Zum Hooliganismus in der BRD


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

28 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Leitfaden

2. Zum Hooligan

3 . Der Zusammenhang von Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, gesellschaftlich bedingten defizitären Umständen und der Rolle des Fußballsports.
3.1. Der Zusammenhang von Gewalt, gesellschaftlich bedingten defizitären Umständen und der Rolle des Fußballsports
3.2. Der Zusammenhang von Fremdenfeindlichkeit, gesellschaftlich bedingten defizitären Umständen, und der Rolle des Fußballsports

4. Fanarbeit

5. Der Hooligan-Prozess

6. Bewertung der Ereignisse von Lens

7. Die Folgen von Lens - insbesondere bezogen auf die EM 2000
7.1. Änderung des Pass- und Personalausweisrechtes.
7.2. Zur Funktion der ZIS und der Datei „Gewalttäter Sport“
7.3. Eine Präventionsprüfung für die EM 2000
7.4. Zur Situation deutscher Hooligans und EM-Besucher während der Fußballeuropameisterschaft vom 10/06/2000 bis zum 02/07/2000

8. Betrachtungs- und Behandlungsperspektiven des Hooliganismus im Vergleich mit Blick auf diesbezügliche Auswirkungen

9. Schlussfolgerung und Ausblick

10. Literaturverzeichnis
10.1. Literatur aus dem Internet
10.2. Literatur außerhalb des Internets

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(1.) Leitfaden

Der Hooliganismus ist ein gesellschaftliches Phänomen, das viele Fragen aufwirft. Einige Fragen erhalten im Rahmen dieser Hausarbeit Relevanz. Das Ziel der Hausarbeit ist erreicht, wenn der Leser das Resümee ziehen kann, einen problemorientierten Einblick in das Bezugsfeld der Hooligans in Deutschland erhalten zu haben. Gefragt wird in dieser Arbeit insbesondere nach den Charakteristika eines Hooligans, dem Zusammenhang von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit, Fußball und weiteren gesellschaftlichen Bedingungen, den Formen von Fanarbeit und der Niederschlagung des Gendarmen Daniel Nivel auf der WM ´98 in Lens mit Blick auf die Folgewirkungen dieses Ereignisses.

Die Arbeit stützt sich oftmals auf Beobachtungen und Forderungen von Sozialarbeitern oder Sozialpädagogen, die als Fanbetreuer mit der Szene betraut und vertraut sind, und aus einem pädagogischen Blickwinkel Hypothesen, Prognosen und insbesondere auch Kritik und Vorschläge aussprechen. Die Heranziehung diverser Zeitungsartikel aus vielgelesenen, populären Zeitungen dient nicht nur der Nachrichtenpräsentation, sondern auch der Präsentation der Darstellung von Hooligans in den deutschen Medien, und damit der Beeinflussung des Meinungsbildes in der Bevölkerung. Ergänzend zeigt diese Arbeit die Perspektive von staatlicher Seite.

Durch die Polarisierung verschiedener Einstellungen, beruflicher Aufträge und diesbezüglich ausgerichteter Handlungen, wird auf Konflikte zwischen den Personen- und Institutionenkreisen, die sich mit dem Hooliganismus befassen, aufmerksam gemacht. Besonderes Augenmerk wird auch auf die Konflikte gelegt, die dem Hooligan die Motivation geben, Gewalt in der Gruppe auszuüben.

(2.) Zum Hooligan

Der Begriff „Rowdy“ dient als Übersetzung für die englische Vokabel „Hooligan“. Damit wird allgemein der jugendliche Fußball-Gewalttäter tituliert.

Der Rechtsanwalt Axel Nagler, Strafverteidiger des Angeklagten Tobias Reifschläger im Daniel-Nivel-Prozeß, definiert einen Hooligan im möglichen Ursachenzusammenhang folgendermaßen:

„Ein Hooligan ist ein durch gesellschaftlich bedingte defizitäre Umstände, insbesondere aber sein im Alltagsleben nicht ausagierbares Aggressions- und Gewaltpotential beeinflusster Fußballfan, der die Brutalität dieses Sports und des damit verbundenen Geschäfts und die durch die Identifikation mit seinem Verein hervorgerufenen chauvinistischen Empfindungen im Zusammenspiel mit anderen, gleichgesinnten Fans in unreflektierte, aber organisierte Gewalt umsetzt.“[1]

