Die rechtliche Stellung des Embryos


Seminararbeit, 2005

28 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Naturwissenschaftlicher Hintergrund
1. DNS
2. Embryogenese
a. Befruchtung und Entwicklung bis zur Keimblase
b. Von der Nidation bis zur Organbildung
c. Fetogenese

II. Assistierte Reproduktion

III. Berufsrechtliche Regelung

IV. Einfachgesetzliche Regelungen
1. Strafrecht
a. Strafgesetzbuch
b. Embryonenschutzgesetz
aa. Entstehung
bb. Schutzobjekt
cc. Verboten
dd. Erlaubt
2. Zivilrecht
3. Gesetz zur Regelung von Fragen der Gentechnik
4. Stammzellgesetz

V. Europarecht
1. Europäisches Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin
a. Schutz des Embryos nach Art.18
b. Zusatzprotokoll über das Klonverbot von 1998
c. Zusatzprotokoll zu biomedizinischer Forschung
d. Fazit
2. Unesco

VI. Einzelne Methoden
1. Pränataldiagnostik im engeren Sinne
a. Technik
b. Rechtliche Rahmenbedingungen
2. Präimplantationsdiagnostik (PID)
a. Technik
b. rechtliche Rahmenbedingungen
3. Schwangerschaftsabbruch
a. BVerfGE Schwangerschaftsabbruch I von 1975
b. BVerfGE Schwangerschaftsabbruch II von 1993

VII. Die Stellung des Embryos in der Verfassung
1. Art.2II,S.1 GG
a. Grammatisch
b. Systematisch
c. Historisch
d. Teleologisch
2. Art.1I GG
a. Auslegung der Norm
b. Teleologisch
3. Entscheidnungen des BVerfG
4. Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis:

Bücher:

Bamberger, Heinz Georg / Roth, Herbert:

Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München, 2003 Zitiert als: Bamberger/Roth.

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Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, Tübingen, 1997 Zitiert als: Enders, MW in der Verfassungsordnung.

Giwer, Elisabeth:

Rechtsfragen der Präimplantationsdiagnostik, Berlin, 2001.

Haßmann, Holger:

Embryonenschutz im Spannungsfeld internationaler Menschenrechte, staatlicher Grundrechte und nationaler Regelungsmodelle zur Embryonenforschung, Heidelberg, 2003.

Zitiert als: Hassmann, Embryonenschutz.

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Frau und Fötus in der Prä- und Perinatalmedizin aus strafrechtlicher Sicht, BadenBaden, 2000.

Hillmer, Agnes:

Patientenstatus und Rechtsstatus von Frau und Fötus im Entwicklungsprozess der Pränatalmedizin, Frankfurt am Main, 2004.

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Strafrecht, Besonderer Teil, Band 1 Allgemeindelikte, 12. Aufl., 2002 Zitiert als: Krey BT1.

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Schönke, Adolf / Schröder, Horst:

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Aufsätze:

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Heun, Werner:

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Zitiert als: Heun JZ 02, 517.

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Zitiert als: Herzberg JZ 01, 1106ff.

Hilgendorf, Eric:

Scheinargumente in der Abtreibungsdiskussion - am Beispiel des Erlanger Schwangerschaftsfalls, NJW 1996, S.758-762

Zitiert als: Hilgendorf NJW 96, 758.

Hirsch, Günther / Schmidt-Didczuhn, Andrea:

Herausforderung Gentechnik Verrechtlichung einer Technologie, NVwZ 1990, S.713- 716

Zitiert als: Hirsch/Schmidt-Didczuhn NVWZ 90, 713ff.

Kunig, Philipp:

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Münch, Ingo v.:

Der praktische Fall - Öffentliches Recht - Das Baby von Erlangen, JuS 1997, S.248- 252

Zitiert als: Münch JuS 97, 248.

Starck, Christian:

Menschenwürde als Verfassungsgarantie im modernen Staat, JZ 1981, S.457-465 Zitiert als: Starck, JZ 81, 457.

