Passive und aktive Entscheidungen im institutionellen Portfoliomanagement


Diplomarbeit, 2006

98 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel der Diplomarbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen des institutionellen Portfoliomanagements
2.1 Einführende Bemerkungen
2.2 Investitionsphilosophien
2.3 Renditekomponenten
2.4 Handlungsrahmen institutioneller Investoren
2.4.1 Der Risikobegriff
2.4.2 Risikopräferenz der Investoren
2.5 Rahmenwerk des aktiven Portfoliomanagements . .
2.5.1 Effizienz der Kapitalmärkte
2.5.2 Prognose von Finanzmarktdaten
2.5.3 Information Ratio
2.5.4 Fundamental Law of Active Management

3 Die traditionelle Asset Allocation
3.1 Der Asset Allocation Prozess
3.1.1 Ebene der strategischen Asset Allocation . .
3.1.2 Ebene der taktischen Asset Allocation
3.2 Integration von Asset Allocation Entscheidungen .
3.2.1 Konstruktion der strategischen Benchmark .
3.2.2 Asset Allocation in einem mehrperiodigen Modell
3.2.3 Asset Allocation in einem einperiodigen Modell .
3.3 Empirische Untersuchung der Bedeutung von passiver und ak- tiver Entscheidung
3.4 Zusammenfassung der Zwischenergebnisse

4 Ein neuer Ansatz der Asset Allocation
4.1 Grenzen des traditionellen Ansatzes
4.2 Ein neuer Ansatz der Asset Allocation
4.2.1 Beta Driver versus Alpha Driver
4.2.2 Core-Satellite Ansatz
4.3 Der Portable Alpha Ansatz
4.3.1 Grundidee einer Portable Alpha Strategie
4.3.2 Implementierung innerhalb des Core-Satellite Ansatzes
4.3.3 Implementierung innerhalb des traditionellen Ansatzes
4.4 Kritische Betrachtungen

5 Schlussbetrachtungen

Anhang

A Fundamental Law of Active Management
A.1 Alphainformationen ausgedrückt in Erwartungswert und Varianz
A.2 Optimierungsproblem

B Der traditionelle Asset Allocation Prozess

C Mathematische Lösung des Markowitz Modells

D Black-Litterman Modell

E Lees Asset Allocation Modell

F Portable Alpha Strategie in verschiedenen Marktszenarien

7 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

2.1 Möglichkeiten eines aktiven Managers

3.1 Grafische Bestimmung des optimalen Portfolios

4.1 Beta Driver versus Alpha Driver

4.2 Grundidee einer Portable Alpha Strategie durch ein Future Overlay Portfolio

B.1 Der Asset Allocation Prozess

F.1 Portable Alpha Strategie, Haussemarkt April 1997-März 2000

F.2 Portable Alpha Strategie, Baissemarkt April 2000-März 2003

Tabellenverzeichnis

4.1 Long/Short Equity Hedge-Fond Alpha und Beta Rendite

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Als Markowitz (1952) seine wissenschaftliche Arbeit ”PortfolioSelection“ver öffentlichte, schien es möglich, einen sehr einfachen Prozess für die Entschei dung der Strukturierung eines Portfolios entwickeln zu können.1 Es waren le- diglich historische Daten notwendig, um daraus erwartete Renditen und Ko- varianzmatrix zu berechnen. Anhand eines einfachen Optimierungsprozesses gelang es, Portfolios zu strukturieren, die optimal für jeden Investor sind. In- stitutionelles Portfoliomanagement wurde daraufhin dominiert durch relatives Benchmarkdenken. Die strategische bzw. passive Ausrichtung des Portfolios ist dabei die zentrale Entscheidung innerhalb des Investmentprozesses. Der Portfoliomanager hat ausschließlich die Möglichkeit, durch die Ausnutzung der festgelegten Abweichungslimite von dem Marktportfolio bzw. der strategischen Benchmark eine aktive Rendite zu generieren. Infolge der passiven Ausrichtung des Portfolios wird daher gleichzeitig auch das Anlageuniversum für mögliche aktive Portfolioentscheidungen aufgespannt. Aufgrund der engen Bindung an die strategische Benchmark wird mithin die Fähigkeit des Porfoliomanagers erheblich reduziert, aktiv Einfluss auf die Performance zu nehmen. Das kann zu einer ineffizienten Allokation des aktiven Risikos führen. Nachdrücklich ha- ben dies Anleger mit dem Platzen der New Economy Blase wahrgenommen.2 Obwohl aktive Entscheidungen einen großen Performancebeitrag hätten leisten können, erwies sich die starke Fokussierung auf die Allokation des Marktrisikos innerhalb institutioneller Portfolios retrospektiv als suboptimal.3

1.2 Ziel der Diplomarbeit

Ziel der Diplomarbeit ist die theoretische Analyse von passiven und aktiven Entscheidungen und deren Wirkungszusammenhänge im Asset Allocation Prozess des institutionellen Portfoliomanagements. Im Zentrum der Untersuchungen stehen folgende Fragestellungen:

- Wie lassen sich passive und aktive Portfolioentscheidungen theoretisch erklären und innerhalb eines Modells darstellen?
- In welcher Form sollte unter dem Gesichtspunkt der Nutzenmaximierung eine Allokation des aktiven Risikos erfolgen?

Der Investmentprozess der traditionellen Asset Allocation wird in diesem Zusammenhang analysiert und kritisch hinterfragt. Dabei soll gezeigt werden, dass unter der Berücksichtigung der Trennbarkeit von passiven und aktiven Entscheidungen der traditionelle Ansatz der Asset Allocation zu einer ineffizienten Strukturierung des Portfolios führen kann.

1.3 Aufbau der Arbeit

Im ersten Teil der Arbeit werden die verwendeten Begriffe definiert und die theoretischen Grundlagen aufbereitet. An dieser Stelle erfolgt die konzeptio- nelle Einordnung von passiven und aktiven Entscheidungen in die moderne Portfoliotheorie (Kapitel 2). Als Basis dafür dient die Beschreibung der Ele- mente: Rendite, Risiko, Präferenzen der Anleger, Effizienz der Kapitalmärkte und die Prognose von Finanzmarktdaten. Die Entscheidungsfindung innerhalb des institutionellen Investmentprozesses soll dadurch theoretisch erklärt wer- den. Durch die intensive theoretische Analyse der aktiven Entscheidung wird zugleich das Fundament für eine Erweiterung des traditionellen Ansatzes ge- legt.

