre“ (also das, was von Kindern konsumiert wird) noch die Sach- und Fachbücher mit einschließt. Unter „Kinderbüchern“ verstehe ich im Rahmen dieser Arbeit jene Bücher, für Kinder im Alter von 8-12 Jahren, die Ewers unter dem Begriff der „sanktionierten Kinderliteratur“[69] zusammenfasst. Es sind für mich darunter all die Texte zu verstehen, die von den gesellschaftlich autorisierten Instanzen zur geeigneten Jugendlektüre erklärt worden sind und eine entsprechende Auszeichnung erfahren haben.[70]

Im bezug auf den Diskurs meiner Arbeit steht im Mittelpunkt, dass der Leser auf Protagonisten trifft, deren Innenleben zunehmend etwas von jener (post)modernen Zerrissenheit zeigt, die ansonsten eher für Erwachsene kennzeichnend ist. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Art des Erzählens. Um derartige psychologische Befindlichkeiten auszudrücken, werden moderne literarische Darstellungsweisen benötigt. Diese Veränderungen schlagen sich in der Oberflächen- und Tiefenstruktur der Texte nieder, also dem Stoff, den Handlungen, Episoden, Motiven oder Bildern und in der Wirklichkeitsgestaltung, der Figuren- und Erzählergestaltung sowie der eingeschriebenen Wertsetzungsinstanz und den entsprechenden literarischen Darstellungsweisen.

In diesem Sinne verstehe ich alle nominierten Kinderbücher der Auswahlliste 1999-2001 als moderne Kinderromane, auch wenn nicht immer alle Aspekte des modernen Kinderromans erfüllt werden.

2.2 Der Deutsche Jugendliteraturpreis als Auswahlkriterium

Untersucht wurde die Darstellung von Kindheit bei sechzehn Autoren, deren Texte für den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Kinderbuch in den Jahren 1999-2001 nominiert wurden. Die für die Untersuchung ausgewählten Texte wurden im Zeitraum von drei Jahren veröffentlicht, nämlich zwischen 1998 und 2000.

Da die vorliegende Arbeit Kinderbücher auf die Fragestellung hin untersuchen will, wie Kindheit dargestellt wird, was für ein Bild von Kindern die Leser von der Wirklichkeit und von sich selbst vorgeführt bekommen, bieten sich die in die Auswahllisten des Arbeitskreises für Jugendliteratur aufgenommen Bücher als Ausgangsmaterial an. Mit ca. 7000 Neuerscheinungen pro Jahr[71] ist das Feld der Kinder- und Jugendliteratur nahezu unübersehbar geworden und kann im Rahmen einer Arbeit, wie der vorliegenden, nicht bewältigt werden. Der Deutsche Jugendliteraturpreis ist der einzige Staatspreis für Literatur in Deutschland. Diese Tatsache stellt bereits seine kulturpolitische Besonderheit heraus. Er ist nach seinem Ansehen, seiner Ausstattung und der ihm stets zuteil gewordenen Resonanz im In- und Ausland von keiner anderen Jugendbuchauszeichnung, wie beispielsweise dem Buxtehuder Bullen, dem Peter Härtling-Preis oder dem Katholischen Kinderbuchpreis, übertroffen worden.[72]

Die Probleme, wie z. B. die Zielsetzung des Preises (Literarische Qualität und Innovation versus Leseförderung), die im Zusammenhang mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis stehen, sind mir durchaus bewusst, werden jedoch in Kauf genommen.

Ein kennzeichnendes Problem, mit dem sich nicht nur die jeweilige Jury, sondern auch die Fachwelt auseinander zu setzen hat, ist die Einteilung in Sparten und die damit in Zusammenhang stehende Verschiebung bzw. Aufhebung der Grenze zwischen Kinder- und Jugendliteratur.[73]

Kirsten Boies Buch „Nicht Chicago. Nicht hier.“ belegt dies sehr deutlich. Es wurde in der Sparte Kinderbuch für den Preis im Jahre 2000 nominiert und daher in dieser Arbeit mitbetrachtet, obwohl die Jury kurz nach Benennung der Nominierungsliste Ende März in Leipzig einen Brief der Autorin erhielt, mit der Bitte, ihr Buch nicht weiter zu berücksichtigen, denn aus ihrer Sicht sei es nun einmal kein Kinderbuch, sondern ein Jugendbuch. Insofern könne es auch nicht den Preis als „bestes Kinderbuch“ erhalten.[74] Jury-Schelte ist nichts Ungewöhnliches. Dass aber eine Autorin von vornherein auf einen möglichen Preis in Höhe von DM 15000,- verzichtet, weil sie ihr Buch falsch verstanden fühlt, kennzeichnet das Ausmaß der Problematik.