Von führender Relevanz für das hier niedergeschriebene Verständnis vom Begriff „Hooligan“ sind das Vorhandensein und die Auswirkungen von weit divergierenden Rollen, die das Individuum in Abhängigkeit vom sozialen Umfeld einnimmt. Die Rollenunterschiede sind im wesentlichen gekennzeichnet durch das Ausleben bzw. Nichtausleben von Aggressions- und Gewaltpotential in Abhängigkeit vom Sein des Hooligans in dem identifikationsreichen Fußballumfeld bzw. vom Sein des Hooligans im identifikationsarmen Alltagsleben. Die Identifikationsarmut mit der Rolle des Hooligans im Alltag zeigt sich in einem „Aggressions- und Gewaltpotenzial“, für das der Alltag keinen Raum zum Ausleben bietet. Der Sportsoziologe Gunter Pilz beschreibt den Fußballsport als ein Ventil für die unterdrückten „wesentliche[n] Triebfedern menschlichen Verhaltens“[2].

Und genau diese Funktion, die der Fußballsport für den Hooligan einnimmt, trennt ihn von anderen Fußballfans, von Begeisterten für den Sport und für einen bestimmten Verein. „Die Hooligans sind oft in informellen Gruppen oder Cliquen, selten in mit Fan-Clubs vergleichbaren, formellen Organisationsformen zusammengeschlossen. Typisch ist eine eher hierarchische Gruppenstruktur, in der sich Führercliquen, meist älterer und erfahrener Hooligans, herausgebildet haben, die den ‚Wertekatalog’ vorgeben (Kraft, Mut, Härte, Durchsetzungsvermögen).[3]

Das Verhältnis der Hooligans zu den Medien ist nicht nur durch Medienberichterstattungen von Seiten der Journalisten bestimmt, wie Polizeirat Andreas Piastowski, Leiter der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze, beschreibt, sondern auch durch die Eigennutzung des Internets als Verabredungsforum, als Präsentationsforum, und als Mittel zur Irreleitung von Medien und Polizei durch gezielte Falschmeldungen.[4]

Männliche Sexualität nimmt nach Beobachtungen von Fanprojekt-Arbeit eine hohe Position ein. Sie äußert sich in „sexuell motivierte Gesänge und Rufe“, die entweder in häufig diskriminierender Form Mädchen und Frauen ansprechen, oder Homophobie erkennen lassen.[5] Charakteristisch für die deutschen Hooligans ist ihre zivile Kleidung mit dem Ziel, für die Polizei als Hooligans nicht identifizierbar zu sein. Die Kleidung ist sehr modebewusst.[6]

Bei den Hooligans verfolgte die Mode den Zweck, sich von der sogenannten Kuttenkultur und ihrem Image als „Asoziale“, abzugrenzen. Die Abspaltung der gewaltbereiten und gewaltsuchenden Fans aus dem Kreis der fußballzentrierten Fans und ihres Kuttenoutfits, entwickelte sich seit Anfang der 80er Jahre. In Anlehnung an englische, gewalttätige Gruppen im Fußballumfeld bezeichneten sie sich als „Hooligans“. Dieser Begriff geht zurück auf eine irische Straßenräuberfamilie des 19. Jahrhunderts in London.[7] Klaus Farin, freier Journalist und Autor des Buches „Die dritte Halbzeit“, stellt, basierend auf Interviews mit Hooligans, einen Bezug zu den „pathologischen Alltagsstrukturen“, „der sinnlosen Autorität des Alltags“, und der Personenkonstellation der Hooliganszene, her.

In der Hooliganszene begegnet man „[...] allen sozialen Schichten und Berufszweigen, sogar Polizisten, Rechtsanwälten, Chirurgen. Hooligans sind weder Aussteiger noch Ausgegrenzte. Sie sind, im Gegenteil, nicht selten äußerst ehrgeizig, ökonomisch denkend, Leistungsträger dieser Gesellschaft.[8] Der Fanbetreuer Jürgen Scheidle spricht aus langjähriger Erfahrung, wenn er berichtet, „[...] dass der größte Teil der Hooligans aus unvollständigen Familien stammt. [...] Die Väter wurden ihrer Vorbildfunktion im Sinne einer positiven männlichen Rollenidentifikation nicht gerecht [...]“[9] Thomas Schneider, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte bei der Deutschen Sportjugend (KOS), thematisiert in seinem Buch Fußballrandale, den Hooligan aus dem Osten.