Im zweiten Teil der Arbeit wird der traditionelle Ansatz der Asset Allocation in seiner real beobachtbaren Stufenform dargestellt (Kapitel 3). Im Zentrum der Untersuchung wird die modelltheoretische Analyse des typischen Invest- mentprozesses institutioneller Portfolios stehen. Die Wirkungszusammenhänge von passiven und aktiven Entscheidungen innerhalb der traditionellen Asset Allocation sollen in diesem Zusammenhang modelliert werden, um eventuell normative Aussagen in Bezug auf die Allokation des aktiven Risikos treffen zu können. Die Ergebnisse der theoretischen Untersuchung werden im Anschluss empirischen Erkenntnissen gegenübergestellt.

Im dritten Teil der Arbeit wird an die Analyse der Interdependenzen von passiven und aktiven Entscheidungen angeknüpft, indem die Grenzen der tra- ditionellen Strukturierung eines typischen institutionellen Portfolios aufgezeigt werden. Als Lösungsvorschlag wird ein neuer Ansatz der Portfoliostrukturie- rung vorgestellt (Kapitel 4). Grundsätzlich fußt dieser Ansatz auf Erkenntnisse der modernen Portfoliotheorie und ist mithin als Erweiterung der traditio- nellen Sichtweise zu betrachten. Neben den Unterschieden zum traditionellen Modell wird schwerpunktmäßig die Implementierung der neuen Asset Alloca- tion diskutiert. An dieser Stelle erfolgt eine Empfehlung zur konzeptionellen Umsetzung des neuen Ansatzes in der Praxis.

2 Grundlagen des institutionellen Portfoliomanagements

2.1 Einführende Bemerkungen

Mit passiven Entscheidungen innerhalb des institutionellen Investmentpro- zesses ist die Allokation des systematischen Risikos (Marktrisiko) gemeint, während unter aktiven Entscheidungen die Allokation des aktiven Risikos zu verstehen ist. Kennzeichnendes Element des institutionellen Portfoliomanage- ments ist, dass diese Entscheidungen von Angestellten oder Treuhändern bezüg- lich Drittgeldern getroffen werden, die gegenüber dem Eigentümer dieser Gel- der (Sponsoren) bzw. einem Aufsichtsgremium verantwortet werden müssen. Dies gilt auch für den Fall einer Einschaltung von Finanzintermediären.1 Zum Anlegerkreis der institutionellen Investoren gehören unter anderem Versiche- rungsgesellschaften, Pensionskassen, Banken und Stiftungen. Charakteristisch ist vor allem das dominierende relative Performancedenken innerhalb des tra- ditionellen institutionellen Portfoliomanagements.2 Institutionelle Investoren tendieren - im Gegensatz zu privaten Investoren, bei denen absolute Wertent- wicklung vordergründig ist - zu einem Vergleich der Performance relativ zu einem Index bzw. einer Benchmark. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich institutionelle Investoren mit Restriktionen in Form von Gesetzen, Verord- nungen, Statuten sowie unternehmenspolitisch motivierten Zielvorgaben kon- frontiert sehen, die maßgeblichen Einfluss auf die Portfoliostrukturierung ha- ben.3 Unter der Berücksichtigung der Kriterien Rendite, Sicherheit und Liqui- dität begründet sich die Zielsetzung, möglichst benchmarkbezogene Resultatezu erzielen. Insbesondere die Bedienung zukünftiger Zahlungsverpflichtungen beeinflusst in diesem Zusammenhang die Anlageentscheidung. Dementspre- chend wird ein Anlageerfolg innerhalb des traditionellen Investmentprozes- ses angestrebt, der eine korrespondierende Risikoeliminierung reflektiert.4 Die Strukturierungsentscheidung von institutionellen Portfolios erfolgt dabei tra- ditionell innerhalb der so genannten Asset Allocation. In einem zweistufigen Investmentprozess erfolgt zuerst die anlegerspezifische Allokation des Markt- risikos innerhalb der strategischen Asset Allocation. Aktive Entscheidungen werden anschließend durch spezialisierte Portfoliomanager in der taktischen Asset Allocation getroffen. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden theo- retische Grundlagen des institutionellen Portfoliomanagements herausgestellt, die für eine tiefergehende Analyse des Investmentprozesses wichtig erscheinen. Daneben soll der Prozess der Entscheidungsfindung theoretisch analysiert wer- den, wobei insbesondere die aktive Entscheidung näher untersucht wird.

2.2 Investitionsphilosophien

Im Grunde kann der institutionelle Investmentprozess als eine praktische An- wendung der Erkenntnisse der modernen Portfoliotheorie begriffen werden. Den Grundstein für den gesamten Forschungsbereich des Portfoliomanage- ments haben aller Voraussicht nach Blaise Pascal und Chevalier de Méré im Jahre 1654 gelegt, als sie die Wahrscheinlichkeiten für ein Glücksspiel zu be- rechnen begannen.5 Darauf aufgebaut haben Markowitz (1952; 1967), mit sei- nen Beiträgen zur Portfoliotheorie sowie Sharpe (1964), Lintner (1965) und Mossin (1966), auf die das Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurückgeht. Dadurch wurde ein passiver Ansatz im Portfoliomanagement theoretisch ra- tionalisiert. Dieser passive Ansatz beruht auf der von Fama entwickelten Effi- zienzmarkthypothese.6 Der rational handelnde Portfoliomanager investiert da- nach den riskanten Teil seines Portfolios in das Marktportfolio, welches theo- retisch die gewichtete Summe aller verfügbaren riskanten Titel abbildet und unabhängig von der Risikopräferenz für alle Anleger identisch strukturiert ist.7 Ein Abweichen von der Marktallokation erscheint aufgrund des informationseffizienten Kapitalmarktes als wenig erfolgversprechend, vielmehr sollen unter dem Gesichtspunkt der Minimierung von Transaktionskosten so wenig Portfolioentscheidungen wie möglich getroffen werden. Die strategische Asset Allocation des institutionellen Investmentprozesses ist grundsätzlich als ein passiv ausgerichteter Investitionsstil zu bezeichnen8

Im Gegensatz dazu basieren aktive Strategien auf Kapitalmarktineffizienzen, die der Portfoliomanager zur Prognose von Renditeschwankungen nutzt, um auf diesem Wege eine höhere Rendite als ein definiertes Vergleichsportfolio zu erzielen. Ziel des aktiven Portfoliomanagements ist dabei die Maximierung der risikoadjustierten Rendite. Ausschlaggebend in diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis, dass Rendite und Risiko in einem Trade-Off Verhältnis zueinan- der stehen. Ein Investor, der eine höhere Rendite anstrebt, muss folglich ein höheres Risiko in Kauf nehmen. Aktive Ansätze gelangen in der zweiten Stufe des institutionellen Investmentprozesses, der taktischen Asset Allocation, zur Anwendung.

