Pflegeverhältnis und Integration


Hausarbeit, 2006

39 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Zahlen, Daten, Fakten

I. Pflegeverhältnis
1. Pflegefamilien
1.1 Definition
1.2 Pflegeformen
1.3 Eignung
1.4 Besonderheiten der Erziehungsstellen
1.5 Rechtliche Grundlagen
1.6 Betreuung und Begleitung
2. Pflegekinder und Herkunftsfamilien
2.1 Definition
2.2 Wie wird ein Kind zum Pflegekind
2.3 „Herausnahme“ eines Kindes
2.4 Rückkehr oder dauerhafter Verbleib

II. Integration 21
3. Theorie der Integration
3.1 Familiale Beziehungen und kindliche Bedürfnisse
3.2 Anpassung und Annahme
3.3 Wiederholung früherer Beziehungsformen
in der Übertragungsbeziehung
3.4 Entwicklung persönlicher Beziehungen
durch regressive Beziehungsformen

III. Fazit
Literatur / Quellen

Einleitung

In der folgenden Hausarbeit möchte ich mich mit dem Themenbereich der Pflegefamilien und Pflegekinder in Deutschland allgemein und in Nordrhein-Westfalen speziell befassen.

Die ersten Berührungen mit diesen Themen hatte ich während meines Praxissemesters.

In einer von mir mit betreuten Familie sollte übergangsweise eine starke Entlastung aller Familienmitglieder erreicht werden, indem einer der beiden Söhne in einer Pflegefamilie untergebracht werden sollte.

Hierzu war jedoch das Einverständnis der Mutter notwendig, die dieses aber kategorisch ablehnte, da sie als Kind selbst zeitweilig in Pflegefamilien gelebt und dieses als schlimme Erfahrung in Erinnerung behalten hatte.

Da mich dieser Fall sehr beeindruckt und beschäftigt hat, habe ich mich bereits während des Praxissemesters mit den Möglichkeiten der Unterbringung in einer Pflegefamilie beschäftigt. Dieses war jedoch sehr stark auf meine Heimatstadt Arnsberg beschränkt, deren Modell des Pflegekinderwesens sehr ungewöhnlich ist.

Im Rahmen meiner Recherchen, die sich vorrangig auf Nordrhein-Westfalen bezogen, traf ich auf andere, gängigere Modelle der Arbeit mit Pflegefamilien, die ich in meiner Hausarbeit bevorzugt darstellen werde.

Im ersten Teil der Hausarbeit möchte ich zunächst Begriffe erklären und deren Zusammenhang im Pflegeverhältnis verdeutlichen. Hierbei werde ich zwischen zwei Bereichen unterscheiden. Zum einen den Bereich der Pflegefamilie und zum anderen den Bereich der Pflegekinder und deren Herkunftsfamilie.

In einem zweiten Teil möchte ich mich besonders mit dem Prozess der Integration eines Pflegekindes in eine Pflegefamilie und die damit verbundenen Schwierigkeiten befassen. Das ganze soll aus psychologischer Sicht passieren.

Zahlen, Daten und Fakten

Im Laufe des Jahres 2004 gab es in Deutschland im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe 25.916 Fälle in denen vorläufige Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. In 10.617 Fällen waren Kinder und Jugendliche im Rahmen der Vollzeitpflege in einer anderen Familie untergebracht. 1

In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2004 7.595 Kinder und Jugendliche vom Jugendamt Inobhut genommen. 14.893 Kinder und Jugendliche lebten in Vollzeitpflege. Davon waren nur 3.055 Kinder und Jugendliche bei Großeltern oder anderen Verwandten untergebracht, der Großteil von 11.838 Kindern und Jugendlichen lebte in so genannten Pflegefamilien. 2

2005 lag die Zahl der Inobhutnahmen in Nordrhein-Westfalen schon bei 7.920 Fällen. Besonders interessant ist hierbei, dass die Zahl der so genannten „Selbstmelder“ im Vergleich zum Vorjahr um 4,8% von 2.523 auf 2.401 gesunken ist. Erschreckend ist es jedoch, dass die Zahl der Inobhutnahmen wegen Gefährdung innerhalb der gleichen Zeit von 5.072 Fällen um 8,8% auf 5.519 Fälle anstieg.

