Bismarck - Ein Feind der deutschen Kolonialexpansion?


Seminararbeit, 2005

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1) Einleitung

2) Bismarcks Kolonialpolitik bis 1884 im Spiegel der damaligen Zeit
a) Händlerkolonie vs. Territorialkolonie
b) Außen- und sicherheitspolitische Gesichtspunkte
c) Innen- und Machtpolitische Erwägungen

3) Umdenken in der Kolonialen Frage? Der Erwerb der deutschen „Schutzgebiete“

4) Bismarcks Haltung nach dem Erwerb der „Schutzgebiete“

5) Abschlussbewertung und Forschungsmeinungen

6) Quellen- und Literaturverzeichnis

1) Einleitung

Diese Hausarbeit soll aufzeigen, welche Hintergründe und Motive die Kolonialpolitik des Reichskanzlers Otto von Bismarck beeinflussten. Es soll in dieser Hausarbeit herausgearbeitet werden, ob Bismarck Gegner oder Fürsprecher der Kolonialbewegung im Deutschen Reich war, oder aber keines von beidem.

Die deutsche „Kolonialepisode“ (1884-1914) ist im Geschichtsbewusstsein vieler heute lebender Menschen nicht mehr vorhanden. Lediglich Gebäude, Straßennamen, einige verbliebene Farmerfamilien und wenige fragwürdige Jubiläen (z.B. 100 Jahre Waterbergschlacht) erinnern heute noch an die Präsenz der Deutschen in den ehemaligen „Schutzgebieten“ (Bismarck). Jedoch muss uns auch heute immer wieder die historische Verantwortung bewusst sein, in der wir und der Deutsche Staat stehen.

In diesem Zusammenhang ist die gerade laufende dreiteilige ZDF Dokumentation „Deutsche Kolonien“, die auch die heutige Bedeutsamkeit des Themas unterstreicht, zu nennen.

Thematisch beschäftigt sich diese Hausarbeit mit der Haltung des wichtigsten politischen Vertreters des Deutschen Reiches, Otto von Bismarck. Seine Politik, deren Auswirkungen auch noch bis weit in das 20. Jahrhundert und sogar bis heute spürbar sind, galt als ausschlaggebend im Deutschen Reich. Um die Ereignisse, die mit dem Kolonialerwerb und der Kolonialpolitik des deutschen Reiches zusammenhängen, verstehen zu können, ist es unerlässlich sich mit dem wichtigsten politischen Vertreter, Bismarck, und dessen Haltung zur Kolonialexpansion auseinanderzusetzen. In der Forschungsliteratur herrscht ein reger Diskurs über die möglichen Motive Bismarcks „Kolonialpolitik“, so dass ich versuchen werde etwas „Licht ins Dunkel“ zu bringen.

Als Quellenbasis dienen Reichstagsreden und politische Schriften aus den „Gesammelte[n] Werke[n]“ Bismarcks, die mir im Nachdruck von 1972 vorliegen. Ferner wird auf die Ausführungen Horst Gründers (2005 und 2004), Konrad Canis (2004), Lothar Galls (2002), Ernst Engelbergs (1990) und Hans-Ulrich Wehlers (1976) in Monografien zurückgegriffen. Überdies ist das von Bismarck selbst verfasste Werk „Gedanken und Erinnerungen“, das erstmals 1932 veröffentlicht wurde, und mir in der 3. Auflage aus dem Jahr 2004 vorliegt, als Hintergrundinformation verwendet worden.

Ein Aufsatz aus der Zeitschrift Geschichte in Wissenschaft und Unterricht von George Hallgarten aus dem Jahr 1971 wurde ebenfalls konsultiert. Wie sicherlich erkenntlich geht es vornehmlich um den aktuellen Forschungsstand in diesem Bereich.

