Kokoschka im Exil - "Soweit diese Zeit des Schreckens etwas Besseres hoffen lässt..."


Seminararbeit, 2002

14 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Oskar Kokoschka - Biographie

3. 1934 - 1938: Prag
3.1. Flucht aus Prag
3.2. Kokoschkas Schaffen in Prag

4. 1938 - 1945: Exil in London
4.1. Schwere Zeiten für den einst gefeierten Künstler
4.2. Kulturpolitische Aktivitäten
4.3. Kokoschkas Österreich während der Londoner Zeit
4.4. Die „politischen Bilder“

5. Humanismus als Lebensprinzip
5.1. Engagement für Kinder im Krieg
5.2. Hoffnung durch Erziehung

6. Schlußwort

7. Bibliographie

1. Einleitung

Als Oskar Kokoschka im Oktober 1938 mit seiner Lebensgefährtin Olda Palkovská in London ankam, hatte er nur 5 Pfund und eines seiner Bilder bei sich. Die Koffer wurden ihnen zwar nachgeschickt, kamen aber leer an.[1] Dennoch schrieb der Maler gleich nach seiner Ankunft an seine Freunde Ruth und Adolf Arndt voller Zuversicht: „Ich glaube, mich hier halten und vielleicht durchsetzen zu können“.[2] „Durchsetzen“ bedeutete für ihn Zeit seines Lebens seine Kunst kompromißlos in den Dienst der Menschheit, fern jeglicher Politik oder wirtschaftlicher Interessen, zu stellen. Seinen Lebensmut verlor er dabei nie. Zahlreiche Briefe aus der schweren Zeit im Prager und Londoner Exil spiegeln diese Haltung wider.

Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluß des Exillebens auf den Maler und Menschen Oskar Kokoschka, sowie das Verhältnis zu seinem Heimatland Österreich in den Jahren 1934 bis 1945.

2. Oskar Kokoschka - Biographie

Oskar Kokoschka wurde am 1. März 1886 in Pöchlarn geboren und verbrachte seine Kindheit und Jugend in Wien. Schon früh begann er zu malen und zu zeichnen. Nach zahlreichen künstlerischen Engagements in Wien, u.a. der Arbeit in der „Wiener Werkstätte“ 1907 und der Beteiligung an der Ausstellung „Kunstschau“ der Klimt-Gruppe 1908, sowie seinem Wirken an der Wiener Kunstgewerbeschule, kam er 1910 nach Deutschland. In Hagen fand die erste eigenständige Kokoschka-Ausstellung statt.

1915 wurde er zum Militärdienst berufen. Nachdem er schwer verwundet wurde, arbeitete er als Kriegsberichterstatter an der Isonzofront.

1917 ging er nach Dresden, inszenierte am dortigen Albert-Theater drei seiner Stücke und wurde 1919 als Professor an die Dresdner Akademie berufen, wo er bis 1923 lehrte. Danach reiste er quer durch Europa und erlebte eine höchst produktive Malphase. Als Maler hatte er sich zu dieser Zeit bereits einen Namen gemacht.

Aufgrund des aufkommenden Rechtsradikalismus in Österreich emigrierte er 1934 nach Prag. Dort unterhielt er freundschaftliche Kontakte zu Thomas G. Masaryk, dem tschechischen Präsidenten, der sich wie er für die Ideen des mährischen Pädagogen Jan Amos Comenius begeisterte.

1938 floh Kokoschka mit seiner Lebensgefährtin Olda Palkovská nach London um einer drohenden Verhaftung durch die Nazis zu entgehen. Aus finanziellen Gründen lebten die beiden zeitweise in Cornwall, wo Oskar Kokoschka viele Naturstudien malte. Mit allegorischen Bildern reagierte er auf das aktuelle politische Geschehen in Europa.

1942 wurde er auch politisch aktiv. Er wurde Präsident des Freien Deutschen Kulturbundes, in dem er sich durch Reden und Schriften für die Wiederherstellung des Ansehens der deutschen Kultur und Künstler einsetzte. In dieser Zeit malte er Aquarelle, die er leichter verkaufen konnte.

1947 erhielt er die englische Staatsbürgerschaft. In den folgenden Jahrzehnten wurde sein Werk in vielen Ausstellungen gewürdigt, und er bekam zahlreiche Ehrungen. Auch in den USA war er bekannt und gefragt. Monographien über ihn wurden veröffentlicht, sowie sein schriftliches Werk, das aus Erzählungen, Gedichten, Aufsätzen und Dramen besteht.

