Modelle risikoadjustierter Pipelinebewertung bei Pharma- und Biotechunternehmen

Darstellung und Evaluierung


Masterarbeit, 2004

76 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

FORMELVERZEICHNIS

1 PROBLEMSTELLUNG, ZIELSETZUNG UND AUFBAU DER ARBEIT

2 BEWERTUNGSRELEVANTE CHARAKTERISTIKA BEI FORSCHENDEN ARZNEIMITTELENTWICKLERN
2.1 GRUNDLEGENDE ÜBERLEGUNGEN UND ÜBERBLICK
2.2 WERTSCHÖPFUNG
2.3 FORSCHUNG & ENTWICKLUNG (F&E)
2.3.1 Entwicklungspipeline
2.3.2 Präklinische Phase
2.3.3 Klinische Phase I
2.3.4 Klinische Phase II
2.3.5 Klinische Phase III
2.3.6 Zulassung
2.3.7 Klinische Phase IV
2.3.8 Zusammenfassung
2.4 PARTNERSCHAFTEN UND STRATEGISCHE ALLIANZEN
2.5 PATENTE
2.6 RISIKOBETRACHTUNG

3 BEWERTUNGSVERFAHREN UND -METHODEN
3.1 GRUNDLEGENDE ÜBERLEGUNGEN UND ÜBERBLICK
3.2 FUNDAMENTALE BEWERTUNGSVERFAHREN
3.2.1 Überblick
3.2.2 Grundlagen der Discounted Cashflow-Methode
3.2.3 Berechnung der Free Cashflows
3.2.4 Berechnung der durchschnittlich gewichteten Kapitalkosten (WACC)
3.2.5 Berechnung des fundamentalen Wertes des Eigenkapitals
3.2.6 Anwendungsgrenzen der Discounted-Cashflow-Methode
3.3 RPV-PIPELINEBEWERTUNG
3.3.1 Grundlagen
3.3.2 Fallstudie zur rPV-Pipelinebewertung
3.3.2.1 Überblick
3.3.2.2 Kosten
3.3.2.3 Risiko
3.3.2.4 Zeit
3.3.2.5 rPV

4 DAS DZ BANK RPV-PIPELINEMODELL
4.1 KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN UND ÜBERBLICK
4.2 ALLGEMEINE INPUTFAKTOREN
4.3 INPUTFAKTOREN WÄHREND DER KLINISCHEN PHASEN
4.3.1 Kosten
4.3.2 Zeit
4.3.3 Risiko / Ausfallwahrscheinlichkeiten
4.4 INPUTFAKTOREN NACH MARKTEINFÜHRUNG
4.4.1 Peak-SalesCR / Marktmodell
4.4.2 Produktions- und Vertriebskosten
4.5 GESTALTUNG UND INHALT DER ERGEBNISSE
4.6 MÖGLICHKEITEN DER EVALUIERUNG
4.6.1 Backtesting
4.6.2 Sensitivitätsanalyse
4.6.3 Vergleich verschiedener Pipelinemodelle
4.6.3.1 Überblick
4.6.3.2 Marktorientierte Vergleichsverfahren
4.6.3.3 rPV-Modelle
4.6.3.4 Sonstige Modelle
4.6.3.5 Zusammenfassung

5 ZUSAMMENFASSUNG UND KRITISCHE WÜRDIGUNG

ANHANG
(1) MARKTORIENTIERTE BEWERTUNGSVERFAHREN
(2) REALOPTIONSBEWERTUNG
(3) MONTE CARLO SIMULATION
(4) PARAMETER FÜR ARZNEIMITTELENTWICKLER
(5) RISIKOADJUSTIERUNG
(6) NPV UND PV
(7) CHART VON ALTANA

GLOSSAR

LITERATURVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wertschöpfungskette eines forschenden Arzneimittelherstellers

Abbildung 2: Verfahren der Unternehmensbewertung im Überblick

Abbildung 3: Elemente des DCF-Verfahrens

Abbildung 4: Plan-GuV nach dem Umsatzkostenverfahren und indirekte Berechnung des Free Cashflow

Abbildung 5: Berechnung des FCF (1)

Abbildung 6: Berechnung des FCF (2)

Abbildung 7: Berechnung des WACC

Abbildung 8: Berechnung der Eigenkapitalkosten

Abbildung 9: Einflussfaktoren der durchschnittlich gewichteten Kapitalkosten

Abbildung 10: Gesamtkosten von Moanix

Abbildung 11: rPV-Entwicklung

Abbildung 12: Risikoadjustierter Wert von Moanix

Abbildung 13: Berechnung des PV

Abbildung 14: Risikoadjustierter Barwert (rPV) von Moanix

Abbildung 15: Vergleich Cashflow, PV und rPV

Abbildung 16: Umsatzentwicklung im DZ BANK rPV-Pipelinemodell

Abbildung 17: Einfluss verschiedener Parameter auf die Ausfallwahrscheinlichkeiten ..

