Dantes Monarchia. Eine Utopie?


Seminararbeit, 2006

28 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführender Kommentar

2. Dante und die politischen Gegebenheiten seiner Zeit

3. Philosophischer Kontext

4. Entwurf und Forderungen der Monarchia

5. Monarchia als gesellschaftlich – politischer Gegenentwurf?

6. Dantes „Monarchia“ und die „Utopia“ von Thomas Morus

7. Abbildungsverzeichnis

1. Einführender Kommentar

Der um das Jahr 1265 in Florenz geborene Dante Alighieri gilt heute wohl als einer der bekanntesten Dichter des europäischen Mittelalters. Im Fokus des Interesses soll sich in dieser Arbeit seine Schrift „De Monarchia“ befinden. Zielsetzung soll es sein, zu klären, inwiefern sich in diesem Werk prophetische und utopische Ansätze oder Umsetzungen finden lassen. Bislang wurde das hier angeführte Werk nur selten im Zusammenhang von utopischen Diskussionen genannt, weshalb das Ergebnis der hier vorliegenden Zeilen von besonderem Interesse sein dürfte. Vor dem inhaltlichen und strukturellen Vergleich der „Monarchia“ mit der für die Gattung der Utopie namensgebenden Schrift „Utopia“ von Thomas Morus, soll genauer aufgezeigt werden, inwiefern die in der „Monarchia“ illustrierten politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten der Realität widersprechen und ihrerseits ins Ideale transzendiert werden, denn genau dies stellt laut Schrader eine Grundvoraussetzung einer Utopie dar, dass mit ihr „stets der Gedanke an eine bessere, ja an die ideale Welt verbunden[1] “ sei. Um dies zu klären, soll das anschließende Kapitel die politischen Gegebenheiten, in welchen sich Dante als direkt involviert befand, aufzeigen. Von den Zuständen in Florenz ausgehend, führt eine Summierung der Forderungen der „Monarchia“ in Kapitel 4 zu der Beantwortung der Realität – Gegenentwurf – Diskussion in Kapitel 5, in welchem auf die damaligen weltpolitischen Machtverhältnisse umfassender eingegangen werden soll. Inwiefern die behandelten Themen und Thesen als revolutionär verstanden werden dürfen, ist nur aus einer Untersuchung des philosophischen Kontextgefüges heraus zu erkennen. Daher nimmt Kapitel 3 zu diesem genauer Stellung. In dem abschließenden Kapitel, in welchem der Quellenvergleich stattfinden soll, werden des Weiteren unterschiedliche Utopieverständnisse konkretisiert und auf deren Übereinstimmung mit der „Monarchia“ überprüft werden.

2. Dante und die politischen Gegebenheiten seiner Zeit

Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken[2].

M. Aurelius, 121 – 180 n.Chr.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dante erlebt bereits zur Zeit seiner Kindheit die Auseinandersetzungen zwischen den Guelfen und den Ghibellinen. Nach seiner Grundausbildung wird er im Jahr 1283 zum Vollwaisen. Seiner Heirat mit Gemma Donati folgt ein nicht sicher belegtes Studium in Bologna, wo er Freundschaften mit Dichtern des „Neuen Stils“ geknüpft haben soll. Seine Interessen sind

