Die Berurteilung des Stadtumbaus Halles durch die Bevölkerung

Analyse der Bürgerumfrage 2005


Forschungsarbeit, 2006

66 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Abbildungsverzeichnis

II Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Stadtumbau
2.1. Warum ist Stadtumbau erforderlich
2.2. Zielsetzung des Stadtumbaus
2.3. Programmstellung und beteiligte Institutionen
2.4. Unterteilung des Stadtgebietes nach Priorität für den Stadtumbau
2.5. Stadtumbau am Fallbeispiel Halle-Neustadt
2.6. Zwischenbilanz des Stadtumbaus
2.7. Theoretische Betrachtung und Hypothesenbildung

3. Die Bürgerumfrage
3.1. Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems
3.1.1. Arbeitsschritte im Vorfeld einer Untersuchung
3.1.2. Formulierung des Forschungsproblems
3.2. Planung und Vorbereitung einer Untersuchung
3.2.1. Konzeptspezifikation und Operationalisierung
3.2.2. Festlegung des Forschungsdesigns
3.2.3. Postalische Befragung und die Bürgerumfrage in Halle
3.2.4. Design und Konstruktion des Fragebogens
3.2.5. Pretest
3.2.6. Erhebungsart, Stichprobenziehung und Auswahlverfahren
3.3. Durchführung der Datenerbung
3.3.1. Die Feldphase der Erhebung und das Anschreiben
3.3.2. Die Feldphase der Erhebung und die Erinnerungsschreiben
3.4. Datenaufbereitung
3.4.1. Datenübertragung und Kodierung
3.4.2. Fehlerkontrolle und Datenauswertung

4. Datenauswertung
4.1. Bewertung des Stadtumbaus allgemein
4.2. Bewertung des Stadtumbaus nach Verbundenheit mit der Stadt
4.3. Umzugsneigung der Befragten im Zeitverlauf
4.4. Zufriedenheitsgrad an der Wohnung und Wohnumgebung als Indikator für eine Umzugsneigung
4.5. Bewertung des Stadtumbaus in Abhängigkeit von dem Zufriedenheitsgrad mit der Wohnung und Wohnumgebung

5. Zusammenfassung der Ergebnisse

III Anhang
Übersichtsplan der Großräumigen Gliederung der Stadt (Saale)
Der Fragebogen
Das Anschreiben vom 30.08.2005
Das erste Erinnerungsschreiben vom 06.09.2005
Das zweite Erinnerungsschreiben vom 27.09.2005
Syntax

IV Literaturverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Zwischenbilanz des Rückbaus von Wohnungen nach 13 Stadtvierteln (Stand: September 2004)

Abbildung 2 Die Titelseite des Fragebogens der Bürgerumfrage 2005

Abbildung 3 Das Untersuchungsgebiet

Abbildung 4 Die Bewertung des Stadtumbaus 2003 in Prozent (n = 2.939)

Abbildung 5 Die Bewertung des Stadtumbaus 2005 in Prozent (n = 3.337)

Abbildung 6 Übersichtsplan der Großräumigen Gliederung der Stadt Halle (Saale)

III Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Die Rücklaufquoten der Bürgerumfragen nach Erhebungszeitpunkten

Tabelle 2 Bewertung des Stadtumbaus nach Verbundenheit mit der Stadt (n = 3220)

Tabelle 3 Umzugsbereitschaft an ausgewählten Stadtteilen in den Jahren 2001 und 2005

Tabelle 4 Umzugsziele der Umzugswilligen (n = 471)

Tabelle 5 Zufriedenheitsgrad mit Wohnumgebung und Wohnung 2005

Tabelle 6 Umzugsneigung in Abhängigkeit von der Bewertung der Wohnung (n = 3.381)

Tabelle 7 Umzugsneigung in Abhängigkeit von der Bewertung der Wohnumgebung (n = 3.382)

Tabelle 8 Bewertung des Stadtumbaus in Abhängigkeit von dem Zufriedenheitsgrad mit der Wohnung (n = 3.293)

Tabelle 9 Bewertung des Stadtumbaus in Abhängigkeit von dem Zufriedenheitsgrad mit der Wohnumgebung (n = 3.293)

1. Einleitung

Im Jahr 2005 wurde von der Stadt Halle in Kooperation mit dem Institut für Soziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die inzwischen achte kommunale Bürgerumfrage durchgeführt. Dieser Forschungsbericht wird sich primär auf das Datenmaterial dieser Bürger- umfrage stützen, sich aber auch auf Daten früherer Bürgerumfragen berufen, um eine stringente Analyse der Einstellungen der Bürger im Zeitverlauf vornehmen zu können. Zentraler Gegen- stand dieser Untersuchung soll dabei die Beurteilung des Stadtumbaus durch die hallesche Be- völkerung sein.

Doch zunächst scheint es geboten einige Punkte zu der Bürgerumfrage selbst zu nennen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird dieser Aspekt deutlicher ausgeführt, soviel sei aber an dieser Stel- le bereits erwähnt. Seit 1993, der ersten Durchführung der Bürgerumfrage, steht mit ihr ein wich- tiges Instrument zur Verfügung, welches den Verlauf des Wandels und der Konstanz in der Ein- stellungen der halleschen Bevölkerung zu bestimmten Themengebieten nachzuzeichnen vermag. Bis 1995 wurde die Bürgerumfrage jährlich, danach im Rhythmus von zwei Jahren durchgeführt. Über diesen Zeitrahmen hat sich somit ein reiches sozialwissenschaftliches Datenmaterial an- gesammelt, das zur Verfügung steht und auf das man zurückgreifen kann, wenn man Aussagen über Zeitreihenverläufe treffen möchte.