1976 wurde ihm die Ehrendoktorwürde an der Universität Salzburg verliehen. 1978 fand eine große Retrospektive in Japan statt. Am 22. Februar 1980 starb er in Montreux.[3]

3. 1934 - 1938: Prag

Trotz eines durch Nationalsozialisten initiierten und gescheiterten Putschversuchs im Februar 1934 erlebte der Nationalsozialismus enormen Zuspruch in Österreich. Kokoschka beschloß im Spätsommer 1934 seine Heimat zu verlassen und zu seiner Schwester nach Prag zu gehen. Kurz zuvor war seine Mutter in Wien verstorben.[4]

In einem Brief an Anna Kallin, einer sehr guten Freundin, machte er am 5. Oktober 1934 seinem Ärger über die Situation in Österreich Luft.[5] In seinen Memoiren schrieb er darüber:

„Noch heute bleibt mir die plötzlich eintretende geistige Lähmung der Gesellschaft, wie sie sich erst im Reich, dann in Österreich und nachher in ganz Europa ausbreitete, unbegreiflich. Ich könnte verstehen, daß man in Österreich plötzlich weiße Strümpfe oder eine Hahnenfeder auf dem Hut oder ein Hakenkreuz am Arm trug, aber unbegreiflich bleibt, daß man der Werbung, Propaganda einer Ideologie, übermittelt durch die Massenmedien, verfiel, durch welche die freie Meinungsbildung unterbunden wurde.“[6]

Stets war Kokoschka bemüht, Kontakte zu knüpfen, die es ihm ermöglichten zu arbeiten. So lernte er gleich in der ersten Zeit in Prag den Kunsthändler- und kritiker Hugo Feigl kennen, der einige seiner Bilder verkaufte.[7] Feigl war es auch, der Kokoschka mit Präsident Masaryk bekanntmachte. Ihn malte Kokoschka, und die beiden wurden Freunde. Ihr gemeinsames Interesse galt den Ideen des Comenius, der für eine übernational gelenkte, öffentliche Volksschule plädiert hatte.[8]

Als er im März 1935 die Einladung erhielt, an 2 Ausstellungen in Italien und Brüssel zum Zwecke „österreichischer kultureller Auslandspropaganda“, wie er es selbst in einem an Clemens Maria Holzmeister gerichteten Brief bezeichnete, mit seinen Werken teilzunehmen, lehnte er entschieden ab. In selbigem Brief an Holzmeister bemerkte er zynisch:

„Die als typisch und historisch bleibend sich äußernde österreichische Eigenart unserer führenden Gesellschaft haben unsere Künstler immer beklagt. Von dem Fußtritt, den Mozart von seinem Salzburger Herrn empfing - die Geschichte der langen Reihe der genialen Österreicher bleibt diese, daß man sich ihrer erst erinnert, wenn sie tot sind und man mit ihnen ein Geschäft machen kann.“[9]

Schon 1936 fühlte er sich in Prag nicht mehr richtig wohl, da er die bevorstehende Kriegsgefahr ahnte. Im November 1936 äußerte er gegenüber Alfred Neumeyer, dem damaligen Leiter der Sommerschule des Mill’s College in San Francisco, erste Befürchtungen über einen neuen Weltkrieg, der abschnittsweise geführt werden würde, durch „Überfall auf einzelne Länder der Reihe nach“.[10] Ganz offensichtlich verfolgte Kokoschka die politischen Geschehnisse sehr aufmerksam und kritisch. Er spielte erstmals ernsthaft mit dem Gedanken, Prag, bzw. Europa, zu verlassen. Ein weiterer Grund für diese Bestrebungen war auch, daß er ständig in finanzieller Not war und sich in Amerika eine bessere Situation erhoffte. In einem weiteren, an Neumeyer gerichteten Brief im Juli 1937 beklagte er, daß die Kunstinteressierten aussterben aufgrund der ständigen Kriegsgefahr. Er bekam keine Aufträge.[11]

Im Sommer 1937 fand die von Nationalsozialisten als „Prangerausstellung“ bezweckte Ausstellung „Entartete Kunst“ in München statt. Kokoschka bemerkte in seinen Memoiren: „Ich hatte die Ehre, mit einer Reihe von Bildern vertreten zu sein.“[12] In Deutschland hatte man nach der Beschlagnahmeverfügung vom 5. Juli 1937 417 seiner Werke aus deutschen Sammlungen entfernt.[13] Als im Österreichischen Museum in Wien zur selben Zeit eine Oskar- Kokoschka- Ausstellung stattfand, bat er die Direktion sehr höflich, aber bestimmt darum, daß jene Bilder aus reichsdeutschem Besitz nicht retourniert werden sollten aufgrund der Gefahr der Vernichtung.[14] Auch ein an Kurt Schuschnigg, den Nachfolger des am 25. Juli 1934 ermordeten Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß, gerichteter Appell zum Zwecke der Erhaltung österreichischen Kulturgutes mit der inständigen Bitte um Schutz seines Werkes vor einem Bildersturm deutscher Behörden, blieb ungehört.[15]

Seine darauffolgend verfaßten Briefe sind voller Bitterkeit gegenüber der geliebten Heimat. Auch beklagte er sich über jene Kunstschaffende, vor allem Literaten, die sich „gleichschalteten“, also sich den der deutschen Obrigkeit entsprechenden Vorstellungen von Kunst und Kultur anpaßten. Verächtlich nannte er Franz Werfel, Max Brod und Joseph Roth „Litteraten“ (vom engl. Wort litter = Abfall).[16]

