Super Nanny & Co: Die Kontroverse um die Elternflüsterer


Bachelorarbeit, 2007

65 Seiten, Note: 1


Leseprobe


1. INHALTSVERZEICHNIS

2. EINLEITUNG

3. FORSCHUNGSFRAGEN

4. HYPOTHESEN

5. IDEALE ERZIEHUNGSMETHODEN

6. AUSGANGSSITUATION IN DEN FAMILIEN

7. DESPERATE PARENTS? ERSCHWERENDE ERZIEHUNGSFAKTOREN

8. VORRAUSSETZUNGEN MEDIALER ERZIEHUNGSBERATUNG

9. KRITIK AM „SUPER NANNY“ – FORMAT

10. ERZIEHUNGSBERATUNG VIA FERNSEHEN – Warum die „Super Nanny“ kein Weg ist

11. MÖGLICHE FOLGEN VON SENDUNGSFORMATEN WIE „SUPER NANNY“

12. „SUPER NANNY“ IM KONTEXT MODERNER ERZIEHUNG

13. FAMILIENREGELN

14. AMBULANTE FAMILIEN-&ERZIEHUNGSHILFEN UND BERATUNG DURCH FERNSEHSENDUNGEN IM VERGLEICH

15. FAMILIENBERATUNG IM KONTEXT DER MEDIALEN PRÄSENTATION

16. SCHNELLIGKEIT VON VERÄNDERUNG-NACHHALTIGKEIT VON VERÄNDERUNG

17. KONZEPT ELTERN – COACHING

18. EXPERTENINTERVIEW Sabine Edinger

19. EXPERTENINTERVIEW Sandra Velàsquez

20. EXPERTENINTERVIEW Brigitte Goldmann

21. FAZIT & NACHWORT

22. LITERATURLISTE

23. QUELLENANGABEN INTERNET

24. BILDERNACHWEIS

2. EINLEITUNG

„Die größte Herausforderung ist es meiner Meinung nach, die Eltern zu erreichen, welche noch nicht reflektiert sind, diejenigen, welche sich nicht über die Folgen ihres Handelns bewusst sind. (…)“

(Velàsquez, eigenes Interview 2007)

„Die Konsequenzen nach der Sendung sind sehr unterschiedlich. In meiner ersten Sendung etwa war ein acht jähriger Bub, welcher große Aggressionsprobleme hatte. Das Umfeld hat es in seiner Spezialschule so unglaublich positiv aufgenommen: auf einem Elternabend wurde das Video gezeigt und darüber geredet, er wurde nachher nicht gehänselt oder geächtet sondern auch die Parallelen zu anderen schwierigen Kindern in der Klasse wurden besprochen. Was wurde hier gemacht, was hat geholfen?“
(Edinger, eigenes Interview 2007)

Diese sehr persönlichen Stellungnahmen der österreichischen „Super Nannys“ zu ihrer Sendung und dem dort propagierten Erziehungsstil, der Herangehensweise an die Vermittlung einer neuen Form des Miteinanders von Kind und Eltern haben mich dazu veranlasst, mich genauer mit der Thematik des „Kind seins“ und damit verbundenen Literaturstudie mehrerer medial verbreiteter Ratgeber zu befassen.

„ Der Stress der Eltern, oft verbunden mit Zeitmangel und Druck in der Gesellschaft bestehen zu müssen, wird so (oft unbewusst) an die Kinder weitergegeben. Man kann also nicht sagen, dass generell die Eltern schuldig oder unschuldig sind: Vielmehr ist es ein Zusammenspiel aller Einflüsse, denen sich das Kind nicht entziehen kann und sie in sich aufnimmt.(…)“

(Goldmann, eigenes Interview 2007)

Ergänzend dazu steht die Waldorf -Pädagogik, welche ich im abschließenden Experteninterview kurz erwähnen werde um eine alternative Meinung und Erziehungsmethoden nicht im Hintertreffen zu lassen.