Danach unterscheiden sich Ost- und Westhooligans kurz nach der Wende optisch durch die Kleidung. Der optische Angleichungsprozess vollzieht sich schnell und hebt Grenzen auf. Was Ost und Westhooligan voneinander trennt, sind ökonomische Unterschiede. Thomas Schneider berichtet aus der Position eines unmittelbaren Beobachters über den hohen Grad an kämpferischer Disziplin und strategischer Gewalt, und zieht als Erklärung die ostdeutsche Sozialisation heran.[10]

Gewalt ist immer in Kontextabhängigkeit zu betrachten, wenn man sich ihr nähern möchte. In diesem Sinne soll nun

(3.) Der Zusammenhang von Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, gesellschaftlich bedingten defizitären Umständen und der Rolle des Fußballsports

differenziert betrachtet werden, wobei zunächst

(3.1.) Der Zusammenhang von Gewalt, gesellschaftlich bedingten defizitären Umständen und der Rolle des Fußballsports

thematisiert wird.

Der Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer, Professor an der pädagogischen Fakultät in Bielefeld, deutet Gewalt als „[...] ein Mittel, um in die Gesellschaft hineinzukommen, indem die Jugendlichen die gesellschaftlichen Durchsetzungspostulate radikalisieren.“[11] Dass, was gesellschaftliche „Anerkennung“ schafft, nämlich „aggressives Durchsetzungsstreben“, wird als Norm übernommen und in überhöhter Form imitiert.[12] Aber der Gewaltausübende wird, da die Qualität und Quantität seiner Gewalt außerhalb des legitimen Rahmen fällt, gesellschaftlich desintegriert.

„[...] Mit zu den Ursachen einer um sich greifenden Desintegration“[13] gehört folglich nach Heitmeyer die gesellschaftliche Legitimation von aggressiven Handlungsmustern. Somit fördert paradoxerweise der Wunsch nach gesellschaftlicher Integration durch radikalisierte Nachahmung gesellschaftlich anerkannter Handlungsmuster, die gesellschaftliche Desintegration. Dieses Modell von Heitmeyer auf das Phänomen „Hooliganismus“ übertragen, würde bedeuten, dass der Fußballsport mit seinen aggressiven Männlichkeitsbestrebungen nach chauvinistischer und patriotischer Manier als Anlehnung an analoge gesellschaftliche Verhältnisse ein gewünschtes Integrationsfeld darstellt, und damit gruppendynamischen Nachahmungsbestrebungen erliegt. Gleichzeitig stellt die Hooligangruppe selbst eine „Integrationsplattform“ dar, weil sich die Mitglieder der Gruppe im wechselseitigen Prozess Anerkennung für ihr aggressives Verhalten liefern. Für Heitmeyer ist der Mangel an Anerkennung der „Schlüssel zum Verständnis jugendlicher Gewalt“[14]. „Individuelle Leistungen“ der Individuen innerhalb eines Raumes, in der „rechtliche Gleichheit und moralische Gleichheit“ gegeben ist, liefern im sozialen Prozess durch wechselseitige Achtung der „individuellen Leistungen“ die Anerkennung, die emotionalen Ausgleich schafft. Hier sind Integrationsbestrebungen erkennbar, die für Heitmeyer einen Indikator für die Konfliktfähigkeit einer Gesellschaft implizieren.

Aber in einer Gesellschaft, in der man nur mühsam mit „aggressivem Durchsetzungsstreben“ Anerkennung erlangen kann, in der „Anerkennung bewusst verknappt“ wird mit der Zielsetzung, diese Verknappung fungiere als hungriger Antrieb für die Fortschrittsdynamik, ist diese Konfliktfähigkeit nicht gegeben. Denn hier avanciert wegen des Mangels an Anerkennung die überhöhte Stärkedemonstration zum Mittel der Anerkennungserheischung.[15]

Der Hooligan nutzt das Fußballumfeld als Präsentationsraum für seine Demonstration von Stärke, auf welche die Polizei mit Gewalt antwortet. Die Folge ist die Kriminalisierung und die damit einhergehende Desintegration des Hooligans. Zugang zu Arbeit, Teilhabe an öffentlichen Debatten und Einbettung in soziale Zugehörigkeiten bezeichnet Heitmeyer als „objektive Ebene“ von Integration. Die „subjektive Ebene“ von Integration bezieht sich auf die Interpretation der „objektiven Ebene“ durch die Individuen, darauf abzielend, dass sie sich ausreichend beachtet, geachtet und anerkannt fühlen.[16]

Nach Heitmeyer ist das Herausfallen aus diesen „objektiven und subjektiven Facetten der Integration“ auch ein Indikator für Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft. Dadurch erfolgt eine Bezugsetzung zwischen den Ursachen von Gewalt und den Ursachen von Fremdenfeindlichkeit, die unter Punkt

(3.2.) Der Zusammenhang von Fremdenfeindlichkeit, gesellschaftlich bedingten defizitären Umständen, und der Rolle des Fußballsports

näher erörtert werden sollen.

