Zwischen Empfindsamkeit und Emanzipation - Geschlechtsspezifische Identitätsentwürfe in Angelika Kauffmanns Porträtgemälden


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inahlt

1 Einleitung

2 Biographischer Abriss. Studienjahre

3 Die gesellschaftpolitische und soziokulturelle Situation im England des 18. Jahrhunderts
3.1 Die britische Porträtmalerei im 18. Jahrhundert
3.1.1 Das Porträtstudio und seine Funktionen
3.1.2 Turquerie – Das Studio als Ort weiblicher Begegnung und Kommunikation

4 Weiblichkeitsmodelle in Angelika Kauffmanns Bildnissen
4.1 „Diese Frau ist eine so schöne Seele wies wenige giebt“ – Selbstinszenierung der Künstlerin
4.2 Frauenbilder. Von weiblichen Qualitäten
4.3 Männerbilder. Das Konzept des Androgynen

5 Angelika Kauffmann im Vergleich mit Sir Joshua Reynolds

6 Künstlerischer Nachlass

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Angelika Kauffmann (1741-1807) gilt als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 18. Jahrhunderts und erlangte insbesondere aufgrund ihrer Porträtgemälde bereits zu Lebzeiten eine internationale Reputation, die ihr den Zugang zu den höchsten Gesellschaftskreisen Italiens und Englands sicherte und materiellen Wohlstand bescherte.

Im folgenden soll gezeigt werden, in welcher Form sich Angelika Kauffmann in deutlicher Abgrenzung zu ihren männlichen Kollegen als individualistisch-innovative Künstlerin etablierte und inwieweit der von ihr selbst geschaffene Mythos um ihre Person mit der geschlechtsspezifischen Inszenierung von Weiblichkeit und Männlichkeit in ihren Bildnissen korrespondiert.

2 Biographischer Abriss. Studienjahre

Zum tieferen Verständnis von Angelika Kauffmanns beruflicher und persönlicher Entwicklung empfiehlt sich eine kurze Beleuchtung jener Jahre vor ihrer Übersiedelung nach London, die sich als prägend für ihre weitere Laufbahn sowie ihre künstlerische Selbstinszenierung erweisen sollten:

Angelika Kauffmann wurde am 30.10.1741 in Chur geboren. Sie selbst hat sich zeitlebens dagegen gewehrt, als eine „Schweizer Malerin“ gesehen zu werden und betonte, „nur aus Zufall“[1] dort geboren zu sein – eigentlich stammte ihre Familie väterlicherseits aus Schwarzenberg im Bregenzerwald, und eben diesen Ort empfand sie als ihre wirkliche Heimat. In Chur wurde sie geboren, da ihr Vater, Johann Joseph Kauffmann, ein einfacher, aber angesehener Wandermaler, im Jahre 1739 zum Hofmaler des Bischofs von Chur ernannt wurde und 1740 Cleophea Lutz, ein Mädchen aus einer gutbürgerlichen, aber verarmten Graubündner Familie, heiratete.

Als die Arbeit am Churer Dom getan war, verließ Johann Kauffmann mitsamt Frau und Kind die Stadt und übersiedelte ins Veltlin im Süden der Schweiz. Dort wurde er schließlich nach Marbegno berufen, wo Malergehilfen für die Ausstattung einer Pfarrkirche gesucht wurden. Hier entstand nun auch das früheste von Angelika Kauffmann erhaltene Werk, ein Selbstporträt der damals Dreizehnjährigen. Ihr Vater erkannte das Talent der Tochter früh und förderte es auf spielerische Art. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Angelika Kauffmann eine Art musische Generalbegabung besaß: ihr wurde ebenfalls ein überdurchschnittliches musikalisches Talent attestiert, sie konnte sehr gut singen und auf dem Cembalo spielen. Darüber hinaus war sie sehr sprachbegabt, beherrschte als erwachsene Frau Englisch, Französisch und Italienisch fließend in Wort und Schrift.

Nach Jahren des Lernens und Ausübens der Kunst auf handwerklicher Ebene begab sich Angelika Kauffmann gemeinsam mit dem Vater auf eine ausgedehnte Studienreise nach Italien, deren Stationen alle bedeutenden Gemäldegalerien in Bologna, Venedig, Florenz und Rom waren. - In Bologna, wo zur damaligen Zeit ein reger und in dieser Form einzigartiger Kunstbetrieb herrschte - die Bologneser Kunstakademie war auch für Frauen zugänglich, was beispielsweise in München noch einhundertfünfzig Jahre später nicht der Fall war –, schloss Angelika Kauffmann ein mehrmonatiges Diplomstudium ab. Als nächstes verweilten Vater und Tochter in Florenz, wo neben Deutschen vor allem Engländer anzutreffen waren, die zu Angelika Kauffmanns Hauptauftraggebern wurden: neben ihrem Studium an der florentinischen Akademie fertigte sie zahlreiche Porträts englischer Adeliger und knüpfte auf diese Weise erste Kontakte zu England, wo sie später einen wichtigen Teil ihres Lebens verbringen sollte. - Nun folgten ihre Jahre in Rom, die für ihre Karriere ebenfalls von großer Bedeutung waren – hier fertigte sie unter anderem ein Porträt des deutschen Altertumsforschers Winckelmann, das als das beste Porträt des berühmten Gelehrten und zugleich als Angelikas bestes Werk überhaupt gilt. Im Jahre 1765 kehrte sie der Stadt jedoch den Rücken, um – nach einem kurzen Aufenthalt in Venedig – schließlich nach London zu gehen, in die Stadt, der ein Großteil ihrer Auftraggeber entstammte und in der sie bereits vor ihrer Ankunft einen hervorragenden Ruf genoss.[2]