Wagner, Helmut / Morsey, Benedikt:

Rechtsfragen der somatischen Gentherapie, NJW 1996, S.1565-1570 Zitiert als: Wagner/Morsey NJW 96,1565

Seit einiger Zeit erregt die Diskussion über den Schwangerschaftsabbruch,

die Forschung an embryonalen Stammzellen und das Klonen von Menschen die Gemüter der Öffentlichkeit. Durch die Neuentwicklung von Techniken in der Medizin und der Biotechnologie ist es zu einer Auseinandersetzung über rechtliche, moralische und damit gesellschaftliche Fragen gekommen. Erkennen kann man das an der Einsetzung einer Enquete-Kommission des deutschen Bundestages zu „Recht und Ethik in der modernen Medizin“ in der 14. Wahlperiode und der Schaffung des Nationalen Ethikrats durch die Bundesregierung im Jahre 2001.

Die vorliegende Arbeit versucht Einblicke in dieses komplexe Thema zu geben. Um wirklich die entscheidenden Aspekte verstehen zu können, wird anfangs ein Blick auf die naturwissenschaftlichen Grundlagen getätigt.

I. Naturwissenschaftlicher Hintergrund

1. DNS

Auf der DNS 1 sind alle Informationen gespeichert, die zum Leben notwendig sind. Diese Informationen sind die Gene. Von ihnen hat der Mensch 35.000 Stück. Sie sind die Bauanleitung für die Proteine aus denen wir bestehen und die unsere Eigenschaften ausmachen. Die Weitergabe der DNS erfolgt mittels geschlechtlicher Vermehrung. Dazu werden in den Geschlechtsorganen männliche und weibliche Keimzellen gebildet.

2. Embryogenese

a. Befruchtung und Entwicklung bis zur Keimblase

Ernst Haeckel, einer der bedeutendsten Biologen, hat gesagt, dass die Individualentwicklung, die Ontogenese eine kurze Rekapitulation der Stammesentwicklung, d.h. der Phylogenese ist 2. Die Befruchtung kann 14 Tage nach dem Follikelsprung erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Eizelle im Eileiter. Das Spermium kann nun eindringen und die beiden Kerne können verschmelzen. Ein doppelter Chromosomensatz entsteht. Der Vorgang dauert 24 Stunden. Die entstandene Zygote ist funktionell ein neues Individuum. Es enthält alles, was für die vollständige Entwicklung nötig ist 3. Die befruchtete Eizelle wandert dann in Richtung Gebärmutterhöhle. Währenddessen teilt sich die nun Morula heißende Embryonalanlage alle 24 Stunden in Tochterzellen, sog. Blastomeren. Die genetische Aktivität, also die Ablesung der DNS, beruht bis zum 4-Zellstadium nur auf einer RNS 4 der Mutter. Dann werden embryonale Gene übersetzt. Einige Forscher sehen hier bereits den Beginn des Lebens 5. Die Zelle geht in ein 2-, 4-, 8- und 16- Zellstadium usw. über. Aus jeder Zelle dieses Zellhaufens kann sich bis maximal zum Achtzellstadium ein vollständiges Individuum entwickeln 6. Man nennt die Zellen totipotent. Eine äußere Veränderung tritt erst nach dem 16-Zellstadium ein. Dort differenzieren sich einige Zellen zum Embryoblasten. Jedoch heißt das nicht, dass die Zellen sich innerlich nicht verändert haben und erst zu diesem Zeitpunkt nur noch pluripotent sind, d.h. sich nur noch zu einer bestimmten Zahl von Zellen entwickeln können. So gibt es zwar eineiige Zwillinge und Drillinge, jedoch keine eineiigen Vierlinge 7. Daher scheinen sich die embryonalen Zellen schon im Vierzellstadium unterschiedlich zu entwickeln. Wenn man die Theorie der ersten genetischen Aktivität und die Theorie der Mehrlinge in Betracht zieht, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Embryo im Vierzellstadium bereits dermaßen personalisiert ist, dass man von einem selbstständigen Individuum ausgehen kann. Anders sehen das u.a. Amerikanische Wissenschaftler, die den Zellhaufen in diesem Stadium als „preembryo“ bezeichnen. Etwa am vierten Tag nach der Befruchtung kommt es zur Kompaktion, bei der sich eine Gruppe von Zellen an einer Seite aneinander lagern. Dieser Embryoblast hinterlässt die Blastozystenhöhle. Umgeben wird das Ganze von dem sich später zur Plazentaanlage entwickelndem Trophoblasten.

