"Eisfieber" von Ken Follett. Literaturwissenschaftliche Analyse von Spannungserzeugung, Erzähler, Figurenkonzeption


Hausarbeit, 2006

38 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Zum Autor

3 Inhalt

4 Stoff und Thema
4.1 Stoff
4.2 Thema

5 Textanfang

6 Bestimmung des Erzählers
6.1 Erzählsystem nach Jürgen H. Petersen 1993...
6.1.1 Erzählform
6.1.2 Erzählverhalten
6.1.3 Standort des Erzählers
6.1.4 Erzählperspektive
6.1.5 Erzählhaltung

7 Sprachliche Besonderheiten

8 Figuren
8.1 Figurenkonzeption
8.2 Toni Gallo
8.3 Kit Oxenford
8.4 Stanley Oxenford
8.5 Miranda versus Olga

9 Textende

10 Spannung

11 LeseLust?

Literatur

1 Einleitung

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem aktuellsten Roman des Bestsellerautors Ken Follett, „Eisfieber“.

Die englische Originalausgabe trägt den Titel „Whiteout“ und ist im Jahr 2004 erschienen. Die deutsche Ausgabe wurde von Till R. Lohmeyer und Christel Rost aus dem britischen Englisch übersetzt und wird seit September 2005 durch den Gustav Lübbe Verlag publiziert.

Der Roman umfasst 461 Seiten, welcher sich in drei Teile („Heiligabend“, „Erster Weihnachtsfeiertag“, „Zweiter Weihnachtsfeiertag“) plus Epilog („Erster Weihnachtsfeiertag ein Jahr später“) untergliedern lässt. Teil Eins umfasst 20 Kapitel, Teil Zwei 31. Der „Zweite Weihnachtsfeiertag“ besteht lediglich aus einem Kapitel. Die einzelnen Abschnitte sind nach der jeweiligen Uhrzeit benannt. Daraus ergibt sich eine Kongruenz aus Erzählzeit und Erzählter Zeit.

Der Originaltitel „Whiteout“ wurde unglücklich mit „Eisfieber“ übersetzt. „Mit dem englischen Begriff White-Out bezeichnet man in der Meteorologie die extreme Helligkeit, die bei dünner Bewölkung und einer Neuschneeauflage (z.B. im Hochgebirge oder auch in den Polregionen) zu beobachten ist. Die Ursache für die extreme Helligkeit liegt in der starken diffusen Reflexion des Sonnenlichts an den Schneekristallen und der Bewölkung. Der Begriff White-Out bezieht sich dabei speziell darauf, dass durch die extreme diffuse Reflexion jegliche Konturen der Landschaft verloren gehen können, was eine völlige Orientierungslosigkeit zur Folge haben kann.“(http://www.top-wetter.de/lexikon/w/whiteout.htm) Dieser Prozess spielt in Folletts Roman eine zentrale Rolle: er ist dafür verantwortlich, dass sich der Handlungsverlauf zuspitzt und sich zum Klimax steigert. Die deutsche Übersetzung lässt keinen direkten Zusammenhang von Titel und Handlung zu.

Der Roman soll aus literaturwissenschaftlicher Sicht analysiert werden. Das Augenmerk soll dabei besonders auf die Techniken der Spannungserzeugung, die Bestimmung des Erzählers sowie die Figurenkonzeption gelegt werden, um herauszufinden, welche Faktoren Leselust erzeugen und einen Roman damit zum Bestseller machen.

2 Zum Autor

Ken Follett wurde am 5. Juni 1949 in Cardiff, Wales als erstes von drei Kindern des Ehepaares Martin und Veenie Follett geboren und zählt heute zu den erfolgreichsten Unterhaltungsautoren der Gegenwart. Er hat etwa 50 Millionen Bücher verkauft und nach eigenen Angaben habe er an jedem etwa einen Dollar verdient.

Nach seinem Studium der Philosophie am University College London, ist er als Zeitungsreporter und Verlagsmitarbeiter tätig und beginnt Romane zu schreiben.

Mit dem Spionagethriller „The eye of the needle” schafft er im Jahr 1979 den Durchbruch. Der Roman, den Lübbe in Deutschland ein Jahr nach dem britischen Original unter dem Titel "Die Nadel" veröffentlicht, ist bis heute in 30 Sprachen lieferbar. Er wurde mit dem Edgar Award ausgezeichnet und mit Donald Sutherland verfilmt.