2.3 Renditekomponenten

Die Wertsteigerung des Portfolios ist ein zentrales Ziel im Portfoliomanagement. Diese bestimmt sich in der klassischen Betrachtungsweise neben dem Risiko vor allem durch die Renditekomponente. Die Rendite wird allgemein definiert als der in Prozent des angelegten Kapitals gemessene Gesamtertrag einer Investition über einen bestimmten Zeitraum.9

Mit Blick auf den institutionellen Investmentprozess ist eine Aufspaltung der Portfoliorendite in eine benchmarkabhängige Rendite (Betakomponente), βP rB, und eine benchmarkunabhängige Rendite (Alphakomponente), αP , sinnvoll. Insbesondere deshalb, da die Wertentwicklung des Portfolios typischerweise relativ zu einem Referenzportfolio gemessen wird. Für die Gesamtrendite des Portfolios kann folgender Ausdruck verwendet werden:10

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (2.1)

Die Betakomponente setzt sich aus dem Beta des Portfolios, βP11, und der Rendite der Benchmark, rB , zusammen und ist dementsprechend als Renditebeitrag für die Übernahme von systematischem Risiko zu verstehen.

Bezüglich der Risikoadjustierung ist es zweckmäßig von den jeweiligen Renditen den risikolosen Zins abzuziehen. Als Überschussrendite wird dementsprechend die Differenz der Portfoliorendite bzw. der Rendite des Benchmarkportfolios mit dem risikolosen Zins, rf , bezeichnet. Die Differenz zwischen Überschussrendite des Portfolios und Überschussrendite der Benchmark wird als aktive Rendite oder Jensen Alpha bezeichnet:12

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (2.2)

Unter der Annahme, dass das CAPM die gleichgewichtigen Renditen beschreibt, kann das Jensen Alpha als Maß der Abweichung der Portfoliorendite von der Wertpapierlinie verstanden werden. Dies ist nach Schneeweis (1999) - bei einer Vielzahl von Variationen - die wohl geläufigste Definition von Alpha inner- halb der akademischen Welt.13 Diese Definition von Alpha wird im Fortlauf der Arbeit beibehalten. Das Alpha ist dabei als Renditebeitrag aus aktiver Allokation und Selektion zu verstehen. Aktive Allokation beschreibt in diesem Zusammenhang die taktische Über- und Untergewichtung einzelner Assetklas- sen14, während die aktive Selektion die Über- und Untergewichtung einzelner Titel innerhalb der Assetklassen beschreibt. Somit ist Alpha als der Wertbeitrag zur Gesamtportfolioperformance zu verstehen, der auf die individuelle Managerfähigkeit (Skill) zurückzuführen ist, die Attraktivität von riskanten Titeln zu prognostizieren.15

Die Generierung einer aktiven Rendite wird in der Literatur auch als Null- summenspiel16 bezeichnet, da jede aktive Portfolioentscheidung immer einen Käufer und einen Verkäufer und somit einen Gewinner und einen Verlierer miteinbezieht. Die durchschnittliche Fähigkeit aller Marktteilnehmer, eine ak- tive Rendite zu erzielen, muss also gleich Null sein. Dies schließt jedoch nicht aus, dass einzelne Manager eine höhere Rendite als ein Vergleichsindex generieren können.”Onlyinvestorswhoaresmarterthanthemarketwillbeable to reliably provide alpha.“17 Anders formuliert: Für viele Investoren ist es er- folgversprechender, das Anlagekapital passiv in einen Index Fond als in einen aktiven Manager zu investieren. Die Übernahme des Risikos, dass der aktive Manager schlechter ist als der Durchschnitt, kann zu einer niedrigeren Rendite relativ zum Markt führen. Entscheidend für den weiteren Verlauf der Arbeit ist allerdings die Frage, unter welchen Annahmen die Erzielung einer positiven aktiven Rendite mit der modernen Portfoliotheorie vereinbar ist.

2.4 Handlungsrahmen institutioneller Investoren

Die Generierung einer Rendite bei gleichzeitiger Risikoeliminierung kann als die primäre Zielsetzung einer Kapitalanlage innerhalb der ökonomischen Theo- rie bezeichnet werden.18 Es sind diese Faktoren, die den Handlungsrahmen für institutionelle Investoren festlegen. Im Gegensatz zur Renditeseite, die relativ klar definiert ist, ist die Risikoseite weitaus schwieriger zu erfassen.

2.4.1 Der Risikobegriff

Die Wahrnehmung von Risiken ist abhängig von der persönlichen Risikoein- stellung und von Person zu Person unterschiedlich. Risiko ist ein abstrakter Begriff. Aus diesem Grund wird Risiko in der Investmentliteratur mit dem Be- griff der Unsicherheit gleichgesetzt. Dadurch gelingt es, den Terminus Risiko in eine kommunizierbare Form zu bringen. Nach Grinold/Kahn (1999) lässt sich die Notwendigkeit einer intuitiven Risikodefinition innerhalb des Asset Mana gements mit der Prinzipal-Agenten Theorie begründen: ”Institutionalmoney managers are agents of pension fund trustees, who are themselfves agents of the corporation and the beneficiaries of the fund.“19 Aus diesem Blickwinkel ist das Abstellen auf eine persönliche Risikodefinition kaum möglich. Mit dem Begriff der Unsicherheit ist das Risiko dagegen intersubjektiv nachvollziehbar.

Unsicherheit in einem Entscheidungsprozess bedeutet dabei nicht, dass der Investor zukünftige Renditen einer Investition genau quantifizieren kann, viel- mehr zeichnet sich der Unsicherheitszustand dadurch aus, dass Wahrscheinlich- keiten für das Eintreten bestimmter zukünftiger Ausprägungen von Renditen angegeben werden können. Anders formuliert: Es lässt sich eine Zufallsvertei- lung für die zukünftigen Renditen ermitteln.20 Das Risiko drückt sich dann als positive oder negative Abweichung von der erwarteten Rendite aus. Dies wird in der Statistik als Volatilität oder Standardabweichung21 bezeichnet.22 Die Volatilität umfasst sowohl die Gefahr, im Falle einer negativen Abweichung eine negative Rendite zu erzielen als auch die Chance, im Falle einer positi- ven Abweichung eine positive Rendite zu erzielen.23 Aus der Perspektive eines institutionellen Investors ist eine solche Risikodefinition durchaus plausibel. Da institutionelle Portfolios Benchmark orientiert ausgerichtet sind, kann das Nicht-Halten eines riskanten Titels mit positiver Wertentwicklung als genauso riskant gewertet werden als das Halten eines Titels mit negativer Wertentwick- lung.