Seit Herbst 2004 verzeichnen Sendungen wie „Die Super Nanny“ (RTL) und „Die Supermamas“ (RTL2) in welchen Diplompädagoginnen und -psychologinnen Familien in Erziehungsfragen unterstützen, exorbitante Quotenerfolge.

Die Vorlage kommt aus Großbritannien, wo die Sendung, dort mit der britischen Nanny Jo Frost, welche im Gegensatz zum deutschen und österreichischen Sendungspendant über keinerlei fachliche Ausbildung verfügt, sogar die höchste Fernsehauszeichnung, den „Royal Television Society Award“ bekam.

In Österreich gibt es seit 2004 sowohl im Öffentlich - Rechlichen ORF(Help TV) sowie dem Privatsender ATV(„Die Super Nannys“) im Hauptabendprogramm Unterstützung gestresster Eltern und Expertenrat.

„Die Super Nannys“ und Konsorten wirkten wie Rauch in einem Bienenstock. Sie schreckten Mütter und Väter, Pädagogen und Wissenschafter, Journalisten und Politiker auf. Hitzige Diskussionen folgten auf diese Fernsehsendungen: Geht es tatsächlich so zu unter deutschen und österreichischen Dächern? Darf man so etwas überhaupt zeigen? Ist es nicht verwerflich, Eltern und Kinder derart bloßzustellen? Geben die im Fernsehen gezeigten Pädagoginnen nicht außerordentlich problematische Vorbilder ab? Sind die Erziehungstricks nicht völlig unangemessen?

Die Sendungen treffen einen Nerv: Sie lassen uns an Dramen teilhaben, die sich in manchen Familien abspielen und zeigen, wie Eltern bisweilen mit der Kindererziehung überfordert sind. Für diesen Impetus sollte man diesen Sendungen durchaus dankbar sein: War es nicht längst an der Zeit, darüber nachzudenken, wie kompetent die Eltern unserer Zeit für die Kindererziehung sind? Die PISA – Studien haben ja nicht nur die Mängel in unserem Schul- und Bildungssystem aufgedeckt sondern auch dargelegt, wie stark Eltern die schulischen (Miss-)erfolge ihrer Kinder beeinflussen. Studien zeigen, dass gerade die ersten Lebensjahre eines Kindes in der Familie darüber entscheiden, wie es sich weiterentwickeln wird.

Aber woher nehmen Eltern in einer so schnelllebigen und sich wandelnden Zeit das Rüstzeug für die Erziehung? Warum erzielen Sendungen wie „Die Super Nannys“ so hohe Einschaltquoten? Wie sinnvoll beziehungsweise gefährlich sind diese Sendungen?

Das Deutsche Jugendinstitut widmet sich seit mehreren Jahren in Projekten und Forschungsarbeiten den von mir angesprochenen Fragen und versucht gleichzeitig, Verbesserungsvorschläge, Ideen zur Eltern- und Erwachsenenbildung einzubringen.

Besonders interessant ist hier die Frage, wie sozial benachteiligte und bildungsferne Eltern durch entsprechende Förderangebote erreicht werden können.

Deutlich zu erkennen ist ein Unterschied der gegebenen Ratschläge im jeweiligen Herkunftsland, so wird in Großbritannien viel mehr Wert auf Strenge und Respekt den Erziehenden gegenüber gelegt, in Deutschland dafür die typisch deutsche „Gründlichkeit“ hochgehalten und in Österreich bei den Super Nannys Velàsquez und Edinger zwar das Thema des „Grenzen Setzens“ angesprochen, wichtig hier aber vor allem auch das „miteinander“ und nicht „gegeneinander“ von Eltern und Kindern.

Kritik an dem neuen Fernsehformat welches dem Seher auf völlig neue Weise Einblick in erzieherische Maßnahmen gibt, gab und gibt es erwartungsgemäß sowohl vom „Deutschen Kinderschutzbund“ als auch den „Kinderfreunden“ Österreichs: Kinder würden zu Objekten degradiert, welche auf Kosten der Zuseher mit überwunden geglaubten Erziehungsmaßnahmen dem breiten Zuschauerpublikum zu Unterhaltungszwecken vorgeführt würden. Auch seien die Ratschläge oft von zweifelhafter Qualität da jede Familie ihre eigenen Geschichte und somit auch Lösungsansätze habe welche sich nicht generell verallgemeinern lassen.

Die Fernsehsendung mit dem Titel „Verlust der Kindheit“, die immerhin der „Kultursender“ 3sat ausstrahlte (3sat, 4.6.2005, 9.05-9.45 Uhr, ursprünglich ZDF 2002) steht hier exemplarisch für eine Vielzahl entsprechender Medienberichte über die mangelnde Erziehungskompetenz heutiger Eltern. Besonders ist zu hinterfragen, welche Sendungen der Rezipient als „gut“ oder „schlecht“ in Wirkung und Sinn befindet. Dies gilt es zu erforschen und hinterfragen.

3. FORSCHUNGSFRAGEN

Angesichts dieser auch in der Öffentlichkeit immer wieder diskutierten und durch die derzeit besonders stark thematisierte Gewaltwelle von Kindern und Jugendlichen aktuelle Situation möchte ich in meiner Arbeit folgende Forschungsfragen stellen und einige der Argumente von Gegnern und Kritikern versuchen zu beleuchten:

- Wie unterscheidet sich der Erziehungsstil, beziehungsweise welcher Erziehungsstil wird propagiert?
- Wie ist die Ausgangssituation der betroffenen Familien, mit welchen Methoden wird das „Problem Familie“ bearbeitet?
- Was erschwert Eltern heute die Erziehung, wann wird der Rat einer Erziehungsberatung notwendig?
- Pro & Contra „Super Nanny“: Welche Erwartungshaltungen gibt das Format dem Rezipienten und wird diese erfüllt?

Besonders interessiert mich hier auch die tatsächliche Motivation des Rezipienten, eine solche Sendung zu verfolgen:

- Identifiziert sich der Zuseher selbst auch mit den Problemen der gezeigten Familie (kann er von Problemlösungen profitieren oder erscheint ihm seine eigene Situation immer völlig different)?
- Welche problematischen Aspekte können wirklich und auf Dauer in den gezeigten Familien verbessert beziehungsweise gelöst werden?

Letzterer Punkt wird auch im Zuge meiner Experteninterviews mit den österreichischen „Super – Nannys“ Sabine Edinger und Sandra Velasquèz, welche sich freundlicherweise dazu bereit erklärt haben, mich bei meiner Arbeit zu unterstützen und für jegliche Fragen offen zu sein, zu klären sein. Auch mit Brigitte Goldmann, Waldorf – Kindergärtnerin und Pädagogin wird Interviewpartnerin sein um den Blick der Waldorfpädagogik auf Kindererziehung zu erläutern.

Da die moderne Familie längst nicht mehr auf den angeblich bewährten ethischen Fundamenten, welche früher in Erziehungsfragen Halt boten, ruht, teilweise alte Formen der Herangehensweise an Kinder sogar schädlich für deren Entwicklung sein können, zeigen zeitgeistige Erziehungsratgeber sowie Erziehungsberatungsstellen einen neuen Weg der Kommunikation und des „Miteinanders“ auf.

Die neue Botschaft lautet in etwa: Kinder haben von Anfang an eine eigene Persönlichkeit und sind somit menschlich und sozial kompetente Partner ihrer Eltern, so müssen also auch die Eltern lernen, das Verhalten ihrer Kinder zu entschlüsseln und sich entsprechend zu verhalten.

Denn wie Experten im Gleichklang mit den Super Nannys feststellen: Erziehung ist ein Entwicklungsprozess – für die Eltern ebenso wie für die Kinder.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Britische Super Nanny Jo Frost

www.smh.com

4. HYPOTHESEN

- Das „Super Nanny“ -Format hat auf den Rezipienten zuerst rein voyeuristische Wirkung, mit Sendungsverlauf kann der Seher aber auch für sich Nutzen aus den dargestellten pädagogischen Vorgängen gewinnen.
- Das „Super Nanny“ – Konzept bringt unreflektierte Eltern und Familien dazu, die Möglichkeit einer professionellen therapeutischen Hilfe in Erwägung zu ziehen.
- Die Sendung „Super Nanny“ verändert das Bild der Erziehungsberatung, bringt diese auf eine Diskussionsebene und macht es so für eine breitere Öffentlichkeit interessant.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

www.tempiespazi.toscana.it

4. HINTERGRUND & GESCHICHTE DER TV-ERZIEHUNGSSHOWS

Seit Herbst 2004 verzeichnen Sendungen wie „Die Super Nanny“ (RTL) und „Die Supermamas“ (RTL2) in welchen Diplompädagoginnen und -psychologinnen Familien in Erziehungsfragen unterstützen, exorbitante Quotenerfolge.

Die Vorlage kommt aus Großbritannien, wo die Sendung, dort mit der britischen Nanny Jo Frost welche im Gegensatz zum deutschen und österreichischen Sendungs – Pendant über keinerlei fachliche Ausbildung verfügt, sogar die höchste Fernsehauszeichnung, den „Royal Television Society Award“ bekam.

In Österreich gibt es seit 2004 sowohl im Öffentlich - Rechlichen ORF(Help TV) sowie dem Privatsender ATV(„Die Super Nannys“) Unterstützung gestresster Eltern und Expertenrat.

„Vorbild“ der deutschen und österreichischen TV-Erziehungsshows „Die Super Nanny“(RTL), „Die Supermamas – Einsatz im Kinderzimmer“ (RTL2) und „Super Nanny“(ATV) ist das englische Originalformat „Supernanny“, welches der Sender Channel4 seit Juli 2004 ausstrahlt.

Die Produktionsfirma „Tresor TV“ bei Hürth in Köln kaufte nach eigenen Angaben die Lizenz der englischen Sendung und produzierte „Die Super Nanny“ für den Privatsender RTL.

Der kleinere Sender RTL2 Habe das Format kurzerhand „adaptiert“, so die offizielle Aussage.

Weiters habe RTL2 „Die Supermamas“ als „konsequente Weiterentwicklung“ seiner Sendung „Frauentausch“ im Programm (www.rtl2.de, 1.12.2006) da sich während der Produktion der Erfolgs – Doku - Soap immer wieder gezeigt hatte, dass das Thema Kindererziehung in den jeweiligen Familien ein wichtiger und oft kritischer Punkt gewesen sei.

Die „Super Nannys“ verbrächten mehr Zeit in den Familien als „die Supermamas“ so die subjektive Bewertung einer nicht repräsentativen Umfrage. Auf Überprüfung kann man auf der Homepage nachlesen:

„Die Supermamas verbringen bis zu 10 Tage in den jeweiligen Familien(…)“( www.rtl.de)

„Super Nanny“ Katharina Saalfrank stellt in einem Interview mit „DIE ZEIT“ fest:

„Also, wir unterscheiden uns qualitativ von den Supermamas(…). Außerdem verteile ich keine Patentrezepte, sondern widme mich jeder Familie individuell.“ (DIE ZEIT, 1/2005, 30.12.2004)

Die „Neue Zürcher Zeitung“ sieht den entscheidenden Unterschied in der Protagonistin:

„Die Super Nanny“ erweist sich dank der Hauptdarstellerin als die überzeugendere Reihe“ (NZZ, 11. 12. 2004)

Tatsächlich beschäftigt RTL seit Beginn der zweiten Sendestaffel zwei „Super Nannys“: Katharina Saalfrank bekam Unterstützung durch Nadja Lydssan. Sie ist 1965 geboren und nach Angaben von RTL ausgebildete Diplom – Sozialpädagogin. Nach dem Studium absolvierte sie eine Ausbildung zur Familienarbeiterin. Zudem ist sie Teamleiterin und Trainerin im Kriseninterventionsprogramm „Familie im Mittelpunkt“, in dem sie seit 1998 Familien mit gravierenden Erziehungsschwierigkeiten betreut (www.rtl.de/ratgeber/familie_883264.php, 12.12.2006).