b. Von der Nidation bis zur Organbildung

Eine Woche nach der Befruchtung erreicht diese Blastozyste die Gebärmutter. Sie besteht mittlerweile aus ca. 125 Zellen. Die Implantationsphase beginnt. Am 14. Tag etwa verschmilzt ein Teil der Oberfläche mit der Gebärmutterschleimhaut. Über kleine Blutgefäße steht der Embryo darüber mit der Mutter in Kontakt. In der sich anschließenden Organogenese bilden sich aus den Keimblättern nach und nach die Organe. In der achten Schwangerschaftswoche sind die Organanlagen abgeschlossen.

c. Fetogenese

Die Organe des nun gerade einmal 30mm großen Embryos beginnen in der anschließenden Fetogenese sich auszugestalten und zu wachsen. Nach der 26.Woche ist der Fötus mit ärztlicher Hilfe lebensfähig. Die Geburt erfolgt in der Regel in der 30. bis 38. Woche.

II. Assistierte Reproduktion

Assistierte Reproduktion erfolgt bei Eltern, die keine Kinder bekommen können. Sie umfasst die extrakorporale Befruchtung und die Einsetzung der dadurch erzeugten Embryonen in die Gebärmutter. Extrakorporale Befruchtung kann durch In-vitro-Fertilisation (IVF) oder intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) erfolgen.

Für die IVF werden 10-14 Tage nach hormoneller Stimulation der Frau etwa 8-12 reife Eizellen durch eine Punktion der Eierstöcke gewonnen und außerhalb des Körpers befruchtet. Für die Befruchtung werden etwa 100.000 Spermien zu jeder Eizelle gegeben. Bei eingeschränkter Produktion oder Funktion der Spermien wird eine Samenzelle direkt in die Eizelle injiziert (ICSI). Die Möglichkeit sich auch unter den Bedingungen in vivo weiterzuentwickeln sind eins zu drei. Daher werden ca. drei Embryonen 8 befruchtet, um anschließend in die Gebärmutter übertragen zu werden. Aus diesem Grunde bekommen Mütter, die künstlich befruchtet wurden, häufig Mehrlinge. Erst die zu letzt entstandene Debatte verdeutlicht, dass bei Anwendung der allgemein akzeptierten künstlichen Befruchtung auch schon Embryonen zur Erfüllung eines Kinderwunsches „verschlissen“ werden. Dieses Problem ist bis heute nicht gelöst und bedarf nach Ansicht des Nationalen Ethikrates einer Lösung9. Im Jahre 2001 haben 75.086 assistierte Reproduktionen stattgefunden. Dabei wurden 28% aller Frauen nach dem Transfer schwanger. Der Erfolg geht mit zunehmendem Alter zurück. Von den 13.666 Schwangerschaften ist es nur bei 7.062 Fällen zu einer Geburt gekommen. In 2.816 Fällen ist es zu einem spontanen

Schwangerschaftsverlust gekommen. Über die restlichen 3.554 ist nichts bekannt10. Die Techniken der extrakorporalen Befruchtung, die sich durch die Kinderwünsche von infertilen Eltern etabliert haben, bereiten die Wege für eine Reihe anderer Techniken, auf die im weiteren Verlauf noch eingegangen werden soll.

