Monumentale Glasmalerei in Hans Jantzens 'Kunst der Gotik'


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

29 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Überblick über die Literatur

3. Die Kunst der Glasmalerei

4. Hans Jantzens „Monumentale Glasmalerei“
4.1 Lichtraum und Bildwelt
4.2 Die Stifter
4.3 Die Themen
4.4 Die planvolle Ordnung
4.5 Die Farbe

5. Schlussbemerkung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Hans Jantzens 1957 erschienene Schrift: „Kunst der Gotik. Klassische Kathedralen Frankreichs. Chartres, Reims, Amiens“ zählt auch heute, fast 50 Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung, immer noch zu den Standardwerken im Bereich der gotischen Kunst. Die knappe Darstellungsweise und die klare Art der Formulierung machen das Buch zu etwas Außerordentlichem: verständlich und zugleich fachlich auf höchstem Niveau.

Ausgehend von seinem 1927 gehaltenen Vortrag: „Über den gotischen Kirchenraum“, in dem er den mittlerweile bereits in den Wortschatz der Kunstgeschichte eingegangenen Begriff der „diaphanen Struktur“ für die Hochschiffwand der gotischen Kathedrale prägt, beschäftigt er sich in „Kunst der Gotik“ mit der Entwicklungsgeschichte dieser Epoche. Exemplarisch zeigt er sie an den in Nordfrankreich gelegenen Kathedralen von Chartres, Reims und Amiens auf, die für ihn die Hochgotik in ihrer reinsten Form darstellen. Neben den einzelnen architektonischen Teilen der Kathedrale bespricht er auch ausführlich die Bereiche der Bildhauerei und der Glasmalerei.

Ich werde mich nachfolgend ausführlich mit dem Kapitel „Monumentale Glasmalerei“ in Jantzens Buch beschäftigen und seine Ansichten mit den in der übrigen Literatur geäußerten Meinungen vergleichen. In der Gliederung meiner Arbeit halte ich mich dabei an die von Jantzen in seinem Buch vorgegebene Unterteilung.

2. Überblick über die Literatur

Es ist eine altbekannte Tatsache, dass sich zur Gotik und ihren wichtigsten Kathedralen zahlreiche Literatur finden lässt. Jantzen selbst hat neben dem oben schon erwähnten „Kunst der Gotik“ 1962 noch ein weiteres wichtiges Werk veröffentlicht. In „Die Gotik des Abendlandes. Idee und Wandel“ weitet er das von ihm bisher abgedeckte Gebiet aus und untersucht die Auswirkungen und unterschiedlichsten Ausprägungen der von der Île-de-France ausgehenden Gotik auf die verschiedenen Stile in den anderen europäischen Ländern.

Als weiteres Standardwerk der Gotikforschung hat ohne Zweifel auch Hans Sedlmayrs 1951 entstandenes Buch: „Die Entstehung der Kathedrale“ zu gelten. Er setzt sich, im Gegensatz zu Jantzen, vor allem mit den Gewölbekonstruktionen auseinander und versucht, daran das spezifisch Gotische einer Kathedrale festzumachen.

Unter den neueren Werken zur Gotik ist besonders „Die gotische Architektur in Frankreich 1130 – 1270“, 1985 von Dieter Kimpel und Robert Suckale veröffentlicht, hervorzuheben. Die Autoren legen mehr Wert auf den sozialgeschichtlichen Aspekt der Gotik und verstehen die gotische Stilentwicklung nicht als „Stilentelechie“, wie Jantzen, sondern ausgehend von den durch die Bauherren konkret geforderten architektonischen Maßnahmen.

Im Bereich der Glasmalerei gestaltet sich die Suche nach Literatur bereits deutlich schwieriger. Allgemeines zur Glasmalerei bietet das altbekannte „Wörterbuch der Kunst“ von Johannes Jahn und Wolfgang Haubenreißer.

Auch lassen sich dann in all den oben bereits erwähnten Werken zur gotischen Kunst jeweils kürzere Abschnitte finden. Ebenso Überblickswerke wie die von Christoph Wetzel herausgegebene „Belser-Stilgeschichte“ und „Kunst. Die Geschichte ihrer Funktion“ von Werner Busch und Peter Schmook beschäftigen sich im kleinen Rahmen damit.