Auf die lyrischen Texte im Sammelband „Großer Ozean. Gedichte für alle“, der von Hans-Joachim Gelberg 2000 herausgegeben und 2001 nominiert wurde, kann im Rahmen dieser Arbeit leider nicht eingegangen werden, da es den Rahmen derselben sprengen würde. Die Darstellung der Kindheit in lyrischen Texten wäre grundsätzlich eine interessante ergänzende Fortführung dieser Arbeit.

3. Biografien der Autoren und inhaltliche Betrachtung der zum Deutschen Jugendliteraturpreis 1999-2001 nominierten Bücher der Sparte Kinderbuch

Das Herausarbeiten der wichtigsten „Stationen“ und Ereignisse im Leben eines Schriftstellers soll als Verständnisgrundlage der untersuchten Texte dienen. Bei der Darstellung biografischer Fakten wurde vorrangig darauf Wert gelegt, dass die schriftstellerischen Intentionen des Autors deutlich werden, die ausschlaggebend für den ausgewählten Haupttext waren. Die Menge der Informationen über einen Autor ist daher auch keine persönliche Wertung, sondern versucht dieser Intention folge zu leisten und spiegelt zudem seine Resonanz in Medien und Presse.

Die Kurzbeschreibung des untersuchten Textes dient dem Leser zur Orientierung, der sich nicht eingehend mit dem Gesamtwerk des Autors bzw. mit dem untersuchten Text auseinandergesetzt hat.

3.1 Boie, Kirsten : Nicht Chicago. Nicht hier.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kirsten Boie wurde 1950 in Hamburg geboren. Dort
absolvierte sie auch Schule und Studium, mit Ausnahme eines
Studienjahres an der englischen Universität Southampton. Nach
dem Ersten Staatsexamen in den Fächern Deutsch und Englisch
promovierte sie in Literaturwissenschaft über die frühe Prosa Bertolt Brechts. Von 1978 bis 1983 war sie Lehrerin an einem Gymnasium und an einer Gesamtschule in Hamburg, wo sie ganz unterschiedliche Milieus kennen lernte. Als sie 1983 ihr erstes Kind adoptierte, musste sie auf Verlangen des vermittelnden Jugendamtes ihre Lehrerinnentätigkeit aufgeben und schrieb daraufhin ihr erstes Kinderbuch. So entstand ihr Erstlingswerk „Paule ist ein Glücksgriff“, welches bereits ein großer Erfolg wurde (Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis, Buch des Monats der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur in Volkach uvm.). Seitdem hat sie mehr als 60 Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Neben einer Reihe von Preisen und Nennungen auf Auswahllisten wurde sie im Jahre 2000 von der deutschen IBBY-Sektion für den internationalen Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Seit den 90er Jahren nimmt Kirsten Boie auch in Vorträgen und Aufsätzen zu theoretischen Fragen des Schreibens für Kinder Stellung.[75]

[...]


[1] Die formelle Gestaltung dieser Arbeit weist eine spezielle Charakteristika auf, die einen Beitrag zum ungestörten Lesefluss leisten soll. Es wird daher innerhalb der Arbeit durchgängig die maskuline Form der Wortart gewählt, wenn beide Genere auftreten können. Wird eine nur auf männliche bzw. weibliche Personen beschränkte Geschlechtsform benötigt, wird dies entweder aus dem Zusammenhang deutlich, oder es wird explizit auf die Eindeutigkeit verwiesen.

[2] vgl. Stephen, John: Ideologie und narrativer Diskurs in Kinderbüchern. In: Ewers, Hans-Heino, Nassen, Ulrich u.a. (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteraturforschung 1997/98. Stuttgart, Weimar: Verlag J.B. Metzler 1999. S. 25.