Die Zusammenhangssetzung zwischen Desintegration und Fremdenfeindlichkeit ist ein Verweis auf den „deprivationstheoretischen Ansatz [...] „zur Erklärung von Ethnitisierung und Fremdenfeindlichkeit in der Mehrheit“[17]. Ist die „subjektive Ebene“ durch eine „relative Deprivation“, das heißt, durch einen „subjektiv empfundene[n] Grad von Benachteiligung“ gekennzeichnet, festgesetzt nach einem „Vergleichsprozeß mit anderen sozialen Gruppen und der Konstatierung dieser Benachteiligung als unrechtmäßig“[18], so verstärkt sich die „Neigung, soziale Probleme zu ethnitisieren, anderen die Schuld zuzuschreiben“.[19] Drei Bedingungen sind nach Heitmeyer ausschlaggebend für die Erkennung eines Zusammenhangs zwischen Fremdenfeindlichkeit und relativer Deprivation. Reale Konkurrenzsituationen um Arbeit, Wohnraum, Sozialhilfe, Sprache und Geltung, die Option, das Selbstbild trotz sozialer Probleme positiv zu besetzen, und die Kompensation des Anerkennungsmangels von Menschen, die sich als „Verlierer der Leistungsgesellschaft“ sehen, mit Hilfe einer Aufwertung von Merkmalen wie Geschlecht und ethnische Herkunft.[20]

Laut Bundesregierung gibt es, gestützt auf Zahlen der Polizei und des Verfassungsschutzes, Anno 1998 von 2. 245 in der Datei „Gewalttäter Sport“ [Kategorie C] erfassten Personen 123 Personen, die auch als Rechtsextremisten bekannt seien. Dies entspricht einem Anteil von 5, 5 Prozent. Des weiteren gebe es keine Hinweise auf „[...] Hooligan-Gruppierungen, [...] in denen die rechtsextremistische Ideologie die Gruppierung und ihre Aktivitäten prägt [...]“.[21] Sollte man jetzt „Entwarnung“ rufen? Die Antwort lautet „Nein“, denn fremdenfeindliches Potential rekrutiert sich aus Teilen der Mehrheitsgesellschaft, wie der Sportsoziologie Gunter Pilz von der Universität in Hannover, ausführt. Zum einen seien hier die Personen zu finden, die um knappe Güter mit Ausländern konkurrieren, zum anderen seien die sogenannten „Modernisierungsverlierer“ innerhalb der Mehrheitsgesellschaft anzusiedeln.[22] In den neuen Bundesländern rekrutiert sich fremdenfeindliches Potential vermehrt aus den sogenannten „Modernisierungsverlierern“, während sich in den alten Bundesländern eher das Bildungsbürgertum, also Realschüler und Gymnasiasten, junge Menschen in angesehenen Berufen, von fremdenfeindlicher Gesinnung angezogen fühlen. Entsprechend werden laut Pilz beim Herausstülpen von Formen des Rassismus bewusst illegale Ausprägungen ausgesiebt.[23]

Dies impliziert eine Erschwerung der Ahndung von Taten für Rechts und kann als eine Ursache für die niedrigen Zahlen in Erwägung gezogen werden.