Seinen größten Erfolg feiert er 1989 mit "The Pillars of the Earth", welcher in Deutschland unter dem Namen „Die Säulen der Erde“ veröffentlicht wird. Der Roman wird zur Nr. 1 in den USA, Kanada, Großbritannien und Italien und hält sich sechs Jahre lang auf der deutschen Bestsellerliste. Allein die deutsche Gesamtauflage von Folletts Romanen im Hardcover und Taschenbuch beträgt bis heute mehr als 15 Millionen Exemplare.

Seine zweite Ehefrau Barbara ist Labour-Abgeordnete im britischen Unterhaus. Das Ehepaar lebt heute abwechselnd in London und in Stevenage, Herfortshire.

Wenn er nicht arbeitet, spielt Follett Bass-Gitarre in einer Bluesband, liest mit Vorliebe Romane und setzt sich als Präsident des "Dyslexia Institute" für Lese- und Sprachförderung ein.

Im Moment arbeitet Follett an einem Roman mit dem Titel “World without End“. Es ist ein Sequel zu „Die Säulen der Erde“ und spielt in derselben Stadt Kingsbridge, aber zwei hundert Jahre später im vierzehnten Jahrhundert. Die Figuren sind die Nachfahren der Charaktere aus „Die Säulen der Erde“.

3 Inhalt

Ex-Polizistin Toni Gallo ist die Sicherheitschefin einer kleinen pharmazeutischen Firma in der Nähe von Edinburgh. In den Labors der Virenforscher herrscht die höchste Sicherheitsstufe. Eine unangekündigte Kontrolle an Heiligabend ergibt, dass zwei Proben aus einer Experimentierreihe fehlen. Bei der Überprüfung aller in Frage kommenden Mitarbeiter ist nur einer nicht auffindbar. Ein Spezialteam findet den Laboranten tot in seinem Haus vor. An seiner Seite befindet sich ein mit dem tödlichen Virus infiziertes Versuchskaninchen. Über das Tier hat sich der Mitarbeiter mit dem Madoba-2-Virus angesteckt und ist an den Folgen gestorben.

Kit Oxenford, missratener Sohn des Firmeninhabers, plant gemeinsam mit drei Komplizen einen Einbruch in das Labor für den folgenden Abend, um mit dem Geld seine Spielschulden begleichen zu können und um sich ins Ausland abzusetzen. Dabei soll das Medikament, welches sein Vater, Stanley Oxenford, entwickelt, gestohlen und an einen unbekannten Auftraggeber weitergegeben werden. Erst während des Einbruchs erfährt Kit die Wahrheit: Ziel des Verbrechens ist nicht das Medikament, sondern das Virus. Empfänger ist ein Bankier aus London, der, gemeinsam mit seinen Komplizen, die Welt um jeden Preis infizieren will.

Die Protagonistin Toni Gallo muss sich nicht nur mit diesem Fall beschäftigen, sondern hat auch noch mit ihrem missgünstigen Ex-Freund, einem Polizisten, sowie mit einem Reporter, der auf der Suche nach der großen Story ist, zu kämpfen. Zusätzlich muss sie sich noch um ihre alte Mutter kümmern und sich mit ihren Gefühlen zu ihrem Chef, Stanley Oxenford, auseinandersetzen. Dieser hat neben seinem missratenen Sohn noch zwei erwachsene Töchter: Olga und Miranda. Kit, sowie Olga und Miranda mit Familien treffen sich im Landhaus ihres Vaters, um gemeinsam das Weihnachtsfest zu feiern. Dabei kommen unfreiwillig Geheimnisse des Beziehungsgefüges ans Tageslicht, die einige Familienmitglieder lieber verschwiegen hätten. Das Geschehen kommt zu seinem Höhepunkt, als die Familie zu Geiseln des Verbrechertrios wird. Toni Gallo gelingt es schließlich durch ihren engagierten Einsatz, das Virus in Sicherheit zu bringen und so die Menschheit zu retten.

