Gestaltung von handlungsorientiertem Unterricht - Entwurf einer Unterrichtssequenz zum Planspiel 'Jeansfabrik'


Seminararbeit, 2006

40 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Anhangverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen zur Gestaltung eines handlungsorientierten Unterrichts
2.1 Handeln, Handlung und Handlungskompetenz
2.2 Handeln lehren und Begriffe bilden nach Aebli
2.2.1 Einen Handlungsablauf erarbeiten
2.2.2 Einen Begriff bilden
2.3 Handlungsorientierung und handlungsorientierter Unterricht
2.4 Sequenzierung auf Makro- und Mikroebene
2.4.1 Didaktische Sequenzierungsstrategien
2.4.2 Sequenzierung auf der Makroebene
2.4.3 Sequenzierung auf der Mikroebene

3. Ein Unterrichtsentwurf zum Planspiel Jeansfabrik
3.1 Vorbemerkungen
3.2 Sequenzierung auf der Makroebene
3.3 Sequenzierung auf der Mikroebene

4. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Handlungsorientiertes Lernen

Anhangverzeichnis

Ursprüngliche Makrostruktur für das Planspiel Jeansfabrik

Subnetz zum ökonomischen Räsonieren

Zusammenfassung

Optimierte Makrostruktur für das Planspiel Jeansfabrik

Beispielhafte Inhaltsstruktur des Begriffs „Arbeitsproduktivität“

Evaluationsfragen

Einflussfaktoren der Arbeitsproduktivität

1. Einleitung

„Was Forschungsergebnisse deutlich zeigen, ist, dass der handlungsorientierte Erwerb von Kenntnissen der Verbesserung der Aneignungs- und Behaltensleistung, vor allem aber der Aktivierungsleistung von Wissen in Anwendungssituationen dient, weil eben die Wissens- elemente so in vielfältiger Weise verknüpft werden, dass leichter auf sie zurückgegriffen werden kann. Gerade diese Förderung des zielgerichteten Erinnerns, Auffindens und Nutzens gespeicherter Wissenselemente stellt eines der Hauptargumente für die handlungsorientierte Unterrichtskonzeption dar.“ (Preiß 1995, S. 4). Aber wie sollte handlungsorientierter Unter- richt gestaltet werden? Um diese Frage zu beantworten, ist es erforderlich, in erster Linie das Konzept der Handlungsorientierung näher zu bestimmen. Darüber hinaus ist es notwendig, zunächst zu klären, was unter den Begriffen „Handeln“, „Handlung“ und „Handlungskompe- tenz“ zu verstehen ist. Im Anschluss daran wird der Handlungsbegriff unter Bezugnahme auf Aebli weiter konkretisiert und dargestellt, wie seiner Auffassung nach Handeln sinnvoll ge- lehrt werden sollte, wobei dies offensichtlich als Vorläufer des heutigen Verständnisses von handlungsorientiertem Unterricht betrachtet werden kann. Im darauf folgenden Abschnitt wird die didaktische Begriffsbildung nach Aebli skizziert, welche mit der Erarbeitung von Handlungsabläufen einhergeht und gleichzeitig die Vorlage für eine handlungsorientierte Sequenzierung von Lerngegenständen auf der Mikroebene für diese Arbeit bildet. Danach wird das Konzept der Handlungsorientierung abgegrenzt und zugleich Kriterien festgelegt, wie Unterricht gestaltet sein sollte, um handlungsorientiertes Lernen zu fördern. Dabei wird auf das Modell von Peter Preiß (1995) zurückgegriffen, welches eine denkbare Abfolge mög- licher Methoden eines handlungsorientierten Lernprozesses darstellt. Didaktische Konzeptio- nen unter makro- und mikrosequenziellen Aspekten werden im darauf folgendem Abschnitt unter Bezugnahme auf Achtenhagen et. al. (1992) vorgestellt und abschließend festegelegt, welche Sequenzierungsstrategien für einen handlungsorientierten Unterricht in Frage kom- men.

