Die Oper von Versailles


Hausarbeit (Hauptseminar), 1998

19 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

I Einleitung

II Die Baugeschichte
II.1Theaterpläne für den Sonnenkönig
II.2 Die Pläne Gabriels und ihre Ausführung

III Die Zeiten des Glanzes (1770-1789)
III.1 Die Eröffnung der Oper
III.2 Die Nutzung der Oper bis zur Revolution

IV Die Revolution und ihre Folgen

V Die Restaurierung der Oper (1950-1957)

VI Schluß

VII Literatur

I Einleitung

Die Oper Gabriels war eins der letzten großen Bauvorhaben in Versailles bevor die Revolution dem Schloßleben ein Ende setzte. Diese letzte architektonische Manifestation königlicher Macht in Frankreich gehört noch tief ins 18. Jh. in die Regierungszeit Ludwigs XV., wo die Autorität des Monarchen noch unumstößlich im politischen Denken eines jeden Franzosen verwurzelt war. Sozialhistorisch fügt sich die Oper also noch in die Reihe der traditionellen Hoftheater, wenn auch einige Elemente wie das Vestibül oder die großzügigen Treppenläufe bereits den Charakter der städtischen Theaterhäuser vorahnen lassen. Stilistisch und vor allem technisch gesehen ist die Oper von Versailles jedoch unzweideutiges Sinnbild für höchsten Fortschritt und Modernität.

Zu diesem Bauwerk hat es im Rahmen der Versailles-Forschung bereits umfangreiche Untersuchungen gegeben. Vor allem die Restaurierung in den 50er Jahren bot Anlaß, das in Fülle zusammengetragene Material zu veröffentlichen. Besonders hervorzuheben sind hier Pierre Verlets Aufsatz in der Revue de l’histoire du théatre von 1957, in derselben Zeitschrift eine Abhandlung von Alfred Marie (1951) sowie eine umfassende monographische Publikation in den Monuments historiques de la France, 1957.

So sehr diese zahlreichen Veröffentlichungen das rege kunsthistorische Interesse an der Oper bezeugen, lassen sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine zusammenhängende Darstellung der Bau- und Kulturgeschichte des Theaters im Rahmen der gesamten Schloßgeschichte noch fehlt. Die meisten Autoren beschränken sich in ihren Ausführungen auf eine Aufzählung von Fakten, ohne sie unter den genannten Gesichtspunkten zu bewerten.

Hauptanliegen der nachstehenden Arbeit ist es, aus der vorhandenen Sekundärliteratur eine informative Synthese zu ziehen und der Versuch einer stilistischen Einordnung. In der Gliederung folgt sie der historischen Chronologie.

II Die Baugeschichte

II.1 Theaterpläne für den Sonnenkönig

Während die eigentliche Bauzeit der Oper gerade zwei Jahre umfaßt, reichen die Planungen für den so eilends errichteten Bau ein ganzes Jahrhundert zurück in die Zeit des Sonnenkönigs. In den ersten Regierungsjahren Ludwig XIV., als Versailles noch ausschließlich als Jagd- und Lustschloß diente, wurden für die temporären Aufenthalte des Hofes Theater und Ballette auf provisorischen Bühnen veranstaltet, die nach der Vorstellung unverzüglich abgeräumt und vernichtet wurden.[1]

Seit 1668 war mit den Planungen, Versailles zur königlichen Residenz auszubauen, auch ein ständiger Theaterbau vorgesehen. Von Le Vau zunächst als bescheidenes Hoftheater geplant, sollte der Salle des Ballets an der Stelle errichtet werden, wo sich heute das Vestibül zur Escalier des Princes befindet. Mit der Übernahme der Arbeiten durch Mansard im Jahre 1678 wurde mit dem Bau der Nord- und Südflügel begonnen, um Wohnungen für das königliche Gefolge zu schaffen.[2] Das kleine Theater hätte an der von Le Vau vorgesehenen Stelle den Weg zwischen Südflügel und Hauptgebäude versperrt, und so beschloß man, die Planungen zu verlegen, um sie später an einer anderen Stelle, am Ende des Nordflügels, zu verwirklichen. Das auf dieser Seite zu den Wasserspeichern hin abfallende Terrain erwies sich nämlich als günstig für die Errichtung eines massiven Unterbaus, wie er für die Unterbringung der gewaltigen Bühnenmaschinerie nötig war.