III. Berufsrechtliche Regelung

1984 hat die Bundesärztekammer eine „zentrale Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Reproduktionsmedizin, Forschung an menschlichen Embryonen und Gentherapie“ ins Leben gerufen. Schon damals hatten die Ärzte Bedenken, neue Techniken, die bis dato nicht geregelt wurden, ausnahmslos anzuwenden. Durch diese Kommission wurden zum Beispiel „Richtlinien zur Durchführung von In-vitro- Fertilisation und Embryotransfer als Behandlungsmethode der menschlichen

Sterilität“11erarbeitet und 1985 als Beilage zur MBO vom DÄT beschlossen. Die Forschung an menschlichen Keimzellen ist danach verboten, sofern diese an tierischen Zellen möglich ist, keinen unmittelbaren oder mittelbaren klinischen Nutzen hat und keinem hohen wissenschaftlichen Stand entspricht. Grundsätzlich verboten ist die Erzeugung von Forschungsembryonen. Auch Klonierung, Chimärenbildunz12und Interspezies-Hybridisierung 13sind verboten. Forschung ist nur mit Einwilligung der genetischen Eltern möglich. Außerdem wurde festgelegt, dass die Kultivierung von Embryonen nicht über den 14. Tag in vivo erfolgen darf. Die Durchführung wird durch eine örtliche Ethikkommission kontrolliert.

IV. Einfachgesetzliche Regelungen

1. Strafrecht

a. Strafgesetzbuch

Der Embryo zählt nicht zu dem „anderen Menschen“ in §211ff. StGB oder zu der anderen Person gemäß §223 StGB. Stattdessen beginnt das Menschsein im Sinne des Strafrechts nach herrschender Ansicht14erst mit dem Einsetzen der Wehen. Vorher wird der Nasciturus durch den jetzigen §218 geschützt. Diese Ansicht folgt dem weggefallenen §217 StGB, in dem es hieß, dass „Eine Mutter, welche ihr nichteheliches Kind in oder gleich nach der Geburt tötet, ... bestraft“ wird. Zu Problemen kann es kommen, wenn wehenhemmende Mittel eingesetzt werden15. Wenn im achten Monat zum Beispiel zur Verhinderung einer Frühgeburt solches geschieht, macht es wenig Sinn dem immer noch ungeborenen Kind mehr Schutz zu kommen zu lassen als dem normal geborenen. Ein Lösungsansatz stellt darauf ab16, ob die einsetzenden Wehen tatsächlich eine Geburt einleiten. Dieser Ansicht folgend ist es unmöglich zu sagen, ob es sich im Moment einer möglichen Schädigung um ein „schwebend menschliches“ oder ein „schwebend ungeborenes“ Wesen handelt. Beim Abklingen der Wehen könnte sich der Embryo in einen ungeborenen Zustand „zurückverwandeln“. Ein Unterlaufen der Bedingung des Eintritts der Wehen könnte man daher nur verhindern, indem man annimmt, dass die medizinisch indizierte Unterbrechung der Geburt als Fallgruppe zu sehen ist. In der Folge ist der Embryo nur kurz nach Eintritt der Wehen ein Mensch bis zur Verabreichung des wehenhemmenden Mittels. Dadurch wird Rechtssicherheit geschaffen.

Überhaupt muss man zwischen Senkwehen, die zu einer Senkung des Kindes im Mutterleib führen, den erst Wochen später einsetzenden Eröffnungswehen und den Presswehen unterscheiden. Nur die letzteren zählen zur Geburt. Die Hebamme, die sich bei der Geburt einer Geburtszange behilft, weil die Presswehen der Frau nicht ausreichen, und dabei das Kind so schwer schädigt, dass es noch im Mutterleib stirbt, macht sich daher der fahrlässigen Tötung strafbar. Am Beginn des Lebens, also vor der Einnistung des befruchteten Eies in die Plazenta, gilt §218 ausdrücklich nicht. An dieser Stelle schließt sich die Lücke zum Embryonenschutzgesetz.

