Bekenntnis als Abgrenzung

Eine Untersuchung zum Häresiebegriff der Confessio Augustana mit Berücksichtigung des Aufsatzes von Reinhard Slenczka "Die Lehre trennt - aber verbindet das Dienen?"


Hausarbeit (Hauptseminar), 1997

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

EINLEITUNG

1. EIN ÖKUMENISCHES SCHLAGWORT

2. BEMERKUNGEN ZUM BEGRIFF DER HÄRESIE
2.1. Dogmatische Häresie
2.2. Ethische Häresie

3. DAS AUGSBURGER BEKENNTNIS
3.1. Der historische Kontext
3.2. Zur Autorität von Bekenntnisschriften
3.3. Die Möglichkeit einer römisch-katholischen Anerkennung der Confessio Augustana

4. SCHLUSSFOLGERUNGEN

LITERATURVERZEICHNIS

EINLEITUNG

In der Zeit der Glaubensspaltungen und konfessionellen Bürgerkriege wurde die Dissoziierung von Kirche und Staat eingeleitet. Dies und die gleichzeitig aufkommende Forderung eines Toleranzgebotes hatten zur Folge, daß nunmehr die Anwendung von weltlichen Strafen bei der Durchsetzung von Häresieurteilen wegfallen mußte.

Damit löste sich der alte Häresiebegriff auf, welcher dogmatische und moralische Verfehlung ineins gesetzt hatte. An die Stelle der Häresieprozesse trat die Lehrbeanstandung. Mit besonderer Intensität stellt sich die Frage nach der kirchentrennenden Wirkung von Lehrgegensätzen auf dem Feld der Ökumene.

»Die Lehre trennt, aber das Dienen verbindet« – diese Formel, die im Zusammenhang mit der ersten Konferenz für Praktisches Christentum 1925 in Stockholm geprägt wurde, steht für den Versuch eines gemeinsamen, pragmatischen Ausgangspunktes. Die tieferliegenden theologischen Probleme in Bezug auf die Bedingungen kirchlicher Einheit werden durch sie allerdings nicht gelöst werden können.

Der weitere Verlauf der ökumenischen Debatte um die Überwindung von Gegensätzen in Bekenntnisschriften und Kirchenverfassungen machte eine Neuaufnahme der Häresie-Thematik notwendig, so geschehen bei der dritten Weltkonferenz für Glaube und Kirchenverfassung in Lund, 1952.

Dort bemühte man sich um eine Definition des Begriffes, der seither in der ökumenischen Diskussion beträchtliche Ausweitung erfuhr: Eine ökumenische Studie beschrieb in den sechziger Jahren strukturelle Häresie; 1968 stellte W.A.Visser’t Hooft in Uppsala vor der Vollversammlung des Ökumenischen Rates die Frage nach »ethischen« Häresien...

Die Klärung des Häresiebegriffes selbst ist dringlich geworden, denn dieser ist verknüpft mit den Orientierungsproblemen der Kirche – heute nicht weniger als gestern.

1. EIN ÖKUMENISCHES SCHLAGWORT

Es war bei der Vorbereitung auf die erste Weltkonferenz für Praktisches Christentum in Stockholm 1925, als durch den Präsidenten des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses, Dr. H. Kapler, der Satz »Die Lehre trennt, aber das Dienen verbindet« in die Diskussion eingebracht wurde. Obwohl ein ökumenisches Schlagwort, kennzeichnet doch gerade dieser Satz treffend wie kein anderer den Gegensatz von Dogmatismus und Pragmatismus:

Auf dem Gebiet der dogmatischen Verständigung sind – zum Teil trotz großer Bemühungen – keine so recht befriedigenden Erfolge zu verzeichnen. So versucht die ökumenische Bewegung in gewisser Hinsicht das Überleben auf einer anderen Schiene, wenn sie versucht, die Kirchen im Dienen zu verbinden, wo sonst bei der Behandlung dogmatischer Kontroversfragen die Gräben nur noch tiefer gerissen werden würden. Der erfolgreichere Weg?