2) Bismarcks Kolonialpolitik bis 1884 im Spiegel der damaligen Zeit

Im April des Jahres 1884 trat das Deutsche Reich als letzte europäische „Großmacht“ in die Reihe der Kolonialmächte ein. In diesem Kapitel soll ergründet werden, welche Vorstelllungen der Reichskanzler Otto von Bismarck von Imperialismus hatte und wie sich seine Politik in dieser Frage bis zum Beginn des Erwerbs der „Schutzgebiete“ entwickelte.

a) Händlerkolonie vs. Territorialkolonie

Nach der Reichsgründung 1871 begann auch in der deutschen Öffentlichkeit die Diskussion um eine koloniale Expansion. Wenn man so will hat Bismarck jedoch bereits seit Beginn der 1860er als preußischer Ministerpräsident mit unterschiedlicher Intensität Überseepolitik betrieben.[1] Hier kann man als Beispiel die Handelsexpedition nach Südostasien von 1859 nennen.[2] Bismarck erhielt außerdem bereits Mitte der 1860er etliche Vorschläge über Handelsstützpunkte in Südostasien.[3] Laut Aussage Wehlers sei Bismarck als Konsequenz der in Preußen später als in England einsetzenden „Industriellen Revolution“ bereits zu dieser Zeit in die „Fußstapfen der freihändlerischen Außenpolitik seiner Vorgänger“[4] getreten. Dieser Ansatz der freihändlerisch orientierten „laissez-faire“[5] Expansion führt Bismarck auch im Amt des Reichskanzlers ab 1871 fort. Er hatte im Gegensatz zu den bereits etablierten Kolonialmächten England und Frankreich, die laut Bismarck in ihren Kolonien komplette Staatsapparate installiert hätten[6], die Vorstellung, dass das Deutsche Reich wenn überhaupt reine Kaufmannskolonien errichten sollte.[7] Durch diese Haltung versprach Bismarck sich ein minimales finanzielles Risiko auf Seiten des Staates.[8] Es sollten von Seiten des Staates weder eine infrastrukturelle Förderung noch ein ausgebautes Verwaltungssystem gestellt werden, sondern es sollte höchstens den Schutz „der Flagge“ geben.[9] Ferner war Bismarck der Auffassung, dass dem erhofften wirtschaftlichen Aufschwung durch die Handelsposten in Zeiten der wirtschaftlichen Stagnation im Deutschen Reich[10] eine Kaufmannskolonie besser gerecht werden würde.[11] Den Schutz der Flagge gab es jedoch wie bereits erwähnt erst ab Ende 1884. Vorher war Bismarck in wirtschaftlicher Hinsicht lediglich darauf bedacht, dass deutsche Kaufleute und die deutsche Schifffahrt im Ausland gleich berechtigt zu anderen europäischen Mitbewerbern auftreten konnten.[12] Bismarck begann, um den freihändlerischen Außenhandel anzukurbeln, das deutsche Konsulatswesen umzustrukturieren und auszubauen und machte die Diplomatie oftmals zu einer „Hilfstruppe“ für Wirtschaftsfragen.[13]

Den territorialen Expansionswünschen der Öffentlichkeit erteilte Bismarck oftmals deutliche Absagen wie zum Beispiel 1883 in einem Gespräch mit dem damaligen Chef der Admiralität Caprivi[14] und in der Reichstagsrede vom 26.6.1884.[15]

Doch Bismarcks Vorbehalte gegen eine territoriale Expansion wurzelten nicht nur aus den oben genannten befürchteten finanziellen Risiken[16], sondern auch noch aus weiteren Gründen.