Des weiteren handelt es sich bei der Bürgerumfrage um eine Mehrthemenbefragung, wobei be- stimmte Themenkomplexe, wie beispielsweise Fragen zu der Wohnmobilität, der Wohnsituation, der Zufriedenheit mit der Stadt und ihren Lebensbedingungen sowie Fragen zu demographi- schen Faktoren, wie Alter, Geschlecht und Erwerbsstatus, in allen bisherigen Bürgerumfragen behandelt worden. Andere Themen werden dagegen in der Regel nur einmal erhoben. Seit 2001 gehört der Stadtumbau zu den inhaltlichen Schwerpunkten der variablen Themenbereiche und ist in den Bürgerumfragen von 2003 und 2005 wiederholt behandelt worden. Dieser Umstand ist der wachsenden Dringlichkeit geschuldet, die von dem Stadtumbau ausgeht. Denn die gesellschaftli- che Relevanz, die aus dem Stadtumbau erwächst, ist unbestreitbar. Der Focus liegt hierbei in dem strukturellen Wohnungsleerstand, der nicht nur ein wohnungswirtschaftliches Problem dar- stellt, sondern auch starke soziale Verwerfungen in sich birgt. Diverse Stadtteile erfahren durch den zunehmenden Wohnungsleerstand eine negative Sogwirkung und lassen städtebauliche Kon- zepte als vordergründige Prämisse kommunaler Politik erscheinen. In Punkt zwei wird darauf näher eingegangen. Zentrale Fragestellung dieses Forschungsberichtes soll danach auch die et- waige unterschiedliche Beurteilung des Stadtumbaus durch die Bürger von Halle, bezüglich des Zufriedenheitsempfindens mit der eigenen Wohnung, respektive mit der jeweiligen Wohnumge- bung sein. Beurteilen demnach Bürger, die mit ihrer Wohnung oder Wohnumgebung unzufrie-

den sind, den Stadtumbau anders, als jene, die mit ihrer Wohnung oder Wohnumgebung zufrie- den sind. Ferner soll untersucht werden, ob eine etwaige Unzufriedenheit mit der Wohnung oder Wohnumgebung Einfluss auf eine Umzugsneigung hat. Der Stadtumbau wird somit in all seinen Facetten eine wesentliche Rolle dieses Forschungsberichtes einnehmen. Ziel, Gegenstand, Not- wendigkeit und natürlich die Auswirkung des Stadtumbaus sollen dabei näher betrachtet werden. Daran anschließend soll die Bürgerumfrage als solche Beachtung finden. Wesen, Aufbau und Durchführung einer Bürgerumfrage sollen am Bespiel des Erhebungsjahres 2005 exemplarisch erörtert werden. Hierbei sollen ebenfalls die wichtigsten Punkte der so genannten „Tailored Design Method“, die von Dillman generiert wurde und an der sich die Bürgerumfrage orientiert hat, aufgezeigt werden. In Punkt vier werden schließlich die gewonnen Daten aus der Bürgerum- frage, bezüglich des Stadtumbaus vorgestellt. Den Abschluss dieses Forschungsberichtes bildet dann eine Ergebnisinterpretation der Daten und der Versuch einen Ausblick zu geben, basierend auf dem gewonnenen Datenmaterial.

Doch zunächst zu der Frage, was Stadtumbau eigentlich bedeutet, warum er erforderlich ist und welche kommunalen Entscheidungsträger an ihm beteiligt sind.

2. Der Stadtumbau

Professor Doktor Heinz Sahner, ehemaliger Lehrstuhlinhaber am Institut für Soziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, äußert sich zur Thematik des Stadtumbaus wie folgt: „Stadtumbau ist nicht ausschließlich ein hallesches Thema, es ist auch kein deutsches Pro- blem, sondern vielmehr eine europaweite Aufgabe.“ (Netzwerk Stadtumbau 2005: Heinz Sahner)

Infolge der Tendenz eines allgemeinen Schrumpfens der Städte, von der in Deutschland im Be- sonderen ostdeutsche Städte betroffen sind, sehen sich diese gezwungen mit einer veränderten Stadtentwicklung und -planung zu reagieren. Der Wohnungsleerstand in ostdeutschen Kommu- nen ist mittlerweile zu einer der dringlichsten Herausforderungen avanciert, mit denen sich die ostdeutschen Städte konfrontiert sehen. „Auch Halle hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Einwohner verloren. Von 310.000 Bürgerinnen und Bürgern 1990 leben heute noch 237.000 Menschen hier. Im Jahr 2015 hat Halle voraussichtlich nur noch gut 200.000 Einwohner. Stadt- umbau heißt, aktiv mit Veränderungen im Stadtgefüge umzugehen.“ (Netzwerk Stadtumbau 2005: Stadtumbau im Überblick) „Mit dem Programm „Stadtumbau Ost" reagieren Bund und Länder auf den strukturellen Wandel und Bevölkerungsrückgang in den neuen Län- dern.“ ( Netzwerk Stadtumbau 2005: Stadtumbau Ost) Von seinem Gelingen hängt demnach die Entwicklung der ostdeutschen Städte maßgeblich ab. In vielen Kommunen liegen heute, so auch in Halle, integrierte Stadtentwicklungskonzepte vor, welche die Grundlage für den Stadtumbau bilden. In Kapitel 2.3. dieses Forschungsberichtes wird dieser Punkt näher ausgeführt.

Im Gegensatz zur „Stadtreparatur“, deren Augenmerk in der Verbesserungs- und Sanierungstä- tigkeit liegt, zum Erhalt und zur Nutzung des jeweiligen Stadtgebietes, beinhaltet der Prozess des Stadtumbaus auch Veränderungen im Stadtgefüge. Er umfasst sozusagen alle Maßnahmen der Stadtentwicklung, die dazu beitragen, die Auswirkungen des sich vollziehenden Strukturwandels aufzufangen und nachhaltig damit umzugehen. Doch ist der Stadtumbau nicht ausschließlich als ein architektonisches Thema zu begreifen. „Der Anspruch besteht darin, Halle von der histori- schen Innenstadt bis in die Zentren der Neubaugebiete als attraktiven Lebensraum weiter zu entwickeln, der begeistert und dauerhaft zum Bleiben anregt. Dabei wird das Schrumpfen auch als Chance für die Entwicklung verbesserter Standortfaktoren angesehen.“ (Netzwerk Stadtum- bau 2005: Stadtumbau) Der Tendenz eines Schrumpfens der Stadt Halle, begegnet der Stadtum- bau also aktiv, mit dem Ziel die gesamtstädtische Identität aufrechtzuerhalten. (ebd.) Dabei ist noch einmal deutlich hervorzuheben, dass er sich nicht allein auf den Abriss überzähliger Woh- nungen beschränkt, sondern auch die Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die Ge- staltung und Aufwertung der städtischen Lebensqualität sowie Fragen der infrastrukturellen Ausstattung mit einzubeziehen hat. Diese Zielstellung erfährt ihre Bedeutsamkeit noch dadurch, dass die Stadt Halle im Jahr 2006, die 1200-Jahrfeier begeht. Pünktlich zu diesem Jubiläum sollen der neu gestaltete Marktplatz, mit dessen Umbau Anfang 2004 begonnen wurde und das „Stadteingangstor“, der Riebeckplatz, dessen Umgestaltung 2002 begonnen wurde und dessen Fertigstellung vorrausichtlich bis Ende 2006 andauern wird, der Stadt übergeben werden. Diese zwei, für Halle immanent prestigeträchtigen Bauprojekte, legen Zeugnis ab, wie die Stadt Halle die gesteckten Ziele und Chancen, die der Notwendigkeit des Stadtumbaus geschuldet sind, um- zusetzen vermag. Der Stadtumbau wird demnach als Chance für die zukunftsweisende Verbesse- rung und Umgestaltung der Wohn- und Lebensverhältnisse in der Stadt begriffen.