Ist die Volatilität aber als alleiniger Maßstab des Risikos ausreichend? Da- rüber besteht eine Kontroverse in der Literatur. Nach Grinold/Kahn (1999) ist es die Volatilität, die einer intuitiven und universell anwendbaren Definition des Risikos am nächsten kommt.24 Es ist ein elegantes Konzept, behauptet Gast (1998).25 Gleichzeitig kritisiert er aber die unzureichende investorspezifische Ausrichtung des Risikobegriffes. Für das institutionelle Portfoliomanagement erscheint eine Berücksichtigung der subjektiven Risikowahrnehmung sämtlicher Interessengruppen bezüglich einzelner Assetklassen bzw. einzelner Titel nur schwer realisierbar. Gerade in diesem Kontext bildet die Standardabweichung eine flexible und gut prognostizierbare Definition des Risikos. Eine abschlie- ßende Risikodefinition kann dennoch nicht gegeben werden. Im Hinblick auf den institutionellen Investmentprozess ist die Risikomessung und Risikoanalyse letztlich zweckbezogen zu betrachten und muss folglich passend zum Analyse- zweck gewählt werden.26

Aus der Perspektive der Prinzipal-Agenten Theorie kann argumentiert wer- den, dass der Sponsor (Prinzipal) angehalten ist, sicherzustellen, dass der Port- foliomanager (Agent) ein bestimmtes Anlageergebnis erzielt. Die Ausrichtung an einem Index als Referenzgröße ist dadurch theoretisch erklärbar. Das Ri- siko des Anlegers kann in diesem Zusammenhang als Abweichungsrisiko der tatsächlichen Performance von der Performance der Benchmark verstanden werden. Dieses Risiko wird innerhalb der Finanzliteratur auch als Tracking Error bezeichnet und ist mathematisch als Standardabweichung der aktiven Rendite oder als aktives Risiko zu bezeichnen. Formal ist der Tracking Error durch folgende Gleichung definiert:27

Wobei ωi,P den Anteil eines Titels an einem Portfolio, ωi,B den Anteil des Titels an einem definierten Benchmark- oder Referenzportfolio und σij die Kovarianz der Rendite zwischen Titel i und j repräsentiert. Durch die Vorga- be des Tracking Errors kann der Prinzipal dem Agenten seine Risikotoleranz signalisieren. Für den Agenten bedeutet dies eine Einschränkung seines Hand- lungsspielraumes hinsichtlich der Abweichung von der festgelegten Benchmark. Wird das Risiko als Abweichungsrisiko definiert, ist der risikoneutrale Punkt erreicht, wenn von dem Referenzportfolio bzw. der Marktallokation nicht abge- wichen wird. Aktive Portfolioentscheidungen sind unter diesem Gesichtspunkt in höchstem Maße riskante Anlagestrategien. Eine enge Bindung an die strate- gische Benchmark durch Tracking Error Beschränkungen ist daher plausibel, da so das Risiko minimiert wird, eine niedrigere Rendite als das Referenzport- folio zu erzielen.

2.4.2 Risikopräferenz der Investoren

In Bezug auf die passive Portfolioentscheidung sind zwei Informationen not- wendig. Zum einen ist dies das erwartete Verhalten des Finanzmarktes und zum anderen die Risikopräferenz der institutionellen Investoren. Während sich aus den Informationen des Finanzmarktes theoretisch sämtliche effiziente Port- folios28 ableiten lassen, benötigen die Investoren eine Entscheidungsregel zur Auswahl des anlegerspezifischen effizienten Portfolios. Die Entscheidungsre- gel soll sowohl die erwarteten Renditen als auch deren Risiko miteinbeziehen. Dazu bietet sich die Präferenzfunktion des jeweiligen Investors an. Durch eine Präferenzfunktion wird jeder Entscheidungsalternative ein Präferenzwert zuge- ordnet. In der klassischen Entscheidungstheorie wird davon ausgegangen, dassbei Akzeptanz des Bernoulliprinzips - der Präferenzwert jeder Alternative als Erwartungswert der jeweiligen Nutzenverteilung berechnet werden kann.29 Die Präferenzfunktion entspricht also der Nutzenfunktion des Anlegers, wo- bei unter Unsicherheit die Alternative auszuwählen ist, die den maximal zuerwartenden Nutzen verspricht.30

Zwar ist die Nutzenfunktion für jeden Anleger frei wählbar, dennoch las- sen sich Nutzenfunktionen hinsichtlich ihrer ökonomischen Eigenschaften be- schränken, um den Handlungsrahmen institutioneller Investoren einzugren- zen.31 Durch solche Beschränkungen kann die Auswahl der relevanten Port- folios bzw. das Investment Opportunity Set32 eingeschränkt werden. Gerade auf der Ebene der strategischen Asset Allocation wird so die anlegerspezifi- sche passive Ausrichtung des Portfolios theoretisch nachvollziehbar. So wird zum Beispiel angenommen, dass der Anleger stets mehr Vermögen gegenüber weniger Vermögen vorzieht. Mathematisch formuliert bedeutet dies, dass die Nutzenfunktion eine positiv-monotone Funktion des Vermögens ist. Des Weite- ren unterscheiden sich annahmegemäß drei Arten der Einstellung zum Risiko: risikoavers, risikoneutral und risikofreudig. Die Art der Risikoeinstellung beein- flusst den graphischen Verlauf der Nutzenfunktion. Für die im institutionellen Portfoliomanagement typische Annahme der Risikoaversion33 impliziert dies einen streng konkaven und ansteigenden Verlauf der Nutzenfunktion.34 Die Annahme der Risikoaversion hat den Vorteil, dass bei der optimalen passiven Portfolioentscheidung nur aus effizienten Portfolios ausgewählt wird. Die Aus- wahl des anlegerspezifischen Portfolios hängt dann nur noch von dem Grad der individuellen Risikoaversion ab.

