Erinnerungen an den Großen Vaterländischen Krieg


Hausarbeit, 2006

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Frauen im Großen Vaterländischen Krieg

3 Private Erinnerungen
3.1 Swetlana Alexijewitsch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“
3.2 Barbara Alpern Engel und Anastasia Posadskaya-Vanderbeck „A Revolution of Their Own“
3.3 Gemeinsamkeiten, Unterschiede und eigene Gedanken

4 Bedeutung von Erinnerungen

5 Öffentliche Erinnerungen

6 Das Leben nach dem Krieg

7 Fazit

8 Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Der zweite Weltkrieg gilt in der Geschichte als der grausamste Krieg aller Zeiten. In den vier Jahren der Kriegsdauer wurden Millionen Menschen auf der Erde getötet, gefoltert und hingerichtet. Die Anzahl derer, die nach dem Krieg mit den schlimmen Erfahrungen leben mussten, ist unzählbar. Um einen Einblick in das Leben des Krieges zu gewinnen, handelt diese Arbeit von jenen Erfahrungen. Diese stammen von den Frontfrauen der Sowjetunion. Etwa eine Million von ihnen diente im Großen Vaterländischen Krieg in den Streitkräften.[1] Über die Heldentaten der männlichen Soldaten ist viel in der Geschichte geschrieben worden, doch wie erging es den Frauen, die Seite an Seite mit den Männern gekämpft haben? Inwieweit kann die öffentliche Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg mit der privaten Erinnerung zweier Frauen, die im Krieg gedient haben, gleichgesetzt werden? Dieser Frage soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Für den Vergleich werden dafür zwei Interviews unterschiedlicher Autorinnen herangezogen. Es muss vorab festgehalten werden, dass sich die Arbeit aus einem Großteil von Zitaten zusammensetzt, um die genauen Wortlaute und Empfindungen der Frauen wiederzugeben. Dies stellt für eine realitätsnahe Darstellung der Erlebnisse die beste Lösung dar.

Der erste Erfahrungsbericht stammt aus dem Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ von Swetlana Alexijewitsch. Sie hat mit einer Vielzahl von Veteraninnen gesprochen und ihre Erinnerungen an den Krieg in einem Buch veröffentlicht. Dem gegenübergestellt wird ein Interview, geführt von Barbara Alpern Engel und Anastasia Posadskaya-Vanderbeck, das in dem Buch „A Revolution of Their Own“ niedergeschrieben wurde. Herauszufinden gilt es, inwieweit Unterschiede zwischen den beiden Interviewpartnerinnen bestehen. Welche Erfahrungen haben sie im Krieg gemacht und wie gehen sie mit diesen um? Bestehen unterschiedliche Wahrnehmungen der Dinge? Um den Bogen zur Hauptfrage zu spannen muss geklärt werden, welche Fakten über die Frontfrauen in der Öffentlichkeit der Nachkriegszeit bekannt sind. Dafür wird ein grober Überblick über den Großen Vaterländischen Krieg und die Situation der Frauen in der Sowjetunion gegeben.

Gleichermaßen von Bedeutung ist die Klärung von Erinnerungen allgemein in der Geschichte. Welchen Einfluss haben sie auf die Interviewsituationen und in der Öffentlichkeit? Diese Frage wird bei der Vorstellung der Interviews eine Rolle spielen. Zunächst liefert der folgende Punkt einen Überblick über die Situation der Frauen zu Beginn des zweiten Weltkrieges, um im Anschluss die beiden Interviews vorzustellen.