Basierend auf diesen theoretischen Grundlagen einer handlungsorientierten Unterrichtsgestal- tung wird anschließend eine Unterrichtssequenz bezogen auf die Durchführung des Planspiels „Jeansfabrik“ für eine 11. Klasse des Wirtschaftsgymnasiums vorgeschlagen und diese so- wohl aus makro-, als auch aus mikrosequentiellen Aspekten betrachtet. In Bezug auf die Makrosequenz werden die Sequenzierungsstrategie und die Einbettung in den Gesamtunter- richt dargelegt. Ebenso wird die Strategie der Mikrosequenzierung demonstriert und am Beispiel der „Arbeitsproduktivität“ veranschaulicht, wie Begriffe didaktisch sinnvoll erarbei- tet werden sollten. Dabei wird auf die theoretischen Darstellungen der Begriffsbildung nach Aebli Bezug genommen.

2. Theoretische Grundlagen zur Gestaltung eines handlungsorientierten Unterrichts

2.1 Handeln, Handlung und Handlungskompetenz

Nach der Handlungstheorie von Aebli entwickeln sich Wissen und Denken aus dem prakti- schen Handeln und dem Wahrnehmen heraus und müssen sich umgekehrt in diesen auch wieder bewähren. Handeln und Denken sind also nicht ihrem Wesen nach verschieden, son- dern wirken zusammen (vgl. Aebli 1993). Menschliches Handeln ist zielgerichtet, geplant und bewusst, erfolgt erwartungsgesteuert und wird in seinem Ablauf kognitiv reguliert. Es stellt eine Interaktion von Individuen mit ihrer Umwelt dar. Personen handeln, um wahrgenomme- ne Situationen, die von ihnen als unbefriedigend beurteilt werden, gezielt zu verändern. Eine Handlung schlägt sich immer in einem wahrnehmbaren Ergebnis nieder und wird hierar- chisch-sequenziell organisiert, d. h. der Zielzustand sowie seine dazu erforderlichen Zwi- schenziele und ihre Abfolge bestehen als gedankliches Abbild im Kopf des Agierenden. Diese Sequenzen werden dann schrittweise nacheinander realisiert. Nach Tramm und Rebmann enthält eine vollständige Handlung folgende kognitive Phasen: Situationswahrnehmung und Situationsbewertung, Zielbildung, Suche nach Handlungsalternativen, Bewertung der Alterna- tiven und Entscheidung, Handlungsentschluss, sowie Regulation der Handlungsausführung - sie bilden gemeinsam einen ganzheitlichen Handlungszyklus. Dabei soll zwischenzeitlich eine Überprüfung der eingeleiteten Schritte hinsichtlich ihrer Zieladäquanz erfolgen. Am Ende einer Handlung wird das Ergebnis hinsichtlich der Zielerreichung bewertet. Und was bedeutet dann Handlungskompetenz vor diesem Hintergrund? Sie umfasst die Fähigkeit, situationsan- gepasst, d. h. immer wieder neue Handlungen hervorzubringen, sie also zu planen, auszufüh- ren und zu kontrollieren. Wichtige zentrale Komponenten dieser Kompetenz sind zum einen die Fähigkeit zu einer angemessenen internen Repräsentation von Handlungssituationen und Zusammenhängen, wobei diese innere Abbildung sowohl vollständig, komplex und differen- ziert, als auch klar und strukturiert sein sollte; und zum anderen die Fähigkeit, eine Handlung konkret zu planen und auszuführen, also eine Situation in Hinblick auf eine neue zielgerichtet und schrittweise zu verändern, was jedoch das Bewusstsein einer Soll-Ist-Diskrepanz voraus- setzt (vgl. Tramm/Rebmann 1992, S. 237ff.).