Beobachtet man die Zahlen der „außerhalb des Elternhauses erzogenen jungen Menschen“ in Nordrhein-Westfalen über einen Zeitraum von mehreren Jahren, so kann man hier besonders seid dem Jahr 2000 einen teilweise als drastisch zu bezeichnenden Anstieg der Betroffenen feststellen. Im Jahr 2000 lag die Zahl der Kinder und Jugendlichen die außerhalb des Elternhauses erzogen wurden bei 31.341. Im Jahr 2004 waren es bereits 42.881 Kinder und Jugendliche und somit ergibt sich ein Anstieg von knapp 37%.

Bei den verschiedenen Arten der Unterbringung wirkt sich dieser Anstieg besonders auf den Heimbereich aus, der in der gleichen Zeit (2000-2004) einen Anstieg der Zahlen der untergebrachten Kinder und Jugendlichen von 43,5% verzeichnet.

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in Pflegefamilien untergebracht wurden, stieg von 9.640 Fällen im Jahr 2000 auf 11.838 Fälle im Jahr 2004. Das macht eine Steigerung von ca. 23% aus. 3

I. Pflegeverhältnis

1. Pflegefamilien

1.1 Definition

Im deutschen Recht wird nicht von Pflegefamilien als gesamtes, sondern von Pflegepersonen gesprochen. Als Pflegeperson bezeichnet das SGB VIII die Person, die im Rahmen einer Vollzeitpflege für die Betreuung und Erziehung eines Pflegekindes zuständig ist. Dieses können zwei Personen sein, wenn es sich um eine Familienpflege handelt. „Die Bezeichnungen „Pflegeeltern“ und „Pflegemutter/ Pflegevater“ drücken im Gegensatz zur Bezeichnung „Pflegeperson“ emotionale Bindungen aus“(Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. 2003: 189). Hierdurch wird der familiäre Charakter eines Pflegeverhältnisses zum Ausdruck gebracht und eine soziale Elternschaft beschrieben.

1.2 Pflegeformen

Die im Folgenden beschriebenen unterschiedlichen Pflegeformen setzten immer voraus, dass ein Kind in Vollzeitpflege bei einer Pflegefamilie untergebracht ist. Der Begriff Vollzeitpflege bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein Kind Tag und Nacht in der Pflegefamilie lebt.

Kurzzeitpflege

Bei dieser Pflegeform ist die Herkunftsfamilie des Kindes für eine gewisse Zeit nicht in der Lage, das Kind weiter zu versorgen und zu erziehen, möchte dieses in Zukunft aber wieder tun. Die Beziehung des Kindes zu seiner Familie muss so sein, dass die Eltern weiter die Hauptbezugspersonen des Kindes bleiben können und wollen. Daher besteht beim Aufenthalt in einer Pflegefamilie die klare Perspektive, dass das Kind in seine Herkunftsfamilie zurückkehrt. Bei dieser Pflegeform ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Pflegeeltern und Herkunftseltern unerlässlich.

Bereitschaftspflege

Der Aufenthalt eines Kindes in einer Bereitschaftspflegefamilie ist zeitlich begrenzt. Die Unterbringung erfolgt häufig nachdem die Kinder in Obhut genommen worden sind, da eine mögliche Kindeswohlgefährdung in der Herkunftsfamilie vorliegt. Die Unterbringung dient dazu, die Situation abzuklären und eine zukünftige Unterbringung des Kindes zu überprüfen. Hierbei kann es sein, dass das Kind in die Herkunftsfamilie zurückkehrt. In der Mehrzahl der Fälle werden die Kinder jedoch in eine Dauerpflege oder in ein Heim vermittelt.

Wochenpflege

Bei dieser Pflegeform leben die Kinder während der Woche generell oder nur an bestimmten Tagen Tag und Nacht in der Pflegefamilie. Die Unterbringung ist meist durch die Arbeitssituation in der Herkunftsfamilie begründet. Die Wochenpflege ergänzt also die Erziehung der leiblichen Eltern, wobei das Kind jedoch einen großen Teil seiner Zeit in der Pflegefamilie verbringt.

Verwandtenpflege

Einige Kinder leben als Pflegekinder bei Verwandten. Großeltern, Tanten und Onkel haben diese Kinder aufgenommen und ziehen sie in ihrer Familie groß. Die Verwandtenpflege kann "Hilfe zur Erziehung" gemäß §27 KJHG sein, hierbei wird die aufnehmende verwandte Familie wie eine fremde Familie finanziell (Pflegegeld) und beraterisch unterstützt.