Ein in der Investmentliteratur häufig verwendetes Maß für die Risikoaversi- on ist das Arrow/Pratt Maß. Dadurch lässt sich die Risikoaversion in Relation zum Vermögen setzen, wobei zwischen absoluter und relativer Risikoaversion zu unterscheiden ist. Bezüglich der Nutzenfunktion des institutionellen Anle- gers wird von einer abnehmenden absoluten Risikoaversion bei zunehmendem Vermögen ausgegangen.35 Demgegenüber beschreibt die relative Risikoaversi- on die Beziehung zwischen dem prozentualen Anteil des Vermögens gehalten in riskanten Anlagen und der Veränderung des Vermögens. Während es in der Literatur eine generelle Übereinstimmung hinsichtlich einer abnehmenden ab- soluten Risikoaversion gibt, ist dies bei der relativen Risikoaversion nicht der Fall. Vielfach wird von einer konstanten relativen Risikoaversion innerhalb der Asset Allocation Entscheidung ausgegangen, wobei diese Annahme vielmehr auf Bequemlichkeit als auf Genauigkeit beruht.36 Eine exakte Kenntnis der relativen Risikoaversion würde die Nutzenfunktion bzw. den Handlungsspiel- raum des Investors weiter einschränken.

Im klassischen Erwartungswert-Varianz Optimierungsmodell hat die qua- dratische Nutzenfunktion einen besonderen Stellenwert, da sich bei deren An- wendung der erwartete Nutzen in Form von Erwartungswert und Varianz aus- drücken lässt.37 Es lassen sich, ausgehend von der Annahme der Risikoaversion, konvexe Indifferenzkurven ermitteln, wodurch in Kombination mit dem Mar- kowitz Modell die optimale passive Portfolioentscheidung graphisch abbildbar wird.

2.5 Rahmenwerk des aktiven Portfoliomanagements

Die klassische Investitionstheorie basiert auf der Prämisse, dass sämtliche auf dem Kapitalmarkt erhältliche Titel fair bewertet sind. Dies impliziert einen effizienten Kapitalmarkt; aktive Portfolioentscheidungen sind aus dieser Sicht überflüssig. In den nachfolgenden Abschnitten erfolgt der Versuch, der aktiven Komponente innerhalb des institutionellen Portfoliomanagements ein theoretisches Grundgerüst zu geben.

2.5.1 Effizienz der Kapitalmärkte

Sind die realen Kapitalmärkte tatsächlich effizient? Diese Frage ist von entscheidender Bedeutung für die zu treffenden institutionellen Anlageentscheidungen und steht im Zentrum empirischer Kapitalmarktforschung. Es ist für die Anleger von höchstem Interesse, ob Finanzmärkte Ineffizienten aufweisen, die ein gut informierter Marktteilnehmer ausnutzen könnte, um eine aktive Rendite zu erzielen oder ob deren Ausnutzung aus Informations- und/oder Transaktionskostenaspekten sich nicht lohnen würde.38

Nach der von Fama in den 1960er-Jahren entwickelten Effizienzmarkthypo- these (EMH) sind Finanzmärkte in dem Sinne effizient, dass zu jedem Zeit- punkt sämtliche vorhandenen Informationen in den aktuellen Kursen von ge- handelten Titeln vollständig reflektiert werden.39 Demnach ist es nicht möglich, durch eine Prognose von zukünftigen Renditen einen risikoadjustierten und kostenbereinigten Gewinn zu erzielen, da kein Marktteilnehmer Zugang zu In- formationen hat, die nicht schon längst bekannt wären. Kursveränderungen auf einem effizienten Markt40 kann es danach nur geben, wenn Informationen be- kannt werden, die noch nicht in dem jeweiligen Informationsset enthalten sind. Somit entspricht der auf das Informationsset Φt konditionierte Erwartungswert einer Finanzanlage dem unkonditionierten Erwartungswert:41

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Ändert sich die Informationsmenge Φt nicht, stellt der heutige Kurs der Fi- nanzanlage die beste Prognose für den morgigen Kurs dar. Eine Veränderung des Kurses hängt demnach ausschließlich von der Veränderung der Informa- tionsmenge ab. Da diese jedoch ganz allein vom Zufall abhängig ist, ändern sich auch die Kurse von Finanzanlagen zufällig. Dieser Prozess wird in der Fachliteratur als Random Walk bezeichnet und lässt sich formal wie folgt be- schreiben:42

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (2.4)

Der zukünftige unsichere Kurs einer Finanzanlage, P(t+1), bestimmt sich dem- entsprechend als Summe aus dem gegenwärtigen Kurs Pt und der Zufallsvaria- blen εt mit einem Erwartungswert von Null und einer Varianz in Höhe von σ2. Auf einem solchen informationseffizienten Markt sind die Marktteilnehmer in der Lage, die Verteilungsfunktion der zu erwartenden Rendite abzuleiten, d.h. sie besitzen rationale Erwartungen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die zu erwartende Änderung der Rendite des gehandelten Titels Null beträgt. Wäre dies der Fall, würde kein rational handelnder, risikoaverser Investor einen sol- chen Titel kaufen. Vielmehr ist die EMH als eine verbundene Hypothese aus rationalen Erwartungen und dem angewandten Kapitalmarktgleichgewichts- modell, beispielsweise das CAPM, zu verstehen.43 Dementsprechend lässt sich die EMH auch so formulieren: Es kann kein Marktteilnehmer eine höhere Ren- dite erwarten als eine, die dem risikolosem Zins zuzüglich der Vergütung für das übernommene systematische Risiko entspricht.44 Trifft dies zu, wäre eine enge Benchmarkorientierung innerhalb des institutionellen Portfoliomanage- ments durchaus plausibel. Für einen rational handelnden Investor gibt es auf einem effizienten Kapitalmarkt keinen Anreiz, aktives Risiko zu übernehmen, da ein solches Handeln durch das betrachtete Gleichgewichtsmodell (CAPM) nicht entlohnt wird.