2.2 Handeln lehren und Begriffe bilden nach Aebli

Handlungen können nicht als Ganzes aus dem Gedächtnis abgerufen und genauso wenig „fertig“ erlernt werden. Sie müssen in ihrem inneren Aufbau verstanden worden sein. Wie kann dann vor diesem Hintergrund „Handeln“ sinnvoll gelehrt werden? Um dies zu beantwor- ten, wird im Folgenden zunächst auf zwei Grundformen des Lehrens nach Aebli - „Erarbei- tung eines Handlungsablaufs“ und „Bildung eines Begriffs“ - eingegangen, welche sich beide nach der Struktur des Unterrichtsgegenstandes und der Lerninhalte definieren. Da begriffliches Denken aus dem Handeln hervorgeht, sollte dies auch im Unterricht berücksichtigt werden. D. h. also, zunächst ein Handlungsablauf zu erarbeiten und darauf aufbauend Begriffe zu bilden (vgl. Aebli 1994, S. 23f.).

2.2.1 Einen Handlungsablauf erarbeiten

Innerhalb von menschlichen Handlungen unterscheidet man Handlungsfolgen und Hand- lungsschemata. Handlungsfolgen werden bei neuen Tätigkeiten schrittweise entworfen. Dabei ist der gesamte Ablauf der Handlung neu. Handlungsschemata sind Handlungselemente, welche im Handlungswissen des Agierenden gespeichert sind und sich zu Handlungsfolgen zusammensetzen lassen. Sie stellen also ein Repertoire an fertigen Handlungsabläufen dar. Es lassen sich daher drei wesentliche Eigenschaften festlegen: 1. Handlungsschemata sind als Ganze gespeichert, was bedeutet, dass ihr Ablauf gelernt und somit „fertig“ abrufbar ist; 2. sind sie dadurch wiederholbar, d. h. mit Hilfe des Gedächtnisses reproduzierbar, und 3. sind Handlungsschemata übertragbar, da sie eine invariante Struktur besitzen, aber dennoch kei- nen starren Ablauf darstellen. Gelerntes Können kann somit auf neue Aufgaben und Situatio- nen transferiert werden. Handlungsschemata sind immer auf ein Handlungsziel ausgerichtet und jede dazu erforderliche Teilhandlung trägt stückweise zur Zielerreichung bei, indem es Voraussetzung für den nächsten Schritt ist. Wichtig dabei ist, dass dem Agierenden die Struk- tur seines Handelns klar ist. Er muss also verstehen und wissen, zu welchem Zweck die ein- zelnen Schritte eines Handlungsablaufes eingesetzt werden, warum sie zur Erreichung der Teilziele führen und wie sie zusammenwirken (vgl. Aebli 1994, S. 181ff.).

Handeln lehren

Wie können Schüler dieses „Repertoire an Handlungsabläufen“ und somit Handlungsschemata erwerben? Wie kann also Handeln sinnvoll gelehrt und verstandenes Handlungswissen wirkungsvoll aufgebaut werden? Nach Aebli erfordert dies folgende Schritte:

1. Das Problem stellen, welches zum zielorientierten Denken anregt: Die Problemstellung sollte klar, lebendig und in Begriffen formuliert sein, gegebenenfalls durch Materialien unterstützt werden sowie an Erfahrungen und Vorwissen der Schüler anknüpfen.

2. Die Handlung planen und durchführen, wobei die Planung aus folgenden Phasen besteht:

(1) soll die Zielvorstellung geklärt, begründet und gerechtfertigt, (2) die Ausgangslage beur- teilt, (3) einzelne Lösungsschritte bestimmt und (4) der Plan als Ganzes überschaut und beur- teilt werden. Im Anschluss daran erfolgt die Durchführung der Handlung. Hier erfolgt die Problemlösung und Erkenntniserarbeitung von den Schülern relativ selbständig. Der Lehrende hält sich dabei größtenteils mit seinem Wissen zurück und lenkt die Schülerarbeit angemessen. Hierfür ist es wichtig, dass er sich komplett in den auszuführenden Handlungen auskennt und diese vorher selbst von mehreren Seiten durchdacht und ausprobiert hat.