Im nachfolgenden Punkt wird nun die Notwendigkeit des Stadtumbaus verdeutlicht. Dies soll unter Einbeziehung von Daten des Wohnungsmarktes geschehen, die die Dringlichkeit und Bri- sanz des Stadtumbaukonzeptes unterstreichen sollen.

2.1. Warum ist Stadtumbau erforderlich

Halle bildet einen Brennpunkt des strukturellen Wohnungsleerstandes in den neuen Bundeslän- dern. (Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle-Leipzig e.V. – isw 2000a: 1) Zunächst führte der wirtschaftliche Strukturwandel zu starken Abwanderungserscheinungen nach der Wende und bedingten somit den Wohnungsleerstand. (ebd.; vgl. auch Datenreport 2004: 53; Tab.: 16) Seit 1994 ist der zunehmende Wohnungsleerstand jedoch auf Suburbanisationser- scheinungen, sowie auf den natürlichen Bevölkerungsrückgang zurückzuführen. Diese Faktoren kumulierten sich in der Folge in ihren Auswirkungen, was unweigerlich zu einem langfristigen und nicht ausgleichbaren Nachfrageeinbruch auf dem Wohnungsmarkt führte. (isw 2000a: 1)

„In den vergangenen 15 Jahren betrug das Wanderungsdefizit der Stadt 70.000 Menschen. Dabei

sind einige Stadtteile vom Wohnungsleerstand mehr betroffen, andere weniger. In den betroffe- nen Stadtgebieten müssen daher leer stehende Wohnungen abgerissen und zeitgemäße Nutzungs- angebote brachliegender Flächen aufgezeigt werden. Passiert das nicht, wird das städtische Ge- füge zerfallen.“ (Netzwerk Stadtumbau 2005: Stadtumbau) Das Projekt „Neustadt-Gärten“, das in Halle-Neustadt umgesetzt wurde, zeigt einen möglichen Weg auf, wie die nach dem Abriss von leerstehendem Wohnraum, freiliegenden Flächen sinnvoll genutzt werden können. In Punkt 2.5. wird dieses Projekt näher vorgestellt.

Im Jahr 2000 waren von rund 151.000 Wohnungen der Stadt Halle, fast 23.000 Wohnungen un- bewohnt. (isw 2000b: 3) „Das entspricht einer Leerstandsrate von 15 Prozent.“ (ebd.) Perspek- tivisch wird von einer weiteren Verschärfung des Wohnungsleerstandes ausgegangen. Nach einer Prognose im Auftrag der Stadt wird der Wohnungsleerstand in Halle im Jahr 2012 die 60.000er-Marke erreicht haben. (isw 2000a: 1) „Dann wird bereits für jede vierte Wohnung im Stadtgebiet von Halle kein Bedarf mehr bestehen. Spätestens dann sind mehr oder weniger alle Vermieter betroffen!“ (ebd.) Ferner wird der Bevölkerungsrückgang von etwa 14 Prozent bis zum Jahr 2012 in den diversen Stadtgebieten sehr ungleich verteilt sein. (ebd.: 2) „Der Stadtteil Silberhöhe verliert bis dahin voraussichtlich über 40 Prozent, der Stadtteil Halle-Neustadt über 30 Prozent seiner heutigen Einwohner.“ (ebd.) Diese Daten zur Wohnungssituation und Migra- tionsbereitschaft lassen die Vermutung aufkeimen, dass sich ein ähnlich gearteter Prozess in Halle andeutet, wie er auch in westdeutschen Städten in der Nachkriegszeit zu beobachten war. (Krüger et al. 1995: 147) „Neben dem Bevölkerungsrückgang in Halle zeichnen sich zumindest drei weitere Prozesse ab: Erstens ein sogenannter Suburbanisationsprozeß, nämlich ein Trans- fer von Bevölkerungsgruppen in die Randzonen und in das Umland. […] Zweitens ein Segre - gationsprozeß. Es wird eine weitere Entmischung nach Schicht- und Altersmerkmalen erfolgen. […] Drittens wird im Prozeß der Segregation etwas passieren, das man mit dem Begriff der Gentrifikation bezeichnet. Darunter versteht man die Aufwertung innenstadtnaher Wohngebiete. Über Preisbildungsprozesse werden einkommensschwache Bevölkerungsgruppen ver- drängt.“ (ebd.) Diese Ausführungen verdeutlichen, welch hochbrisantes, gesellschaftlich rele- vantes Moment aus dem Stadtumbau erwächst und welche Dringlichkeit und Priorität ihm zu- teil wird. Infolge des Bevölkerungsrückgangs und des damit einhergehenden zunehmenden Wohnungsleerstandes treten bereits jetzt eklatante Probleme auf, die in Zukunft noch an Dra- matik gewinnen könnten. „Dazu zählen insbesondere verstärkte soziale Segregation und Ent- stehung sozialer Brennpunkte mit der Gefahr des Abgleitens von einzelnen Wohnvierteln und Stadtteilen, Sanierungs- und Investitionsstau auf dem Wohnungssektor mit der Folge einer Verringerung der allgemeinen Wohnattraktivität der Stadt, existentielle Bedrohung von kom- munalen, genossenschaftlichen und privaten Wohnungsunternehmen, mangelhafte Auslastung von Infrastruktureinrichtungen in Stadtteilen mit hohen Leerständen (technische und soziale Infrastruktur), negative Auswirkungen auf das Stadtbild sowie auf die Ordnung und Sicher- heit im öffentlichen Raum durch leerstehende Gebäude und Verwahrlosungstendenzen im Wohnumfeld.“ (isw 2000b: 3)