Katharina Saalfrank, 1971 geboren und die bekanntere der beiden „Super Nannys“, ist Diplom – Psychologin. Nach Angaben ihrer Agentur Pool Position Management GmbH schloss sie zudem eine psychologisch – therapeutische Weiterbildung an der Universität der Künste Berlin ab (kick.art-motion.com/katalog_pool/saalfrank.html). Unter anderem arbeitete sie in einer musiktherapeutischen Praxis und als Beraterin in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie (Christliches Medienmagazin Pro4/2005, S.26f.). Sie ist Mutter von vier Kindern.

„Supermama“ Miriam Pelzer hat nach Angaben der Firma Constantin Entertainment ein Universitätsstudium in Kulturwissenschaften und ästhetischer Praxis vorzuweisen (www.constantinentertainment.de).

Laut RTL2 studierte sie Sozialpsychologie und Pädagogik. Wie ihre Kollegin Aicha Katjivena ist sie ausgebildete Erzieherin. Nach Angaben von RTL2 hat sie außerdem zwei Kinder.

Aicha Katjieva, geboren 1968 in Namibia, arbeitet unter anderem als Erzieherin im Elementarbereich und als Streetworkerin in Berlin. Auch sie ist Mutter.

RTL2 drehte insgesamt 19 Folgen der „Supermamas“, die bis Ende 2005 ausgestrahlt wurden, eine neue Staffel wurde 2006 ausgestrahlt sowie ältere Sendungen aufgrund der großen Nachfrage wiederholt.

RTL zeigte in den ersten beiden Staffeln der „Super Nanny“ 25 Folgen, inzwischen sind weitere Staffeln angelaufen.

Vom englischen Format „Supernanny“ hat RTL nach eigenen Angaben den Aufbau der Sendung übernommen. Anders als im Original beschäftigt sich die „Super Nanny“ in Deutschland und Österreich jedoch mehr mit dem ganzen, sie berücksichtigt die ganze Familie und nicht nur die Kinder.

In die Erziehungstipps flössen auch pädagogische Ansätze ein, außerdem sei das österreichische und deutsche Format weniger streng als die britischen Nannys.

Über die pädagogischen Methoden der „Super Nanny“ wird viel spekuliert.

Zu dem Vorwurf, sie propagiere ein autoritäres Erziehungsmodell äußert sich Katharina Saalfrank wie folgt:

„Das stimmt nicht. Der Eindruck entsteht vielleicht durch den aus Zeitnot knappen Zusammenschnitt der Szenen“ (Katharina Saalfrank, DIE ZEIT1/2005, 30.12.2004)

In einem Interview mit dem Christlichen Medienmagazin Pro sagt sie, sie möchte in ihren Beratungen verstehen, „was in den einzelnen Familien vor sich geht(…)und welche Muster sich zwischen den einzelnen Familienmitgliedern entwickelt haben“. Der systemische Ansatz sei absolut gewaltfrei (vgl. Katharina Saalfrank Christliches Medienmagazin Pro 4/2005, S.26f.).

Wie stark die Kamera die Arbeit der „Super Nannys“ beeinflusst, berichtet Nadja Lydssan in einem Presseinterview:

„Am Anfang fühlen sich die Eltern gehemmt. Sie reißen sich wahnsinnig zusammen. Doch irgendwann halten sie den Druck nicht mehr aus. Dann platzt alles aus ihnen heraus. Kinder sind da unbefangener“ (www.general-anzeiger-bonn.de/index_frameset.html?/news/artikel.php?id=82899)

Während der Beratung sei das Kamerateam die ganze Zeit dabei doch können die Kameras auf Wunsch der Eltern jederzeit abgeschaltet oder das Team aus dem Raum geschickt werden.