Abbildung 18: Marktmodell - Ermittlung der Peak-SalesCR

Abbildung 19: Marktentwicklung

Abbildung 20: Upside- bzw. Downsidepotential

Abbildung 21: Downsidepotential und Kursreaktion

Abbildung 22: Cost of Capital (WACC)

Abbildung 23: Berechnung des Multiplikators

Abbildung 24: Berechnung des Gesamtunternehmenswertes

Abbildung 25: Parameter für Arzneimittelentwickler

Abbildung 26: Risikoadjustierung

Abbildung 27: Beispiel zur Risikoadjustierung

Abbildung 28: NPV und PV

Abbildung 29: Altana Chart

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Auswirkungen auf die Bewertung durch spezielle Charakteristika und Risiken

Tabelle 2: Bewertungsmethoden im Vergleich

Tabelle 3: Inputfaktoren während der klinischen Phasen

Tabelle 4: Dauer der klinischen Phase III (in Monaten)

Tabelle 5: Inputfaktoren nach der Markteinführung

Tabelle 6: Kurzübersicht über die aktivierten Produkte in der klinischen Entwicklung

Tabelle 7: Veränderung der rPV’s und der Marktkapitalisierung nach Newsflows

Tabelle 8: Sensitivitätsanalyse des WACC

Tabelle 9: WACC-Vergleich anhand des Wertes der Produktentwicklungen

Tabelle 10: Vergleich verschiedener Pipelinemodelle

Tabelle 11: Werttreiber von Finanz- und Realoptionen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

„ Ohne Medikamente w Äre die Geschichte der Medizin eine Kurzgeschichte. Innovative Arzneimittel waren und sind Meilensteine des therapeutischen Fortschritts. Aber l Ängst sind nicht alle Krankheiten besiegt. Von den 30.000 Krankheiten, die die Medizin heute kennt, können Ärzte erst ein Drittel angemessen behandeln. In vielen F Ällen bringt die Therapie Linderung, aber noch keine Heilung “ (VFA, 2004).

Gesundheit als immer wichtiger werdender wirtschaftlicher Faktor, vorherrschende gesellschaftliche Trends wie z.B. ein steigendes Gesundheitsbewusstsein, aber auch die demografische Entwicklung in den industrialisierten Ländern und das pharmazeutische Nachholpotential der aufstrebenden Schwellenländer lassen auch in Zukunft einen steigenden Medikamentenbedarf erwarten (vgl. Wagner (2000), S. 65f.).

Medikamentenentwicklung als Teilbereich der Life-Science-Industrie kann damit ohne Zweifel als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts angesehen werden. Trotz globalem Wirtschaftsabschwung wurde hier 2003 weltweit ein gegenüber dem Vorjahr um 9 % gesteigerter Umsatz von geschätzten 466 Milliarden USD erzielt (IMS Health, 2004). Da der Medikamentenentwicklungs-Prozess sehr zeitaufwendig, kostenintensiv und mit hohem Risiko behaftet ist, besteht für Analysten bei der Bewertung dieser Unternehmen die Herausforderung in der Unsicherheit der Abschätzung zukünftiger Umsätze und Gewinne. Die Phase vom Forschungsdurchbruch bis zur erfolgreichen Markteinführung von Substan- zen oder Verfahren dauert ca. 10 bis 15 Jahre und ist durch relativ geringe (oder keine) Umsätze sowie enorm hohe Aufwendungen und Investitionen gekennzeichnet. Während der Forschungs- und Entwicklungsphase besteht die Wertgrundlage der Unternehmen somit überwiegend aus immateriellen Vermögensgegenständen wie wissenschaftlichem Know- how des vorhandenen Humankapitals sowie aus Patenten und Daten aus klinischen Studien (vgl. Bähr (2000), S. 60).

Für Pharma- und Biotechunternehmen gibt es somit mehrere bewertungsrelevante Besonderheiten, denen traditionelle Methoden der Unternehmensbewertung nicht ausreichend gerecht werden. Um qualitativ und quantitativ exakter bewerten zu können, müssen Analysten dazu übergehen, einen Methoden-Mix anzuwenden und den Focus bei der Bewertung von Arzneimittelentwicklern auf die vermarkteten Arzneimittel und den zentralen Bereich der Forschung und Entwicklung (F&E) zu legen. Die Medikamenten-Pipeline eines Unternehmens umfasst die Gesamtheit der sich in der Forschung und Entwicklung befindlichen Produkte und stellt neben eventuell bereits vermarkteten Produkten das größte Kapital forschender Arzneimittelentwickler dar.

Um den Wert der Produktpipeline und ihren tatsächlichen Beitrag zum Unternehmenswert zuverlässig, schnell und korrekt zu ermitteln, bedarf es umfangreichem, fachspezifischem Wissen und einem Instrument, das die Besonderheiten von Wirkstoffen und Medikamenten in der Forschungs- und Entwicklungsphase (Kosten, Zeit und Risiko) berücksichtigt - einem risikoadjustierten Pipelinemodell.

Ziel dieser Arbeit ist es, am Beispiel des DZ BANK rPV-Pipelinemodells die Idee und Funktionsweise der risikoadjustierten Pipelinebewertung vorzustellen und hinsichtlich ihrer Eignung als Instrument zur Bewertung von Pharma- und Biotechunternehmen zu beurteilen. Es soll verdeutlicht werden, dass nicht allein die reine Berechnung von Zahlenmaterial, sondern ebenso umfangreiche fachspezifische Kenntnisse der Unternehmen und ihrer individuellen Umweltfaktoren die Voraussetzung für eine realistische Bewertung bilden. Die Arbeit wird veranschaulichen, dass viele traditionelle Methoden als mathematische Bewertungsgrundlage auch weiterhin von hohem Nutzen sind, durch Pipelinebewertungsmodelle aber ein leistungsfähiges Instrument zur Seite gestellt bekommen, mit dem branchenspezifische Besonderheiten korrekt erfasst werden können.

Nach einer Einführung in die Thematik werden bewertungsrelevante Charakteristika der forschenden Arzneimittelhersteller erläutert. Der Bereich der Forschung und Entwicklung stellt den Kernbereich für die Bewertung von Pipelines dar, weshalb dieser Bereich ausführlicher dargestellt wird. Eine Betrachtung der wichtigsten Risikofaktoren während der Phase der Wertschöpfung schließt dieses Kapitel ab.