Dennoch ist zu betonen, dass die Generierung von aktiven Renditen durch- aus mit der EMH vereinbar ist, da sich diese stets mit dem Verweis erklären lassen, dass die EMH nur dann verletzt wird, wenn auch das vermeintlich ”richtige“Kapitalmarktgleichgewichtsmodellverwendetwird.45 Solangekein Gleichgewichtsmodell entwickelt wurde, welches den Zusammenhang zwischen Risiko und Rendite abschließend beschreibt, lässt sich dementsprechend auch die EMH nicht durch real beobachtbare aktive Renditen empirisch widerle- gen.46

Mit Bezug auf die theoretische Konzeption der EMH erscheint vor allem folgender Sachverhalt nicht plausibel: Marktteilnehmer haben auf einem effi- zienten Markt keinen Anreiz, Informationen zu sammeln, auszuwerten und in den Markt zu tragen, da sämtliche vorhandenen Informationen bereits in den Kursen widergespiegelt werden. Wie aber gelangen die Informationen in den Markt und somit in den Prozess der Kursbildung? Wird ein Kapitalmarkt nicht gerade durch das Handeln gut informierter Investoren informationseffizient? Dieser Widerspruch wird in der Literatur als Informationsparadoxon bezeich- net. Grossman/Stiglitz (1980) liefern eine Lösung zu diesem Problem, indem sie zeigen, dass es profitabel sein kann, auf Basis privater Informationen zu han- deln.47 Demnach können aktive Renditen als eine effiziente Form der Vergütung für das erfolgreiche Sammeln und Auswerten von Kapitalmarktinformationen betrachtet werden, was letztlich die Kapitalmärkte informationseffizient wer- den lässt.48 Dadurch ließe sich zumindest erklären, dass Investoren bis zum heutigen Tage versuchen, durch aktive Entscheidungen eine höhere risikoad- justierte Rendite gegenüber einem spezifischen Vergleichsportfolio zu erzielen. Auch das höhere Potenzial zur Erzielung von positiven aktiven Renditen an Märkten, an denen institutionelle Investoren aufgrund von rechtlichen Restrik- tionen nicht aktiv werden können, scheint aus diesem Blickwinkel plausibel. So lassen sich solche Märkte auch als ”underresearched“bezeichnen.49 Daweniger

Marktteilnehmer ihre Informationen in diese Märkte tragen, erscheinen diese Märkte weniger effizient und die Suche nach Alpha folglich einfacher. Trotz der Menge an empirischen Studien, die die EMH unterstützen, blei- ben die in der Vergangenheit beobachteten Marktanomalien unerklärt.50 Auch der Versuch, die Entwicklung von Börsenkursen durch bewährte Methoden der Naturwissenschaft - namentlich der des Random Walk - zu erklären, wird vielfach in der Literatur kritisiert.51 Vielmehr ist die Kursbildung an Börsen als ein komplexer Prozess und als Ergebnis des individuellen Handelns aller Marktteilnehmer mit jeweils unterschiedlichen Handlungsmotiven zu verstehen. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass der Markt der Summe ausschließlich rational handelnder Marktteilnehmer entspricht.

Mit Bezug auf den institutionellen Investor lässt sich feststellen, dass die individuelle Sichtweise des Portfoliomanagers hinsichtlich der Effizienz rele- vanter Märkte die Wahl zwischen passivem und aktivem Investitionsstil deter- miniert. Anders ausgedrückt: Nur bei Ablehnung der Effizienzmarkthypothe- se sind aktive Entscheidungen innerhalb des institutionellen Portfoliomanage- ments nachvollziehbar.

2.5.2 Prognose von Finanzmarktdaten

Im unmittelbaren Zusammenhang zur Frage der Markteffizienz steht die Frage der Prognostizierbarkeit von Finanzmarktdaten. Die jüngere Finanzmarktfor- schung hat immer wieder zu Erkenntnissen geführt, die mit der Theorie des Random Walk nicht vereinbar sind, und es besteht zumindest ein Konsens, dass Finanzmarktdaten zu einem gewissen Teil prognostizierbar sind.52

Pionierarbeit auf diesem Gebiet ist unter anderem Keim/Stambaugh (1986), Campbell (1987), Campbell/Shiller (1988), Fama/French (1988; 1989) sowie Ferson/Harvey (1991) zuzurechnen, wobei sich die Autoren auf den US ameri- kanischen Aktienmarkt konzentrieren. Ergebnis dieser Studien ist zum Beispiel die empirische Überprüfung des inversen Verhältnisses zwischen momentanem und zukünftigem Kursniveau und des Zusammenhangs zwischen Konjunktur- zyklen und Risikoprämien.53 Mitte der 1990er-Jahre wurden die ersten Studien veröffentlicht, die sich mit der Prognostizierbarkeit von Aktienrenditen auf in- ternationaler Basis beschäftigen. Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel Ferson/Harvey (1995) und Oertmann/Zimmermann (1996). Durch Anzeichen der Prognostizierbarkeit von Renditen gehandelter Finanztitel in diesen Studien scheint ein aktiver Investmentstil profitabel, wenngleich zu betonen ist, dass ein überzeugender Nachweis der Prognostizierbarkeit empirisch bislang nicht erbracht werden konnte. Empirische Beweise für die Prognostizierbarkeit von Renditen - ausgedrückt durch das Bestimmtheitsmaß - rangieren typischerwei- se nur im einstelligen Prozentbereich und sind somit kaum statistisch signifi- kant.54 Dennoch zeigen Kandel/Stambaugh (1996), dass trotz dieser geringen Vorhersagekraft, die aus den Prognosen gezogenen Rückschlüsse einen erheb- lichen Einfluss auf die Portfolioentscheidung haben können.55 Dies könnte die Gründe für das Treffen von aktiven Entscheidungen durch die Portfoliomana- ger institutioneller Portfolios erklären. Argumente gegen die Prognosefähigkeit von Renditen fußen zum großen Teil auf dem Untersuchungsdesign der Studien bzw. auf der mangelnden Risikoadjustierung der vorhergesagten Renditen.56

2.5.3 Information Ratio

In Anlehnung an die beiden vorangegangenen Abschnitte lässt sich festhalten, dass es für den aktiven Manager nur möglich ist, Mehrerträge gegenüber ei- nem definierten Vergleichsportfolio zu erzielen, wenn der Markt Ineffizienzen aufweist und der Portfoliomanager über entsprechende Prognosefähigkeiten verfügt, um diese Ineffizienzen durch aktive Entscheidungen auszunutzen. Oh- ne solche Informationen hat der Manager keinen Anreiz, von der Marktallo- kation bzw. dem festgelegten Benchmarkportfolio abzuweichen. Nachfolgend soll die aktive Entscheidungsfindung theoretisch beleuchtet werden. Insbeson- dere im Hinblick auf die spätere Erweiterung des traditionellen institutionellen Investmentprozesses erscheint dies bereits an dieser Stelle zweckmäßig.

Der durch das aktive Portfoliomanagement ex post oder ex ante Erfolg lässt sich durch die Information Ratio (IR) messen und ist definiert als Verhältnis von aktiver Rendite und aktivem Risiko.57 Formal kann die Information Ratio

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Während die ex post Information Ratio als ein Vergleichsmaßstab der Mana- gerleistung bezüglich der erzielten aktiven Rendite zu verstehen ist, kann die ex ante Information Ratio als Ausdruck der Möglichkeiten des Portfoliomanagers betrachtet werden, in der Zukunft aktive Renditen zu generieren.58 Im Fortlauf der Arbeit wird die ex ante Information Ratio im Zentrum der Betrachtung stehen.

Eine wichtige Eigenschaft der IR ist deren Unabhängigkeit von der Aggressivität, also der Bereitschaft zur ÜbernahmevonaktivemRisikodesPortfolioma- nagers. Im Falle einer Erhöhung der Aggressivität würde sich annahmegemäß das aktive Risiko und die aktive Rendite zu gleichen Teilen erhöhen; die Information Ratio bleibt somit konstant. Die IR ist infolgedessen als die Fähigkeit des Managers zu verstehen, pro Einheit übernommenes aktives Risiko eine bestimmte aktive Rendite zu erzielen.

Die individuellen Möglichkeiten eines aktiven Managers in Bezug auf den Trade-Off zwischen aktiver Rendite und aktivem Risiko lassen sich auch gra- fisch darstellen. In Abbildung 2.1 entspricht die Steigung der Geraden, ge- messen an der Information Ratio, der Leistungsfähigkeit des Managers.59 Die Geraden können dabei als Budgetbeschränkung verstanden werden, da eine ak- tive Rendite nur durch die zusätzliche Übernahme von aktivem Risiko erhöht werden kann. Formal lässt sich dieser Zusammenhang wie folgt darstellen:60

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für welche Kombination aus aktiver Rendite und aktivem Risiko entscheidet sich nun der Investor? Grinold/Kahn (1999) zeigen in diesem Zusammenhang

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Möglichkeiten eines aktiven Managers

welche aktive Portfolioentscheidung ein Erwartungswert-Varianz Optimierer61 in Abhängigkeit der Information Ratio trifft.62 Angenommen der Nutzen aus der aktiven Allokation und Selektion kann durch die folgende quadratische Nutzenfunktion beschrieben werden:63

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gleichung (2.7) beschreibt die Präferenzen der Anleger, wobei γ die relati- ve Risikoaversion darstellt. Durch die Definition einer Nutzenfunktion lassen sich analog zur modernen Portfoliotheorie Indifferenzkurven ermitteln, die ge- nau die Kombinationen aus aktiver Rendite und aktivem Risiko abbilden, die dem Anleger den gleichen Nutzen stiften. Das optimale Portfolio liegt dann im Tangentialpunkt zwischen obiger Budgetbeschränkung und der jeweiligen Indifferenzkurve.

Die investorspezifischen Präferenzen und die durch die Information Ratio be schriebenen Möglichkeiten des Portfoliomanagers lassen sich zusammenführen, indem die in Gleichung (2.6) dargestellte Budgetbeschränkung in die obige Nutzenfunktion (2.7) eingesetzt wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dann lässt sich das nutzenmaximierende Level aktiven Risikos durch die erste Ableitung nach σΔ bestimmen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bereitschaft zur Übernahme von aktivem Risiko ist demnach umso größer, je höher die Information Ratio und je kleiner die relative Risikoaversion ist. Wird Gleichung (2.9) in Gleichung (2.8) eingesetzt, so lässt sich das optimale Nutzenniveau wie folgt darstellen:64

Die M¨oglichkeiten des Managers, durch aktive Entscheidungen einen positiven Renditebeitrag zur Portfolioperformance zu leisten, erh¨ohen sich dementsprechend mit der Information Ratio. Aus Gleichung (2.10) l¨asst sich außerdem ableiten, dass es aus Investorensicht stets optimal ist, sich f¨ur die Investitionsstrategie bzw. dem Manager mit der h¨ochsten Information Ratio zu entscheiden, und zwar unabh¨angig von der eigenen Risikoaversion. Ein Investor mit niedriger relativer Risikoaversion wird sich genau wie ein Investor mit h¨oherer Risikoaversion bei der Wahl einer aktiven Strategie an der h¨ochsten Information Ratio orientieren. Die eigene Risikoaversion bestimmt vielmehr mit welcher Gewichtung die Implementierung der aktiven Strategie innerhalb des Portfolios erfolgt.65

[...]


1 Vgl. Markowitz (1952), S. 77-91; Kr¨amer (2003), S. 4.

2 Vgl. Kr¨amer (2003), S. 4 ff.

3 ebd.

1 Vgl. Markowitz (1952), S. 77-91; Kr¨amer (2003), S. 4.

2 Vgl. Kr¨amer (2003), S. 4 ff.

3 ebd.

4 Gemeint ist insbesondere die Eliminierung des unsystematischen Risikos durch Diversifikation der riskanten Titel.

5 Vgl. Bernstein (1996), S. 3 ff.

6 Vgl. Fama (1970a), S. 383-417.

7 Roll (1977) kritisiert das theoretische Konzept des Marktportfolios hinsichtlich dertats¨achlichen Abbildbarkeit eines solchen Portfolios. Vgl. Roll (1977), S. 129-176.

8 Vgl. Metzler (1995), S. 327. Anmerkung: In der strategischen Asset Allocation werden aufgrund nachhaltiger Kapitalmarktver¨anderungen Portfolioentscheidungen infolge der Portfolioumschichtung getroffen. Mittelfristig sind die Titelgewichtungen jedoch fix.

9 Vgl. G¨ugi (1995), S. 20.

10 Vgl. Gast (1998), S. 48.

11 F¨ur das Beta gilt:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Das Beta ist das Sensitivit¨atsmaß der Portfoliorendite zur Rendite der Benchmark.

12 Vgl. Jensen (1968), S. 393.

13 Vgl. Schneeweis (1999), S. 2.

14 Unter Assetklassen sind klassischerweise die Anlageklassen Aktien, Bonds und Geldmarktpapiere zu verstehen.

15 Auch der Faktor ”Gl¨uck“ wird in diesem Zusammenhang als individuelle Managerf¨ahigkeit verstanden.

16 Vgl. Ebertz/Scherer (2002), S. 186.

17 Vgl. Jensen/Rotenberg (2004), S. 2.

18 Vgl. Dichtl/Petersmeier/Schlenger (2003), S. 182.

19 Vgl. Grinold/Kahn (1999), S. 42.

20 Vgl. Elton/Gruber (1995), S. 46.

21 Ublicherweise wird die Volatilit¨at als Standardabweichung berechnet und aus Grunden der Vergleichbarkeit in Prozent ausgedr¨uckt. Um die Volatilit¨at zu berechnen bietet es sich an, zuerst die Varianz, also die mittlere quadratische Abweichung, zu berechnen. Die Varianz f¨ur diskrete Verteilungen ist mathematisch wie folgt definiert:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Der Wert f¨ur die Standardabweichung ergibt sich, indem aus der ermittelten Varianz die Quadratwurzel gezogen wird.