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

den Anschein hat. So spalteten sich um 1300 in Florenz die Guelfen

Abb.1: Dante Aligieri zum einen in die `weißen´, kaiserfreundlichen Guelfen, die für einen Kompromiss mit dem Kaiser eintraten. Und zum andern in die `schwarzen´ Guelfen, die eine harte Politik gegenüber dem Kaiser verfolgten[3]. Je nach aktueller Regierung in den Kommunen, wurden Anhänger der einen oder der anderen Partei der Stadt verwiesen und ins Exil geschickt. Vieles deutet darauf hin, dass Dante 1289 an der aus den guelfischghibellinischen Problemen entstandenen Schlacht von Campaldino teilgenommen haben könnte, bei der die Florentiner Guelfen den in den beiden vorausgegangenen Jahren in Arezzo und in Pisa an die Macht gekommenen Ghibellinen eine schwere Niederlage zufügten[4]. Für das Jahr 1295 ist der wirkliche Beginn von Dantes politischer Aktivität belegt. Dante schreibt sich in der Zunft der Apotheker und Ärzte ein und schafft dadurch eine formale Voraussetzung, ein politisches Amt übernehmen zu können[5]. Vom 1. November 1295 bis zum 30. April 1296 ist er Mitglied im Rat des Capitano del Popolo, im Sommer 1296 Mitglied im Rat der Hundert. Auch für das Jahr 1297 ist eine Mitgliedschaft im letztgenannten Rat belegt. Im Mai 1300 ist er in diplomatischer Mission in San Gimignano und vom 15. Juni bis 15. August 1300 amtiert er als eines von sechs Mitgliedern des Priorats, dem höchsten Gremium der Stadt[6]. Vom 1. April bis zum 30. September 1301 ist er wieder Mitglied im Rat der Hundert und im Oktober 1301 befindet er sich als Mitglied einer Gesandtschaft bei Verhandlungen mit Papst Bonifatius VIII. in Rom[7].

Während der Zeit seiner politischen Ämter hatten die Ereignisse in Florenz eine turbulente Entwicklung genommen, und es war in der ohnehin aus heutiger Sicht kaum noch überschaubaren Gemengelage zwischen Ghibellinen und Guelfen und den sich damit teilweise überkreuzenden Parteiungen der 'Schwarzen' (Anhänger der Donati) und 'Weißen' (Anhänger der Cerchi) zu neuen Verschiebungen und Spaltungen gekommen. Aus Anlass eines Besuches des päpstlichen Legaten Matteo d'Acquasparta entstanden im Sommer 1300 Unruhen. Dante und seine Mitregenten im Priorat belegten daraufhin - gegen den Willen des Legaten - nicht nur Vertreter der `Weißen´ - darunter Dantes Freund Guido Cavalcanti -, sondern auch Vertreter der `Schwarzen´ - darunter deren Anführer Corso DonatiGuelfen mit Verbannungsurteilen. Florenz wurde infolgedessen mit dem Kirchenbann belegt und der Papst rief Karl von Valois nach Italien, um mithilfe der `Schwarzen´ die päpstliche Hoheit über Florenz wieder herzustellen und die Toskana ein für allemal dem Kirchenstaat einzuverleiben. Im November 1301, während Dante sich noch in Rom befand, zog Karl in Florenz ein und die mit ihm eindringenden `Schwarzen´ nahmen Rache an ihren Gegnern in der Stadt, wobei auch Dantes Haus zerstört worden sein soll. Im Januar 1302 wurde Dante in Abwesenheit zu einer Geldstrafe und zum Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern verurteilt. Da er sich von Florenz fernhielt und die Strafe nicht bezahlte, unterlag sein in der Stadt verbliebener Besitz der Konfiskation. Im März 1302 wurde er dann gemeinsam mit 14 anderen `Weißen´ für den Fall seiner Rückkehr in die Stadt oder für den Fall seiner anderweitigen Verhaftung zum Tod durch Verbrennung verurteilt. Dantes Hoffnung ruhten von nun an - aus dem Exil heraus - auf Kaiser Heinrichs VII. Das 1315 an Dante gerichtete Angebot der Begnadigung lehnte er ab. Sein Tod in Ravenna ist für den 14.09.1321 belegt. Sehr hilfreich erschien in diesem Kontext die Schrift von Bruno Opalka[8], in welcher die hier aufgezeigten Zusammenhänge in Florenz noch deutlicher erörtert werden. In einem deutlich größeren, die Schranken Italiens übergreifenden geschichtlichen Zusammenhang schildert Friedrich Baethgen die Entstehungszeit der Monarchia[9]. Für weiterführende Informationen sei der Leser auf diese Texte verwiesen. Angemerkt sei noch, dass die exakte Entstehungszeit dieser philosophischen Abhandlung Dantes nicht bekannt ist und zu vielen Kontroversen innerhalb der historischen Forschung geführt hat. Die Datierungsversuche reichen von der Zeit noch vor Dantes Verbannung, also noch vor 1302 bis in die letzten Lebensjahre Dantes, d.h. in die Jahre unmittelbar vor 1321 hinein. Besondere Beachtung verdienen auch diejenigen Versuche, welche das Werk auf die Zeit des Italienzuges Kaiser Heinrichs VII. datieren, d.h. auf den Zeitraum von 1310 bis 1313. Diesen Kaiser, in dem Dante die Realisierung des zuvor im „Convivio“ entworfenen abstrakten Kaisers sah, zu dessen Ankunft in Italien er Sendschreiben ausgeschickt hatte, begrüßte er überschwänglich mit den Worten:

„Freue dich nun Italia, die du bald dem ganzen Erdkreis beneidenswert sein wirst; denn

der Trost der Welt und Ruhm deines Volkes, der gnadenreiche Heinrich, der göttliche

Augustus und Cäsar, eilt zur Hochzeit[10].

Von der Ankunft des Luxemburger Kaisers, der den Streit zwischen Guelfen und Gibellinen in Italien schlichten wollte, hatte Dante sich das Ende seines Exils erhofft. Heinrichs Bemühungen scheiterten jedoch rasch; ein Aufstand in Mailand erfasste schnell die gesamte Lombardei. Er selbst verstarb im Sommer 1313 während eines Feldzugs gegen Robert von Neapel an Malaria. Damit waren alle Hoffnungen, die Dante Alighieri auf diesen Herrscher gesetzt hatte, gescheitert. Es ist anzunehmen, dass der Italienzug Heinrichs VII. ihn bei der Arbeit an der „Monarchia“ nachhaltig beeinflusst haben könnte. Am wahrscheinlichsten erscheint eine Datierung der Abhandlung in die letzten Lebensjahre Dantes[11], in welche auch „Egloghe“ und „Quaestio de acqua et terra“ fallen.

Im anschließenden Kapitel sollen die philosophischen Prämissen, welche für die Gesamtbewertung der „Monarchia“ von Bedeutung erscheinen, genauer geklärt werden. Die konkrete Fragestellung hierzu lautet: Inwiefern löst sich Dante von bereits vorgegebenen Richtlinien mittelalterlicher Publizistik und inwiefern löst er sich von ihnen?

3. Philosophischer Kontext

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Augustinus von

In der Betrachtung der philosophischen Prämissen, unter welchen Dantes Werk entstand, soll mit Augustinus von Hippo[12] begonnen werden. Sein Blick richtet sich nicht mehr auf die „res publica romana“, sondern auf die „civitas“. Seine Konzeptionen haben keine Grenzen. Die „civitas“ steht allen denen auf dem ganzen Erdkreise offen, welche den gleichen Gott bekennen, den gleichen Gesetzen nachleben und schließt dabei sowohl die Lebenden, als auch die Toten mit ein[13]. Er übergießt die Größe des römischen Reiches mit Hohn und Spott. Durch nicht endende Kriege, über Ruinen und Trümmer hinweg, habe sich Rom in beispielloser Anmaßung die

Herrschaft der Welt angeeignet. Darum soll vom Weltstaat, der lüstern nach Herrschaft giert, dennoch seinerseits, wenn sich die Völker dienend beugen, von der Herrschbegierde beherrscht wird, hier die Rede sein: „Aus dem Weltstaat nämlich kommen die Feinde, gegen die der Gottesstaat verteidigt werden muss[14] “.

Auch das Richtung weisende Werk des berühmten Thomas von Aquins[15] soll hier vermerkt werden. Er hat die aristotelischen Gesichtspunkte zwar nicht unverändert gelassen, aber im Grunde genommen ist er auch in der Staatslehre des Aristoteles verwurzelt[16]. Das Werk ist für die ganze Hochscholastik und ihre politischen Untersuchungen und Streitschriften maßgebend und vorbildlich geworden. Auch Dantes „Monarchia“ steht im Banne der thomistischen Staatslehre, wenn er sich auch in bestimmten Punkten von ihr entfernt[17]. Interessant ist für die hier behandelte Thematik insbesondere, dass für Thomas von Aquin - wie für Aristoteles - die monarchische Staatsform als die idealste angesehen wird. Der Monarch hat laut Aquin seine Gewalt kraft eigener Tugend und Vollkommenheit von Gott. Die aristotelische Theorie wird also mit einem kirchlichen Glaubenssatz verbunden[18]. Nach Aristoteles hat der ideale Mensch ein natürliches Recht und einen begründeten Anspruch auf Regierung[19]. Thomas von Aquin trifft noch eine Ergänzung: Für eine gute Staatform und eine gute Regierung ist nicht nur die politische Tugend des Gewalthabers und das Wohl der Regierten maßgebend, sondern auch in gewisser Hinsicht die Zustimmung der Regierten[20]. Die Gewalt des Monarchen fließt also aus

[...]


[1] zit. nach: Ludwig Schrader (Hg.): Alternative Welten in Mittelalter und Renaissance, Düsseldorf 1988, S.7.

[2] zit. nach: http://www.zitate.net (last review 26.07.2006).

[3] Vgl. Franco Cardini: Guelfen, in: Angermann, Norbert / Bautier, Robert-Henri / Auty, Robert u.a. (Hg.): LexMa, Bd. 4, Sp. 1763.

[4] Kurt Leonhard: Dante. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1998, S.25.

[5] Ulrich Prill: Dante (Sammlung Metzler; Bd. 318), Stuttgart 1999, S.33.

[6] ebd.

[7] Eva Hölter: "Der Dichter der Hölle und des Exils" Würzburg 2002, S.13.

[8] Bruno Opalka: Dante und die politischen Mächte seiner Zeit. Untersuchungen zur Monarchia (Romanische Studien, 43), Berlin 1937.

[9] Friedrich Baethgen: Die Entstehungszeit von Dantes Monarchia, München 1966.

[10] zit. nach: Baethgen, S.24.

[11] Baethgen, S.23-28.

[12] auch Augustinus von Thagaste, 354- 430.

[13] Georg von Hertling: Augustin, Mainz 1902, S.100.

[14] Augustinus - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat 1. Buch , Kapitel 1, zit. nach: http://www.unifr.ch/patr/bkv/kapitel.php?ordnung=1&werknr=91&buchnr=198&abschnittnr=1919 (last review 20.09.2006).

[15] auch Tommaso d'Aquino, 1225-1274.

[16] Constantin Sauter: Vorwort zu „Dante: Monarchia“, Aalen 1974, S.38.

[17] ebd. S.39.

[18] ebd. S.40.

[19] Christof Rapp: Aristoteles zur Einführung. Hamburg 2004, S.63. und Sauter S.40.

[20] David Berger: Thomas von Aquin begegnen, Augsburg 2002, S.47.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Dantes Monarchia. Eine Utopie?
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Prophetische und utopische Vorstellungen in der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung und Publizistik
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V68667
ISBN (eBook)
9783638611121
ISBN (Buch)
9783638672931
Dateigröße
706 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dantes, Monarchia, Eine, Utopie, Prophetische, Vorstellungen, Geschichtsschreibung, Publizistik
Arbeit zitieren
Patrick Hehmann (Autor:in), 2006, Dantes Monarchia. Eine Utopie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68667

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