„Die Familien geben die Zustimmung zu den Szenen, die gezeigt werden. Das heißt: Was gezeigt wird, geschieht in Übereinstimmung mit den Eltern.“ (Nadja Lydssan, s.o.)

Die Familien hätten auch jederzeit die Möglichkeit, aus den Dreharbeiten auszusteigen.

Als „Aufwandsentschädigung“ für ihre Teilnahme erhalten die deutschen Kandidaten 2.000 Euro.

Unklar sind jedoch nach wie vor die Folgen, die den Familien aus ihrer Teilnahme an der Sendung entstehen.

Zwar veröffentlicht RTL auf seiner Homepage teilweise Namen und Wohnorte der Familien – etwa mit Bildunterschriften wie „Das ist Familie (Name) aus (Wohnort). Vater Wolfgang (34), Mutter Kerstin (34), die kleine Katharina(3) und Florian(5)“ (www.rtl.de/ratgeber/familie_878707.php)

Damit macht es der Sender neugierigen überraschend leicht, Telefonnummern herauszufinden. Man scheint aber kein Interesse daran zu haben, die Familien in der Öffentlichkeit über ihre Erfahrungen berichten zu lassen.

Jede Familie bekommt nach ihrem Fernsehauftritt einen Berater zur Seite gestellt, welcher auch für Medienanfragen zuständig ist.

Dieser berät die Familien im Umgang mit Anfragen und soll auch zum Schutz der meist Medien- und Journalisten- Unerfahrenen mit Rat und Wissen helfen.

Hinter allen Sendungsformaten, ob nun in Großbritannien, Deutschland oder Österreich, steht eine relativ große Marketing-Maschine welche relativ rasch von den jeweiligen „Super Nannys“ geschriebene Erziehungsratgeber auf den Markt brachte, ergänzt durch Ratgeber -DVDs und Seminare für überforderte Eltern.

(vgl. Saalfrank, Katharina (2006): Die Super Nanny. Glückliche Kinder brauchen starke Eltern, zus. Mit Eva Blank, 2.Aufl. – München: Goldmann.

Frost Jo (2005): Powernanny. Das Beste für ihr Kind (zuerst engl.2005, „Supernanny: How to get the best from your children“,-London: Hodder and Stoughton). –München: Goldmann Verlag).

5. IDEALE ERZIEHUNGMETHODEN

Die meisten Auseinandersetzungen über Erziehung kreisen um folgende Fragen, welche zum einen die Kinder betreffen, zum anderen die Eltern:

- Was sollen Kinder lernen? (Erziehungsziele)
- Wie können Eltern diese Erziehungsziele bei ihren Kindern erreichen? (Elterliche Erziehungskompetenzen)
- Wie können Eltern ihre Erziehungskompetenzen verbessern? (Elternberatung und
-bildung)

Die Frage nach den Erziehungszielen ist eine normative Frage, über welche sich nicht nur Eltern, sondern seit Jahrtausenden auch Theologen, Philosophen, Pädagogen, Fürsten, Politiker und viele Wissenschaftler Gedanken gemacht haben – Platon (1960 v Chr.) etwa: Er misstraute Eltern so sehr, dass er ihre Kinder lieber Ammen und Lehrern anvertrauen wollte (Nomoi, VII. Buch). Comenius (1962) veröffentlichte 1633 ein Werk über die „Mutterschul“, ein Curriculum, welches Mütter über den Umgang mit ihren Kindern belehren sollte. Pestalozzi (1932) schrieb 1801 das Buch „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt. Ein Versuch, den Müttern Anleitung zu geben, ihre Kinder selber zu unterrichten“. Fröbel führte nicht nur den Kindergarten in Deutschland ein, sondern auch die Mütterbildung im Sinn (Textor 1990).

Die moderne Entwicklungspsychologie und Sozialisationsforschung geben Empfehlungen, die selbstverständlich auch in den Zeitgeist mit seinen Menschen-, Familien-, und Gesellschaftsbildern eingebettet sind.

