Der Peronismus und sein Vermächtnis an das politische System Argentiniens.Trägt der Peronismus Schuld an der Krise Argentiniens?


Seminararbeit, 2004

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

A Einleitung

B Der Peronismus und sein Vermächtnis an das politische System Argentiniens
I. Die Bedingungen seines Aufstiegs. Antwort auf eine Krise
II. Der Peronismus
1. Die Programmatik des Peronismus
2. Der Peronismus und lateinamerikanischer Populismus
3. Machtquellen und Charisma
III. Gründe für das Scheitern. Eine polarisierte Gesellschaft
IV. Das peronistische Vermächtnis und die argentinische Krise
1. Die Gesellschaft
2. Die Wirtschaft
3. Die Politik

C Fazit

Literaturverzeichnis

Weiterführende Literatur

A Einleitung

Wirft man einen Blick zurück auf das Argentinien zu Beginn des 20. Jahrhunderts, so bot sich dort dem Betrachter auf den ersten Blick ein Land mit glänzenden Perspektiven. Eine gemeinsame Verbindung zum lateinamerikanischen Kontinent schien lediglich bezüglich seiner geographischen Lage herstellbar. Im Vergleich zu seinen Nachbarländern war Argentinien sowohl in sozialer als auch politisch-institutioneller Hinsicht weitaus fortgeschrittener, ins Auge stach jedoch insbesondere die wirtschaftliche Überlegenheit. Diese basierte auf einer Exportökonomie, die sich in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts entwickelte und dem Land bis in die 30er Jahre hinein großen Reichtum und Wohlstand bescherte.[1] Durch seine Entwicklungsvoraussetzungen war das Land geradezu prädestiniert dafür, einen dynamischen Industrialisierungsprozess zu durchlaufen. Noch in den 30er Jahren zählte es zu den fortgeschrittensten Ländern und sein Entwicklungsniveau glich in etwa dem Australiens, Kanadas und Südeuropas.[2] Argentinien spielte in einer anderen Liga als der Rest des Kontinents und blickte frohen Mutes in die Zukunft.

Statt dauerhafter Prosperität folgten jedoch Peronimus, unzählige Militärdiktaturen und ein dramatischer wirtschaftlicher Abstieg. Argentinien konnte sein Entwicklungspotential nicht nutzen und zu Beginn des neuen Jahrhunderts könnte der Kontrast zur ehemals vielversprechenden Ausgangssituation größer kaum sein: das Land liegt wirtschaftlich am Boden und befindet sich in einem derart umfassenden Geflecht aus ökonomischen, sozialen und politischen Krisen, dass die Lage fast ausweglos erscheint. Argentinien ist heute längst auf dem Boden der Tatsachen angekommen und damit der Illusion beraubt, dem allgemeinen lateinamerikanischen Schicksal entrinnen zu können.

Im Rahmen dieser Arbeit soll nun versucht werden, der Frage nachzugehen, ob und inwiefern dem Peronismus die Schuld bzw. Mitverantwortung an der heutigen desaströsen Situation angekreidet werden kann. Nach einer kurzen Skizzierung der Aufstiegsbedingungen soll hierzu der Peronismus bezüglich seiner inhaltlichen Programmatik analysiert und hinsichtlich seiner Herrschaftsform charakterisiert werden. Im Anschluss an die Darstellung seiner Machtressourcen soll dann nach den Gründen für das Scheitern des Peronismus gefragt werden. Es folgt eine Analyse der Hinterlassenschaften des Peronismus auf sozialem, ökonomischem und politischem Gebiet. Die Arbeit schließt dann mit einem persönlichen Fazit meinerseits zur eben benannten Fragestellung.

B Der Peronismus und sein Vermächtnis an das politische System Argentiniens

I. Die Bedingungen seines Aufstiegs. Antwort auf eine Krise

Als auslösendes Moment derjenigen Entwicklungen, die letztlich der Entstehung der peronistischen Bewegung den Boden bereitet haben, muss wohl die Weltwirtschaftskrise von 1930 erachtet werden. Sie zeigte erstmals die Anfälligkeit des argentinischen Wirtschaftsmodells einer Agrarexportökonomie gegenüber konjunkturellen Schwankungen auf dem Weltmarkt auf[3] und stand am Beginn einer Periode argentinischer Herrschaft, die als década infame (1930-1943) in die argentinische Geschichte eingehen sollte. Eine externe Krise erforderte eine Neuausrichtung der argentinischen Wirtschaft durch die herrschende Oligarchie und offenbarte im Scheitern dieser schonungslos die internen sozio-ökonomischen Missstände.