Der dritte Abschnitt verschafft einen Kurzüberblick über traditionelle Modelle zur Unter- nehmensbewertung. Die Vorgehensweise bei der Discounted Cashflow-Bewertung (DCF) wird detailliert betrachtet, denn sie bildet die mathematische Grundlage der risikoadjustier- ten Present Value (rPV)-Pipelinebewertung. Eine etwas ausführlichere Erläuterung der marktorientierten Modelle sowie der Realoptionstheorie im Hinblick auf ihre Eignung zur Bewertung von Arzneimittelentwicklern befindet sich im Anhang dieser Arbeit. Wie die für Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen bewertungsrelevanten Parameter Kosten, Zeit und Risiko analysiert und quantifiziert werden, wird im Kernteil dieses Abschnitts - der risikoadjustierten Pipelinebewertung - vorgestellt. Dabei wird anhand eines Fallbei- spiels die grundlegende Vorgehensweise bei der Bewertung eines Medikamentes im For- schungs- und Entwicklungsstadium skizziert.

Im nächsten Abschnitt wird das rPV-Pipelinebewertungsmodell der DZ BANK vorgestellt, welches Medikamentenentwicklungen in jeder klinischen Phase mittels einer risikoadjus- tierten dynamischen Barwertkalkulation bewertet. Das Ziel dieses Modells ist die Ermitt- lung des fairen Wertes einer Produktpipeline sowie die Erhöhung der Visibilität des Werts von Produktentwicklungen. Dieses Kapitel schliesst mit drei Validierungs-Möglichkeiten: der Backtestingmethode, der Sensitivitätsanalyse und dem Vergleich mit anderen Pipeli- nemodellen.

Das fünfte Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick auf künftige Entwicklungen.

2 Bewertungsrelevante Charakteristika bei forschenden Arzneimittelentwicklern

2.1 Grundlegende Überlegungen und Überblick

Die Herstellung von Arzneimitteln kann nach der Art ihrer Entwicklung in zwei Bereiche unterteilt werden. Zurzeit dominiert bei der Produktion von Medikamenten in der Pharma- branche noch die klassische Chemie (NCE - New Chemical Entities1 ). Doch die mittels biotechnischer Verfahrensweisen2 entdeckten und erzeugten Pharmazeutika der Biotechu- ternehmen spielen zunehmend eine bedeutendere Rolle (vgl. Wagner (2000), S. 44). Wäh- rend die chemisch-pharmazeutische Industrie auf eine 150-jährige Geschichte der Arznei- mittelherstellung zurückblicken kann - als Beispiel seien Antibiotika (z.B. Bactrim®), Psychopharmaka (z.B. Valium®) und Schmerzmittel (z.B. Aspirin®) genannt, - ist die bio- pharmazeutische Industrie erst in den letzten 20 Jahren aus einer Pionierwissenschaft zu einer vollwertigen und dynamischen Industrie herangewachsen (vgl. Wagner (2000), S.72). Laut des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller wird der Marktanteil gentechnisch hergestellter Arzneimittel weiter wachsen und in wenigen Jahren wird kein Medikament mehr auf den Markt kommen, an dessen Erforschung, Entwicklung oder Produktion die Gentechnik nicht mit beteiligt gewesen sein wird (vgl. Yzer (2000), S. 45).

Um das ökonomische Potential aus Produkten und Technologien richtig quantifizieren zu können, ist eine qualitative Beurteilung des Unternehmens und seiner Umwelt unerlässlich. Besonders bei den jungen Biotechnologie-Unternehmen ist eine qualitative Analyse wich- tig, da valide Zahlen und Prognosen häufig fehlen. So weisen laut Bloomberg-Datenbank nur ca. 10 % der ca. 500 an der NASDAQ gelisteten Biotechunternehmen Kennzahlen aus, die für traditionelle Bewertungsmethoden genutzt werden können. Diese müssen deshalb um eine individuelle risikoadäquate Betrachtungsweise des Gesamtprozesses von der Ent- deckung eines Wirkstoffes bis zum pharmazeutischen Produkt ergänzt werden (vgl. Gar- be/Menhart/Schreiber (2002), S. 123).

Der Prozess von der Erforschung und Entwicklung bis zur möglichen Vermarktung eines Medikamentes wird in dieser Arbeit als Wertschöpfung bezeichnet und im nächsten Kapitel vorgestellt. Die wichtigsten bewertungsrelevanten qualitativen Kriterien während der Wert- schöpfung stellen die F&E-Phase, eingegangene Partnerschaften und strategische Allianzen sowie Patente dar, auf die in den Kapiteln 2.3 bis 2.5 näher eingegangen wird. Die regulatorischen Besonderheiten und das gesetzliche Umfeld der Arzneimittelentwickler werden nicht näher vorgestellt, jedoch müssen sie insbesondere bei den BiotechnologieUnternehmen ebenfalls kritisch betrachtet werden. Laut einer Studie von Ernst & Young sind neben den bereits genannten Punkten ebenfalls die Plausibilität des Geschäftsmodells, die Qualität des Managements und des Humankapitals, eine Markt- bzw. Konkurrenzanalyse sowie der Innovationsgrad der Forschungsobjekte für die Bewertung von Bedeutung (vgl. Ernst & Young (2002b), S. 75). Abschließend werden in Kapitel 2.6 alle qualitativen Faktoren einer kurzen Risikobetrachtung unterzogen.

2.2 Wertschöpfung

Die Grundlage der Wertschöpfung in einem Unternehmen bildet die Transformation von Ressourcen (z.B. physische Arbeitskraft und menschlicher Intellekt) zu einer Ware oder Dienstleistung, mit der durch Eigenverwendung oder Verkauf ein Wert geschaffen werden kann (vgl. Popovic (2003), S. 120ff.). Die Kernkompetenz der forschenden Arzneimittel- entwickler ist die Erforschung und Entwicklung von Verfahren zur Entdeckung von Wirk- stoffen und die Herstellung von Arzneimitteln. Sie unterscheiden sich von anderen Unter- nehmen besonders in Bezug auf den speziellen zweiteiligen Lebenszyklus ihrer Produkte (F&E und Vermarktung) (vgl. PwC (2000), S. 3). Der durchschnittliche F&E-Zeitraum für Arzneimittel liegt zwischen 10 und 15 Jahren, in denen mit dem zu entwickelnden Wirk- stoff keinerlei Gewinn erzielt werden kann. Das damit verbundene Risiko wird besonders deutlich, wenn man sich überlegt, dass im Schnitt nur ein einziger von anfänglich 5000 untersuchten Wirkstoffen vom ersten frühen Stadium die Testphase am Menschen erreicht (vgl. PwC (2000), S. 2). Zur Marktreife gelangt dann wiederum nur eines von fünf Medi- kamenten (ebenda). Der Grund hierfür liegt in den strengen gesetzlichen Auflagen hinsicht- lich der erforderlichen Tests auf Verträglichkeit und Wirksamkeit (vgl. Wagner (2000), S.48). Erreicht eine Medikament die gesetzliche Zulassung, so sichert dem Unternehmen ein im Vorfeld eingereichtes Patent auf das entsprechende Target3 ein exklusives Vermark- tungsrecht von 20 Jahren4 (vgl. Fritz (2003), S. 103) (vgl. Abb.1, S. 6).

Abbildung 1: Wertschöpfungskette eines forschenden Arzneimittelherstellers

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Modifiziert übernommen aus VFA (1996); PwC (2000)

Dies macht deutlich, dass eine enorme Schwierigkeit darin besteht, ein forschendes Arzneimittelunternehmen mit einer möglicherweise noch unbekannten Technologie hinsichtlich seines Produktpotentials richtig einzuschätzen.

2.3 Forschung & Entwicklung (F&E)

2.3.1 Entwicklungspipeline

Für die Bewertung von Pharma- und Biotechunternehmen ist es wichtig, das Potential der zu erwartenden Umsätze und Erträge richtig abzuschätzen. Der wichtigste qualitative Fak- tor dafür ist die Produkt-Pipeline. Wesentliche Kennzahlen stellen die Anzahl und das Ent- wicklungsstadium der Medikamente in der Pipeline eines Unternehmens dar (vgl. Frei/Leleux (2004), S. 1049). Ein Unternehmen mit nur einem Medikament in einem frü- hen Entwicklungsstadium hat ein ungleich höheres Ausfallrisiko zu tragen als ein Unter- nehmen mit einer gut diversifizierten Produktpalette (vgl. PwC (2000), S. 3). Um aus einer viel versprechenden Pipeline heraus einen kommerziellen Erfolg zu erzielen, ist es ebenso von Bedeutung, dass die Substanz ein relevantes Alleinstellungsmerkmal besitzt (Unique- Selling-Proposition). Außerdem müssen der Kundennutzen und das Marktpotential richtig eingeschätzt werden. In der F&E-Phase wiederum spielt die Verfügbarkeit und die Qualität der eingesetzten Technologien eine wichtige Rolle (vgl Garbe/Menhart/Schreiber (2000) S.124). Das dem Unternehmen zu Verfügung stehende Humankapital, die an der Forschung beteiligten Forscher, ist ebenso von Bedeutung (ebenda). Um das Fehlen wirtschaftlich relevanter Daten auf Gesamtunternehmensebene auszugleichen, wurde das DZ BANK rPV-Pipelinemodell auf die Beurteilung und Quantifizierung der qualitativen Kriterien und auf die Bewertung der einzelnen Produkte in der Pipeline und ihrer zukünftigen Entwick- lung ausgelegt.

Wie in Abbildung 1 (S. 6) grafisch dargestellt, verläuft die Entwicklung eines Medi- kamentes nach einem einheitlichen Schema. Ausgangspunkt der Medikamentenentwick- lung ist die Wirkstoffforschung. Bevor ein Wirkstoff endgültig in die Entwicklung geht, wird nach potentiellen Medikamentenzielen (Targets) gesucht, an denen ein Therapeu- tikum ansetzen kann (Screening). Ist ein potentielles Target identifiziert, wird es auf seine Funktion bei der Entstehung einer Krankheit hin untersucht (vgl. Sal Oppenheim (2002), S.20). Anschließend wird über geeignete Experimente aus den Zielmolekülen eines Targets diejenige Leitstruktur herausgesucht und optimiert, der die beste Wirkung zugetraut wird (Lead Identification und Lead Optimization) (ebenda). Im Falle einer erfolgreichen Vali- dierung und damit Feststellung der Tauglichkeit eines Targets als Zielstruktur, beginnt die Suche nach neuen molekularen Wirkstoffen, die eigentliche Wirkstoffentwicklung (vgl. Robbins-Roth (2000), S. 122). Dabei treten für die Unternehmen zahlreiche Hindernisse auf, die es während der auf drei Phasen5 ausgelegten klinischen Tests während der Ent- wicklung zu überwinden gilt. Bevor die präklinische Phase beginnen kann, sind im Schnitt bereits 2 bis 5 Jahre vergangen.6

2.3.2 Präklinische Phase

In der präklinischen Phase steht die Frage des Gefährdungspotentials der Wirkstoffe im Vordergrund. Dazu müssen die pharmakologischen Wirkstoffe Tests und Prüfungen über- stehen, die bis zu 4 Jahre dauern können6. Diese beinhalten Versuche an Zellkulturen und isolierten tierischen Organen, zumeist ergänzt durch umfangreiche chemische Untersu- chungen (vgl. Bengs (2000), S. 352). Als eminent wichtig für den weiteren erfolgreichen Verlauf sind die Untersuchungen auf toxikologische Verträglichkeit (Tests auf Giftigkeit) einzustufen, welche Gefährdungen der Patienten in den folgenden Studien ausschließen sollen (vgl. Wagner (2000), S. 72f.). Bevor die ersten Tests am Menschen durchgeführt werden können, ist die Zulassung des Wirkstoffs (Investigational New Drug - IND - in den USA bzw. Clinical Trial Extemption - CTX - in Europa) für die klinischen Phasen zu beantragen (vgl. Robbins-Roth (2000), S. 122).

2.3.3 Klinische Phase I

In der klinischen Phase I wird erstmals mit Tests am Menschen begonnen. An einer geringen Anzahl gesunder freiwilliger Probanden (i.d.R. 10 bis 100) wird die Verträglichkeit eines Wirkstoffes untersucht, wobei Nebenwirkungen sowie Wechselwirkungen mit dem menschlichen Immunsystem fokussiert betrachtet werden (vgl. Wagner (2000), S. 73). Außerdem werden die Dosierungsspannbreiten untersucht, wie z.B. die Ermittlung der maximal verträglichen Konzentration des Wirkstoffes (vgl. Bengs (2000), S. 352). Die klinische Phase I dauert ca. 1 bis 2 Jahre (vgl. Fußnote 6, S. 7). Bei einem positivem Verlauf und erfolgreicher Beurteilung durch die FDA (Food and Drug Administration, USA) bzw. EMEA (European Medicines Evaluation Agency, Europa) kann anschließend die zweite klinische Phase begonnen werden (vgl. Bains (2000), S. 136).

2.3.4 Klinische Phase II

Im Mittelpunkt stehen hier die Untersuchungen zur Dosierung und Wirksamkeit. Diese finden an einem ausgewählten, relativ homogenen Patientenkollektiv ohne weitere Begleiterkrankungen statt (i.d.R. 50 bis 500) (vgl. Bengs (2000) S. 352). Der Wirkstoff wird auf Nebenwirkungen und Wirksamkeit für eine bestimmte Indikation getestet (vgl. Robbins Roth (2000), S. 122). Die Dauer dieser Phase beläuft sich auf ca. 2 Jahre (vgl. Fußnote 6, S.7).

2.3.5 Klinische Phase III

Für die dritte klinische Phase steigen die Anforderungen, die in einem umfangreichen Kri- terienkatalog festgehalten sind, immens (vgl. Wagner (2000), S. 73). Das primäre Ziel ist es, einen signifikanten Zusammenhang zwischen Wirksamkeit und Sicherheit des Wirk- stoffes im Vergleich zu einem Placebo zu erhalten. An bis zu 5000 erkrankten Personen werden doppelblinde Untersuchungen durchgeführt (vgl. Bains (2000), S. 137). Dies be- deutet, dass weder die Testpopulation noch die Ärzte wissen, welcher Patient ein Placebo und welcher den zu erprobenden Wirkstoff erhalten hat Diese Vorgehensweise soll eine psychische Beeinflussung aller Beteiligten ausschließen (ebenda). Die Unbedenklichkeit des geplanten Medikamentes, selbst nach längerer Anwendung, sowie Neben- und Wech- selwirkungen mit anderen Stoffen werden detailliert protokolliert (vgl. Wagner (2000), S. 73). Ebenfalls von Bedeutung ist der therapeutische Nutzen, der im Vergleich mit anderen schon am Markt verfügbaren Standardpräparaten statistisch zuverlässig nachgewiesen wer- den muss (ebenda). Die klinische Phase III ist auf Grund der großen Patientenzahl und den entsprechenden Behandlungen, Tests und Auswertungen die kostspieligste Phase und dau- ert ca. 2 bis 4 Jahre (vgl. Fußnote 6, S. 7)

2.3.6 Zulassung

Die Marktzulassung kann erst nach erfolgreichem Abschluss der klinischen Studien bean- tragt werden. Dies geschieht für Europa bei der EMEA und für die USA bei der FDA (vgl. Wagner (2000), S. 73). Bei positiver Beurteilung dieses Antrags nur durch die FDA steht dem jeweiligen Unternehmen bereits der riesige Medikamentenmarkt USA, mit mehr als 40 % Anteil am gesamten Weltmarkt, offen (ebenda, S. 74).

2.3.7 Klinische Phase IV

Im Anschluss an die Zulassung durchlaufen manche Medikamente eine vierte Phase, in der Langzeituntersuchungen an bis zu 10.000 Patienten durchgeführt werden. Dabei sollen bisher nicht erkannte Risiken und Wechselwirkungen (z.B. mit Nahrungsmitteln) aufgedeckt werden, die auch im Nachhinein zum Entzug der Zulassung des Arzneimittels führen können (vgl. Bengs (2000), S. 353).