Auch auf die Frage nach den Erziehungsmitteln, also danach, wie Eltern bestimmte Erziehungsziele erreichen können, gab es bereits in der historischen Vergangenheit gut gemeinte Ratschläge. Aber erst in jüngerer Zeit liegen dazu empirische Forschungsergebnisse der Entwicklungspsychologie und Sozialisationsforschung vor.

Die Frage nach den elterlichen Erziehungskompetenzen dreht sich um das Problem, welches Wissen und welche Fähigkeiten Eltern erlangen müssen, damit ihre Kinder das angestrebte Erziehungsziel optimal erreichen. Hierbei vermischen sich normative Aspekte (wie die Kinder werden sollen) mit Ergebnissen empirischer Forschung dazu, was sich als Erziehungsmittel bewährt hat (z.B. liebevoller, aber kontrollierter Erziehungsstil).

Die Frage nach Elternberatung und –bildung zielt darauf ab, welche Lehr- und Beratungsformen am besten dafür geeignet sind, die Erziehungskompetenzen der Eltern zu verbessern. Wollte man diese Frage befriedigend beantworten, müsste man sich auf Untersuchungen der Evaluationsforschung stützen, in denen die Wirksamkeit und die langfristigen Effekte verschiedener Vermittlungsformen getestet werden.

Leider liegen solche Evaluationsstudien für Deutschland und Österreich bislang nicht in notwendigem Ausmaß vor.

Was die Wissenschaften derzeit zum Thema „Erziehung“ sagen können, enthält das jüngste Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Stärkung familiärer Beziehungs- und Erziehungskompetenzen“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005; Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen 2005). Es gibt einen aktuellen Überblick darüber, was Expertinnen und Experten – vor allem aus Psychologie, Soziologie und Pädagogik – über Erziehungsziele, Erziehungsmittel, elterliche Erziehungskompetenzen sowie über Elternberatung und –bildung denken.

Diese Sachverständigen stellen fest, Eltern müssen bei ihrer Erziehungsaufgabe unterstützt werden und begründen das mit vielen Forschungsbefunden. So hängt es sowohl in Deutschland als auch in Österreich stark von den Eltern und ihrem sozialen Status ab, ob ein Kind gute Chancen im Bildungssystem und später am Arbeitsmarkt habe.

Ein Teil der Kinder zeige Verhaltensauffälligkeiten, die wohl mit Beziehungs- und Erziehungsdefiziten in der Familie in Verbindung gebracht werden können, so die Meinung der Experten.

Der Beirat leitet aus den Befunden Entwicklungs- und Erziehungsziele für Kinder ab und teilt diese in drei Perspektiven ein:

- in einer individuellen Perspektive geht es um die Entfaltung der Begabungen, Interessen und Selbstentwicklungspotentiale des jungen Menschen. Das Ziel ist, ihn zu einer autonomen und selbstverantwortlichen Lebensführung zu befähigen.
- In der sozialen Perspektive geht es um die Förderung sozialer Fähigkeiten zur Herstellung zufrieden stellender zwischenmenschlicher Beziehungen, um die Fähigkeit, die Bedürfnisse anderer anzuerkennen, gemeinsame Verpflichtungen zu übernehmen, sowie um Kooperations- und Konfliktlösungsfähigkeiten.
- Die moralische Perspektive umfasst als Ziel den Aufbau von Wertmaßstäben zur Beurteilung von richtig und falsch, zulässig und unzulässig, fair und unfair oder gerecht und ungerecht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
Super Nanny & Co: Die Kontroverse um die Elternflüsterer
Hochschule
Universität Wien  (Publizistik und Kommunikationswissenschaften)
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
65
Katalognummer
V69207
ISBN (eBook)
9783638601092
ISBN (Buch)
9783638673280
Dateigröße
719 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Super, Nanny, Kontroverse, Elternflüsterer
Arbeit zitieren
Tara Auböck (Autor:in), 2007, Super Nanny & Co: Die Kontroverse um die Elternflüsterer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69207

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