3. Die Handlung verinnerlichen bzw. eine Handlungsvorstellung entwickeln: In der ersten Stufe der Verinnerlichung sollen alle Handlungen gedanklich rekapituliert werden, d. h. es erfolgt eine Arbeitsrückschau. In der zweiten Stufe soll die Handlung nur noch auf Basis einer bildlichen Darstellung vorgestellt werden und in der letzten Stufe soll die Handlung aus der reinen Vorstellung wiedergegeben werden. Der Schüler verfügt nun mit diesem Schritt über verstandenes Handlungswissen (vgl. Aebli 1994, S. 195ff.).

2.2.2 Einen Begriff bilden

Wenn Handlungsschemata erarbeitet und Handlungsfolgen durchdacht und kommuniziert werden - was letztendlich nötig ist, um eine Handlung zu verinnerlichen - geht dies automa- tisch auch mit der Bildung von Begriffen einher. Sie sind das theoretische Gegenstück zu Handlungsschemata und nicht nur Inhalte des menschlichen Verstandes, sondern Instrumente mit deren Hilfe wir arbeiten und Einheiten, mit denen wir denken. Die Struktur des Begriffs ist, wie die der Handlungsschemata, hierarchisch und zielorientiert. Auch Handlungen und Operationen können Begriffe sein. Der Aufbau von Handlungsschemata stellt eine Besonder- heit der Begriffsbildung dar. Welche Aufgabe hat die Bildung von Begriffen? Nach Aebli spielt sie eine wichtige Rolle auf dem Weg der Strukturierung. Begriffsbildung dient dazu, Gefüge von Beziehungen innerhalb von Handlungen zu objektivieren und diese in eine quasi- gegenständliche Form zu überführen. Strukturen sind dadurch auf neue Situationen übertrag- bar, da sie aus ihrem Kontext gelöst werden (vgl. Aebli 1993, S. 23). Der Aufbau bzw. die Bildung eines Begriffs erfolgt über Verknüpfung, Induktion und Abstraktion. Es werden schrittweise Begriffe und Tatsachen aus dem Vorwissen der Schüler einbezogen, um neues Wissen, neue Merkmale und Begriffe angereichert und verknüpft. Somit werden kognitive Strukturen und vorhandene Kenntnisse ausgebaut und erweitert. Das resultierende Wissen ist vernetzt und es bildet sich ein Wissenskomplex, da Zusammenhänge erworben werden. Zur Begriffsbildung dient der Begriffsinhalt, welcher aus einem Netz von Beziehungen zwischen Merkmalen besteht. Der Begriffsumfang stellt die Menge aller Fälle dar, auf die der gegebene Begriffsinhalt passt und auf die der Begriff anwendbar ist. Die Abgrenzung des Begriffsinhal- tes und seine vergegenständlichte Benennung erfolgt mit dem Begriffsnamen (vgl. Aebli 1994, S. 245ff.).

Die didaktische Durchführung der Begriffsbildung

Laut Aebli müssen Begriffe gebildet, durchgearbeitet und angewendet werden, damit sie sich im Gedächtnis der Schüler geistig verankern. Folgendes Vorgehen empfiehlt sich daher:

1. Vorab sollte eine didaktische Analyse vorgenommen, d. h. diejenigen Begriffe identifiziert werden, die im zu vermittelnden Stoff vorkommen. Umgekehrt muss zu einem gegebenen Begriff jener Stoff gefunden werden, der ihn anschaulicher und klarer macht. Dies wird konkret auf die jeweilige Klasse bezogen, also auf Vorwissen, Erfahrungen und Leistungsvermögen der Schüler (vgl. dazu näher Klafki zitiert in Aebli 1994, S. 262ff.).