2.3.8 Zusammenfassung

Für die Neuentwicklung eines Medikamentes von der Entdeckung bis zur Marktreife fallen im Schnitt 500 Mio. USD an. Rechnet man die Ausgaben für Fehlentwicklungen mit ein, so kann von Investitionen bis zu einer Milliarde USD ausgegangen werden (vgl. Wagner (2000), S. 73). Laut Garnier, CEO von GlaxoSmithKline, können außerdem nur mit drei von zehn zugelassenen verschreibungspflichtigen Medikamenten die F&E-Investitionen amortisiert werden (vgl. Ernst & Young (2002a), S. 32). Kalkuliert man beispielsweise bei einem Medikament (bei einer Patentrestlaufzeit von 8 Jahren) mit einem jährlichen Umsatz von 100 Mio. USD, würde eine Verzögerung der Markteinführung um ein Jahr eine enorme Auswirkung auf den derzeitigen Barwert haben, denn die Alleinvermarktung des Medikamentes ist dann nur noch 7 Jahre patentrechtlich geschützt.

Bei diesen Größenordnungen wird das hohe Risiko deutlich, welchem sich die forschenden Unternehmen hinsichtlich der zu tragenden Investitionen aussetzen und welches bei der Bewertung unbedingt in Betracht gezogen werden sollte. Um dem komplizierten Erprobungs- und Zulassungsprozess Rechnung zu tragen, werden im DZ BANK rPVPipelinemodell für jedes Medikament in jeder klinischen Phase spezifische indikationsbezogene Annahmen getroffen, um eine individuelle risikoadjustierte Bewertung auf Produktebene gewährleisten zu können.

2.4 Partnerschaften und strategische Allianzen

Die F&E Phase ist für forschende Arzneimittelentwickler die entscheidende, denn in ihr werden Patente eingereicht, strategische Partnerschaften geschlossen und der Grundstein für eine erfolgreiche Vermarktung gelegt. In keiner anderen Branche sind strategische Partnerschaften so wichtig für den Erfolg eines Produkts wie bei den Pharma- und Biote- chunternehmen. Viele kleine kapitalschwächere Produktentwickler, hauptsächlich junge Biotechunternehmen, sind wegen der hohen F&E-Kosten auf die Zusammenarbeit mit Pharmakonzernen und deren finanzielle Unterstützung angewiesen. Die Verbindungen rei- chen von Technologie-, Produkt- und Marketing-Kooperationen über Lizenzen bis hin zu Akquisitionen (vgl. Hofelich (2003), S. 13). Für die kapitalschwächeren Unternehmen kommt außerdem erschwerend hinzu, dass aufgrund der weltweit verlangsamten wirt- schaftlichen Konjunktur ein schwieriges Investorenumfeld herrscht und umfangreiche Fi- nanzierungsmöglichkeiten (z.B. über Fördergelder, Private Equity, Venture Capital oder Initial Public Offerning (IPO)) nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen (vgl. Böhm/Schühsler (2003), S. 16ff.).

Die Umsatzquellen differieren je nach Phase, in der sich ein Wirkstoff befindet. Eine Mög- lichkeit Umsätze zu generieren, ohne Produkte am Markt zu haben, besteht in der Auftrags- forschung, bei der die kleinen Unternehmen Forschungsverträge mit Pharmagiganten oder mit Forschungsinstituten bzw. Universitäten abschließen. Dabei werden bei Erreichen von bestimmten (Forschungs-) Zielvereinbarungen Down-, Upfront- und Milestone Payments, gezahlt (vgl. Garbe/Menhart/Schreiber (2000), S. 125). Für fertige Produkte oder Techno- logien können Erträge in Form von Licensing Fees (Lizenzgebühren für Patente) und Royalities (Lizenzzahlungen, die an den Produktumsatz gekoppelt sind) oder durch Eigen- vermarktung generiert werden (ebenda). Eine erfolgreiche Markteinführung sowie eine schnelle Kommunikation und Penetration im Absatzmarkt ist ein kritischer Erfolgsfaktor. Kooperations-, Lizenz- oder Vertriebsverträge bieten erhebliche Entwicklungschancen, aber auch Risiken und müssen bei der Bewertung von forschenden Arzneimittelherstellern unbedingt mit einbezogen werden. So ist einer langfristig angelegten Kooperation zwischen einem Pharma- und einem Biotechunternehmen ein deutlich höherer Wert beizumessen, als einem kurzfristigen Dienstleistungsvertrag, der kaum Planungssicherheit bietet.

2.5 Patente

Die pharmazeutische Forschungs- und Entwicklungstätigkeit ist mit hohen Investitionskos- ten verbunden, weshalb eine grundlegende und breit angelegte Absicherung des Know- hows zwingend notwendig ist (vgl. Garbe/Menhart/Schreiber (2000), S. 126). Ein in einem frühen Entwicklungsstadium eingereichtes Patent verleiht dem Inhaber ein 20-jähriges Al- leinvermarktungsrecht für ein entsprechendes Wirkstoffverfahren (ebenda) (vgl. Fußnote 4, S. 5). Es verbietet zum einen die Benutzung der geschützten Technologie durch Dritte und eröffnet zum anderen die Möglichkeit, das patentierte technische Wissen in zukünftige Umsatzströme (z.B. über Lizenzverträge) umzusetzen (vgl. Fritz (2003), S. 102f.). Sowohl eigene Patente als auch Patente von Konkurrenten oder Patentstreitigkeiten (z.B. Schaden- ersatzforderungen) können erhebliche Auswirkungen auf den zu erwartenden Umsatz ha- ben. Nach Ablauf des Patentschutzes können die Margen empfindlich schrumpfen, bzw. komplett wegfallen, da Generikahersteller mit nachempfundenen wirkstoffgleichen Pro- dukten in den Markt drängen. Da ihnen wesentlich geringere F&E-Kosten entstehen, kön- nen sie die forschenden Arzneimittelhersteller mit sehr niedrigen Preisen teilweise oder sogar komplett vom Markt verdrängen. Aus diesem Grund wird im DZ BANK rPV- Pipelinemodell ein Umsatzeinbruch auf null für das Ende der Produktlebenszeit direkt nach dem Patentablauf angenommen.