Unter dem formalen Deckmantel der Institutionen einer liberalen Demokratie herrschte in Wirklichkeit eine Agraroligarchie, die sich ihre Macht durch systematischen Wahlbetrug, Bestechung und Korruption sicherte.[4] Sie instrumentalisierte den Staat für ihre eigenen Zwecke und entschied letztlich über die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung Argentiniens unter dem Primat der Sicherung der eigenen Vormachtstellung. Sie blockierte dabei in wirtschaftlicher Hinsicht eine grundlegende Veränderung des argentinischen Wirtschaftsmodells[5], die der Verletzbarkeit des Agrarexportmodells sowie der wachsenden Bedeutung der einsetzenden importsubstituierenden Industrialisierung Rechnung trug. In ähnlich autistischer Weise wurde der durch den Beginn der Industrialisierung einsetzende grundlegende Wandel der Sozialstruktur ignoriert und den neu aufstrebenden gesellschaftlichen Kräften, Arbeiterschaft und Industriebourgeoisie, systematisch die politische Partizipation verweigert.[6] Dieses Verhalten führte schließlich zu einer Polarisierung der Gesellschaft und brachte die Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen und am Gemeinwohl orientierten Entwicklungsstrategie durch einen überparteilichen Staat mit sich.[7]

Der Militärputsch von 1943 beendete die década infame und läutete den Beginn peronistischer Herrschaft ein. Der Peronismus war im Wesentlichen eine Reaktion und Antwort auf diese politische, ökonomische und soziale Krise. Im folgenden Abschnitt soll nun erst einmal der inhaltliche Gehalt der peronistischen Antwort näher bestimmt werden, bevor die Bewegung als solche charakterisiert und eingeordnet wird.

II. Der Peronismus

1. Die Programmatik des Peronismus

Das zentrale Ziel des Peronismus war die Gewährleistung sozialer Stabilität. Dies sollte über eine Stärkung der Stellung des politischen Systems erreicht werden. Eine am Gemeinwohl orientierte Politik sollte zentrales Mittel sein, um die Orientierungsakzente für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung zu setzen. Der Staat sollte hierfür von seiner engen Bindung an Partikularinteressen gelöst werden. Er sollte als Schiedsrichter zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen fungieren und dabei den Dialog mit sämtlichen Bevölkerungsgruppen suchen.[8] Nur über einen starken und unabhängigen Staat konnte aus Sicht Peróns eine Politik gewährleistet werden, die den Wandel in der Sozialstruktur in verantwortungsvoller Weise begleitet. Ein derartiger Staat war aber nicht nur in sozialpolitischer, sondern auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht die Voraussetzung für die Durchsetzung einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsstrategie, welche die Interessen aller Bevölkerungssektoren angemessen berücksichtigte.

Die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen waren somit notwendigerweise der Ordnungsfunktion von Politik untergeordnet, spielten aber dennoch eine zentrale Rolle im gesamtgesellschaftlichen Entwicklungskonzept. Die Fortsetzung und Förderung der binnenmarktorientierten Industrialisierung hatte die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie eine Umverteilung des nationalen Einkommens zu Gunsten des urbanen Sektors in der Bevölkerung zum Ziel.[9] Die Erlangung internationaler Wettbewerbsfähigkeit wurde dabei nicht angestrebt. Die für den Absatz der nationalen Industriegüter so dringend benötigte Konsumentenschicht sollte sich durch das Zusammenspiel der wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen herausbilden. Ein weiteres zentrales Ziel war die Reduzierung der Abhängigkeit Argentiniens von ausländischem Kapital, was eine Stärkung der politischen Souveränität Argentiniens mit sich bringen sollte.

In all diesen Zielen zeigt sich noch deutlich die Handschrift des Militärs, aus dessen Reihen Peronismus ja hervorgeht. Insofern spielten bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen auch ideologische sowie außen- und sicherheitspolitische Überlegungen eine wichtige Rolle.[10] Dennoch erscheinen sie bis auf einzelne Akzentuierungen wie die fehlende Orientierung am Ziel internationaler Wettbewerbsfähigkeit als vernünftig, legitim und angesichts der bedrohlichen sozialen Lage zum Teil sogar als geboten. Der Peronismus kann meines Erachtens zumindest von seiner Programmatik her als konstruktiver Ansatz zur Überwindung der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krise zu jener Zeit gewertet werden. Handeln war geboten, sollte das Pulverfass sozialen Sprengstoffs nicht explodieren.

2. Der Peronismus und lateinamerikanischer Populismus

Der Peronismus kann als argentinische Variante des lateinamerikanischen Populismus charakterisiert werden. Der Populismus stellt für Michael L. Conniff aufgrund seiner weiten Verbreitung sowie den tiefen und nachhaltigen Auswirkungen auf die Politik in den jeweiligen Ländern den bedeutendsten Herrschaftsstil im Lateinamerika des 20. Jahrhunderts dar.[11] Er entstand als Antwort auf die tiefgründigen sozio-ökonomischen Veränderungen, welche der Kontinent zu Beginn dieses Jahrhunderts durchlief und wurde begünstigt durch die wachsende Industrialisierung und Technisierung, darunter insbesondere durch die Medien der Massenkommunikation. Charismatische Führung, Versprechen nach gesellschaftlicher Reform und Verbesserung der Lebensverhältnisse sowie nationalistische Rhetorik waren wesentliche Elemente populistischer Bewegungen. Die Populisten in Lateinamerika hielten Schritt mit der wirtschaftlichen Entwicklung und betrieben dabei eine moderate Umverteilungspolitik, die am Gemeinwohl aller Bürger orientiert war. Sie kamen allgemein durch Wahlen an die Macht und forderten die Einhaltung demokratischer Spielregeln, obwohl sie einmal an der Macht diese oft selbst nicht befolgten. Sie waren darüber hinaus in ihrem Handeln nicht starr an irgendeine Ideologie gebunden, sondern überaus flexibel und pragmatisch und somit den realen Gegebenheiten sehr anpassungsfähig. Die Programmatik solcher Bewegungen war sehr allgemein gehalten, Ausdruck des klassenübergreifenden Ansatzes des Populismus, der versuchte alle oder zumindest möglichst viele Bevölkerungsschichten anzusprechen. Nach Torcuato di Tella kam von allen populistischen Bewegungen der Peronismus aufgrund der heterogenen Zusammensetzung seiner Anhängerschaft der Reinform des Populismus am nächsten.[12]

[...]


[1] Halperín Donghi, T., Argentinien, 1996, S.18-19

[2] Kürzinger, E., Entwicklung, 1988, S.I

[3] Birle, P., Unternehmer, 1995, S.79

[4] Birle, P., Unternehmer, 1995, S.78

[5] Kürzinger, E., Entwicklung, 1988, S.31-35

[6] Boris, D./Hiedl, P., Geschichte, 1978, S.45

[7] Waldmann, P., Peronismus, 1974, S.54

[8] Waldmann, P., Peronismus, 1974, S.77-82

[9] Birle, P., Unternehmer, 1995, S.99

[10] Birle, P., Unternehmer, 1995, S.92

[11] Conniff, M., Introduction, 1999, S.1-21

[12] Di Tella, T. S., Populismo y reforma, 1965, S.391-425

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Der Peronismus und sein Vermächtnis an das politische System Argentiniens.Trägt der Peronismus Schuld an der Krise Argentiniens?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Demokratisierung in Lateinamerika
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V69047
ISBN (eBook)
9783638612371
ISBN (Buch)
9783638721745
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kleinere Korrekturen im vgl. zur Originalversion.
Schlagworte
Peronismus, Vermächtnis, System, Argentiniens, Trägt, Peronismus, Schuld, Krise, Argentiniens, Seminar, Demokratisierung, Lateinamerika
Arbeit zitieren
Helmut Wagner (Autor:in), 2004, Der Peronismus und sein Vermächtnis an das politische System Argentiniens.Trägt der Peronismus Schuld an der Krise Argentiniens?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69047

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