Andererseits kann Verwandtenpflege auch einfach eine Hilfe innerhalb der Familie sein, ohne dass sich das Jugendamt um diese Pflegestelle kümmern muss. Es können aber auch diese Pflegefamilien Hilfe beim Jugendamt einfordern und ihren Anspruch auf Beratung nutzen.

Dauerpflege

Wie der Name schon sagt ist diese Pflegeform auf Dauer angelegt und wird meist bis zu Volljährigkeit oder zur Verselbständigung eines Kindes fortgeführt. Bei dieser Form sind die Pflegeeltern die Hauptbezugspersonen für das Kind.

Sonderpflege

Pflegefamilien die Kinder mit besonderen Bedürfnissen aufnehmen, verfügen über eine langjährige Erfahrung im Umgang mit Pflegekindern oder haben eine entsprechende pädagogische Ausbildung. Die Kinder werden dauerhaft untergebracht und stellen einen höheren Erziehungsanspruch an die Pflegeeltern. Es handelt sich meist um Kinder mit Behinderungen, Entwicklungsbeeinträchtigungen oder ältere Kinder. Die finanziellen Leistungen die die Sonderpflegestellen, bzw. Erziehungsstellen erhalten sind höher und die Beratung und Unterstützung ist besser.

1.3 Eignung

Pflegevater, Pflegemutter oder Pflegefamilie kann jeder werden, der es sich zutraut ein Kind in seinem Haushalt aufzunehmen und es so zu akzeptieren wie es ist. Ein Kind aufzunehmen bedeutet, sich auf Unvorhergesehenes einzulassen und anderen zunächst fremden Personen einen Einblick in den eigenen Alltag und das eigene Leben zu gestatten. Auch ist es notwendig sich mit vielen neuen Menschen und Gedanken auseinander zu setzen.

Jede Institution die Pflegekinder in Pflegefamilien vermittelt und diese während der Pflegedauer betreut, hat eigene Methoden entwickelt um die Eignung von Pflegepersonen zu prüfen. Es gibt nicht „die Pflegefamilie“ für alle Fälle, sondern es ist wichtig das Pflegefamilie und Pflegekind im Einzelfall zueinander passen. Daher bezieht sich die Vermittlung von Pflegekindern nicht nur auf die Unterbringung bei Ehepaaren sondern auch bei Lebensgemeinschaften gleichgeschlechtlicher oder gegengeschlechtlicher Partner, Alleinstehender mit und ohne Kind.

Einige formale Kriterien die Pflegeeltern in der Regel erfüllen müssen werden im Folgenden dargelegt.

Zwischen den Pflegepersonen und dem Kind sollte ein natürlicher und realistischer Altersabstand eingehalten werden. Der gesundheitliche Zustand der Eltern muss der vermittelnden Stelle häufig durch Vorlage eines Gesundheitszeugnisses nachgewiesen werden. Dieses ist notwendig um ausschließen zu können, dass eine mögliche Beeinträchtigung der Gesundheit die Pflegeeltern bei ihrer Erziehungsaufgabe nicht behindert.

Die Bewerber müssen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und dieses in

regelmäßigen Abständen erneuern lassen, damit sichergestellt ist, dass die Kinder nicht in ungesetzlichen Verhältnissen aufwachsen.

Der Wohnraum der einer aufnehmenden Familie zur Verfügung steht muss ausreichend groß sein, um ein Kind aufzunehmen. Es ist keineswegs Voraussetzung, dass das Pflegekind ein eigenes Zimmer bekommt, wird aber von einigen vermittelnden Stellen als sinnvoll erachtet.

Da das Kind besonders zu Beginn der Maßnahme kontinuierliche Bezugspersonen braucht, wird gewünscht, dass ein Pflegeelternteil nicht berufstätig ist, oder sich die Eltern die Arbeitszeiten so einrichten können, dass immer einer beim Kind sein kann.

Nach der Integration des Pflegekindes und bei entsprechendem Alter kann aber über eine Wiederaufnahme der Beruftätigkeit nachgedacht werden, soweit währenddessen eine adäquate Betreuung des Kindes gewährleistet ist (Kindergarte, Schule).

Ein weiteres Kriterium ist die finanzielle Absicherung der Pflegefamilie. Das Pflegegeld sollte auf keinen Fall die einzige Einnahmequelle darstellen.

Einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf es, wenn die aufnehmende Familie bereits eigene Kinder hat. Hier muss sichergestellt werden, dass es nicht zum Gefühl einer Vernachlässigung oder anderer Rivalitäten zwischen den leiblichen Kindern und dem Pflegekind kommt. Daher sollte in solchen Situationen eine besonders enge Betreuung durch die vermittelnde Stelle erfolgen, um mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen und angemessen damit umzugehen. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Wahl einer Pflegefamilie ist deren religiöse Haltung. Diese darf der von der Herkunftsfamilie benannten religiösen Grundhaltung nicht im Wege stehen. Die Zugehörigkeit zu einer Sekte kann daher ein Grund sein, der die Aufnahme eines Pflegekindes erheblich erschwert. Der Großteil der vermittelnden Stellen nutzt zur Erhebung dieser Daten einen Fragebogen der für die Bewerbungsunterlagen ausgefüllt werden muss. Weitere Fragen können zum Beispiel dazu dienen zu erfahren, warum die Familie ein Pflegekind aufnehmen möchte, oder seit wann sich die Familie mit dem Thema beschäftigt.

Weitere Erläuterungen hierzu folgen unter dem Punkt „Betreuung und Begleitung von Pflegefamilien“.

1.4 Besonderheiten bei Erziehungsstellen

Für Erziehungsstellen gelten grundsätzlich die gleichen Bedingungen wie für die Pflegefamilie auch. Die Besonderheit dieser Stellen ergibt sich durch die aufzunehmenden Kinder, wie bereits unter dem Punkt „Sonderpflege“ angesprochen wurde.

Die Biographie dieser Kinder ist geprägt von traumatisierenden Erlebnissen, Grenzüberschreitungen aller Art, Beziehungsabbrüchen sowie einer Mangelversorgung der emotionalen sowie physischen Grundbedürfnisse.

Der weitere Lebensweg dieser Kinder ist häufig durch Störungen der Fremd – und Selbstwahrnehmung, Entwicklungsverzögerungen, Schuldgefühle und Deprivation gekennzeichnet. Um diesen Traumata und Einschränkungen entgegenzuwirken ist eine Unterbringung bei pädagogisch geschulten und fachlich kompetenten Familien unbedingt notwendig. Daher ist eine zusätzliche Bedingung für Erziehungsstellen, dass mindestens eine der Pflegepersonen eine pädagogische Ausbildung absolviert hat.

Die Ziele der Unterbringung von Kindern in Erziehungsstellen können in der Regel folgendermaßen definiert werden:

- Bereitstellung eines verlässlichen Lebensortes mit konstanten Bezugspersonen
- Bearbeitung bisheriger Erziehungs- und Entwicklungsdefizite
- Entwicklung eines positiven Selbstbildes
- Entwicklung realistischer Rollenkonzepte und sozialer Kompetenz
- Klärung der Beziehungsstrukturen
- Gegebenenfalls Rückführung in die Herkunftsfamilie/Verselbständigung
- Verbesserung von Selbsthilfepotenzialen und psychosozialen Kompetenzen
- Stärkung der Bereitschaft, sich auf schulisches Lernen einzulassen

Die Arbeit mit diesen Kindern erfordert ein hohes Maß an Geduld und die Bereitschaft, noch enger mit der vermittelnden Stelle zusammen zu arbeiten. Selbstreflexion ist hierbei zwingend notwendig. Auch nimmt die Versorgung eines solchen Kindes sehr viel Zeit und Stärke in Anspruch. Auf Grund dieser extremen Beanspruchung ist für Erziehungsstellen ein höheres Leistungsentgelte vorgesehen, als für Pflegefamilien.

[...]


1 www.destatis.de/basis/d/solei/soleiq33.php

2 www.lds.nrw.de/statistik/datenangebot/daten/h/jugendhilfe/r312jugendhilfe1.html

3 www.lds.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2006/pdf/195_06.pdf

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Pflegeverhältnis und Integration
Hochschule
Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe  (FH)
Veranstaltung
Didaktik &Methodik/ Psychologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
39
Katalognummer
V68249
ISBN (eBook)
9783638609111
ISBN (Buch)
9783638876773
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pflegeverhältnis, Integration, Didaktik, Psychologie
Arbeit zitieren
Sarah Gleie (Autor:in), 2006, Pflegeverhältnis und Integration, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68249

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