4 Stoff und Thema

4.1 Stoff

„Der Stoff einer Geschichte existiert unabhängig und außerhalb der Geschichte. Es kann sich um einen Bericht, ein Erlebnis, ein Ereignis, ein Geschehen aus dem Lebenszusammenhang des Autors handeln, das dieser aufgreift, um ihn unter eine bestimmte Wirkungsabsicht mit spezifischen künstlerischen Mitteln zu bearbeiten.“ (Gansel 2003, S. 23).

Der Stoff einer Geschichte ist also ein außerhalb der Dichtung existierendes Faktum, dass zum Gegenstand einer literarischen Gestaltung wird. Um den Stoff, der einer Geschichte zugrunde liegt, zu erfahren, muss der Autor bzw. die Autorin dazu Angaben machen.

Ken Follett äußert in einem Interview, welches auf seiner offiziellen Homepage veröffentlicht ist, dass die Geschichte des Romans, inklusive aller Figuren, reine Fiktion sei, dennoch nahe liege. Jeder wisse aus den Medien, dass eine Virengefahr in Zeiten der Angst vor Terrorismus eine große Gefahr darstelle.

4.2 Thema

Das Thema einer Geschichte kann auch synonym als Grundgedanke, Aussagehalt, Botschaft Sinn oder Grundaussage bezeichnet werden.

Der Text kann in zwei große Themenbereiche untergliedert werden. Zum einen die Gefahr für die Welt, durch ein tödliches Virus ausgelöscht zu werden, andererseits die Familientragödie, welche für jedes Mitglied dieses Beziehungsgefüges eine ebenso große Unsicherheit und Gefahr darstellt.

5 Textanfang

„Zwei müde Männer sahen Antonia Gallo mit feindseligen, ja hasserfüllten Blicken an. Sie wollten nach Hause, aber das ließ Antonia nicht zu. Beiden war klar, dass sie Recht hatte – und das machte die ganze Sache noch schlimmer.

Alle drei befanden sich im Personalbüro der Pharmafirma Oxenford Medical, eines kleinen, aber feinen Unternehmens, das im Börsenjargon »Boutique Company« genannt wurde. Antonia – Rufname Toni – war Abteilungsleiterin und Sicherheitsbeauftragte. Bei Oxenford Medical wurden Viren erforscht, die unter Umständen tödlich sein konnten. Sicherheit war daher eine todernste Angelegenheit.

Bei einer unangemeldeten Bestandskontrolle hatte Toni festgestellt, dass zwei Proben aus einer Experimentierreihe fehlten – und das war eine schlimme Sache: Die Substanz, ein Reagens mit antiviraler Wirkung, unterlag größter Geheimhaltung, und die dazugehörige Formel war unbezahlbar. Gut möglich, dass die Proben mit der Absicht gestohlen worden waren, sie an eine Konkurrenzfirma zu verkaufen.

Die dunklen Ringe um Tonis grüne Augen und der Ausdruck finsterer Betroffenheit in ihrem sommersprossigen Gesicht hatten jedoch eine andere Ursache. Es gab nämlich noch eine weitere Möglichkeit, und die war ungleich prekärer: Womöglich hatte der Dieb die Proben gestohlen, weil er sie für sich selber brauchte. Dafür aber gab es nur einen einzigen plausiblen Grund: Irgendjemand hatte sich mit tödlichen Viren infiziert, mit denen in den Labors von Oxenford Medical gearbeitet wurde. […]“ (FOLLETT, S.7)

Der Roman beginnt mit dem ersten Absatz in medias res. Zunächst weiß der Leser weder wer die „zwei müden Männer“ sind, noch wer Antonia Gallo ist. Außerdem gibt es keine Anhaltspunkte über den Ort der Handlung. Lediglich die Zeit ist gegeben: Der erste Teil des Romans spielt an „Heiligabend“ und die Kapitelüberschrift ist 1:00 Uhr. „Es wird ein bestimmter Zeitpunkt mitten in der Geschichte als Beginn für das Erzählen gewählt.“ (Gansel 2003, 74). Es wird keine Vorgeschichte geliefert (ab ovo) (vgl. Gansel 2003, 74), noch gibt es eine Hinführung auf das Thema unter einem bestimmten Blickwinkel, der als Invocatio bezeichnet würde (vgl. Gansel 2003, 74).