2 Frauen im Großen Vaterländischen Krieg

Der zweite Weltkrieg gilt als der größte Konflikt in der Geschichte. Die Opferzahlen sprechen für sich. Circa sechzig Millionen Menschen ließen ihr Leben in diesem Krieg. Vier Jahre lang, von 1941-1945, kämpften vor allem Deutschland, Japan und Italien gegen die restlichen Länder der Welt. Für die Sowjetunion begann der eigentliche Krieg in ihrem Land mit dem deutschen Überfall im Morgengrauen des 22.Juni 1941.[2] Damit nahm der wohl blutigste Feldzug des Krieges seinen Lauf. Über die genauen Einzelheiten des Krieges soll an dieser Stelle nicht geschrieben werden. Vielmehr gilt es die Frauen und ihre Rolle zu dieser Zeit in Augenschein zu nehmen. Im zweiten Weltkrieg leisteten etwa eine Million Frauen ihren Dienst in der Roten Armee. Die Anzahl der Männer schwankte zwischen drei und fünf Millionen im Jahr 1941.[3] Dies zeigt, dass der Anteil der Frauen erheblich hoch war. Sie machten gut 1/5 der Heerstärke aus. Ihr Einsatz stellte etwas historisch Neues dar. In Ländern wie Deutschland oder Großbritannien wurden gleichermaßen Frauen für das Militär einberufen, jedoch niemals in dem Ausmaß wie es in der Sowjetunion der Fall war. Die Problematik, die dabei besteht, ist, dass kaum Statistiken über die genaue Anzahl der Frauen oder ihre Arbeitsfelder vorhanden sind. Die größte Quelle bilden in dem Fall die Urkunden und Orden, die von der Roten Armee ausgegeben wurden. Ausgezeichnet wurden jedoch nur vereinzelte Frauen, der Großteil der Soldatinnen erhielt keine Anerkennung für ihre Arbeit. Die Frage, die sich stellt, ist, wie konnte es zu einer derartigen Mobilisierung der Frauen in jener Zeit kommen?

In der Sowjetunion galt die Wehrpflicht bis zum zweiten Weltkrieg nur für Männer.[4] Nach Ausbruch des Krieges meldeten sich zahlreiche junge Mädchen für die Armee freiwillig. Sie wollten wie die Männer für ihr Vaterland kämpfen. Aufgrund der hohen Verluste der Roten Armee in den ersten beiden Kriegsjahren ging die Regierung dazu über alle kriegstauglichen Frauen zu mobilisieren.[5] Verheiratete Frauen und Mütter waren von dieser Mobilisierung hingegen ausgeschlossen. Die so genannte „Scheinfreiwilligkeit“, wie es nach dem Krieg hieß, wurde aufgehoben. Die Mehrzahl der Frauen, die im Krieg dienten, wurde als Krankenschwestern, Wäscherinnen oder Telefonistinnen eingesetzt.[6] Eine Ausbildung erhielten sie dabei nur in seltensten Fällen. Viel eher wurden ihnen nur die grundlegendsten Kenntnisse im jeweiligen Tätigkeitsfeld beigebracht. Oftmals mussten die Frauen direkt an der Front arbeiten, so dass der Umgang mit der Waffe für sie dazu gehörte.

So bargen die Sanitäterinnen die Verwundeten unter feindlichem Feuer oder die Kommandozentralen wurden bombardiert. Gefahr bestand für sie überall. Wie sah für diese Frauen der Frontalltag aus? Konnten sie sich gegenüber den männlichen Soldaten behaupten? Welche Aufgaben hat man ihnen zugeteilt? Wie sind sie mit den Strapazen des Krieges umgegangen? Darüber war bis vor wenigen Jahren nur wenig bekannt.

Erst mit Swetlana Alexijewitsch konnte die Öffentlichkeit einen Einblick in die Ängste, Erinnerungen und Erfahrungen sowjetischer Frauen, die im Krieg dienten, erlangen. Bis zu der Veröffentlichung ihres Buches waren nur wenige Erzählungen von Scharfschützinnen oder Sanitäterinnen bekannt, die ausgezeichnet wurden.[7] Wie es den Frauen nach dem Krieg erging, wird an anderer Stelle berichtet. Zunächst folgt im Anschluss der Vergleich zweier Erzählungen. Dabei soll versucht werden, Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Erfahrungsberichte herauszuarbeiten.