2.6 Risikobetrachtung

Die besonderen Charakteristika der Arzneimittelentwickler und die speziellen Risiken, denen sie ausgesetzt sind, wurden in Kapitel 2.2 bis 2.5 vorgestellt und werden in Tabelle 1 noch einmal zusammengefasst (vgl. Tab. 1, S. 12).

Tabelle 1: Auswirkungen auf die Bewertung durch spezielle Charakteristika und Risiken

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass einige Risikofaktoren einen bedeutenden Einfluss auf die Herstellung von Medikamenten haben. Die unternehmensinternen (technischen) Risiken entstehen aufgrund der zeitaufwendigen und kostenintensiven Forschungs- und Entwicklungsphase und werden durch externe Einflüsse, wie Marktrisiken (Absatz-, Be- schaffungs- und Arbeitsmarkt), Finanzrisiken (Geld- und Kapitalmarkt) sowie gesetzliche Risiken (Patentgesetzgebung) noch ergänzt (vgl. Garbe/Menhart/Schreiber (2000), S. 124). Eine unerwartet positive oder negative Nachricht in der Entwicklungsphase kann einen großen Einfluss auf den Wert eines Projektes, des Unternehmens und, bei börsennotierten Unternehmen, gravierende Auswirkungen auf den Aktienkurs haben. Ebenso können lang- wierige und unvorhersehbare Patentstreitigkeiten, Pressemitteilungen von Unternehmen mit Konkurrenzprodukten sowie die Ankündigung einer neuen oder die Kündigung einer bestehenden Zusammenarbeit mit einem finanzstarken Partner den Aktienkurs empfindlich beeinflussen.

3 Bewertungsverfahren und -methoden

3.1 Grundlegende Überlegungen und Überblick

Die wesentlichen Anforderungen an eine Unternehmensbewertung sind die Zukunftsbezo- genheit, die Nutzenbewertung, die Chancen- und Risikobewertung und der Investorenbe- zug (vgl. Peemöller (Hrsg.) (2001), S. 3). Die Vielzahl der existierenden Bewertungsanläs- se unterscheiden sich oft lediglich in Detailfragen (vgl. Wullenkord (2000), S. 522). Des- halb ist der Bewertungszweck - für diese Arbeit das Ziel der permanenten Bestimmung des fundamentalen Unternehmenswertes (Aktienresearch) - für die Auswahl des jeweils adä- quaten Bewertungsverfahrens von Bedeutung (ebenda). In der Literatur sind die bekannten Instrumente der Unternehmensbewertung verschiedenartig klassifiziert. So unterscheidet Häcker anhand der verschiedenen Phasen im Produktlebenszyklus die Early-Stage- Verfahren, die marktorientierten und die finanzmathematischen Verfahren (vgl. Häcker (2000), S. 527f.). Bratic/Tilton/Balakrishnan (PwC) favorisieren eine Differenzierung zwi- schen der Discounted Cashflow-Analyse (DCF-Analyse), der Monte Carlo Simulation und den Optionspreismodellen, wobei Uneinigkeit herrscht, ob die beiden letzten Modelle eher als Ergänzung zu einer quantitativen Bewertung oder als jeweils eigenständiger Ansatz angesehen werden können (vgl. PwC (2000), S. 4). Für die vorliegende Arbeit wird die Unterscheidung in fundamentale und marktorientierte Bewertungsverfahren sowie das Ver- fahren der Realoptionen verwendet (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Verfahren der Unternehmensbewertung im Überblick

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Modifiziert übernommen aus Mandl/Rabel (1997), S. 30

Fundamentale und marktorientierte Verfahren zählen zu den sog. Gesamtbewertungsver- fahren, da sie den Unternehmensgesamtwert aus der Perspektive des Investors auf Basis der ihm zufließenden Zahlungsströmen (in Form von Dividenden, Erträgen, Cashflows und Übergewinnen) ermitteln (vgl. Mandl/Rabel (1997), S. 30). Da für die Pipelinebewertung in erster Linie die Verfahren der fundamentalen Bewertung von Bedeutung sind, werden diese im nächsten Kapitel genauer vorgestellt. Die risikoadjustierte Pipelinebewertung als Verfahren zur Prognose von produktspezifischen Cashflows wird im Kapitel 3.3 einer in- tensiven Analyse unterzogen. Um einen besseren Überblick über die Funktionsweise bzw. ihre Probleme bei der Bewertung von Arzneimittelentwicklern zu erhalten, ist im Anhang eine kurze Darstellung der marktorientierten Verfahren (Anhang 1) sowie des Realoptions- verfahrens (Anhang 2) zu finden. Abschließend fasst Tabelle 2 (S. 29) die Vor- und Nachteile der Bewertungsverfahren zusammen.

3.2 Fundamentale Bewertungsverfahren

3.2.1 Überblick

Die Fundamentalanalyse geht davon aus, dass der faire Wert eines Unternehmens sowie sein Aktienkurs von fundamentalen7, finanzwirtschaftlichen Größen (z.B. Cashflows, Risikoprofilen, Wachstumsperspektiven) beeinflusst wird (vgl. Franke/Hax (1994), S. 395ff.). Fundamentale Bewertungsverfahren basieren auf der Analyse sämtlicher wertbestimmender Daten und nutzen hierzu die Branchen-, Bilanz- und Investmentanalyse (ebenda). Ziel dieser Verfahren ist es, den inneren Wert eines Unternehmens zu ermitteln, welcher sich aus der Summe der Barwerte aller Cashflows eines Unternehmens ergibt. Diese werden von internen und externen Faktoren beeinflusst und finden Niederschlag in Dividenden, Erträgen und Cashflows (vgl. Popovic (2003), S. 173f.).