Die ersten Entwürfe hierfür stammen von Vigarani, dem Erbauer des Salle des Machines in den Tuilerien, und Mansard und ähneln sich in großen Teilen.[3] Ein 1685 von Vigarani signierter Grundriß sowie ein dazugehöriger Längsschnitt zeigen ein zur Gartenseite hin ausgerichtetes halbovales Auditorium, flankiert von Treppen mit einem winzigen Vestibül, umlaufende Stufen und zwei Balkonreihen hinter korinthischen Kolossalsäulen, ein Parkett mit Königstribüne sowie ein Orchestergraben; die Bühne ist sehr tief, die Öffnung flankieren Säulen und Pilaster. Über dem Zuschauerraum selbst ist ein von Doppelsäulen umstandener Salon vorgesehen, so daß der Gesamteindruck des Theaters dunkel und beengt ausgefallen wäre.[4]

Bis auf die Fundamente und kleinere Mauerstücken wurde jedoch keiner dieser Pläne ausgeführt. Es fehlte an Geld und dem alternden Ludwig XIV. lag die rasche Errichtung der Hofkapelle nun näher am Herzen. Unterdessen errichtete Mansard für den Gebrauch des Hofes ein kleines Theater zwischen dem Cour des Princes und dem Garten, ein Provisorium, das allerdings bald hundert Jahre Bestand haben sollte. Bis zu dreihundert Personen drängten sich in dem 8x15 Meter großen Salle des Comédies.[5] Für größere Feierlichkeiten mußten indessen wieder kurzlebige Konstruktionen gezimmert werden, die man auf dem leicht erhöhten Marmorhof, in den Gärten oder in der Reithalle der Grande Écurie aufstellte. Die Fundamente des Salle des Ballets wurden vorläufig verbrettert. Später entstanden im Zuge der notorischen Wohnungsnot im Bereich des Auditoriums Luxusappartements für die Princesse de Conti und den Duc de Charost.[6]

II.2 Die Pläne Gabriels und ihre Ausführung

Als Versailles 1745, unter der Regierung Ludwig XV., für die Hochzeit des Dauphin mit der spanischen Infantin Maria Theresia immer noch kein angemessenes Theater für solche Anlässe besaß, wurde der Salle du Manège von den Gebrüdern Slodtz in einen Festsaal verwandelt: Entlang der Wände verliefen zwei im üppigen Rokokostil geschmückte Balkonreihen. Dabei erlaubte die Verwendung von leicht zu verarbeitenden Materialien wie Holz, Karton und Leinwand die Verwirklichung höchst phantasievoller Dekorationen. Beim Bau massiver Architektur dagegen nahmen französische Architekten lieber Abstand von solch kapriziösen Formen und zogen einfachere vor, die als vornehmer empfunden wurden – ein Umstand, der für die stilgeschichtliche Entwicklung, wie sie sich mit dem aufkommenden Klassizismus in der zweiten Hälfte des 18. Jh. vollzog, von gewisser Bedeutung ist.

1747, anläßlich der Hochzeit des zweiten Dauphin mit Maria-Joseph von Sachsen wurde ebenfalls im Salle du Manège ein ähnlicher Saal errichtet, diesmal jedoch ohne Balkons; stattdessen schmückten die Wände enorme, von Palmen gesäumte Spiegel. Ange-Jacques Gabriel orientierte sich bei seinen ersten Dekorationsentwürfen für die Oper am Stil der Slodtz, um sich dann aber allmählich vom Rokoko zu emanzipieren und zur klassizistischen Form zu gelangen.[7]

Wann genau Gabriel den Auftrag für den Bau der Oper erhielt, ist nicht ganz klar. Die räumlichen Gegebenheiten des Salle du Manège waren höchst unbefriedigend und das Provisorium auf die Dauer zu teuer. Aus diesen Gründen – und wohl auch im Hinblick auf kommende Hochzeiten – kam um die Mitte der 40er Jahre die Wiederaufnahme der Pläne für den Salle des Ballets zur Sprache. 1745 beauftragte Gabriel, der drei Jahre zuvor zum Premier architecte du roi ernannt worden war, den Architekten Potain mit einer Zusammenstellung der wichtigsten Theater Italiens. Man kann also davon ausgehen, daß Gabriel bereits zu diesem Zeitpunkt mit der weiteren Planung des Salle des Ballets betraut war.