2. Wichtig zu beachten ist, dass Begriffsinhalte netzartig im menschlichen Wissen gespeichert sind und Begriffe Netze von Sachzusammenhängen darstellen. Daher ist es vorteilhaft, wenn sich der Lehrende zunächst ein Begriffsnetz erstellt, welches die Zusammenhänge des zu vermittelnden Stoffes veranschaulicht. Wobei das Netzwerk nicht unbedingt in dieser Form den Schülern zur Verfügung gestellt werden muss. Es dient hauptsächlich dazu, dass sich der Lehrer gut in die Materie hineindenken und sich sicherer fühlen kann, er sich mit den Zu- sammenhängen des relevanten Stoffs auskennt und somit besser auf die Reaktionen der Schü- ler eingehen und ihre Wissensaneignung zu diesem Thema sinnvoll lenken kann. Weiterhin sollte gegebenenfalls an bereits existierende Vorbegriffe aus Wissen oder Erfahrungen der Schüler angeknüpft werden, welche wesentliche Beziehungen zum aufzubauenden Begriff aufweisen. Oder - an Stelle der Vorbegriffe - eine Problemstellung, welche die zu konstruie- rende Struktur voraus nimmt (vgl. Aebli 1994, S. 265f.).

3. Der Aufbau des Begriffsinhaltes kann also entweder problemlösend oder erklärend erfol- gen. Beim Erklären ist der Lehrende tätig, d. h. er vollzieht den gesamten Aufbau während die Schüler seine Ausführungen nachvollziehen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Mehrheit der Klasse der Konstruktion nicht folgen kann - unbemerkt vom Lehrer. Daher ist es vorteil- haft, wenn der Aufbau in Teilschritte aufgelöst und jeder Schritt als Teilproblem gestellt wird, der von den Schülern ausgeführt werden muss. Dieses Vorgehen erhöht die Aufmerksamkeit und macht Verständnisprobleme sichtbarer. Wichtige Aufbauschritte müssen vom Lehrenden mehrmals variiert ausgedrückt oder durch Schüler formuliert und mit Hilfe von anschließen- den Verständniskontrollen gesichert werden. Der Lehrer muss Teilergebnisse ausdrücklich festhalten, damit sie sich bei den Schülern einprägen. Sie können auch von mehreren Seiten beleuchtet und abschließend unter einem prägnanten Teilbegriff zusammengefasst werden. Um den Netzcharakter zu verdeutlichen, ist es sinnvoll, die Begriffselemente fortlaufend netzartig an der Tafel, oder mittels Overhead Projektor festzuhalten. Am Schluss wird auf die einzelnen Aufbauschritte zurückgeblickt und diese sich bewusst eingeprägt. Ziel ist es hier, das System der Beziehungen eines Begriffsinhaltes als Gesamtheit zu überblicken und den Begriff in neuen Situationen anwenden zu können (vgl. Aebli 1994, S. 266ff.).

4. Die innere Struktur eines Begriffs muss also beweglich und somit anpassungsfähig sein, damit er anwendbar wird. Die Schüler müssen in der Lage sein, Zusammenhänge in neuen Situationen wieder zu erkennen. Um dies zu fördern, sollte der Begriff durchgearbeitet und demzufolge das Beziehungsnetz eines Begriffsinhaltes in verschiedenen Richtungen durchlaufen beziehungsweise von unterschiedlichen Gesichtspunkten aus betrachtet werden. Dadurch können die Schüler die Beziehungen innerhalb des Begriffs klarer und wesentliche Zusammenhänge besser erfassen. Das erworbene Wissen ist nun vernetzt und nicht mehr an einen bestimmten Kontext gebunden, wodurch die Beweglichkeit von Denken und Handeln zunimmt. Gleichzeitig wird den Schülern eine gewisse Orientierung und Hilfestellung bei Handlungen auf den Weg gegeben (vgl. Aebli 1994, S. 269f.).

5. Schülern muss Gelegenheit gegeben werden, erworbenes Wissen bzw. Begriffe anzuwenden. Dafür ist es also nötig, dass der Lehrende „… die Welt und die Lebenssituationen, in die seine Schüler eintreten werden, zeitlebens studiert und sich dazu die erforderlichen Kontakte schafft, und … an diesen Einsichten ständig das Repertoire der Begriffe und Gesichtspunkte misst, das er seinen Schülern vermittelt.“ (Aebli 1994, S. 272f.).