Gute Dienste leistet in diesem Bereich Catherine Brisacs 1985 erschienenes Werk „Glasfenster. 1000 Jahre europäische Glasmalerei“, das im Rahmen eines Überblicks über die Kunst der Glasmalerei von den Anfängen bis in unsere heutige Zeit auch auf die Zeit der Gotik ausführlich eingeht.

Hilfreich ist des weiteren „Die Welt der Glasfenster. Zwölf Jahrhunderte abendländischer Glasmalerei in über 500 Farbbildern“, 1977 von Lawrence Lee verfasst. In diesem Überblickswerk ist nicht nur der gotischen Glasmalerei viel Platz eingeräumt, sondern ergänzend auch der Architektur, der Symbolik und der Geschichte des 12. Jahrhunderts.

Da sich Jantzen in seinem Kapitel „Monumentale Glasmalerei“ auf die Kathedrale von Chartres beschränkt, darf man auch die konkret dazu veröffentlichten Werke nicht vergessen. Einen guten Überblick über diese Kathedrale und eine kurze Einführung zu ihren Glasfenstern bietet Émile Mâle in seinem Buch „Chartres“. Jean Favier beschäftigt sich dagegen in „Das Universum von Chartres. Die Kathedrale Notre-Dame“ (1989) besonders mit der religiösen Dimension der Gotik und dabei auch mit der Glasmalerei von Chartres.

Differenzierte und ausführliche Beschreibungen der Chartreser Fenster liefert Nicole Lévis-Godechot in ihrer Veröffentlichung aus dem Jahre 1988, „Chartres im Lichte seiner Skulpturen und Fenster“, wobei sie versucht, die Fenster in sinnfällige Bezüge zu den Skulpturen in der Kathedrale zu stellen.

Zum Schluss wäre noch Kurt Haselhorst zu erwähnen, der in seiner 1974 veröffentlichten Dissertation: „Die hochgotischen Glasfenster der Kathedrale von Bourges. Studien zur Geschichte der Glasfensterkunst des 13. Jahrhunderts in den Kathedralen Frankreichs“ Vergleiche zwischen Bourges und Chartres zieht und dabei die Glasfenster der Kathedrale von Chartres ausführlich beschreibt, auch auf die dargestellten biblischen Geschichten eingeht und sich zum Erhaltungszustand äußert.

3. Die Kunst der Glasmalerei

Als der Glasmalerei bezeichnet man in erster Linie diejenige Kunst, bei der man Glaselemente aus großen, eingefärbten Glasplatten herausschneidet und diese dann mit Hilfe von Bleiruten zu Bildern bzw. Fenstern zusammensetzt. Die Bleiruten bilden dabei die ausgeprägtesten Linien der Darstellung. Dies wird in der Fachsprache auch als Musivische Glasmalerei bezeichnet. Zur weiteren Verfeinerung der Zeichnung wird das Bleiglas „Schwarzlot“ verwendet, das auf das Glas aufgeschmolzen wird. Danach lassen sich daraus weitere Konturen sowie Linien oder Muster herauskratzen. Im 14. Jahrhundert beginnt man dann, neben Schwarzlot auch Silberlot und Silbergelb für die Zeichnung zu verwenden.[1]

Erste Erwähnung findet die Glasmalerei bereits im 4. Jahrhundert, jedoch scheinen erst im 9. Jahrhundert wirkliche bemalte Glasfenster in den Kirchen zu entstehen. Die nachweislich ältesten vollständig erhaltenen Beispiele lassen sich im Augsburger Dom bewundern. Sie befinden sich im Hochschiff und entstanden Anfang des 12. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit breitet sich die Glasmalerei neben Deutschland auch in Frankreich aus. Die ca. 1140 entstandenen Chorfenster der Kirche St-Denis gelten hier als die ältesten Beispiele.[2]

Das 13. Jahrhundert wird dann im allgemeinen als die Blütezeit der Glasmalerei angesehen. Die Gotik mit ihrem Streben nach Vertikalität und Höhe räumt den Fenstern immer mehr Platz in den neugebauten Kathedralen ein. Mehr und mehr Glasfenster werden in einer bis jetzt nicht gekannten Farbenfülle geschaffen, die wesentlich dazu beitragen, dem Kircheninneren sein spezifisch gotisches Licht zu geben. Führend hierbei war Frankreich, besonders mit der Kathedrale von Chartres.[3]