Im Winter 1937/38 bemerkte Kokoschka seinem langjährigen Freund Albert Ehrenstein gegenüber: „Die machen politisch jetzt gerade hier, was ein blinder Maulwurf das eigene Grab schaufeln nennen würde.“ Er sollte recht behalten, denn im Jahr 1938 spitzte sich die politische Lage auch in der Tschechoslowakei zu. Im Februar erwähnte Kokoschka erstmals, daß auf dem Landweg beförderte Briefe geöffnet und zensiert wurden.[17]

3.1. Flucht aus Prag

Nach dem Anschluß Österreichs an das deutsche Reich und dem Einmarsch deutscher Truppen am 12. März 1938 schrieb Kokoschka voller Resignation an Alfred Neumeyer, daß „jede Spur europäischer Kultur und Gesittung vor die Hunde gehen wird“ unter der Führung der Nazis, „dieser mittelalterlichen Narren“.[18] Aus den Briefen dieser Zeit ergibt sich auch, daß er sich der Gefahr um sein Leben bewußt war und dringendst von Prag weg wollte. So bemühte er sich um eine Arbeitsbewilligung in England.[19] Nach Frankreich wollte er nicht gehen, da er keine guten Erinnerungen an Paris hatte und überdies fürchtete, dort auf Dauer nicht sicher zu sein.[20]

Das am 29. September 1938 zwischen Chamberlain, Hitler, Mussolini und Daladier geschlossene Münchener Abkommen, das die Annexion des Sudetenlandes an Deutschland ermöglichte, erschwerte Kokoschkas Ausreise aus der Tschechoslowakei. Olda Palkovská, die er 1935 kennengelernt hatte, war bereit, mit ihm das Land zu verlassen und schaffte es nach großen Mühen zwei Flugtickets nach London zu bekommen.[21] Trotz der Bedrohung, von den Nazis gefaßt zu werden, fiel es Oskar Kokoschka nicht leicht, wegzugehen. In Prag ließ er seine Schwester zurück, und in Wien lebte sein Bruder Bohuslav, der von den Nazis gesucht wurde. Kokoschka hatte ein sehr inniges Verhältnis zu seinen beiden jüngeren Geschwistern und versuchte ihnen bestmöglichst zu helfen - trotz seiner eigenen Misere. So schrieb er Bohuslav, liebevoll „Bohi“ genannt, am 28. März 1938 einen Brief voller mütterlicher Ratschläge: Er solle vernünftig sein und auf seine Gesundheit aufpassen. Und: „Verkühl Dich nicht, trink kein Bier und schone Deine Leber.“[22] Die ständige Sorge um seinen Bruder veranlaßte ihn schließlich dazu, kurz vor seiner Abreise nach London Adolf Arndt, den späteren Senator für Kunst und Wissenschaft in Berlin, und dessen Frau Ruth zu bitten, sich „Bohi“ anzunehmen.[23]

[...]


[1] Oskar Kokoschka: Briefe III 1934-1953, hrsg. v. Olda Kokoschka und Heinz Spielmann. Düsseldorf 1986, S. 82.

[2] Kokoschka, ebd.

[3] Norbert Werner: Kokoschka - Leben und Werk in Daten und Bildern. Frankfurt am Main 1991, S. 232-241.

[4] Oskar Kokoschka: Mein Leben. München 1971, S. 234.

[5] Briefe III, S. 7-8.

[6] Mein Leben, S. 234.

[7] ebd., S 241-242.

[8] ebd., S 242-243.

[9] Briefe III, S 17.

[10] ebd., S 41.

[11] ebd., S 46.

[12] Mein Leben, S 247.

[13] Werner, a.a.O., S 237.

[14] Briefe III, S 47-49.

[15] ebd., S 49-54.

[16] ebd., S 56.

[17] ebd., S 61-62.

[18] ebd., S 63.

[19] ebd., S 67.

[20] Mein Leben, S 248.

[21] ebd., S 248-249.

[22] Briefe III, S 64-65.

[23] ebd., S 82.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Kokoschka im Exil - "Soweit diese Zeit des Schreckens etwas Besseres hoffen lässt..."
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften)
Veranstaltung
Briefe aus dem Exil 1933 - 1945
Note
2,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
14
Katalognummer
V68008
ISBN (eBook)
9783638602143
ISBN (Buch)
9783656109037
Dateigröße
408 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kokoschka, Zeit, Briefe, Oskar, Publizistik, kommunikationswissenschaften, deutschland, 20. Jahrhundert, kunst, künstler, holocaust, 2. Weltkrieg, vertreibung, Wien, Hitler, juden, antisemetismus, Exil, Österreich, Kommunikation, Exilleben, Auswanderer, 1934, 1938, 1945, Krieg, Maler, Sozialleben, Integration, immigrieren, Emigration
Arbeit zitieren
Magister Artium Melanie Bobik (Autor:in), 2002, Kokoschka im Exil - "Soweit diese Zeit des Schreckens etwas Besseres hoffen lässt...", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68008

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