Angesichts der Prognose für das Jahr 2012, wird der Wohnungsleerstand eine Dimension anneh- men, die nicht nur kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen in die Insolvenz treiben wird, sondern auch zunehmend private Vermieter. Mit dem Verschwinden der Vermie- ter werden die Wohnungen jedoch weiterhin auf dem Markt verbleiben. (isw 2000a: 1) „Die Fol- gen sind nicht nur ein weiterer verheerender Mietpreisverfall und ein Meer blinder Fenster in der Stadt, sondern auch negative Rückwirkungen auf die komplizierten Gefüge der übrigen Immo- bilienmärkte und den Bodenmarkt sowie die allgemeinen Standortqualitäten der betroffenen Stadtteile.“ (ebd.) Das Engagement und ökonomisch bedingte Interesse der Wohnungsunterneh- men den Stadtumbau zu forcieren, hat sich auch in den letzten Jahren nicht grundlegend gewan- delt. So ist Tessins Analyse aus den siebziger Jahren immer noch aktuell, auch wenn die Brisanz des Stadtumbaus heute eine andere ist als damals, so ist doch das Interesse der Wohnungsunter- nehmen insofern verständlich, da es ihnen „ […] zuwiderläuft, dass einkommensschwache Be- völkerungsgruppen in heruntergekommenen Altbauten billige Mietwohnungen finden. Diese Existenz von mietzinsbilligen Altbauwohnungen entzieht dem Neubauwohnungsmarkt nicht nur potentielle Nachfrage, sondern drückt zusätzlich mit seinen billigen Mieten tendenziell auf die auf dem Neubauwohnungsmarkt erzielbaren Mieten und limitiert so die Profitrate der Woh- nungsbauwirtschaft in doppelter Hinsicht.“ (Tessin 1977: 45)

Abschließend sei noch einmal zusammengefasst. Die bereits existierenden Probleme des Leer- stands von Wohnungen in einigen Bereichen der Innenstadt und großen Teilen der Großwohn- gebiete, macht den Stadtumbau im Zusammenspiel mit einer stets zunehmenden Vermehrung von Nutzungslücken, einer Entvölkerung ganzer Häuser(-blocks) und letztlich einer Tendenz der Verwahrlosung, zu einem der vordergründigsten Probleme von Halle. (isw 2000a: 2) Gelingt es Halle nicht auf die veränderte Wohnungssituation zu reagieren, so wird die Stadt einen weiteren Bevölkerungsrückgang erfahren. (Krüger et al. 1995: 147) „Nun könnte man ja der Meinung sein, es sei nicht weiter tragisch, wenn die Einwohnerzahl deutlich unter 300.000 Einwohner zurück- fällt. Zu bedenken ist jedoch, daß damit Einnahmen ausfallen, nicht nur an Einkommenssteuer, sondern auch an Transferzahlungen, die sich an Einwohnerzahlen orientieren. Halle stellt die In- frastruktur, die Zahlungen fallen ans Umland.“ (ebd.) Deshalb ist das Gebot des Stadtumbaus: „Die Anpassung des Wohnungsangebotes an die schrumpfende Nachfrage sowie der damit ein- hergehende zukunftsorientierte Umbau ganzer Stadtteile ist als wichtige politische Gestaltungs- aufgabe in Ostdeutschland zu betrachten. Die Umsetzung entsprechender Lösungskonzepte ist deshalb durch staatliche Förderprogramme zu flankieren.“ (isw 2000a: 2)

Im folgenden Kapitel soll nun die Zielsetzung des Stadtumbaus und die Aspekte, die bei der Festlegung räumlicher Schwerpunkte Berücksichtigung finden sollten, vorgestellt werden.

2.2. Zielsetzung des Stadtumbaus

Wie schon in Punkt zwei aufgezeigt wurde, ist das primäre Ziel des Stadtumbaus die Saale- stadt attraktiv, lebenswert und zukunftsfähig zu gestalten. Unter diesem Gesichtspunkt werden unter einer Entwicklungskonzeption, zur Sicherung des städtischen Wohnens, folgende Ziele verfolgt: „ […] die Festlegung von räumlichen Schwerpunkten der mittel- bis langfristigen Stadtent - wicklung unter besonderer Berücksichtigung des Wohnens, die Quantifizierung des notwendi - gen Rückbau- und Abrissvolumens für die Gesamtstadt auf der Basis einer Bevölkerungs- und Haushaltsprognose für die Stadt Halle (Zeithorizont 2010 und darüber hinaus), die Bestim - mung des Rückbau- und Abrisspotenzials in verschiedenen Stadtvierteln unter Abwägung städtebaulicher und wohnungswirtschaftlicher Gesichtspunkte und die Schaffung von Grundla - gen für ein sozialverträgliches und wirtschaftlich tragbares Sanierungs-, Modernisie - rungs- und Rückbaumanagement (einschließlich Kooperationsmöglichkeiten und Lastenaus- gleichsverfahren).“ (isw 2000b: 5)

Um den drängenden Problemen des Stadtumbaus durch Bevölkerungsrückgang und Wohnungs-leerstand zu begegnen, müssen Maßnahmen zur Regulierung des Wohnungsmarktes konzipiert werden. Vor allem liegt hierbei die Prämisse, dass örtliche Wohnungsangebot unter Bedarfsge- sichtspunkten attraktiver zu gestalten. Folgende Aspekte werden bei der Festlegung räumlicher Schwerpunkte berücksichtigt: „ […] Stärkung und Aufwertung innerstädtischer Wohngebie - te insbes. durch Abriss von Hinter- und Seitenhäusern und die Verringerung von Wohnungen in Wohnanlagen mit hohen Verkehrsimmissionen (=Lärm, Schmutz, Staub), Sicherung und Wei - terentwicklung attraktiver Wohnungsbestände in den Großwohnsied lungen, Stärkung und weiterer Ausbau positiver Milieustrukturen in den Wohnquartieren (z.B. Universitätsviertel), Schaffung und Sicherung von Freiflächen für die Neubebauung mit Einfamilien-, Doppel- oder Reihenhäusern, Sicherung und Entwicklung eines bezahlbaren und breit gefächerten Wohnraumangebotes für alle Bevölkerungsschichten und Bedarfsgruppen, Verbesserung des (individuell nutzbaren) Grün- und Freiflächenangebotes in den Wohngebieten, Verbesserung der Parkraumsituation in den Wohngebieten und Sicherstellung einer finanzierba ren Ver- und

Entsorgung von Wohngebieten mit techni scher und sozialer Infrastruktur und ihrer ausrei - chenden verkehrlicher Erschließung.“ (ebd.)