3 Private Erinnerungen

Wie schon in der Einleitung erwähnt, behandelt dieser Punkt die ganz persönlichen Erinnerungen zweier Frauen an den Krieg. In den Interviews mit Swetlana Alexijewitsch, Barbara Alpern Engel sowie Anastasia Posadskaya-Vanderbeck berichten sie von ihren Erlebnissen und Ängsten, ihrem Leben nach dem Krieg sowie ihren Familien. Die Aufzeichnungen der Interviews unterscheiden sich gänzlich von den wenigen bekannten Geschichten der Kriegsfrauen, welche als Heldinnen dargestellt wurden. Es wird nicht über Oberflächlichkeiten in den Interviews gesprochen, sondern vielmehr über die grausamen, unverfälschten Erlebnisse des Krieges. Sie zeigen die verwundbare Seite der Frauen, ihre Gewissenskonflikte der Politik gegenüber und ihr Ablegen der Weiblichkeit. Aber auch die Freude, die sie trotz jener Grausamkeit erfahren konnten, wird in den Erzählungen gezeigt. Die Geschichten machen deutlich, wie die alten Soldatinnen nach dem Krieg behandelt wurden und wie sie dem Geschehen heute gegenüberstehen.

3.1 Swetlana Alexijewitsch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“

Swetlana Alexijewitsch wurde 1948 in der Ukraine geboren. Den Krieg hat sie somit nicht direkt miterlebt. Jedoch herrschte in der Nachkriegszeit, in der Swetlana Alexijewitsch aufwuchs, sehr viel Leid. Es galt die Opfer zu beklagen, unter denen auch einige aus ihrer Familie waren. Swetlana Alexijewitsch studierte Journalistik in Minsk und veröffentlichte 1985 ihr erstes Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ in der Sowjetunion.[8] Ihr Buch stellte eine Sensation in ihrem Land dar, da zum ersten Mal über die unverfälschte Wahrheit der Frontkämpferinnen erzählt wurde. Swetlana Alexijewitsch wurde über Nacht bekannt. Noch nie hatte es jemand gewagt den Krieg aus der Sicht der Frauen zu schildern. Dafür interviewte sie jahrelang über vierhundert Frauen, die ihr die grausamsten Kriegsgeschichten erzählten. Um jede einzelne von ihnen zu behandeln fehlt an dieser Stelle der nötige Raum, daher beschränke ich mich auf die Darstellung einer Erzählung. Ich habe diese aufgrund ihrer packenden Erzählweise und der absoluten Offenheit gewählt. Die Erzählung zieht einen in ihren Bann und es wird deutlich, inwiefern die Akteure unter dem Krieg leiden. Gleichermaßen wird der Überlebensdrang in dieser Erzählung sehr fühlbar.

Swetlana Alexijewitsch hat sich für das Interview die Töchter des Helden der Sowjetunion ausgesucht. Wassili Sacharowitsch Korsh hat im Bürgerkrieg gekämpft, war Spanienkämpfer sowie Kommandeur einer Partisanenbrigade im Großen Vaterländischen Krieg.[9] Schon lange kennt Swetlana Alexijewitsch diesen Namen, daher ist es für sie, als ob „der Mythos zu menschlichen Leben erwacht“.[10] Das Interview findet mit den beiden Schwestern Olga und Sinaida Korsh und der Mutter Feodossija Alexejewna statt. Diese hält sich allerdings während des gesamten Interviews im Hintergrund und sagt kaum ein Wort. Die beiden Schwestern hingegen berichten ausführlich von den Geschehnissen. Sie arbeiteten als Sanitätsinstrukteurinnen in Kavallerieschwadronen. Sinaida war vierzehn, Olga sechzehn Jahre alt, als der Krieg begann. Sie beide wollten kämpfen, ihr Vaterland verteidigen. Sinaida sagt, dass ihnen eingeredet wurde auf fremdem Territorium zu kämpfen und dass der Sieg ihrer wäre.[11] Als der Krieg ausbrach, verließ der Vater die Familie, um an der Front zu kämpfen. Mutter und Kinder flohen und wurden getrennt. Sinaida trat einer Sanitätstruppe bei, die sich um sie kümmerte. Sie gab sich für sechzehn aus, um im Sanitätsbataillon bleiben zu dürfen. Sie war das erste Mal von ihrer Familie getrennt, fühlte sich allein. Die Ärztin, der Sinaida half, gab ihr Kraft. Sie wollte „diese starken Menschen nicht mehr verlieren“.[12] Nach einiger Zeit fand sich die Familie wieder, doch der Krieg war noch nicht gewonnen.