Wilhelm Heitmeyer macht ebenso wie der Gunter Pilz auf die Tendenzen der Hoffähigkeit des Rechtsextremismus in der deutschen Politik aufmerksam. Diese verbale Gewalt würden Hooligans und andere Extremisten radikalisieren.[24] Des weiteren kann das Phänomen der Hoffähigkeit rechten Gedankenguts zur Stabilisierung eines Legitimitätsgefühls rechter Akteure beitragen. Gunter Pilz erkennt zwischen dem Anstieg von Rechtsextremismus in Deutschland laut einer Untersuchung von Forsa vom Juni 1998 und der Entwicklung von rechtsextremistischen Tendenzen in der Hooligan und allgemein Fanszene strenge Parallelen, wobei er sich auf Beobachtungen der Sozialarbeiter der Fußball-Fan-Projekte stützt. Pilz weist darauf hin, dass insbesondere Fußballgroßereignisse genutzt würden, um rechtsextremen Einstellungen Ausdruck zu verleihen. Schals sowie Visitenkarten in den Farben der Reichskriegsflagge mit ausländerfeindlichen, nationalistischen Parolen würden verkauft und getragen, Gesänge, dem „Deutschtum“ frönend, würden gesungen, Rufe wie „Hier marschiert der deutsche Widerstand“, und der offen gezeigte Hitlergruß würden zum „Alltagsrepertoire“ innerhalb der Fanszene gehören.[25] Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) weist auf den geschützten Raum hin, der im deutschen Zuschauerumfeld für rechtsgerichtete Personen gegeben ist: „Sie haben das Gefühl, dass sie dort aussprechen können, was sie sonst nicht sagen dürfen und was ganz viele andere denken.“[26] Im Wahlkampf zur Bundestagswahl 1998 verbreiteten die NPD und die Republikaner „[...] ihre Propaganda vor dem Berliner Olympiastadion, dem Sitz von Hertha BSC.“[27] Dies ist ein Beispiel für die Nutzung des Fußballumfeldes durch Parteien und/oder Organisationen zur Rekrutierung rechten Potentials.

Welche Folgerungen hinsichtlich des Handeln gegen Rechts müssen aus dem Vorangegangenen gezogen werden? Eine Schlussfolgerung ist, dass der Fußball als Integrationsplattform für die Rechtsrichtung nicht mehr gelten darf. Die Konsequenz daraus kann eine Ummodellierung des Fußballsports in der Art sein, dass sich rechtsgesinnte Menschen im Fußballraum nicht mehr anerkannt und akzeptiert fühlen.

Zwei Beispiele sollen zur Veranschaulichung von Gesten und Taten gegen Rechts herangezogen werden:

Am 05/06/2001 titelt „Die Welt“: „Mit Schuhcreme gegen rassistische Fußballfans“, und visualisiert mit einem Photo, wie die Spieler des italienischen Fußball-Zweitligisten Treviso mit schwarz gefärbten Gesichtern „Farbe gegen den Rassismus“ bekennen. Anlass war die Verhöhnung des nigerianischen Fußballspielers Akeen Omolade durch die Zuschauer mit Affengeschrei. Trevisos Kapitän Lorenzo Minotti begründet die Aktion folgendermaßen: „Wenn wir das tatenlos hingenommen hätten, wären wir zu Komplizen der Rassisten geworden.“[28]

Am 20/09/1999 werden zwei Berliner Hooligans zu Haftstrafen von jeweils 4 800 bzw. 8 500 DM verurteilt, da sie bei einem Länderspiel in Polen während der Deutschen Nationalhymne den Hitlergruß zeigten. Laut der Berliner Zeitung erhofften sich die Anklagevertreter „[...] von dem Urteil Abschreckung und Signalwirkung [...]“.[29]

Michael Gabriel von der KOS fordert, dass „die Spieler, die Trainer, die Funktionäre [...] sich der öffentlichen Diskussion stellen [sollen], [...] [indem sie] Zeichen setzten: Sich für bessere Behandlung von Ausländern einsetzen, Flüchtlingsheime besuchen, mit den Fans direkt über Rechtsextremismus diskutieren. Das würde weit über Lippenbekenntnisse hinausgehen.“[30]

Die Umsetzung dieser Forderung nach Aktivität von Seiten der „Macher“ des Fußballsports[31] könnte der wachsenden Entfremdung zwischen Fußballfan und Fußballprofi entgegenwirken, und dadurch integrativ, anerkennungsfördernd und damit gewalthemmend wirken.

[...]


[1] Scheidle, Jürgen: Interview mit Axel Nagler und Wolfgang Weckmüller. In:Buderus, Andreas/Dembowski, Gerd/Scheidle, Jürgen (Hg.): Das zerbrochene Fenster. Hools und Nazi-Skins zwischen Gewalt, Repression, Konsumterror und Sozialfeuerwehr. Bonn 2001. S. 64.

[2] Pilz, Gunter A.: Noch mehr Gewalt im Stadion? In: Horak, Roman u.a. (Hg.): Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten. Hamburg 1988. S. 219.

[3] Buderus, Andreas: Abpfiff für Anstoß – Über die Un-Möglichkeit parteilicher Jugendsozialarbeit in der Zange zwischen Merchandising und Innerer Sicherheit. In: Buderus, Andreas/Dembowski, Gerd/Scheidle, Jürgen (Hg.): Das zerbrochene Fenster. Hools und Nazi-Skins zwischen Gewalt, Repression, Konsumterror und Sozialfeuerwehr. Bonn 2001. S. 181.