22 Auch Markowitz (1952) hat das Risiko als Standardabweichung definiert. Vgl. Markowitz (1952), S. 80.

23 F¨ur Kritiker der Standardabweichung ist dies ein Hauptangriffspunkt, da die meisten Investoren Risiko mit negativen R¨uckfl¨ussen assoziieren. Vgl. Gast (1998), S. 61.

24 Vgl. Grinold/Kahn (1999), S. 47.

25 Vgl. Gast (1998), S. 75.

26 Vgl. Franzmann (2002), S. 57.

27 ebd.

28 Effiziente Portfolios sind s¨amtliche f¨ur den Investor in Frage kommenden Portfolios. Ein Portfolio ist effizient, wenn es kein anderes Portfolio gibt, das f¨ur ein gegebenes Risiko eine h¨ohere erwartete Rendite verspricht. Vgl. G¨ugi (1995), S. 55.

29 Vgl. Kruschwitz (2002), S. 84 ff.

30 Dies wird auch als Erwartungsnutzen oder Neumann-Morgenstern-Nutzen bezeichnet.

31 Vgl. Elton/Gruber (1995), S. 214 ff., Laurent (2003), S. 20-22.

32 Das Investment Opportunity Set enth¨alt s¨amtliche Informationen ¨uber die erwartete Rendite und das Risiko der riskanten Titel.

33 Risikoaversion bedeutet, dass der Investor einen sicheren Betrag in H¨ohe von 100 Euro gegen¨uber einer Lotterie, mit einer 50/50 Chance 200 Euro oder 0 Euro zu gewinnen, bevorzugt. Der risikoaverse Investor wird eine faire Lotterie ablehnen, da dieser einen negativen Nutzen (Verlust) h¨oher gewichtet als einen positiven Nutzen (Gewinn) in gleicher H¨ohe.

34 Vgl. Gast (1998), S. 89.

35 Vgl. G¨ugi (1995), S. 56. Dies macht intuitiv Sinn, denn das Risiko, einen Betrag in H¨ohe von 1000 Euro zu verlieren, wird von einem Million¨ar anders eingesch¨atzt als von jemandem, der f¨ur dieses Geld einen ganzen Monat arbeiten muss.

36 Vgl. Elton/Gruber (1995), S. 218.

37 Ein Beweis daf¨ur findet sich in Elton/Gruber (1995), S. 220.

38 Vgl. Gast (1998), S. 24.

39 Vgl. Fama (1970a), S. 383.

40 Je nach Informationsset werden drei Formen der Markteffizienz unterschieden.Man spricht von einer schwachen Form, wenn die Kurse von Finanzanlagen s¨amtliche vorhandenen Informationen ¨uber historische Kursentwicklungen widerspiegeln. Die halb-strenge Variante der Markteffizienz erweitert die schwache Variante um s¨amtliche ¨offentlich zug¨angliche Daten. In der starken Form der Markteffizienz werden unternehmensinterne sowie geheime Informationen einbezogen. Vgl. Fama (1970a), S. 383.

41 Vgl. Schnedler (2003), S. 46 ff.

42 Vgl. Gast (1998), S. 32; Schnedler (2003), S. 47.

43 Vgl. Ebertz/Scherer (2002), S. 183 f.

44 ebd.

45 ebd.

46 Vgl. Fama (1991), S. 1575 f.

47 Vgl. Grossman/Stiglitz (1980), S. 393-408.

48 Fraglich ist allerdings, ob eine positive aktive Rendite nach Ber¨ucksichtigung der Kosten zur Informationsbeschaffung noch immer erzielt wird. Unter der Annahme, dass der Grenznutzen einer zus¨atzlichen Informationseinheit im Gleichgewicht genau den Grenzkosten entspricht, w¨are eine aktive Strategie ¨okonomisch zweifelhaft. Vgl. Schnedler (2003), S. 59.

49 Vgl. Ebertz/Scherer (2002), S. 186.

50 Gemeint sind z.B.: Size Effect, January Effect, Momentum oder die Bildung von Spekulationsblasen. Vgl. Schnedler (2003), S. 49 f.

51 Vgl. Hielscher (1995), S. 1822.

52 Vgl. Amenc/Martellini (2003), S. 3.

53 Andere Studien untersuchten bez¨uglich eines bestimmten Wochentages oder eines bestimmten Monats wiederkehrende Muster in historischen Aktienrenditen. Vgl. Gibbons/ Hess (1981), Gultekin/Gultekin (1983) und Fama (1991).

54 Vgl. Lee (2000), S. 22.

55 Vgl. Kandel/Stambaugh (1996) S. 385-424.

56 Vgl. Schnedler (2003), S. 58 ff.

57 Vgl. Grinold/Kahn (1999), S. 112 ff.

58 Der Unterschied liegt in den verwendeten Inputdaten zur Berechnung der Information Ratio. Zur Berechnung der ex post Information Ratio werden historische Daten und zur Berechnung der ex ante Information Ratio werden erwartete bzw. prognostizierte Renditen und Varianzen verwendet.

59 Vgl. Ebertz/Scherer (2002), S. 193.

60 Vgl. Grinold/Kahn (1999), S. 119.

61 Gemeint ist ein Investor, der seine Entscheidung analog zur modernen Portfoliotheorie auf Basis der erwarteten Rendite und Varianz trifft.

62 Vgl. Grinold/Kahn (1999), S. 119 ff.

63 Vgl. Grinold/Kahn (1999), S. 119; Ebertz/Scherer (2002), S. 192.

64 Dieser Ausdruck kann als ”Value Added“ bezeichnet werden. Sprich: Als die Wertsteigerung des Portfolios durch aktive Entscheidungen. Vgl. Grinold/Kahn (1999), S. 124.

65 Vgl. Grinold/Kahn (1999), S. 125.

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Passive und aktive Entscheidungen im institutionellen Portfoliomanagement
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Bank- und Finanzwirtschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
98
Katalognummer
V67900
ISBN (eBook)
9783638734202
ISBN (Buch)
9783640862450
Dateigröße
1111 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Passive, Entscheidungen, Portfoliomanagement, Institutionelles Portfoliomanagement, Portfoliotheorie, Absolute Return, Hedgefonds, Hedge, Aktive Manager
Arbeit zitieren
Diplom-Kaufmann Eric Quast (Autor:in), 2006, Passive und aktive Entscheidungen im institutionellen Portfoliomanagement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67900

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