Im nächsten Abschnitt werden jedoch erste Fragen geklärt, indem zunächst grob der Schauplatz beschrieben und die Funktion Toni Gallos erläutert wird. Dies geschieht allerdings in der Handlung selbst und ist nicht als Vorabinformation zu sehen. Erst in der folgenden Rückblende wird der Auslöser der dringlichen Angelegenheit beschrieben, um den Leser über das in der Vergangenheit liegende Ereignis aufzuklären.

Ken Follett nutzt die Episode des Mitarbeiters, der ein infiziertes Kaninchen aus den Labors geschmuggelt hat, um detailliert die Hauptfiguren und den Schauplatz vorstellen zu können. Anhand dieses Ereignisses, lernt der Leser neben Toni Gallo auch noch ihren Gegenspieler Kit Oxenford mit seinen Lebensgewohnheiten und seinen verbrecherischen Plänen, sowie dessen Vater Stanley, den Chef der Pharmafirma, kennen und wird über die Umstände in den Sicherheitslabors informiert.

6 Bestimmung des Erzählers

Um den Erzähler des Romans „Eisfieber“ bestimmen können, sind einige Vorinformationen nötig. Der Verfasser Follett beschränkt sich nicht auf eine Sicht, er lässt vielmehr verschiedene Handlungsstränge parallel verlaufen, welche stets von einer anderen Figur präsentiert werden. Dies sind insbesondere: Toni Gallo, die Protagonistin des Romans; Kit, der missratene Sohn des Firmengründers Stanley; Craig, der Enkel Stanleys; sowie Miranda, seine Tochter.

Die folgenden Zitate repräsentieren die unterschiedlichen Handlungsstränge und Sichtweisen:

Toni Gallo: „Den ersten Wagen steuerte Toni Gallo, und sie fuhr ihn wie ihren Porsche. Sie beanspruchte die gesamte Breite der Fahrbahn für sich, jagte den Motor auf Hochtouren und nahm die Kurven mit atemberaubender Geschwindigkeit, denn sie fürchte, zu spät zu kommen. […] Toni hatte Angst, sie könne mit ihrem Verdacht Unrecht haben. Doch die Vorstellung, sie könne Recht behalten, erweckte reinstes Entsetzen in ihr“ (FOLLETT, S. 17).

Kit Oxenford: „Kit Oxenford erwachte früh am Morgen. Eine gespannte Erwartung beherrschte ihn, aber er hatte auch Angst. Ein seltsames Gefühl war es allemal.

Heute war der Tag an dem er Oxenford Medical bestehlen würde. Allein der Gedanke daran erregte ihn. Es versprach ein Geniestreich zu werden, wie es ihn noch nie gegeben hatte […]. Aber es mischte sich auch Sorge in seine Euphorie, und das war eigentlich eher ungewöhnlich für ihn.“ (FOLLETT, S. 34)

Miranda Oxenford: „Miranda Oxenford bestellte einen Cappuccino Viennoise, einen Einspänner mit einer Schlagsahnepyramide obendrauf, und in letzter Sekunde auch noch ein Stück Karottenkuchen. Sie steckte das Wechselgeld in ihre Rocktasche und trug das Tablett mit ihrem Frühstück zu dem Tischchen, an dem ihre dünne Schwester Olga, in der Hand eine Zigarette und vor sich einen doppelten Espresso, bereits auf sie wartete.“ (FOLLETT, S. 62)

Craig: „Craig war ganz begeistert über das Wiedersehen mit Sophie. Auf der Geburtstagsfeier seiner Mutter hatte er Feuer gefangen. Sophie war hübsch, ein dunkeläugiger, dunkelhäutiger Typ, und obwohl eher klein und schlank, war ihr Körper sanft gerundet. Aber es war nicht ihr Aussehen, das ihn verzaubert hatte, sondern ihr Auftreten.“ (FOLLETT, S. 136)

[...]

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
"Eisfieber" von Ken Follett. Literaturwissenschaftliche Analyse von Spannungserzeugung, Erzähler, Figurenkonzeption
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Leselunst und Evolution
Note
1
Autoren
Jahr
2006
Seiten
38
Katalognummer
V68772
ISBN (eBook)
9783638595018
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Follett, Eisfieber, Leselunst, Evolution
Arbeit zitieren
Rebekka Jöst (Autor:in)Julia Wilke (Autor:in), 2006, "Eisfieber" von Ken Follett. Literaturwissenschaftliche Analyse von Spannungserzeugung, Erzähler, Figurenkonzeption, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68772

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