b. Embryonenschutzgesetz

aa. Entstehung

Nach dem seit 1985 verschiedene Kommissionen17liberale Entwürfe gemacht hatten, wurde der letztere striktere Entwurf 1990 Gesetz. Art.74 I Nr.26 GG bestimmt, dass die Embryonenforschung, da sie auf künstlicher Befruchtung beruht und der Untersuchung von Erbinformationen bzw. deren Veränderung dient, Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist. Zu dem Zeitpunkt als es verabschiedet wurde, gab es die Bestimmung im Katalog des Art. 74 GG noch nicht. Diese kam erst mit der Verfassungsänderung von 1994 hinzu. Das Gesetz gehört aber zum Strafrecht. Für dieses Gebiet ist nach herrschender Auffassung eine bundeseinheitliche Regelung gemäß Art. 72II GG nötig18.

bb. Schutzobjekt

Embryo im Sinne des ESchG ist gemäß §8I ESchG die befruchtete menschliche Eizelle ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung an. Darüber hinaus ist jede ihm entnommene totipotente Zelle auch ein Embryo, d.h. den heutigen Erkenntnissen nach bis zum Achtzellstadium.

[...]


1Desoxyribonukleinsäure.

2Med. Embryologie Kap. 1.5, S.15.

3Funkt. Embryologie, S.10.

4Ribonukleinsäure, die komplementär zur DNS ist und sich im Zytoplasma befindet.

5Med. Embryologie, Kap 2.5.1, S.24.

6Med. Embryologie, Kap 2.5.3, S.25. Durch Tierversuche hat sich laut Ethikrat GD S. 10 ergeben, dass im Achtzellstadium die Zellen nur bei jeder zehnten Entnahme totipotent waren.

7Es können sich Mehrlinge während und nach der Befruchtung entwickeln. Med. Embryologie, Kap 2.5.3 S.25.

8Nach neueren Erkenntnissen werden bei zwei übertragenen Embryonen

dieselben Ergebnisse erzielt. In England werden daher nur noch zwei übertragen. Ethikrat GD, S.10.

9Ethikrat GD S.44.

10Ethikrat GD S.9.

11DÄBl.82 (1985), 3757; in Keller Anhang 2: Pkt.3;

http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Richtidx/Kuenstbefrucht.html ; 1998 aktualisiert

12Als Chimäre bezeichnet man jegliche Wesen, die verschiedene tierische oder menschliche Körperteile miteinander vereinen.

13Interspezies-Hybride sind Lebewesen, die durch Kreuzung von Eltern verschiedener Arten hervorgegangen sind.

14BGHSt 32, 194 ff.; S/S-Eser Vor §211 Rn. 13.

15Herzberg JZ 2001, 1106 ff.; MüKo StGB-Hardtung §222 Rn.4.

16Krey BT1 Rn.2.

17Kommission „IVF, Genomanalyse, -therapie“ des BMJ und des BMBF, die „Benda-Kommission“.

18Einige Stimmen meinen, dass der Bund ins Strafrecht geflüchtet ist, um die Materie überhaupt selber regeln zu können.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die rechtliche Stellung des Embryos
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Lehrstuhl für öffentliches Recht - Pestalozza)
Veranstaltung
Seminar Medizinrecht
Note
2
Autor
Jahr
2005
Seiten
28
Katalognummer
V68765
ISBN (eBook)
9783638594950
Dateigröße
544 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit gibt einen Überblick über den Embryonenschutz in Deutschland. Dabei wird zunächst ein naturwissenschaftlicher Hintergrund gegeben, um dann von dort aus das Embryonenschutzgesetz selbst, andere Vorschriften sowie bestimmte Methoden wie die Präimplantationsdiagnostik (PID), die künstliche Befruchtung sowie den Schwangerschaftsabbruch zu hinterfragen und mit der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen. Dies erfolgt vor allem anhand der Menschenwürde und dem Recht auf Leben.
Schlagworte
Embryos, Medizinrecht
Arbeit zitieren
Ben Herzog (Autor:in), 2005, Die rechtliche Stellung des Embryos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68765

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