4. Hans Jantzens „Monumentale Glasmalerei“

Hans Jantzen beschäftigt sich im 9. Kapitel seines Buches: „Kunst der Gotik“ mit der monumentalen Glasmalerei. Dabei macht er gleich am Anfang darauf aufmerksam, dass er seine Beobachtungen zur Glasfensterkunst auf die Kathedrale von Chartres beschränken wird, die für ihn in diesem Bereich eine herausragende Stellung einnimmt. Sie besitzt, im Gegensatz zu den Kathedralen von Reims und Amiens, noch nahezu die gesamten originalen Glasfenster aus der Zeit der Gotik. Jantzen spricht davon, dass sich von den ursprünglich 186 mit bunter Glasmalerei versehenen Fenstern 152 noch heute in Chartres bestaunen lassen. Er erwähnt des weiteren 11 überlieferte Darstellungen von Fenstern, die erst im 18. Jahrhundert zerstört worden waren.[4]

Die Angaben zur Anzahl der originalen Glasfenster in Chartres in der übrigen Literatur schwanken. Am ausführlichsten geht Émile Mâle auf dieses Problem ein. Er spricht von 173 Farbfenstern, inklusive der Fensterrosen, mit einer Gesamtoberfläche von ca. 2000 Quadratmetern. Im 18. Jahrhundert wurden, seinen Angaben zufolge, noch einige farbige Fenster entfernt, um für mehr Licht im Innenraum zu sorgen und einige Fenster wurden im Zuge der Französischen Revolution zerstört.[5]

Catherine Brisac erwähnt aktuell weniger als 160 Fenster und führt gesondert die drei Rosetten auf.[6] Nach Meinung Lawrence Lees handelt es sich um 176 Farbfenster.[7]

Zu erwähnen wäre noch die Datierung der Chartreser Glasfenster. Jantzen geht auf diese nicht gesondert ein. In Übereinstimmung mit der übrigen Literatur entsteht, laut Mâle, fast die gesamte Glasfensterkunst im 13. Jahrhundert, da ein Brand im Jahre 1194 die bis dahin schon fertiggestellten Teile der Kathedrale nahezu vollständig zerstört. Allein vier von 18 bereits vor 1194 gestifteten Glasbildern haben diesen Brand unbeschadet überstanden und stammen somit noch aus dem 12. Jahrhundert. Bei diesen Glasfenstern handelt es sich um die drei Lanzettfenster oberhalb des Westportals und das sogenannte „Notre-Dame de la belle verrière“ – Fenster im südlichen Chorumgang.[8]

4.1 Lichtraum und Bildwelt

Der erste Unterpunkt in Jantzens Kapitel über die monumentale Glasmalerei beschäftigt sich mit „Lichtraum und Bildwelt“. Danach hat sich in der Kathedrale von Chartres durch die originalen Glasfensterbestände aus dem 12. und 13. Jahrhundert auch das spezifisch gotische Licht, das den Kirchenraum erhellt, erhalten. Jantzen erfährt dieses als ein dunkles, je nach Wetterlage zwischen Blau, Violett und Rot changierendes Licht, das ein „geheimnisvolles Wesen“[9] besitzt und „kein „natürliches“ Licht ist“[10], sondern eher ein im Zusammenspiel mit der Architektur entstehendes „“übernatürliches“ Licht“[11]. Dabei wirken die Architektur im Kathedraleinneren und das durch die farbigen Fenster scheinende Licht so zusammen, dass sie „die Hochschiffwand als „selbstleuchtende Mauer“ (Dagobert Frey) formen“[12]. Dadurch wird für Jantzen der ganze Innenraum der Kirche „verzaubert“, unserem täglichen Leben „entrückt“ und als etwas erfahren, das schwerlich von dieser Welt sein kann.[13]

Dieses Phänomen haben neben Hans Jantzen auch noch andere Kunsthistoriker so oder ähnlich beschrieben. Hans Sedlmayr spricht davon, dass sich das Innere einer Kathedrale „schon durch die geheimnisvolle Qualität seines vom natürlichen Licht scharf unterschiedenen „dunkelfarbigen“ Lichts als etwas „ganz anderes“ (ge)kennzeichnet“[14] als der Raum in einem anderen Gebäude. Bestimmend in der gotischen Kirche sind dabei die Farben Rubinrot und Saphirblau, die „ein schweres und buntes Licht“[15] erzeugen, das „dem Leuchten der Edelsteine vergleichbar“[16] ist. Für Sedlmayr ist es sogar so, dass das Licht nicht von draußen hereinzuströmen scheint, sondern dass „die Wände leuchten“[17].