2.3 Handlungsorientierung und handlungsorientierter Unterricht

Handlungsorientierter Unterricht sollte handlungsorientiertes Lernen fördern und nach obigen Ausführungen u. a. ein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, welche die Schüler zur Bewältigung bei späteren praktischen Problemen einsetzen und mit deren Hilfe sie immer wieder neue Handlungen generieren können. D. h., handlungsorientierter Unterricht ist auf den Erwerb von Handlungskompetenz (vgl. oben) ausgerichtet. Dabei ist Handlungsorientierung keineswegs eine Unterrichtsmethode, sondern vielmehr eine umfas- sende curriculare Leitidee im Hinblick auf Unterricht und Lernen. Sie bezieht sich auf die Zielebene des Unterrichts und auf die Auswahl, Strukturierung und Sequenzierung von Lern- inhalten. Handlungsorientierung hat Konsequenzen für die Art der strukturellen und medialen Präsentation der Lerngegenstände, für die Art der Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten der Lernenden und für das Rollenverständnis von Lehrern und Schülern. Um die Intention konkret zu formulieren: Handlungsorientierter Unterricht hat nicht primär nur die Wissens- vermittlung zum Ziel, sondern in erster Linie die Förderung von Kompetenzen und Werthal- tungen. Schüler müssen die Möglichkeit haben, bereits in der Schule authentische Erfahrun- gen in Umgang mit komplexen Sachverhalten (bspw. im Rahmen von Planspielen) zu sam- meln, in denen Planung, Durchführung und Kontrolle enthalten sind. Lerngegenständen bzw.

Lerninhalte sollten aus dem Handlungskontext heraus vermittelt werden und daher einen Bezug zur Handlung aufweisen, anschaulich dargestellt werden, gleichzeitig aber auch in praktischen Handlungs- und Problemzusammenhängen stehen. In Bezug auf die Lerngegens- tände ist weiterhin zu beachten, dass diese nicht isoliert in den Unterricht integriert werden dürfen, sondern immer wieder Bezug auf sie genommen werden sollte, um eine gewisse Kontinuität herzustellen. Handlungsorientierter Unterricht verfolgt die Absicht, dass Lernen durch Handeln eintritt, theoretisches Wissen dabei aber nicht vernachlässigt, sondern voraus- gesetzt wird, um auf das Handeln vorzubereiten. Eine kritische, interaktive Reflexion über das Handeln ist unbedingt erforderlich, damit Handlungen verinnerlicht werden. Grundsätzlich steht fest, dass ein lehrerzentrierter Unterricht nur dort angebracht ist, wo er sich sinnvoll in das didaktische Konzept der Handlungsorientierung einfügt. Lehrer müssen sich in ihrer Rolle als Wissensvermittler zurücknehmen, denn die Schüler sollen primär zur Selbsttätigkeit ange- leitet werden. Es wird also deutlich, dass hier auch Ansätze der obigen Ausführungen zu Aeblis Vorstellungen, wie Handeln im Unterricht sinnvoll gelehrt werden sollte, wieder zu finden sind (vgl. z.B. Aebli, 1994; Achtenhagen 1995, S. 383ff.; Tramm/Rebmann 1992, S. 235ff.; Kaiser/Kaminski 1999, S. 86ff.). Weiterhin zeichnet sich Handlungsorientierung durch die vielfältige Nutzung von geeigneten Unterrichtsmethoden aus. Eine denkbare Abfolge möglicher Methoden eines handlungsorientierten Lernprozesses schlägt Preiß vor (vgl. Preiß 1995, S. 3):

Abbildung 1: Handlungsorientiertes Lernen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Preiß 1995, S. 3 - erweitert)