3 Die gesellschaftpolitische und soziokulturelle Situation im England des 18. Jahrhunderts

Die englische Gesellschaft im 18. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch eine politische sowie kulturelle Machtverschiebung von einer größtenteils aristokratischen Basis hin zu einem Bündnis zwischen Großgrundbesitzern und einflussreichen Kaufleuten; der bislang privilegierte Adel wurde zunehmend von einer rasch wachsenden Mittelschicht zurückgedrängt.[3] Das Aufkommen eines Mittelklassebewusstseins war eine der bedeutendsten gesellschaftlichen Veränderungen, insbesondere hinsichtlich neuer Weiblichkeitsbilder: je wohlhabender eine Familie war, desto eher konnte die Frau aus der Welt der Politik und der Wirtschaft ausgeschlossen werden. Die Frauen waren nunmehr dekoratives Beiwerk für ihre Ehemänner, die ihr neugewonnenes bürgerliches Selbstbewusstsein unter anderem dazu nutzten, ein neues Weiblichkeitsideal zu definieren und zu propagieren. Der Wirkungsbereich der Frau beschränkte sich von nun an auf die Privatsphäre, der öffentliche Bereich wurde zur Männerdomäne[4]. Diese Rollenzuweisung wurde als natürlich und sinnvoll erachtet und die Frau als emotionales, empfindsames Wesen gepriesen, aber zugleich als irrational bezeichnet.

Dementsprechend wurden im 18. Jahrhundert auch die höheren Genres der Malerei, zu denen die Historien- und Porträtmalerei zählen, als dem öffentlichen Bereich zugehörig begriffen und somit dem männlichen Geschlecht zugeschrieben. Als Porträt- und Historienmalerin bewegte sich Angelika Kauffmann demzufolge auf einem von Männern dominierten Terrain, und Akzeptanz erlangte sie vor allem dadurch, dass sie sich selbst zu einer Symbolfigur des damaligen Empfindsamkeitsideals stilisierte; indem sie die Rolle der tugendhaften, gefühlsbetonten Künstlerin lebte und sich somit auf ihre (männlich definierten) weiblichen Stärken konzentrierte, machte sie sich unangreifbar für ihre männlichen Kritiker, da sie sich schließlich „hinter einer akzeptierten Maske, hinter Darstellungskonventionen also, die den öffentlichen Erwartungen entsprachen“[5], verbarg.

Die moralphilosophische Grundlage des neuen bürgerlich-emanzipatorischen und aristokratischen Selbstbewusstseins bildete Adam Smiths „Theory of Moral Sentiments“, die auf einer positiven Deutung der menschlichen Triebnatur basiert: Smith zufolge besitzen Gefühle, Affekte und Leidenschaften insofern eine wichtige soziale Funktion, als sie eine emotionale Kommunikation und Interaktion zwischen den einzelnen Individuen einer Gesellschaft erst ermöglichen. Die sogenannten „passions“ versteht er als primäre, dem Verstand übergeordnete Faktoren menschlichen Handelns. Unter den Begriff der „sympathy“[6] fasst er das Vermögen, sich in andere Menschen einzufühlen, ihre Gefühlswelt zu begreifen; die notwendige Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein von Emotionalität, die damals - wie bereits erwähnt – weiblich konnotiert war. Auf diese Weise „wurden Frauen als ‚naturgemäße Trägerinnen’ dieser Qualitäten nicht nur gewürdigt, sondern ihnen kam auch als Expertinnen in der Vermittlung dieser Werte eine zentrale gesellschaftspolitische Bedeutung zu“.[7]

[...]


[1] Obermeier, Siegfried. Die Muse von Rom, S. 11.

[2] Vgl. Obermeier, Siegfried. Die Muse von Rom, S. 11-49.

[3] Vgl. Schröder, Hans-Christoph. Englische Geschichte, S. 38/ 39.

[4] Vgl. Rosenthal, Angela. Angelika Kauffmann: Bildnismalerei im 18. Jh., S. 38-40.

[5] Ebd., S. 40.

[6] Vgl. dtv-Atlas zur Philosophie, S. 127.

[7] Rosenthal, Angela. Angelika Kauffmann: Bildnismalerei im 18. Jh., S. 76.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Zwischen Empfindsamkeit und Emanzipation - Geschlechtsspezifische Identitätsentwürfe in Angelika Kauffmanns Porträtgemälden
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Deutsche Sprache und Literatur I)
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
17
Katalognummer
V68768
ISBN (eBook)
9783638594981
Dateigröße
408 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zwischen, Empfindsamkeit, Emanzipation, Geschlechtsspezifische, Identitätsentwürfe, Angelika, Kauffmanns, Porträtgemälden
Arbeit zitieren
Mag. Petra Vera Rüppel (Autor:in), 2001, Zwischen Empfindsamkeit und Emanzipation - Geschlechtsspezifische Identitätsentwürfe in Angelika Kauffmanns Porträtgemälden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68768

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