Die einigende Wirkung des Dienens war zweifellos schon immer ausschlaggebend gewesen für große Gebiete der ökumenischen Arbeit. Und es ist eine Tatsache, daß sich die getrennten Kirchen bei der praktischen Zusammenarbeit und bei der Wahrnehmung gemeinsamer Verantwortung besser vertragen als bei theologischen Verhandlungen über traditionelle Lehrunterschiede. Wenn sich die ökumenische Bewegung nun stärker in Richtung einer praktischen Zusammenarbeit entwickelt, so ist das verständlich. Doch inwieweit verbindet das gemeinsame Dienen wirklich? Besonders zwei Probleme sollen in diesem Zusammenhang Erwähnung finden:

a) In den Bereichen Diakonie und Politik spielen sich alle menschlichen Konflikte ab. Egal ob inner- oder außerhalb der christlichen Gemeinde; Neutralität und Objektivität können hier nicht vorausgesetzt werden.

Man kann es bedauern, aber es ist nun einmal das natürliche Gesetz des menschlichen Miteinanders, daß sich immer neue Fronten und Gruppen bilden, die sich im Sinne einer eigenen Gerechtigkeit voneinander abgrenzen; sei die Begründung nun religiöser, wissenschaftlicher oder ideologischer Natur.

Eine Gemeinschaft des Dienens kann nur bestehen, wenn ein Konsens betreffs der Mittel, Ziele und Interessen besteht. Ohne diesen Konsens bleibt der Satz vom »verbindenden Dienen« eine Illusion, welche in der Wirklichkeit keinen Bestand hätte.

b) Aus den weltweiten Programmen wie zum Beispiel Entwicklungshilfe, Friedenspolitik, Rassismusbekämpfung etc. ergeben sich die Möglichkeit und auch das Gebot zur Zusammenarbeit. So gut und richtig das auch ist; sollte nicht besser zwischen Zusammenarbeit und »Einheit im Dienen« unterschieden werden? Wenn nämlich die gemeinsame Arbeit an einem praktischen Objekt zur »Einheit« führt, dann wird möglicherweise die Einheit der Kirche über innerchristliche, konfessionelle Grenzen hinaus auf eine (je nachdem, wer noch alles mitarbeitet) Einheit auch der Religionen und Weltanschauungen erweitert. Anders formuliert: Kann eine Basis in einer gemeinsamen Praxis zu wirklicher Einheit und Verbindung führen? Wenn ja: Besteht dann nicht die Gefahr, daß die Kirchen eine Einheit der Menschheit beziehungsweise eine Gemeinschaft aller »Menschen guten Willens«[1] mit Konturenlosigkeit und Verlust der eigenen Identität bezahlen müssen?

Traditionell will die ökumenische Bewegung in der Gegenwart im Dienen verbinden, was sich in der Vergangenheit über Lehr­meinungen zerstritten hat. Doch auch dort, wo man sich im Dienen Gemeinschaft erhofft hat, tauchte bereits das Stich­wort der Häresie auf...

2. BEMERKUNGEN ZUM BEGRIFF DER HÄRESIE

»Angesichts der Nöte der Welt selbstzufrieden zu sein bedeutet, der Häresie schuldig zu werden.«[2]

»Es muß uns klar werden, daß die Kirchenglieder, die in der Praxis ihre Verantwortung für die Bedürftigen irgendwo in der Welt leugnen, ebenso der Häresie schuldig sind wie die, wel­che die eine oder andere Glaubenswahrheit verwerfen.«[3]

Nicht nur in Kirche und Theologie, sondern auch in der öku­menischen Bewegung, die doch die alten Spaltungen der Chri­stenheit überwinden soll, ist wieder von Häresie die Rede. Allerdings erscheint das Stichwort hier nicht als Ergebnis einer Auseinandersetzung, sondern als Grund und Mittel: Ist nun ein Häretiker, wer der Politik des Ökumenischen Rates nicht zustimmt? Dem dann vorgehalten werden kann, er sei ge­genüber der Not der Welt »selbstzufrieden«?