[3] Der Literaturpreis, der seit 1956 jährlich von einer vom ‚Arbeitskreis für Jugendliteratur’ (München) eingesetzten Jury vergeben wird, hieß bis 1980 ‚Deutscher Jugendbuchpreis’.

[4] Wie Dankert (1995) aufzeigt, werden jährlich ca. 1500 Kinder- und Jugendbücher von der Lektoratskooperation des Deutschen Öffentlichen Bibliothekswesens für den Aufbau von Kinderbibliotheken empfohlen.

[5] vgl. Lenzen, Dieter: Kindheit. In: Lenzen, Dieter (Hrsg.): Pädagogische Grundbegriffe. Bd. II. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch 1989. S. 845.

[6] vgl. Süssmuth, Rita: Kind und Jugendlicher. In: Speck, Josef, Wehle, Gerhard (Hrsg.): Handbuch pädagogischer Grundbegriffe. Bd. I. München: Kösel Verlag 1970. S. 600.

[7] vgl. Schmitt, Andreas: ‚Böse’ Kinder in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts. Eine pädagogische Untersuchung literarischer Kindheitsdarstellungen. Marburg: Tectum-Verlag 1996. S. 17.

[8] vgl. Scholz, Gerold: Die Konstruktion des Kindes. Über Kinder und Kindheit. Opladen: Westdeutscher Verlag 1994. S. 200.

[9] vgl. Bründel, Heidrun, Hurrelmann, Klaus: Einführung in die Kindheitsforschung. Weinheim, Basel: Beltz Verlag 1996. S. 26.

[10] vgl. Ariès, Philippe: Geschichte der Kindheit. München, Wien: Carl Hanser Verlag 1975.
S. 69-91.

[11] Ariès, P.: Geschichte der Kindheit. S. 76-77.

[12] vgl. Pfeifer, Wolfgang: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 3. Aufl. München: Deutscher Taschenbuchverlag 1997. S. 654.

[13] vgl. hierzu die Arbeiten von Piaget, J.: Psychologie der Intelligenz. 2. Aufl. München: Kindler 1976. Kohlberg, L.: Zur kognitiven Entwicklung des Kindes. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1974. Erikson, E.H.: Identität und Lebenszyklus. 6. Aufl. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1980.

[14] Mader, Elisabeth: Die Darstellung von Kindheit bei deutschsprachigen Romanautorinnen der Gegenwart. Eine pädagogisch-literaturdidaktische Untersuchung. Frankfurt/Main: Verlag Peter Lang 1990. S. 4.

[15] Ebd. S. 4.

[16] Mader, E.: Die Darstellung von Kindheit bei deutschsprachigen Romanautorinnen der Gegenwart. S. 4.

[17] vgl. Erikson, Erik H.: Identität und Lebenszyklus. 6. Aufl. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1980. S. 33.

[18] vgl. Schmitt, A.: ‚Böse’ Kinder in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts.
S. 22.

[19] vgl. Ewers, Hans-Heino: Veränderte kindliche Lebenswelten im Spiegel der Kinderliteratur der Gegenwart. In: Daubert, Hannelore, Ewers, Hans-Heino (Hrsg.): Veränderte Kindheit in der aktuellen Kinderliteratur. Braunschweig: Westermann Schulbuchverlag 1995. S. 37.

[20] Osberghaus, Monika: Traurige Muntermacher. Paß auf dich auf, Kleiner: Neue Bücher zur Jugendreparatur. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.03.1998. Nr. 70. S. L 36.

[21] Kaminski, Winfred: Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. Literarische Phantasie und gesellschaftliche Wirklichkeit. 4. Aufl. Weinheim, München: Juventa Verlag 1998. S. 9.

[22] Wild, Reiner: Aspekte gesellschaftlicher Modernisierung. In: Wild, Reiner (Hrsg.): Gesellschaftliche Modernisierung und Kinder- und Jugendliteratur. St. Ingbert: Roehrig 1997. S. 27.

[23] vgl. Roßbach, Nikola: Jedes Kind ein Christkind, jedes Kind ein Mörder. Kind- und Kindheitsmotivik im Werk von Marie-Luiese Kaschnitz. Tübingen, Basel: Francke Verlag 1999. S. 11.

[24] vgl. Ewers, Hans-Heino: Kinder- und Jugendliteratur der Aufklärung. Eine Textsammlung. Stuttgart: Reclam 1994. S. 6.

[25] vgl. Ewers, Hans-Heino: Kinderliteratur als Medium der Entdeckung von Kindheit. In: Behnken, Imbke, Zinnecker, Jürgen (Hrsg.): Kinder. Kindheit. Lebensgeschichte. Ein Handbuch. Seelze-Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung 2001. S. 47.

[26] Beutler, Ernst (Hrsg.): Johann Wolfgang von Goethe. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Bd. 10. Aus meinem Leben. Zürich, Stuttgart: Artemis-Verlag 1953. S. 41.

[27] vgl. Brunken, Otto: Kinder- und Jugendliteratur von den Anfängen bis 1945. Ein Überblick. In: Günter Lange (Hrsg.): Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur. Bd. I. 2. korrigierte Aufl. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren 2000. S. 17.

[28] vgl. Wild, Reiner: Aufklärung. Bürgertum und Aufklärung. In: Wild, Reiner (Hrsg.): Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. 2. ergänzte Auflage. Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler 2002. S. 53.

[29] Honig, Michael-Sebastian: Entwurf einer Theorie der Kindheit. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1999. S. 34.

[30] vgl. Brunken, O.: Kinder- und Jugendliteratur von den Anfängen bis 1945. S. 24.

[31] vgl. Ewers, H.-H.: Kinderliteratur als Medium der Entdeckung von Kindheit. S. 49.

[32] vgl. Roßbach, N.: Jedes Kind ein Christkind, jedes Kind ein Mörder. S. 20-21.

[33] vgl. Ewers, H.-H.: Kinderliteratur als Medium der Entdeckung von Kindheit. S. 52.

[34] vgl. Kaminski, W.: Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. S. 20.

[35] Brunken, O.: Kinder- und Jugendliteratur von den Anfängen bis 1945. S. 31.

[36] vgl. Kaminski, W.: Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. S. 20.

[37] vgl. Bauer, Karl W.: Kinderliteratur. In: Bauer, Karl W. (Hrsg.): Grundkurs Literatur- und Medienwissenschaft. Primarstufe. 3. überarbeitete und erweiterte Neuauflage. München: Wilhelm Fink Verlag 1998. S. 170.

[38] vgl. Roßbach, N.: Jedes Kind ein Christkind, jedes Kind ein Mörder. S. 31.

[39] vgl. Pech, Klaus-Ulrich: Vom Biedermeier zum Realismus. In: Wild, Reiner (Hrsg.): Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. 2. ergänzte Auflage. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler 2002. S. 140-141.

[40] vgl. Bauer, K. W.: Kinderliteratur. S. 176.

[41] vgl. Bauer, K. W.: Kinderliteratur. S. 176.

[42] vgl. Kaminski, W.: Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. S. 21.

[43] vgl. Wilkending, Gisela: Mädchenliteratur von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. In: Wild, Reiner (Hrsg.): Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. 2. ergänzte Auflage. Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler 2002. S. 221.

[44] Ebd. S. 242.

[45] vgl. Wilkending, G.: Mädchenliteratur von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. S. 221.

[46] vgl. Kaminski, Winfred: Weimarer Republik. In: Wild, Reiner (Hrsg.): Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. 2. ergänzte Auflage. Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler 2002. S. 251.

[47] Kaminski, W.: Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. S. 26.

[48] vgl. Bauer, K. W.: Kinderliteratur. S. 179.

[49] Brunken, O.: Kinder- und Jugendliteratur von den Anfängen bis 1945. S.77.

[50] vgl. Kaminski, W.: Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. S. 27.

[51] vgl. Bauer, K. W.: Kinderliteratur. S. 179.

[52] vgl. Kaminski, W.: Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. S. 29.

[53] vgl. Hansen, Thomas S.: Émile and the Emigrés: German Children’s Literature in exile, 1933-1945. In: Phaedrus. An International Annual of Children’s Literature Research. Vol. 11 (1985). S. 6.

[54] vgl. Brunken, O.: Kinder- und Jugendliteratur von den Anfängen bis 1945. S. 93.

[55] Kaminski, W.: Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. S. 36.

[56] Bauer, K. W.: Kinderliteratur. S. 181.

[57] vgl. Steinz, Jörg, Weinmann, Andrea: Die Kinder- und Jugendliteratur der Bundesrepublik nach 1945. In: Lange, Günter (Hrsg.): Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur. Bd. I. 2. korrigierte Aufl. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren 2000. S. 97.

[58] vgl. Ebd. S. 99.

[59] Marsyas: Revolution in der Kinderstube? Von Mädchenbüchern, Genien und Konventionen. In: Jugendschriften-Warte 11 (1953). S. 74.

[60] Ewers, Hans-Heino: Pippi Langstrumpf als komische Figur. Anmerkungen zu einem Kinderbuchklassiker. In: Ewers, Hans-Heino (Hrsg.): Komik im Kinderbuch. Erscheinungsformen des Komischen in der Kinder- und Jugendliteratur. Weinheim, München: Juventa 1992. S. 127.

[61] Krüger, Anna: Die Gestalt des künstlerisch durchgeformten Jugendbuchs. In: Jugendliteratur 11 (1959). S. 488.

[62] Ebd. S. 488.

[63] vgl. Dahrendorf, Malte: Aufklärung und Kinderliteratur. Was ist aus der sozialkritisch-emanzipatorischen Kinderliteratur der siebziger Jahre geworden? Eine Skizze. In: 1000 und 1 Buch 6 (1988). S. 35.

[64] vgl. Steinz, J., Weinmann, A.: Kinder- und Jugendliteratur der Bundesrepublik nach 1945. S. 121.

[65] Ewers, Hans-Heino: Themen-, Formen- und Funktionswandel der westdeutschen Kinderliteratur seit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre. In: Zeitschrift für Germanistik 2 (1995). S. 262.

[66] Ebd. S. 263.

[67] Ewers, H.-H.: Veränderte kindliche Lebenswelten im Spiegel der Kinderliteratur der Gegenwart. S. 41.

[68] Ewers, Hans-Heino: Literatur für Kinder und Jugendliche. Eine Einführung in grundlegende Aspekte des Handlungs- und Symbolsystems Kinder- und Jugendliteratur. Mit einer Auswahlbibliographie Kinder- und Jugendliteraturwissenschaft. München: Wilhelm Fink Verlag 2000. S. 31.

[69] Ebd. S. 21.

[70] vgl. Ebd. S. 21.

[71] vgl. Raecke, Renate: Braucht der Deutsche Jugendliteraturpreis eine Frischzellenkur? In: Praxis Deutsch 162 (2000). S. 4.

[72] vgl. Doderer, Klaus: Vierzig Jahre Deutscher Jugendliteraturpreis. Entwicklungen, Tendenzen, Perspektiven. In: Peetz, Heide, Liesenhoff, Dorothea (Hrsg.): 40 Jahre Deutscher Jugendliteraturpreis. Eine Dokumentation über 40 Jahre. München: Arbeitskreis für Jugendliteratur e.V. 1996. S. 14.

[73] vgl. Raecke, R.: Braucht der Deutsche Jugendliteraturpreis eine Frischzellenkur? S. 4.

[74] vgl. Boie, Kirsten, Pomikalko, Ellen: Nicht Chicago. Nicht hier. – ein Kinderbuch? Briefwechsel zwischen der Autorin Kirsten Boie und der Juryvorsitzenden Ellen Pomikalko. In: Bulletin Jugend & Literatur 6 (2000). S. 10.

[75] vgl. Dahrendorf, Malte: Kirsten Boie. In: Kurt Franz, Günter Lange u.a. (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon. 10. Erg.-Lfg. Sep. 2000. Meitingen: Corian-Verlag 1995-2001. S. 2.

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Die Darstellung von Kindheit in neueren Kinderbüchern, unter besonderer Berücksichtigung der Auswahllisten 1999-2001 zum Deutschen Jugendbuchpreis
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Literaturdidaktik)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
128
Katalognummer
V6926
ISBN (eBook)
9783638143776
Dateigröße
893 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kindheit, Kindheitsdarstellung, Kinderbücher, Deutscher Jugendliteraturpreis
Arbeit zitieren
Korina Solbach (Autor:in), 2002, Die Darstellung von Kindheit in neueren Kinderbüchern, unter besonderer Berücksichtigung der Auswahllisten 1999-2001 zum Deutschen Jugendbuchpreis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6926

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