Am Anfang des Lernprozesses (1) steht eine problemhaltige Lernsituation mit überschaubarer Komplexität, welche die Schüler zum Handeln anregen soll. Um den Lernprozess optimal zu stützen, sollte die Problemsituation so konzipiert sein, dass sie die Bedeutung der Lerninhalte klar werden lässt und für die Schüler objektiv und subjektiv bedeutsam werden (vgl. Preiß 1992, S. 61). Weiterhin ist es angebracht, dass die komplexe Problemstellung an das Vorwis- sen und den Erfahrungen der Lernenden anknüpft. Da sie noch nicht über alle Fertigkeiten und Kenntnisse zur Lösung des Problems verfügen, stellt die Situation eine leichte Überforde- rung für die Schüler dar, wodurch sie jedoch gleichzeitig motiviert werden. Wichtig ist aber auch, dass neben Kognition und Motivation, auch die Emotionen der Schüler angesprochen werden und diese drei Komponenten in einem Gleichgewicht zu einander optimal lernförder- lich wirken. Die erste Phase kann zum Beispiel durch ein Planspiel realisiert werden. Wichtig ist, dass die Schüler das „Problem“ relativ selbständig lösen, d. h. der Lehrende darf lediglich Hilfestellung geben. Daran schließt sich eine abstrahierend-systematisierende Phase (2) an, in welcher über begriffliche Reflexion und Systematisierung fachliches und überfachliches Wissen, aber auch Problemlöseheuristiken und Lernstrategien erarbeitet wird. Hier hat nun der fragend-entwickelnde Unterricht seinen begründeten Stellenwert. Da jedoch Kenntnisse und Fertigkeiten noch stark an die Lernsituation gebunden und nicht gefestigt sind, wird in der darauf folgenden Phase (3) dem Üben, Wiederholen und Anwenden eine große Bedeutung beigemessen. In dieser Re- bzw. Dekontextualisierungsphase wird die Ausgangslernsituation gemäß dem Leistungspotential der Schüler verändert. Dabei ist deduktives und analoges Denken gefordert.