Was ist Häresie? Ein peinliches Schimpfwort? Das Gegenteil von christlicher Liebe und ökumenischem Bewußtsein?

Der Sache nach besteht der Vorgang der Häresie in der Ab­sonderung aus Streiterei und Selbstbehauptung.[4] Es kommt zur Trennung aufgrund unterschiedlicher An- und Einsichten, mögen sie Götzenopferfleisch, Reinheitsvor­schriften, Taufbestimmungen oder ähnliches betreffen. Das Entscheidende liegt nicht im Inhalt, sondern in der Tat­sache des Konfliktes: Schließlich streiten sich Glieder der christlichen Gemeinde, die doch durch den gemeinsamen Glau­ben an den Erlöser Christus miteinander verbunden sein soll­ten. Wenn auch in vielen Fällen die Notwendigkeit einer Ab­grenzung unbestritten bleibt – nicht zuletzt standen ja Grundwahrheiten der Reformation mit allen Konsequenzen unter dem kirchlichen Verdikt der Häresie – so besteht doch eine höchste Sorgfaltspflicht bei der Beurteilung der Differenzen, insbesondere, wenn diese nicht-dogmatischer Art sind! Motive aus dem sozialen und politischen Bereich haben oft ge­nug zum Zerbrechen beziehungsweise zur Verhinderung von Einheit geführt. Der Begriff der Häresie im kirchlichen Sprachgebrauch muß deshalb sehr genau abgetrennt werden von den Versuchen, nicht-dogmatische Differenzen zu dogmatischen zu erklären! (Und diese dann als Häresie zu verurteilen!!)

Um die Neuaufnahme des Häresiebegriffes in der ökumenischen Bewegung besser einschätzen zu können, sollen im folgenden kurz einige allgemeine Aspekte zum Phänomen der Häresie dargestellt werden.

[...]


[1] Es geht um eine praktisch-ethische Gemeinschaft des Wollens und Handelns, unabhängig den ideologischen Bindungen des einzelnen. Die Wendung, die in der Vulgata-Übersetzung von Lk 2,14 beschrieben wird, begegnet in Zusammenhang mit der Thematik häufig. Vgl. R. Slenczka, Kerygma, S.126.

[2] Aus dem Konferenzbericht der vierten Vollversammlung der Ökumenischen Rates 1968 in Uppsala: Bericht der Sektion III Abschnitt V »Wirtschaftliche und soziale Weltentwicklung. Aufgaben für die Christen, die Kirche und den ökumenischen Rat der Kirchen«. Vgl. auch Slenczka, Kerygma, S.127ff.

[3] Siehe anmerkung 2, aber: vortrag don W. A. Visser’t Hooft: »Auftrag der ökumenischen Bewegung«.

[4] Vgl. einschlägige Artikel zu »hairesis«, z.B. Schlier in: ThWNT

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Details

Titel
Bekenntnis als Abgrenzung
Untertitel
Eine Untersuchung zum Häresiebegriff der Confessio Augustana mit Berücksichtigung des Aufsatzes von Reinhard Slenczka "Die Lehre trennt - aber verbindet das Dienen?"
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Theologie)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
1997
Seiten
17
Katalognummer
V69180
ISBN (eBook)
9783638595353
ISBN (Buch)
9783638768702
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Müssen wir uns die Verwerfungsurteile der Confessio Augustana zu eigen machen, wenn wir evangelische Christen sein wollen? Eien Untersuchung zum Härsiebegriff der CA mit Berücksichtigung des Aufsatzes von Reinhard Slencka "Die Lehre trennt - aber verbindet das Dienen?"
Schlagworte
Bekenntnis, Abgrenzung, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Susannah Krügener (Autor:in), 1997, Bekenntnis als Abgrenzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69180

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