Um diese Zielstellungen zu realisieren, sollen bis zum Jahr 2010 in Halle 20.000 Wohnungen abgerissen werden, allein davon 14.000 Wohnungen in den Neubauwohngebieten am Rande der Stadt. (Netzwerk Stadtumbau 2005: Stadtentwicklungskonzept) Der restliche Anteil soll Be- standsausdüngungen und Rückbaumaßnahmen, sowie Anpassungsmaßnahmen hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur in der Innenstadt dienen, um diese zu stärken. Die primären Ziele einer städtebaulichen Konzeption, die ein breit gefächertes Aufgabenfeld erkennen lassen, wären so- mit genannt. Es sollte jedoch bemerkt werden, dass neben städtebaulichen auch wohnungswirt-schaftliche Aspekte bei der Bestimmung räumlicher Entwicklungsschwerpunkte eine Rolle spie-len, doch soll im Rahmen dieses Forschungsberichtes auf diese nicht näher eingegangen werden. Was hier interessiert ist der Stadtumbau als solcher. Es stellt sich somit noch die Frage, wer am Stadtumbau beteiligt ist und welche Programme zum Stadtumbau konzipiert wurden.

2.3. Programmstellung und beteiligte Institutionen

Um die Zielstellung von 20.000 abgerissenen Wohnungen bis zum Jahr 2010 zu erreichen, be-nötigt die Stadt Halle für jedes Programmjahr bis 2009 etwa 7 Millionen Euro Fördermittel. „Von 2002 bis 2009 werden in Ostdeutschland insgesamt über 2,7 Milliarden Euro für die Stadterneuerung zur Verfügung gestellt. Dabei werden der Abriss leer stehender und langfristig nicht mehr benötigter Wohngebäude und die Aufwertung städtischer Quartiere in Ostdeutsch- land gefördert.“ (Netzwerk Stadtumbau 2005: Stadtumbau Ost) Um den Stadtumbau im Stadtteil Halle-Neustadt zu ermöglichen, werden beispielsweise Maßnahmen und Gelder aus den Pro- grammen „URBAN 21“ und „Soziale Stadt“, die Leitlinien der Stadtentwicklung auf Landesini- tiative darstellen, und städtischen Neuordnungskonzepten koordiniert und kombiniert. Um diese Maßgabe realisieren zu können, ist der Stadtumbauprozess in Halle auf ein Zusammenwirken einer Vielzahl von Akteuren angewiesen. Die Stadt Halle nimmt dabei eine Pionierstellung ein. Der Stadtumbauprozess ist hier durch eine enge Kooperation zwischen Stadt und Wohnungsun- ternehmen gekennzeichnet, was nicht in jeder Kommune der Fall ist und dazu beigetragen hat, dass Halle zu den Vordenkern des Stadtumbaus in Ostdeutschland zählt. Das hallesche Stadt- entwicklungskonzept formuliert den zeitlichen Rahmen sowie Leitbilder, Konzepte und Maßnah- men für die zukünftige Umgestaltung dringend umbaubedürftiger Stadtviertel Halles. Diese ha- ben empfehlenden Charakter, sind Grundlage für alle weiteren Pläne und werden für die einzel- nen Stadtteile stetig weiterentwickelt. Bereits 1999 haben sich tragende Akteure des Stadtum- baus in Halle an einen Tisch gesetzt, um gemeinsam diese Aufgaben zu bewältigen. (Netzwerk Stadtumbau 2005: Netzwerk Stadtumbau) „Vor diesem Hintergrund entstand das Stadtentwick- lungskonzept für Halle (Saale), das Grundaussagen für den Stadtumbau in Halle enthält.“ (ebd.) „Wohnungseigentümer und Stadtplaner haben sich deshalb von Beginn an dafür eingesetzt, mög- lichst auch Mieter, Versorgungs- und Verkehrsunternehmen sowie Sozialplaner in den Umbau- prozess einzubinden. Nur so lässt sich ein realistisches und von allen Seiten gut durchdachtes Konzept aufstellen. Deshalb wurde in Halle auf Initiative der Wohnungswirtschaft bereits 1999 das Netzwerk "Wohnen" unter externer Moderation durch das isw Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung GmbH gegründet, aus dem im Jahr 2002 das Netzwerk "Stadtumbau" her- vor ging.“ (Netzwerk Stadtumbau 2005: Stadtumbau als gemeinsame Aufgabe) Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass zwei kommunale und zwölf genossenschaftliche Wohnungsunternehmen sowie die Versorgungsunternehmen der Stadt Mitglieder im Netzwerk Stadtumbau sind. Seit der Konstituierung des Netzwerkes Stadtumbau hat dieses beträchtlich an Breite gewinnen können. Durch eine Reihe von Partnern, die ihre Erfahrung und ihr Engagement in den Stadtum- bau mit einbrachten, wurde das Projekt enorm bereichert. (Netzwerk Stadtumbau 2005: Netzwerk Stadtumbau) So ist es nur folgerichtig, dass Sahners Urteil zum Stadtumbau positiv ausfällt. „Ich halte es deshalb für einen ausgesprochenen Vorteil, dass Halle zu den Pionieren des Stadtumbaus gehört. Wir haben so die Möglichkeit, Maßstäbe für die Neugestaltung weiterer Kommunen zu setzen, sei es in Deutschland oder ganz Europa.“ (Netzwerk Stadtumbau 2005: Heinz Sahner)

Aufgrund dieses Zusammenwirkens verschiedener Akteure des Stadtumbaus, wurde das Stadt- gebiet Halles in zwei Gebietskategorien unterteilt, die die Priorität für den Umbau definieren sol- len. Was diese Konzeption genau beinhalten möchte, wird im folgenden Kapitel aufgezeigt.

2.4. Unterteilung des Stadtgebietes nach Priorität für den Stadtumbau

Gemäß der Konzeption der Beteiligten Akteure für den Stadtumbau wurde die Stadt Halle in zwei Gebietskategorien unterteilt. Danach gehören zu den stabilen Stadtgebieten, in denen kein überdurchschnittlicher Handlungsbedarf, bezüglich des Stadtumbaus vorliegt, die Altstadt, Frohe Zukunft, Ammendorf/Beesen, Planena, Böllberg/Wörmlitz, Büschdorf, Damaschkestraße, Lettin, Dautzsch, Dieselstraße, Dölau sowie die Dölauer Heide, die Stadtteile Gesundbrunnen, Seeben, Giebichenstein, Gottfried-Keller-Siedlung, Heide-Süd, Kanena/Bruckdorf, Kröllwitz, Landrain, Mötzlich, Nietleben, das Paulusviertel, Radewell/Osendorf, Reideburg, Trotha und Wasserturm/ Thaerviertel. (Netzwerk Stadtumbau 2005: Stadtgebiete) Zu den Umstrukturierungsgebieten, in denen besonders dringender Handlungsbedarf, bezüglich des Stadtumbaus besteht, zählen Heide-Nord, Halle-Neustadt, die Nördliche Innenstadt, die Silberhöhe, die Südliche Innenstadt sowie die Südstadt. (ebd.) Beide Gebietskategorien sind wiederum nach Prioritäten für den Stadtumbau unterteilt worden. Zur Einsicht der genauen Lage der einzelnen Stadtteile, befindet sich im An- hang auf Seite 49 dieses Forschungsberichtes, ein „Übersichtsplan der Großräumigen Gliederung der Stadt (Saale)“. Gemäß der Prioritätseinteilung für den Stadtumbau, zählt Halle-Neustadt zu den Stadtgebieten, bei denen ein besonders dringender Handlungsbedarf für den Umbau zu er- kennen ist. Im folgenden Kapitel soll nun der Stadtumbau am Beispiel Halle-Neustadts aufge- zeigt werden.

2.5. Stadtumbau am Fallbeispiel Halle-Neustadt

Der Stadtteil Halle-Neustadt, im Westen von Halle gelegen, war eines der größten Neubauge- biete der DDR und hatte einen eigenen Bürgermeister sowie ein eigenes Stadtwappen. (Netzwerk Stadtumbau 2005: Der Stadtteil Halle-Neustadt) „Seit der Grundsteinlegung 1965 wurden in Re- kordzeit Wohnhäuser für ca. 90.000 Menschen errichtet. Vorrangig für die in den Großbetrieben Buna und Leuna arbeitenden Menschen gebaut, war die Chemiearbeiterstadt Halle-Neustadt der Prototyp einer modernen sozialistischen Stadt.“ (ebd.)

Im Zuge der Wende wurde Halle-Neustadt, per Bürgerentscheid, an Halle angegliedert. Heute zählt die ehemalige Sattelitenstadt zu den Stadtteilen, in denen die Probleme, die der Stadtum-bau zu lösen versucht, am deutlichsten sichtbar sind. (ebd.) „Durch die Konzipierung als reine Wohnstadt fehlt es an ausreichend wohnungsnahen Arbeitsplätzen. Der Stadtumbau Ost kommt vor allen Dingen in Neustadt zum Tragen: durch Um- und Neugestaltung sowie Abriss von Wohnhäusern erhält der Stadtteil ein neues Gesicht.“ (ebd.) Zum Erreichen der Maßgaben des Stadtumbaus werden in Halle-Neustadt Schritte und Gelder aus den Programmen „Soziale Stadt“ und „URBAN 21“ und städtischen Neuordnungskonzepten kombiniert und koordiniert. Im Zuge des Stadtentwicklungskonzeptes wird in Halle-Neustadt ein Projekt verwirklicht, dass die Nutzung, der durch den Rückbau von Wohnungsleerstand, entstehender Freiflächen zum In- halt hat. Das Projekt, mit dem Namen „Neustadt-Gärten“, ist auf alle interessierten Bürger zuge- schnitten, die dieses Angebot nutzen wollen. „Es beinhaltet die Umwandlung der durch Abriss frei werdenden Fläche und insbesondere deren von den Bewohnern selbst getragene dauerhafte Nachnutzung der Fläche. Die von der Stadt zur Verfügung gestellte Fläche für das Projekt „Neu- stadt-Gärten“ soll durch die Bewohner der Neustadt zu einem lebendigen Ort und damit zu einer positiven Adresse im Stadtteil entwickelt werden. Dieser Prozess stellt gleichwohl eine wichtige Komponente im weiteren Umgang mit weiteren Leerflächen als Ressource für die Bildung künf- tiger Gemeinschaften vor Ort dar.“ (Netzwerk Stadtumbau, Neustadtgaerten 2005: 2) Anhand dieses einen Projektes wird ersichtlich, welch vielfältige Varianten dem Stadtumbau eigen sind und wie sich die Nutzung frei werdender Flächen, infolge des Rückbaus von Wohnungen, ge- stalten kann, um Halle in Zukunft als attraktives Wohnumfeld erscheinen zu lassen. Den ab- schließenden Punkt zum Themenkomplex Stadtumbau dieses Forschungsberichtes sollen nun Daten bilden, die aufzeigen sollen, inwieweit die Vorgabe des Stadtentwicklungskonzeptes in Halle realisiert wurde.

2.6. Zwischenbilanz des Stadtumbaus

Bis Ende August 2004 wurden in Halle 3.429 Wohnungen mit Fördermitteln des Programms Stadtumbau-Ost abgerissen. (Netzwerk Stadtumbau, Wohnungsmarktbericht 2004) „Dies ist ein sehr positives Ergebnis und liegt in der mittelfristigen Zielplanung des Abbruchvolumens von ca. 17.600 WE bis einschließlich 2010. Auffällig ist, dass der Abriss der Auszahlung der Fördermit- tel weit vorauseilt, d. h. von den Wohnungsunternehmen in großem Umfang vorfinanziert wurde. Während 84% der in den Programmjahren 2002 und 2003 bewilligten WE abgerissen sind, wurden erst 41% der bewilligten Fördermittel ausgezahlt – fast 8 Mio. € stehen noch aus.“ (ebd.) Es bleibt demnach abzuwarten, ob das Tempo des Rückbaus aufrechterhalten werden kann. Die Bewilligung der Förderung des Stadtumbaus lag für das Programmjahr 2004 unter dem Niveau, der vorhergehenden Jahre, sodass 2005 von einem geringeren Abrissvolumen auszugehen war. (ebd.) „Die Stadt und die Wohnungsunternehmen haben indes ihre schwierigen Aufgaben sehr gut erledigt, denn ein Berg von ca. 6.500 für den Abbruch beantragter WE wartet auf die finan- zielle Förderung (beantragt: 22,5 Mio. €) durch das Programm Stadtumbau-Ost. Engpässe wegen mangelnder Abrissvorschläge sind in den nächsten Jahren nicht zu erwarten.“ (ebd.)

Abbildung 1: Zwischenbilanz des Rückbaus von Wohnungen nach Stadtvierteln

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Netzwerk Stadtumbau 2005: Zwischenbilanz)

Konstatierend lässt sich also festhalten, dass der Stadtumbau ein wesentlich relevantes gesell-schaftliches Moment innehat. Seine Umsetzung gemäß des Stadtentwicklungskonzeptes machen ihn zu einer der vordergründigsten Aufgaben der Stadtentwicklung, um auch in Zukunft Halle als einen attraktiven Lebensraum zu gestalten, der Jung und Alt zum dauerhaften Bleiben in der Stadt animiert. Der Stadtumbau soll den Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt aktiv mit dem Rückbau von leerstehenden Wohnungen entgegenwirken, dabei aber auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Standortes, die Lebensqualität der einzelnen Stadtteile sowie die gesamt- städtische Identifikation sinnvoll und nachhaltig in seinen Überlegungen einbeziehen. Denn ein im Zuge des Stadtumbaus etwaiges durchsetzendes höheres Preisniveau der Mieten hätte Ein- fluss auf die Bewohnerstruktur. Entmischungs- und Verdrängungstendenzen, infolge einer Gen- trifikation in den städtebaulich veränderten Gebieten, würden auch Exklusionserscheinungen von

Bevölkerungsgruppen nach sich ziehen.

2.7. Theoretische Betrachtung und Hypothesenbildung

Inhalt dieses Kapitels soll die Genese der einzelnen Hypothesen sein, die dann in der Datenaus- wertung einzeln untersucht werden sollen.

Die aufgezeigte Notwendigkeit des Stadtumbaus, die aus dem exorbitant hohen Wohnungsleer- stand erwächst, erscheint in dieser Hinsicht einer näheren Betrachtung als lohnenswert. Es ist also demnach zu fragen, wie sich die Umzugsneigung der Befragten äußert. Welche Stadtteile weisen im Besonderen eine hohe Umzugsneigung auf. Man könnte somit eine erste Hypothese in den Raum stellen. Je mehr ein Stadtteil von Halle, nach der Prioritäteneinteilung des Stadtent- wicklungskonzeptes, eine hohe Notwendigkeit für den Stadtumbau aufweist, desto eher zeigen die Bewohner dieses Stadtteils auch eine erhöhte Umzugsneigung. Denn ein hoher Wohnungs- leerstand in der Wohnumgebung könnte eine persönliche negative Einstellung initiieren und somit eine Umzugsneigung auslösen. So könnte man die Hypothesenbildung fortsetzen und da- nach fragen, ob die empfundene Unzufriedenheit mit der eigenen Wohnung, respektive der Woh- numgebung, infolge eines hohen Wohnungsleerstands in dem jeweiligen Stadtviertel und sich eventuell bildender Verwahrlosungstendenzen, einen Einfluss auf die Umzugsneigung hat. Die Hypothese könnte somit wie folgt lauten. Je mehr man mit der eigenen Wohnung / Wohnum- gebung unzufrieden ist, desto eher wird sich eine Umzugsneigung bei den Befragten zeigen. Um den Kreis wieder zu schließen, könnte man dann eine letzte Hypothese aufstellen. Hat eine nega- tive Beurteilung der eigenen Wohnung oder Wohnumgebung, Einfluss auf die Bewertung des Stadtumbaus? Je mehr man also ein persönlich empfundenes Defizit mit der eigenen Wohnung oder Wohnumgebung verspürt, desto eher wird man auch den Stadtumbau im Allgemeinen negativ bewerten. Diese aufgestellten Hypothesen sollen danach in dem Kapitel Datenauswertung einer eingehenden Analyse unterzogen und durch einige Darstellungen, wenn es sich anbietet, untermalt werden. Doch nun soll erst einmal die Bürgerumfrage als solches Gehör finden. Hier wird insbesondere der Durchführung einer Erhebung Beachtung geschenkt werden.