So zogen die beiden Schwestern weiter und meldeten sich freiwillig bei einem Kosaken-Freiwilligenkorps.[13] Olga Korsh erzählt von einer Schlacht:

„Ich verband Verwundete, daneben lag ein Faschist, ich dachte, er wäre tot, und beobachtete ihn nicht weiter, aber er war nur verwundet, und er wollte mich töten. Als hätte mich jemand angestoßen, spürte ich das plötzlich und drehte mich zu ihm um. Konnte ihm noch die MP aus der Hand schlagen. Ich habe ihn nicht getötet, aber ich habe ihn auch nicht verbunden, ich ging einfach weg. Er hatte eine Bauchwunde…“[14]

Diese oder ähnliche Erfahrungen teilen eine große Anzahl an Frauen, die im Krieg an der Front dienten. In diesem Augenblick ging es um Tod oder Leben. Doch Olga erschoss diesen Mann nicht, sondern wählte die für ihre Weiblichkeit sprechende „sanftere“ Methode. Der Soldat konnte ihr nicht mehr gefährlich werden, also ließ sie ihn an seinen Wunden erliegen.

[...]


[1] Vgl. Mascha, Nina, Katjuscha. Frauen in der Roten Armee 1941-1945. Ausstellungskatalog. Hrsg. von Deutsch-russischen Museum Karlshorst. Berlin 2002. S.7.

[2] Vgl. Hildermeier, Manfred. Geschichte der Sowjetunion 1917-1991. München 1998. S.601.

[3] Vgl. Ebd., S.603.

[4] Vgl. Mascha, Nina, Katjuscha. Frauen in der Roten Armee 1941-1945. Ausstellungskatalog. Hrsg. von Deutsch-russischen Museum Karlshorst. Berlin 2002. S.12.

[5] Vgl. Ebd.

[6] Vgl. Ebd., S.7.

[7] Vgl. Mascha, Nina, Katjuscha. Frauen in der Roten Armee 1941-1945. Ausstellungskatalog. Hrsg. von Deutsch-russischen Museum Karlshorst. Berlin 2002. S.7.

[8] Vgl. Swetlana Alexijewitsch. Verfügbar über: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/316979/. Datum des Zugriffs: 06.09.2006.

[9] Vgl. Alexijewitsch, Swetlana. Der Krieg hat kein weibliches Gesicht. (Aus dem Russischen) Hamburg 1989. S.161.

[10] Vgl. Ebd.

[11] Vgl. Ebd., S.163.

[12] Vgl. Ebd.

[13] Vgl. Ebd., S.165.

[14] Vgl. Alexijewitsch, Swetlana. Der Krieg hat kein weibliches Gesicht. (Aus dem Russischen) Hamburg 1989. S.166.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Erinnerungen an den Großen Vaterländischen Krieg
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V68303
ISBN (eBook)
9783638609470
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erinnerungen, Großen, Vaterländischen, Krieg
Arbeit zitieren
Nina Hanisch (Autor:in), 2006, Erinnerungen an den Großen Vaterländischen Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68303

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