2.4 Sequenzierung auf Makro- und Mikroebene

2.4.1 Didaktische Sequenzierungsstrategien

Unter Sequenzierung versteht man bezogen auf die Curriculumentwicklung „…eine vorberei- tende Organisation des Unterrichtsprozesse zum Zwecke der Verbesserung des Lernens“ (Eigenmann zitiert in Achtenhagen et. al. 1992, S. 86). Über diesen Prozess soll sichergestellt werden, dass Lernbereiche nicht verbindungslos unterrichtet, sondern Strukturen erkannt werden. Achtenhagen et. al. sind der Meinung: „’Handlungsorientierung’ muss sich in stim- miger Weise sowohl auf die Zielebene (die Qualifikationen) als auch auf die Makrosequenzen (Lehrplanebene) und Mikrosequenzen (die Lehr-Lern-Prozesse) beziehen lassen.“ (Achtenha- gen et. al. 1992, S. 15). Wie sollte eine didaktische Sequenzierung vor dem Hintergrund der Handlungsorientierung erfolgen? Achtenhagen et. al. unterscheiden zwischen induktiven und deduktiven Vorgehen, sowie ganzheitlich-analytischen und elementhaft-synthetischen Ver- fahren. Zur näheren Bestimmung dieser didaktischen Konzepte und um daraus abzuleiten, wie eine Sequenzierung gestaltet werden sollte, müssen zunächst Funktion und Charakter von Abstraktion und Komplexion im Lernprozess näher betrachtet werden: Nach Dörner sind Wissensstrukturen in zwei Dimensionen, genauer in Komplexions- und Abstraktionshierar- chien aufgebaut, in denen Elemente zu Ganzheiten (Komplexionen) oder zu Klassen (Abs- traktionen) zusammengefasst werden. Komplexionen werden dabei als Gebilde verstanden, die sich aus Teilen zusammensetzen. Sowohl Handlungen, als auch Sachverhalte stellen solche „Gebilde“ dar. Beim Prozess der Komplexion muss also ein Übergang vom Elementa- ren zum Komplexen erfolgen. Im Abstraktionsprozess wird einerseits die Anzahl der Exemp- lare erweitert, welche dem abstrakten Begriff unterzuordnen sind; und andererseits die Anzahl konstitutiver Merkmale verringert, jedoch nur soweit, wie es dem Handlungs- und Erkennt- nissinteresse entspricht. Abstraktionen sind also nur dann sinnvoll, wenn sie wiederum in Komplexionszusammenhängen eingebunden sind (vgl. Dörner zitiert in Achtenhagen et. al. 1992, S. 93f.). Wie bereits in 2.2.2 erläutert, kann ein Begriff u. a. durch Abstraktion gebildet werden. Beim Abstrahieren erfolgt ein Übergang vom Konkreten zum Abstrakten. Demzufol- ge ist es möglich, Handlungserfahrungen aus ihrem Kontext zu lösen, Regelhaftigkeiten sowie Invarianzen zu erkennen und sie dadurch auf neue, veränderte Situationen übertragen zu können. Letztlich erlaubt die begriffliche Abstraktion, Handlungsschemata zu erarbeiten, sie zu reflektieren und zu kommunizieren. Begriffe stellen also Beziehungen in Komplexions- und Abstraktionshierarchien her. Es besteht folglich ein Zusammenhang von Komplexion und Abstraktion, den Achtenhagen et. al. wie folgt formulieren: Werden elementare, konkrete Begriffe oder Handlungselemente in Komplexionshierarchien integriert erhalten sie ihren Sinn- und Funktionsbezug in Handlungszusammenhängen, d. h., es werden Beziehungen zwischen Elementen hergestellt. Erfolgt eine Einbettung konkreter Erscheinungen in Abstrak- tionshierarchien so werden sie übertragbar und generalisierbar. Je abstrakter ein Begriff bzw. ein Begriffsinhalt ist, desto weniger konstitutive Merkmale enthält er. Auf höheren Abstrakti- onsebenen ist es dadurch leichter, komplexe Zusammenhänge zu erfassen, da die Kernstruktur des Begriffs auf wenige Schemata reduziert wird. Abstraktion ist also insofern bedeutsam, als dass sie die Übertragung und Anwendung bekannter Schemata auf neue, unbekannte Situatio- nen ermöglicht (vgl. Achtenhagen et. al. 1992, S. 98f.; Aebli 1994).

Mit diesen Aussagen lassen sich die oben genannten didaktischen Konzepte nach der Art der Veränderung kognitiver Strukturen bzw. nach der Bewegung in Abstraktions- und Komplexi- onshierarchien charakterisieren: Beim elementhaft-synthetischen Verfahren werden Komple- xionen gebildet, im Gegensatz zum ganzheitlich-analytischen, bei dem eine Komplexionszer- legung stattfindet. Beide Verfahren können sowohl auf abstrakter, als auch auf konkreter Ebene ablaufen. Beim induktiven Vorgehen werden Abstrakta gebildet. Hier wird vom Kon- kreten auf das Allgemeine geschlossen. Und Umgekehrt erfolgt beim deduktiven Vorgehen ein Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere, d. h., Abstrakta werden zerlegt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Gestaltung von handlungsorientiertem Unterricht - Entwurf einer Unterrichtssequenz zum Planspiel 'Jeansfabrik'
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Wirtschaftspädagogik)
Veranstaltung
Komplexe Lehr- Lern- Arrangements
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
40
Katalognummer
V67647
ISBN (eBook)
9783638604352
ISBN (Buch)
9783638672221
Dateigröße
953 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Gestaltung, Unterricht, Entwurf, Unterrichtssequenz, Planspiel, Jeansfabrik, Komplexe, Lehr-, Lern-, Arrangements
Arbeit zitieren
Janina Kahle (Autor:in), 2006, Gestaltung von handlungsorientiertem Unterricht - Entwurf einer Unterrichtssequenz zum Planspiel 'Jeansfabrik', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67647

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