3. Die Bürgerumfrage

Zu Beginn dieses etwas umfangreicheren Teils des Forschungsberichtes, der die Planung und Durchführung einer kommunalen Umfrage zum Inhalt hat, soll kurz Zweck und Nutzen der kommunalen Umfrage erläutert werden. „Kommunale Umfragen sind wichtige Instrumente, die der Kommunalpolitik, der Statistik und Stadtforschung, den planenden Ämtern und den am Ge- meindeleben interessierten Einwohnerinnen und Einwohnern Beurteilungsgrundlagen, Orientie-rungen und Entscheidungshilfen geben können. Daten aus amtlichen Zählungen und den Statis- tiken des Verwaltungsvollzuges reichen zur Beschreibung und Analyse des kommunalen Ge- schehens in der Regel nicht aus. Sie müssen vielmehr durch eigene Erhebungen aktualisiert und ergänzt werden, z.B. durch Fragen nach Einstellungen, Verhaltensweisen und Beurteilungen der Bevölkerung. Gerade in Zeiten, in denen die Haushaltsmittel der Städte und Gemeinden zuneh- mend knapper werden, gewinnen Ergebnisse aus solchen kommunalen Umfragen zunehmend an Bedeutung. Sie werden zu Kontrollinstrumenten kommunalen Handelns und sind insofern für eine effektive Verwaltungssteuerung unverzichtbar.“ (Deutscher Städtetag 1995: 7) „Die Ver- waltungen nutzen Umfragen, um zum einen die Erwartungen der Bürger/-innen an das Leis- tungsspektrum der Verwaltungen abzugreifen, zum anderen, um eben dieses Leistungsspek- trum einer kritischen Bewertung durch die Bürger/-innen zu unterziehen.“ (Deutscher Städtetag 1997: 13) Bürgerumfragen können sich dabei auf eine lange Tradition des Dialogs zwischen Bürgerschaft und Stadtverwaltung berufen. (ebd.) Viele deutsche Städte haben die immense Be- deutung kommunaler Umfragen erkannt und nutzen dieses Instrumentarium in mehr oder weni- ger regelmäßig durchgeführten Umfragen. (Deutscher Städtetag 1995: 7) Auch wenn in gewis- sen Kreisen der Stadtverwaltung die kommunale Umfrage als wenig signifikantes Aussagekrite- rium angesehen seien mag, so ist doch durch eine allgemeine Verknappung der finanziellen Zu- wendung für Kommunen eine Notwendigkeit existent, die Bürgerschaft stärker als bisher in die Effektivitätsprüfung der kommunalen Leistungsangebote einzubeziehen. (Deutscher Städtetag 1997: 13) Um die Meinungen und Einstellungen der Bürger zu bestimmten Themenstellungen zu erfahren, ist es notwendig diese zu befragen. „Vorrangig zunächst mit der Methode des Inter- views, später zunehmend auf schriftlichen und telefonischem Weg haben insbesondere die mit Statistik und Stadtforschung befaßten kommunalen Dienststellen Bürgerumfragen installiert, de- ren Zielstellungen vornehmlich stadtentwicklungs- bzw. sozialplanerisch intendiert waren. Er- gebnisse dieser Umfragen dienten vorrangig der Ergänzung des Datenangebots für ein umfas- sendes Stadtbeobachtungssystem.“ (ebd.: 13f.) Diese Forschungsebene mit stadtentwicklungs- planerischer und stadtsoziologischer Komponente wird auch in Zukunft, weiterhin ihre berech- tigte Bedeutung in kommunalen Umfragen beibehalten, allerdings um eine marktorientierte Ebe- ne ergänzt, die der zunehmenden Ausrichtung der Stadtverwaltung an der Bürgerschaft geschul- det ist. (ebd.: 14) In dieser Weise ist auch die Bürgerumfrage in Halle ausgerichtet. Seit 1993 wurde sie bis 1995 jährlich, danach im Rhythmus von zwei Jahren erhoben. (Bürgerumfrage Halle 2003: 1) Gemäß der aufgezeigten allgemeinen Konzipierung von kommunalen Umfragen, verfolgt auch die Bürgerumfrage Halle zwei Hauptziele. „Erstens nutzt die Stadtverwaltung die Bürgerumfragen als Instrument, um die Bürger direkt an ihrer Arbeit zu beteiligen bzw. um ein Feedback für ihre Arbeit zu erhalten. Zwar sind dafür auch andere Instrumente (Planspiele, Bür- gerbeteiligungen) nutzbar, sozialwissenschaftliche Umfragen - wie die Bürgerumfrage Halle - haben aber den Vorteil, breite Bevölkerungsschichten einzubeziehen. Ein demokratisches Mo- ment kommt in der Bürgerumfrage zum Tragen: Jeder Beteiligte hat eine und nur eine Stimme. Zweitens ist die Bürgerumfrage ein Instrument sozialstruktureller Dauerbeobachtung. So ist es möglich, auf der Grundlage der Bürgerumfrage den sozialen Wandel in Halle hinsichtlich der sozio-demographischen und sozialen Struktur sowie allgemeiner Einstellungen zu verschiede- nen Lebensbedingungen aufzuzeigen.“ (ebd.) Festzustellen ist, dass der Gehalt kommunaler Bürgerumfragen erhöht wird „ […] wenn es gelingt, mit weitgehend identischem Instrumentari-

um in regelmäßigen Zeitabständen Zustände zu messen und auf diese Weise Zeitreihen aufzu- bauen, die Aussagen über vollzogene wie über zu erwartende Entwicklungen gestatten. Hier wird die prognostische Potenz der Umfrageforschung deutlich.“ (Deutscher Städtetag 1997: 14)

In den folgenden Kapiteln dieses Themenkomplexes zur Bürgerumfrage sollen nun die einzel- nen Punkte erläutert werden, die man bei der Durchführung einer Umfrage berücksichtigen soll- te, um die Repräsentativität der Ergebnisse zu gewährleisten. Nach Diekmann lassen sich hier- bei fünf Hauptphasen festmachen, die jeweils durch eine Reihe von Entscheidungen gekenn- zeichnet sind. Im ersten Schritt ist von der Formulierung und Präzisierung des Forschungspro- blems auszugehen. Daran schließt sich die Planung und Vorbereitung der Erhebung an, ehe im dritten Schritt die Datenerhebung als solche erfolgt. Im vierten Schritt schließlich steht die Da- tenauswertung an, während die Berichterstattung der Ergebnisse den Schlusspunkt einer Umfra- ge bildet. (Diekmann 2002: 162)

[...]

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Die Berurteilung des Stadtumbaus Halles durch die Bevölkerung
Untertitel
Analyse der Bürgerumfrage 2005
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Bürgerumfragen in Halle
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
66
Katalognummer
V67857
ISBN (eBook)
9783638605519
ISBN (Buch)
9783638715867
Dateigröße
1929 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Forschungsbericht wurde mit der Note 1,3 bewertet und wurde bereits vom Planungsamt für Stadtumbau der Stadt Halle/Saale angefordert, um diesen für weitere Überlegungen zu nutzen.
Schlagworte
Berurteilung, Stadtumbaus, Halles, Bevölkerung, Bürgerumfragen, Halle
Arbeit zitieren
Sten Cudrig (Autor:in), 2006, Die Berurteilung des Stadtumbaus Halles durch die Bevölkerung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67857

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