Die Dokumentation der frühesten Pläne um 1743-44 hat sehr fragmentarischen Charakter, weshalb auch die Autorenschaft Gabriels umstritten ist.[8] Aus etwas späterer Zeit, zwischen 1748 und 1750, liegen von Gabriel unterzeichnete Pläne vor: Er überarbeitet die Pläne von Vigarani, greift die alte Anordnung – Auditorium im Westen, Bühne im Osten – auf und orientiert sich an den auf der Gartenseite von Mansard vorgegebenen Proportionen der Achsen. Die Treppenzugänge werden verbessert, vor dem Auditorium werden Salons für den König, die Leibwache usw. vorgesehen, der Zuschauerraum selbst aber ist U-förmig – im Vergleich zu Vigaranis Halboval ein gravierender Rückschritt![9]

Diese herkömmlichen U-förmigen Auditorien, wie sie in Frankreich zu der Zeit noch üblich waren, boten für die Zuschauer in den hinteren seitlich verlaufenden Logen relativ schlechte Sicht- und Hörverhältnisse. Die in dieser Hinsicht ideale Halbkreisform des klassischen Amphitheaters kam für die meisten Theater aus Platzgründen nicht in Frage. Ein Kompromiß war es, wenn man sie auf zwei Seiten etwas eindrückte – so wurde aus dem Halbkreis ein angeschnittenes Oval, das sich in eine Rechteckform einpassen ließ, ohne die Vorteile des Amphiteaters völlig aufzugeben.

In Italien hatte man bereits früh begonnen, Theater mit Halb- oder Dreiviertelovalen zu bauen. 1736-40 entstand das Hoftheater in Turin nach Plänen von Benedetto Alfieri, 1743 wurde Knobelsdorffs Oper in Berlin für Friedrich II. vollendet. Gabriel war sich der Rückständigkeit französischer Theaterbaukunst durchaus bewußt. In Frankreich waren im 18. Jh. der vielen Kriege wegen wenig Theater gebaut worden, moderne Vorbilder mußten im Ausland, vornehmlich Italien und Deutschland, gesucht werden. Ohne selbst jemals Frankreich zu verlassen, studierte Gabriel die Pläne der bedeutendsten Theater Europas, um aus der Synthese aller ihrer Vorzüge ein in jeder Hinsicht vollkommenes Theater für den französischen Monarchen zu schaffen. 1749 beauftragte er seine Mitarbeiter Marigny, Soufflot und Cochin, nach Italien zu fahren, um dort Musterstudien von Bauten zu erstellen, u.a. von dem erwähnten Hoftheater in Turin und Palladios Teatro Olimpico in Vicenza. Die Reise war im Zusammenhang mit den Ausgrabungen in Herculaneum und Pompeji von der kunstinteressierten Mme Pompadour angeregt worden und steht somit am Anfang einer tiefgreifenden Stil- und Geschmackswandlung am französischen Hof. Aber auch andere junge Architekten, de Wailly, Moreau, Louis, Peyre, Dumont brachten von ihren Studieneisen aus Rom auf Vitruv und Palladio zurückgehende Architekturtheorien mit nach Frankreich.[10]

[...]


[1] Marie, 1951, S. 134 ff.; Monuments historiques, 1957, S. 3

[2] Marie, 1951, S. 139

[3] Verlet, 1957, S. 133 f.

[4] Marie, 1951, S. 136

[5] Marie, 1951, S. 141; Verlet, 1957, S. 130

[6] Mon. hist., 1957, S. 4; Pradel, 1937

[7] Mon. hist., 1957, S. 6 f.

[8] s. hierzu den einschlagenden Artikel von A. Gruber, 1971

[9] Bocher, 1982, S. 194-198

[10] Mon. hist., S. 9 ff.; Pradel, 1937

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Oper von Versailles
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Kunsthistorisches Institut)
Note
1
Autor
Jahr
1998
Seiten
19
Katalognummer
V6857
ISBN (eBook)
9783638143318
ISBN (Buch)
9783656228172
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gabriel, Oper, Sonnenkönig, Architektur, Theaterbau, Ludwig XV.
Arbeit zitieren
Anna Purath (Autor:in), 1998, Die Oper von Versailles, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6857

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