Auch Wolfgang Schöne hat sich mit diesem Thema auseinandergesetzt. Er meint, dass in der Glasmalerei des 13. Jahrhunderts „die Geschichte des mittelalterlichen Bildlichts als Eigenlicht“[18] seinen Höhepunkt erreicht hat. Für ihn sind somit „Lichtquelle und Dargestelltes (...) identisch“[19].

Für Lawrence Lee herrscht im Inneren der Kathedrale ein „gedämpftes Licht“[20], wobei durch die Witterung die Farbwirkung immer wieder verändert wird und sich eine Spannbreite von Blau über Violett bis Purpur ergibt. Es entsteht „eine kaleidoskopartige Wirkung von Licht und Schatten“[21], bei der es scheint, als wären die Farbfenster „im freien Raum aufgehängt“[22].

Doch nun wieder zurück zu Jantzen. Die gotischen Glasfenster haben für ihn noch eine weitere Aufgabe außer der, den Kircheninnenraum in das oben beschriebene „übernatürliche“ Licht zu tauchen und damit den gotischen „Lichtraum“[23] zu

[...]


[1] Vgl. Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden, Band 8 Gef-Greu, 7., neu bearb. Auflage, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1999, S.181.

[2] Vgl. Jahn, Johannes/Haubenreißer, Wolfgang: Wörterbuch der Kunst, 12., durchges. u. erw. Auflage, Stuttgart 1995, S.297f.

[3] Vgl. ebd.

[4] Vgl. Jantzen, Hans: Kunst der Gotik. Klassische Kathedralen Frankreichs. Chartres, Reims ,Amiens, Neuausgabe Berlin 1987, S.139. Im folgenden zitiert als „Jantzen 1987“.

[5] Vgl. Mâle, Émile: Chartres, Tübingen 1983, S.153. Im folgenden zitiert als „Mâle 1983“.

[6] Vgl. Brisac, Catherine: Glasfenster. 1000 Jahre europäische Glasmalerei, Freiburg im Breisgau 1985, S.33. Im folgenden zitiert als „Brisac 1985“.

[7] Vgl. Lee, Lawrence: Die Welt der Glasfenster. Zwölf Jahrhunderte abendländischer Glasmalerei in über 500 Farbbildern, Freiburg/Basel/Wien 1977, S.76. Im folgenden zitiert als „Lee 1977“.

[8] Vgl. Mâle 1983, S.153f.

[9] Jantzen 1987, S.68.

[10] Ebd.

[11] Ebd.

[12] Ebd.

[13] Vgl. ebd.

[14] Sedlmayr, Hans: Die Entstehung der Kathedrale. Mit einem Vorwort von Bernhard Rupprecht, Graz 1988, S.54. Im folgenden zitiert als „Sedlmayr 1988“.

[15] Ebd., S.55.

[16] Ebd.

[17] Ebd., S.54.

[18] Schöne, Wolfgang: Über das Licht in der Malerei, Berlin 51979, S.38.

[19] Ebd.

[20] Lee 1977, S.74.

[21] Ebd., S.75.

[22] Ebd., S.74.

[23] Jantzen 1987, S.139.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Monumentale Glasmalerei in Hans Jantzens 'Kunst der Gotik'
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt  (Philosophisch-Pädagogische Fakultät, Lehrstuhl für Kunstgeschichte)
Veranstaltung
Französische Kathedralgotik
Note
1,00
Autor
Jahr
2002
Seiten
29
Katalognummer
V68789
ISBN (eBook)
9783638596237
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Monumentale, Glasmalerei, Hans, Jantzens, Kunst, Gotik, Französische, Kathedralgotik
Arbeit zitieren
Isabel Findeiss (Autor:in), 2002, Monumentale Glasmalerei in Hans Jantzens 'Kunst der Gotik', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68789

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