b) außen- und sicherheitspolitische Gesichtspunkte

Ein weiterer Grund gegen eine territoriale Expansion war aus Bismarcks Sicht vermutlich die schwierige außenpolitische Situation des Deutschen Reiches unmittelbar nach der Reichsgründung.[17] 1871 hatte sich das Deutsche Reich nach den drei Einigungskriegen konstituiert und betrat „die Bühne der Außenpolitik“. Durch die entschlossene Politik Preußens beziehungsweise des Norddeutschen Bundes, die zur Reichsgründung führte und an der Bismarck als Ministerpräsident des Norddeutschen Bundes, wie in der Einleitung bereits erwähnt, maßgeblich beteiligt war, fühlten sich etliche Staaten bedroht.[18] Allen voran stand selbstverständlich Frankreich, dass unter der Kriegsniederlage und deren Folgen wie zum Beispiel dem Gebietsverlust Elsass-Lothringens zu leiden hatte.[19] Bismarck machte sich in dieser Hinsicht kaum Illusionen und rechnete tagtäglich mit einer „Revanche“ des als solchen oftmals proklamierten Erzfeindes Frankreichs.[20] Bismarcks Politik war qua de causa davon geleitet es Frankreich zu erschweren, Partner für einen erneuten Gang zu den Waffen zu finden.[21] Ihm kam dabei noch gelegen, dass Frankreich unmittelbar nach dem verlorenen Krieg noch nicht die Stärke für ein Bündnis mit einer weiteren Großmacht besaß.[22] Jedoch fürchtete Bismarck stets eine Konstellation, die für das durch die zentrale Lage in Europa exponierte Deutsche Reich einen Zweifrontenkrieg bedeuten würde.[23] Durch den antagonistischen Standpunkt Frankreichs waren Bismarck aber auch die Hände für andere außenpolitische Unternehmungen wie zum Beispiel die territoriale Expansion, falls diese gewollt gewesen wäre, gebunden.[24] Es galt die anderen Großmächte möglichst nicht weiter zu reizen, sondern Zurückhaltung zu üben, um die außenpolitische Lage zu entspannen.[25]

Russland, das durch den Krimkrieg bei Reichsgründung außenpolitisch geschwächt da stand, fühlte sich durch die Reichsgründung in seiner Großmachtstellung ebenfalls bedroht und sah das Deutsche Reich trotzt verwandtschaftlicher Beziehung von Kaiser und Zar als Rivalen. Bismarck befürchtete stets eine Koalition der Flügelmächte Russland und Frankreich gegen das Deutsche Reich. Seine Außenpolitik stand daher unter der Prämisse, Russland an sich zu binden, jedoch nicht unter dessen Kontrolle zu stehen.[26] In den folgenden Jahren versuchte er Russland durch Bündnisse an sich zu ziehen, um die besagte Flügelkonstellation zu vermeiden.

Ähnlich wie Russland sah England auf die Ereignisse in Deutschland. Es befürchtete Hegemonialbestrebungen des Deutschen Reiches und sah sich in seiner Weltmachtposition gestört. In der englischen Öffentlichkeit tauchten immer wieder derlei Bekundungen auf, die Reichsgründung wurde teilweise als bedeutendere „Revolution“ als die französische von 1789 gesehen.[27] Jedoch hatte das Empire auch über Europa hinausgreifende Interessen, die eher mit den Bestrebungen anderer Großmächte, wie zum Beispiel Russlands kollidierten.[28] Es galt Bismarck, sich in solchen Situationen die Spannungen der Großmächte nutzbar zu machen, zu fördern und selbst möglichst „unauffällig“ zu agieren.[29] Diese Zurückhaltung schließt auch eine enthaltsame Überseepolitik ein. England wäre durch ein Eindringen in die überseeischen Interessensgebiete genötigt gewesen Maßnahmen gegen das Deutsche Reich zu ergreifen.

Bismarck lies daher stets öffentlich den Eindruck der „Saturiertheit“ entstehen, was zur Beruhigung auf der Insel führte.[30] In diese Verhaltensweise sind die Absagen an die territoriale Expansion ebenfalls einzuordnen.[31]

Auch Österreich-Ungarn blickte kritisch auf das neue Nachbarreich. Hier hatte man vor allem Angst davor, dass es in den slawischen Gebieten ebenfalls zu nationalistischen Ausbrüchen kommen könnte. Außerdem fürchtete man, dass es in den „pro-deutschen“ Gebieten zu Anschlussbewegungen kommen könnte. Bismarck erteilte derartigen Bestrebungen bewusst Absage, um den Nachbarn zu beruhigen. Mit Österreich-Ungarn suchte Bismarck ein Bündnis, das auch der außenpolitischen Stabilisierung dienen sollte.[32]

[...]