[4] vgl. http://www.welt.de/daten/2000/05/25/0525sp170071.htx

[5] vgl. Dembowski, Gerd: Zum Fußball als Männersache-Plädoyer für die bewusste Entdeckung der Männlichkeit in jugendlichen Fanszenen. In: Das zerbrochene Fenster. S. 37.

[6] vgl dazu: Interview mit Martin, 25, Schlosser: War `ne reine Outfitsache. In: Farin, Klaus/Hauswald, Harald: Die dritte Halbzeit. Fußballfans und Hooligans. Berlin 1993. S. 53-60.

[7] vgl. Dembowski, Gerd: Zum Fußball als Männersache-Plädoyer für die bewusste Entdeckung der Männlichkeit in jugendlichen Fanszenen. In: Das zerbrochene Fenster. S. 37.

[8] Farin, Klaus/Hauswald, Harald: Die dritte Halbzeit. Fußballfans und Hooligans. Berlin 1993. S. 13.

[9] Scheidle, Jürgen: Streetwork mit Hooligans nach Lens - Aspekte einer persönlichen Reflexion. In: Das zerbrochene Fenster. S. 57.

[10] Gehrmann, Jayin T/Schneider, Thomas: Fußballrandale. Hooligans in Deutschland. 3. erweiterte Neuauflage. Essen 1998. S. 251.

[11] http://www.brandenburg.de/land/mi/polizei//info110/5_96/heitmeye.htm

[12] ebd.

[13] ebd.

[14] http://www.brandenburg.de/land/mi/polizei//info110/5_96/heitmeye.htm

[15] vgl http://www.zeit.de/2000/35/Politik/200035_wilhelm.html

[16] vgl ebd.

[17] Anhut, Reimund/Heitmeyer, Wilhelm: Desintegration, Konflikt und Ethnitisierung. Eine Problemanalyse und theoretische Rahmenkonzeption. In: Anhut, Reimund/Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): Bedrohte Stadtgesellschaft. Soziale Desintegrationsprozesse und ethnisch-kulturelle Konfliktkonstellationen. Weinheim und München 2000. S. 32.

[18] ebd. S. 33.

[19] http://www.zeit.de/2000/35/Politik/200035_wilhelm.html

[20] vgl. Anhut, Reimund/Heitmeyer, Wilhelm: Desintegration, Konflikt und Ethnitisierung. Eine Problemanalyse und theoretische

Rahmenkonzeption. In: Bedrohte Stadtgesellschaft. S. 34.

[21] http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2000/0018404.html

[22] vgl. Anhut, Reimund/Heitmeyer, Wilhelm: Desintegration, Konflikt und Ethnitisierung. Eine Problemanalyse und theoretische Rahmenkonzeption. In: Bedrohte Stadtgesellschaft. S. 33.

[23] vgl. http://erz.uni-hannover.de/ifsw/daten/lit/pil_dev.pdf

[24] vgl http://www.zeit.de/2000/35/Politik/200035_wilhelm.html vgl. http://erz.uni-hannover.de/ifsw/daten/lit/pil_dev.pdf

[25] vgl. ebd. und vgl. auch als Beispiel für rechtes Gedankengut : T-shirts für die EM 2000, zu betrachten unter http://www.acab.de

[26] http://www.abendblatt.de/contents/ha/news/sport/html/170800/2517RECK2.HTM

[27] http://www.parlament_berlin.de/wgr/andere/hools.html

[28] vgl. Die Welt am 05/06/2001. Mit Schuhcreme gegen rassistische Fußballfans. S. 7.

[29] http://www.dir-info.de/nachrichten/infolinks/99/09/990921245bae97.htm

[30] http://www.abendblatt.de/contents/ha/news/sport/html/170800/2517RECK2.HTM

[31] vgl. Beispiele für Aktionen von Fans/Vereinen gegen Rassismus unter : http://www.stadionwelt.de/Fussball_Fans/Fanszene/fanszene.html

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Zum Hooliganismus in der BRD
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Fachbereich Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Hauptstufenseminar: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
28
Katalognummer
V6772
ISBN (eBook)
9783638142717
ISBN (Buch)
9783638639620
Dateigröße
659 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hooliganismus, Hauptstufenseminar, Politischer, Extremismus, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Isabel Ebber (Autor:in), 2001, Zum Hooliganismus in der BRD, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6772

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Zum Hooliganismus in der BRD



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden