Die Darstellung des Fremden im Western der 50er und 60er Jahre im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

21 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Der amerikanische Western der 50er und der europäische Western der 60er Jahre im Vergleich

3. Unterschiede in der Darstellung des Fremden als Held im Western der 50er und 60er Jahre
3.1. Analyse der Darstellung des Fremden in „Shane“ („Mein großer Freund Shane“) (1953)
3.2. Analyse der Darstellung des Fremden in „The big country“ („Weites Land“) (1958)
3.3. Analyse der Darstellung des Fremden in der Dollar-Tilogie von Sergio Leone am Beispiel von „Per un pugno di dollari“ („Für eine handvoll Dollar“) (1964) und „Per qualche dollari in più“ („Für ein paar Dollar mehr“) (1965)

4. Zusammenfassung

5. Bibliographie

1. Einleitung

Beschäftigt man sich mit dem Fremden als wichtigen Baustein im Film, so kommt man am Genre Western nicht vorbei. In der heimatlichen, geschützten Atmosphäre einer neu gegründeten Western-Stadt oder in den großen Weiten der Prärie, kommt es häufig zur Begegnung mit dem Fremden. Dabei kann der Fremde unterschiedliche Charakterzüge haben, wie ich im Laufe der vorliegenden Hausarbeit zeigen möchte. Hierbei möchte ich insbesondere die unterschiedliche Darstellung des Fremden, der in allen hier untersuchten Western die Funktion des Helden als Identifikationsfigur für den Zuschauer übernimmt, eingehen.

Im ersten Kapitel geht es zunächst um eine allgemeine Charakterisierung des amerikanischen Western der 50er Jahre im Vergleich zum europäischen Western der 60er Jahre.

Im zweiten Kapitel betrachte ich die Darstellung des Helden im Western der 50er und 60er Jahre etwas ausführlicher und gehe dann im dritten inhaltlichen Kapitel auf die Darstellung des Fremden in vier Western genauer ein. Die ausgewählten filmischen Beispiele stammen aus den 50er und 60er Jahren und zeichnen ein ausgesprochen unterschiedliches Bild des Fremden. Meist ist es so, dass ein Fremder in eine Siedlung kommt, dort problematische Verhältnisse vorfindet und später selbst zum Problem wird. Beispielhaft für den Italo-Western wurden die ersten beiden Teile der Dollar-Trilogie von Sergio Leone ausgewählt, weil diese eine Vielzahl an filmischen Innovationen beinhalten.

Zum Abschluss betrachte ich im vierten Kapitel meine Analysen noch einmal zusammenfassend.

2. Der amerikanische Western der 50er und der europäische Western der 60er Jahre im Vergleich

„Was die Ilias für die Griechen, das Alte Testament für die Juden, die Heldendichtung des Cid für die Spanier, das Nibelungenlied für die Deutschen war und ist, das ist der Western für die Vereinigten Staaten von Amerika: Der kollektive, identitätsstiftende Gründungsmythos einer Nation.“ (Bayertz, 2004, S. 15). Der Western beschäftigt sich im Allgemeinen mit drei Epochen der Besiedelung des amerikanischen Westens: Die Eroberung des Landes und der Kampf gegen die Natur und die Indianer, der Aufbau und die Organisation der Städte und die Epoche nach dem Aufbau der Städte „die Jahre der Rivalität zwischen Viehzüchtern und Farmern, zwischen den Pionieren, die schon da waren, und denen, die noch neu hinzukamen, auch zwischen Zivilisierten und Outlaws.“ (Kiefer/Grob, 2003, S. 12). Western wie „The Big Country“ (1958), „Shane“ (1953) und „High Noon” (1952) sind beispielhaft für diese Themen. Allerdings handelt es sich dennoch beim Western als Genre um Fiktion, die sich bestenfalls an den historischen Gegebenheiten orientiert. John Ford beispielsweise mischt in seinen Filmen ständig Realität und Mythos (vgl. Kiefer/Grob, 2003, S. 16).

Ein weiteres gemeinsames inhaltliches Merkmal des Westerns ist die dargestellte Freundschaft zwischen Männern und auch die Offensichtlichkeit von Gewalt. Die Waffe des Westerners, der Revolver, wird zumeist offen am Gürtel getragen und wird auch wenigstens mit dem Showdown zum elementaren Bestandteil des Western (vgl. Kiefer/Grob, 2003, S. 28). Typischerweise wird auch die Sicht der neuen amerikanischen Siedler im Western favorisiert – die Darstellung der Sicht der Indianer hat John Ford beispielsweise, als einer der wichtigsten Western-Regisseure der 50er/60er Jahre, nur ein einziges Mal in „Cheyenne Autum“ (1964) thematisiert (vgl. Jeier, 1987, S. 180f).

Für den Westerner gibt es oft einen ähnlichen Ehrenkodex – er hat ein paar Besonderheiten und Ängste, muss aber diese überwinden um den Konflikt im Film zu lösen. Auch hier ist „The big country“ (1958) beispielhaft, da McKay im Film Gewalt verabscheut und jeder Herausforderung zum Kampf aus dem Wege geht. In einer der späteren Szenen jedoch muss er einer Kampfaufforderung folgen, um sich Respekt zu verschaffen.

Nicht nur die historische Rahmenhandlung, sondern auch die filmische Form erlaubt nur wenigen Variationen. Doch genau darin liegt der Reiz des Western: Die Figuren und deren Handlungen sind vorhersehbar.

Ein weiteres, ausgesprochen wichtiges Element des Western ist die Musik – zum Teil leben ausgedehnte Szenen der amerikanischen Western der 50er Jahre nur von Landschaftsaufnahmen mit sinfonischer Westernmusik im Hintergrund. Ennio Morricone, der die bisherige Westernmusik mit der Dollar-Triologie von Leone revolutioniert hat, sollte aber erst durch die Italo-Western der 60er Jahre zu wirklichem Ruhm gelangen (vgl. Kapitel 3).

Dass der Western auch zeitgenössische politische Probleme behandelt und daher ein wichtiges Zeitdokument abseits von einfachen, unterhaltsamen Cowboy-Geschichten darstellt, ist in Europa lange Zeit ignoriert worden. Der Western wurde in seiner politischen Kraft unterschätzt. Jedoch kommt es in den 50er-Jahren zu einem Wandel, dass zeitgenössische Umstände wie z.B. der McCarthyismus kritisiert werden. Erst „High Noon“ (1952) war in seiner Bildsprache so deutlich, dass seine Botschaft auch in Europa ankam (vgl. Seeßlen/Weil, 1979, S. 120). Dabei gab es auch eine Vielzahl weiterer Western, die sich der Besiedlung des Westens in seiner Darstellung im klassischen Western kritisch gegenüberstellten. In dieser neuen Art Western, machte der Held kritisch darauf aufmerksam, dass die Gewalt die im bisherigen Western vorherrschte sinnlos sei und es zur Bestrafung bessere Methoden als Tötung geben würde. Der Western „The Gunfighter“ (1950) thematisiert dies das erste Mal ausgesprochen deutlich (vgl. Seeßlen/Weil, 1979, S. 121). Auch Ringo, der neue Westernheld zum Beginn der 50er Jahre, missachtet – genauso wie McKay in „The big country“ (1958) – die bis dahin herrschenden Verhaltensregeln für Westerner und seht sich nach einem bürgerlichen Leben in Ruhe und Frieden (vgl. Seeßlen/Weil, 1979, S. 121). Am Ende des psychologischen Adult-Western steht jedoch ein Held, der, trotzdem er die Notwendigkeit zur Veränderung vor Augen hatte, aufgrund äußerer oder innerer Zwänge so weiterleben muss wie bisher (vgl. Seeßlen/weil, 1979, S. 126). Und so zieht auch Shane einsam und allein weiter in ein neues Tal.

Ein weiteres inhaltliches Charakteristikum der psychologischen Adult-Western ist ein deutlicher Vater-Sohn-Konflikt, der bei „The big country“ (1958) sogar darin endet, dass der eine Vater der beiden rivalisierenden Vater-Sohn-Gespanne seinen eigenen Sohn erschießt, weil dieser sich als nicht-würdig im Kampf erweist (vgl. Seeßlen, 1995, S. 107).

Der europäische Western der 60er Jahre, insbesondere der Italo-Western, unterscheidet sich stark von den amerikanischen Western der 50er Jahre. Thematisch reiht sich ein Großteil der Filme um die Zeit nach der ersten Zivilisierung des Landes, wo es zu Konflikten zwischen den Zivilisierten und den Outlaws kommt (vgl. Kiefer/Grob, 2003, S. 12). Beispielhaft dafür ist die Dollar-Trilogie, aus der die ersten beiden Teile weiter unten genauer analysiert werden. Hier fungiert der Outlaw, der Fremde, als Held, wenngleich er sich von dem klassischen Westernhelden der 50er Jahre deutlich unterscheidet. Er handelt nicht mehr so gradlinig, so durchschaubar und konsequent gut – dennoch wird er als Protagonist zur Identifikationsfigur. Faktisch ist der Held gar kein Held mehr, sondern nur noch ein ausgesprochen gewalttätiger Fremder, der – sobald sich eine Möglichkeit bietet – jemanden erschießt um einen Profit für sich dabei heraus zu schlagen (vgl. Jeier, 1987, S. 196).

Allerdings ist festzustellen, dass der Western der 60er Jahre nicht mehr der klassischen Struktur der Western der 50er Jahre entspricht. Der Western als Genre ist genauso wie seine amerikanischen Hauptdarsteller wie z.B. John Wayne in die Jahre gekommen und zeichnet nun nach europäisch-kritischer Art mit jungen Darstellern ein neues und nicht mehr durchweg positives Bild vom Leben im amerikanischen Westen. Die Dollar-Trilogie von Sergio Leone ist hierfür ein gutes Beispiel. In allen der drei Filme wird auf eine nicht ganz intakte Sozialstruktur der Städte verwiesen. Der Film „Per un pugno di dollari“ (1964) handelt beispielsweise von einer Stadt, die vom Kampf der zwei Gangsterfamilien gezeichnet ist. Hier kämpfen die Alkoholschmuggler gegen die Waffenhändler – und nicht Gut gegen Böse wie beispielsweise in Fred Zinnemanns „High Noon“ (1952).

Während im typischen John-Ford-Western der 50er Jahre die idyllische Darstellung der Westernlandschaft überwiegt, so handelt es sich bei den Landschaften im Italo-Western meist um karge, tote Wüstenlandschaften durch die sich ein ebenso gefühlskalter Protagonist bewegt (vgl. Jeier, S. 196f).

3. Unterschiede in der Darstellung des Fremden als Held im Western der 50er und 60er Jahre

Im amerikanischen Western der 50er Jahre ist der Western-Held ein positiver Held, später, in den Italo-Western der 70er Jahre verändert sich der Held jedoch hin zu einem eher zwielichtigen Protagonisten, der nicht mehr nur positive Züge hat. Vielmehr werden die Charaktere dadurch lebensechter. Auf den besonderen Helden, Joe (Clint Eastwood), in der Dollar Trilogie, wird weiter unten noch ausführlicher eingegangen.

In den Edelwestern von John Ford tauchen immer wieder Sehnsüchte nach größeren Zielen auf – dies kann in Form von Land oder einer Familie sein – und damit in gewisser Weise auch die Erfüllung des amerikanischen Traumes. Jedoch findet der Westernheld meist seine Ruhe nicht und zieht weiter ohne sesshaft zu werden, auf der ständigen Suche oder Jagd. (vgl. Kiefer/Golb, 2003, S. 19). Solche höheren Motivationen bleibt uns Sergio Leone schuldig. Bei Joe, dem Protagonisten der Dollar-Trilogie, geht es nur darum möglichst schnell viel Geld zu machen und dabei seine eigenen egoistischen Bedürfnisse zu befriedigen – der Wunsch nach Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse könnte ihm fremder nicht sein. „Der Held im Italo-Western arbeitet im Angestelltenverhältnis oder als Einmannunternehmer, einen moralischen Auftrag kann er nicht haben, weil in dieser Welt niemand moralische Aufträge erteilen kann.“ (Seeßlen/Weil, 1979, S. 182). Der Westerner der 50er Jahre jedoch handelt rechtens um des Rechtes willen – und nicht weil er sich einen monetären Vorteil davon verspricht (vgl. Bayertz, 2004, S. 23).

Der klassische Westernheld, wie wir ihn sowohl in den 50er Jahren als auch in den 60er Jahren finden ist „häufig einsam, ein Loner, er ist introvertiert und wortkarg, physisch höchst agil und gewandt, klug, aber kaum reflektierend.“ (Kiefer/Golb, 2003, S. 18). Jedoch weist der Westernheld der 60er Jahre meist eine psychologischere Vielschichtigkeit auf und ist nicht mehr so leicht in Gut und Böse zu trennen wie in den 50er Jahren. Vielmehr lässt sich der Westernheld der 60er/70er-Jahre – und auch der Held im allgemeinen Spielfilm dieser Zeit – dadurch charakterisieren, dass sie cooles Selbstbewusstsein mit einer atemberaubenden Waghalsigkeit verbinden (vgl. Cole/Wiliams, 1986, S. 70). Dies macht sie zu den Zuschauerlieblingen ihrer und auch unserer Zeit.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Darstellung des Fremden im Western der 50er und 60er Jahre im Vergleich
Hochschule
Universität Potsdam
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V68862
ISBN (eBook)
9783638611787
ISBN (Buch)
9783638793728
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Darstellung, Fremden, Western, Jahre, Vergleich
Arbeit zitieren
Magistra Artium Claudia Kunze (Autor:in), 2007, Die Darstellung des Fremden im Western der 50er und 60er Jahre im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68862

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