[1] Wehler, Hans-Ulrich: Bismarck und der Imperialismus, München 41976, S.426.

[2] Wehler (1976), S. 197 und S.426.

Gründer, Horst: „…da und dort ein junges Deutschland gründen“, München ²2005, S.17.

Auch die Beteiligung am Opiumkrieg gegen China 1860 kann man bereits als imperialistischen Akt sehen.

[3] Zum Beispiel wäre da ein Brief von Ferdinand Freiherr von Richthofen über einen möglichen Stützpunkt auf den Philippinen vom 2.Januar 1869 zu nennen, in: Gründer, Horst (2005), S.59f.

vgl. auch Wehler (1976), S.199.

[4] Ebd.

[5] „lasst machen“, Grundsatz des Wirtschaftsliberalismus begründet durch Adam Smith. Vgl. Wehler (1976), S.114.

[6] Reichstagsrede vom 26.6.1884, in: Bismarck: Die gesammelten Werke, Band 12, Berlin 1935 [ND Nendeln/Liechtenstein 1972] S.479.

[7] Ebd. und

Reichstagsrede vom 28.11.1885, in Bismarck: Die gesammelten Werke, Band 13, S.96.

Vgl. auch Wehler (1976), S.440.

[8] Gründer, Horst (2005), S.68 f.

[9] Reichstagsreden vom 26.6.1884 und 28.11.1885.

[10] Wehler (1976), S.75: Wehler bezeichnet die Jahre von 1873-1893 als „Große Depression“. Etwas mehr dazu später, wenn es um die innenpolitischen Beweggründe Bismarcks geht.

[11] Reichstagsrede vom 26.6.1884.

[12] Engelberg, Ernst: Bismarck – Das Reich in der Mitte Europas, Berlin 1990, S.365.

[13] Ebd.

[14] Gründer, Horst: Geschichte der deutschen Kolonien, Paderborn 52004, S.51.

[15] Es ließen sich etliche weitere Zitate anführen, vgl. auch Engelberg (1990), S.365.

[16] Vgl. dazu auch Gründer (2004), S.51 und Hallgarten, George W.F.: War Bismarck ein Imperialist? Die Außenpolitik des Reichsgründers im Licht der Gegenwart, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 22, Stuttgart 1971, S.260.

[17] Engelberg (1990), S.364.

[18] Vgl. Canis, Konrad: Bismarcks Aussenpolitik 1870 bis 1890 – Aufstieg und Gefährdung, in: Gall, Lothar [Hrsg.]: Otto-von-Bismarck-Stiftung - Wissenschaftliche Reihe, Band 6, Paderborn 2004, S. 54.

[19] Siehe auch Gall, Lothar: Bismarck, München ²2002, S.

[20] Canis (2004), S.60; Bismarck, Otto von: Gesammelte Werke, Band 6b (613,676,689) und 6c (31);

[21] Canis (2004), S.60.

[22] Ebd.

[23] Canis (2004), S.106 und S.205.

[24] Gall (2002), S.718.

[25] Canis (2004), S.58 f.

[26] Engelberg (1990), S.225.

[27] Vgl. Rede im englischen Unterhaus von Benjamin Disraeli am 9.2.1871, Zitat nach Gall (2002), S.582.

[28] Canis (2004), S.109; Gründer (2004), S.55.

[29] Canis (2004), S.58.

[30] Ebd., S.59.

[31] Wehler (1976), S.423 f.

[32] Canis (2004), S.55.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Bismarck - Ein Feind der deutschen Kolonialexpansion?
Hochschule
Universität Paderborn  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Deutsche Kolonialgeschichte
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V67948
ISBN (eBook)
9783638586788
ISBN (Buch)
9783638754125
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Bismarck, Feind, Kolonialexpansion, Deutsche, Kolonialgeschichte, Bismarck und die Kolonien, Imperpialismus Kaiserreich, Außenpolitik Kaiserreich
Arbeit zitieren
Simon Tewes (Autor:in), 2005, Bismarck - Ein Feind der deutschen Kolonialexpansion?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67948

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