Wie in Abbildung 2 (S. 13) veranschaulicht, können vier Fundamentalverfahren unter- schieden werden. Beim Dividendendiskontierungsverfahren (Dividend Discount Model - DDM) entspricht der innere Wert einer Aktie dem Barwert aller Auszahlungen (z.B. Divi- dendenausschüttungen) an den Investor, die mit einem an das Risiko angepassten Diskon- tierungssatz abgezinst werden (vgl. Damodaran (1996), S. 191). Das Ertragsdiskontie- rungsverfahren baut auf dem Zukunftserfolgswertverfahren auf und zielt auf die Berech- nung des Eigenkapitals aus Sicht des Investors ab (vgl. Hayn (2000), S. 94). Dabei steht nicht die Substanz (d.h. die Vermögensgegenstände) des Unternehmens im Vordergrund, sondern der finanzielle Nutzen, den das Unternehmen dem Investor stiften kann (vgl. Pee- möller/Kunowski (2001), S.204). Beide Verfahren berechnen den fundamentalen Unter- nehmenswert aus dem Blickwinkel von Investition und Finanzierung, während das Übergewinnverfahren die buchhalterische Perspektive wählt und den Unternehmenswert ausgehend vom Buchwert des Eigenkapitals berechnet (vgl. Popovic (2003), S. 174f.).

3.2.2 Grundlagen der Discounted Cashflow-Methode

International am weitesten verbreitet sind die DCF-Verfahren, die zum Ziel haben, den Marktwert des Eigenkapitals - analog zur Ermittlung des Wertes einer Investition - zu be- rechnen (vgl. Ernst/Schneider/Thielen (2003), S. 9). Den Wert des Unternehmens stellen dabei die zum Bewertungszeitpunkt abgezinsten, zukünftig zu erwartenden Cashflows dar (ebenda). Sie stehen dabei als Synonym für den in Zukunft erwarteten Nutzen, den das Un- ternehmen seinen Kapitalgebern stiftet (ebenda). Es lassen sich drei alternativ anwendbare DCF-Verfahren differenzieren:

- Equity-Methode,
-Adjusted Present Value-Methode (APV-Methode) und
- Entity-Methode (WACC-Ansatz).

Unterschiede zwischen den drei Varianten bestehen hinsichtlich der Definition der zu dis- kontierenden Cashflows, der anzuwendenden Diskontierungssätze sowie der Berücksichti- gung von Änderungen der Kapitalstruktur im Zeitablauf (vgl. Baetge/Kümmel/Niemeyer (2003), S. 266ff.).

Die Equity-Methode ähnelt in der Vorgehensweise dem Ertragswertverfahren und berechnet den Marktwert des Eigenkapitals (Equity) direkt aus den dem Eigentümer zukünftig zufließenden Cashflows, die mit den Eigenkapitalkosten des Unternehmens abgezinst werden (vgl. Drukarczyk (1996), S. 176f.).

Die APV-Methode berechnet den Unternehmenswert komponentenweise auf Basis des Wertadditivitätsprinzips (vgl. Hayn (2000), S. 207). Im ersten Schritt wird der Marktwert des Gesamtkapitals unter der Fiktion der vollständigen Eigenfinanzierung des Unternehmens ermittelt (vgl. Ernst/Schneider/Thielen (2003), S. 10). Anschließend wird die Auswirkung einer Fremdfinanzierung auf den Unternehmenswert, die maßgeblich aus dem Tax Shield8 des Fremdkapitals resultiert, berücksichtigt (ebenda).

Die Entity-Methode berechnet den Unternehmensgesamtwert als Einheit (entity). Der erste Schritt besteht in der Ermittlung der Cashflows unter der Annahme einer reinen Eigenkapi- talfinanzierung (vgl. Drukarczyk (1996), S. 145). Anschließend werden diese mit einem gewogenen Mischzinssatz aus Eigen- und Fremdkapitalkosten diskontiert (vgl. Ernst/Schneider/Thielen (2003), S. 10). Um zum Wert des Eigenkapitals zu gelangen, ist vom Unternehmensgesamtwert noch der Marktwert des verzinslichen Fremdkapitals abzuziehen (ebenda). Die Entity-Methode ist sowohl in der amerikanischen Literatur als auch in der Bewertungspraxis das dominierende DCF-Verfahren und steht daher bei der Vorgehensweise der DCF-Bewertung in den folgenden Kapiteln im Vordergrund.

Die Prognose der zukünftigen Cashflows ist von entscheidender Bedeutung bei der DCFAnalyse. Mit Hilfe des Shareholder Value-Netzwerkes von Rappaport können wesentliche Werttreiber9 für den periodischen Cashflow und ihre Auswirkungen auf den Unternehmenswert identifiziert werden (vgl. Rappaport (1995), S. 54ff.):

- Voraussichtliche Dauer der Wertsteigerung (Value Growth Duration),
-Umsatzwachstum,
-Operative Gewinnmarge,
-Ertragssteuern sowie
-Investitionen in das Umlauf- und Anlagevermögen.

Die zukünftige Entwicklung der einzelnen Werttreiber findet Niederschlag in den unter- schiedlichen Bestandteilen des externen Rechnungswesens (z.B. Prognose-GuV, Prognose- Bilanz), der Investitionsrechnung (Investitionsrechnung i.e.S., Cashflow-Rechnung) und einigen Nebenrechnungen (Umsatzprognoserechnungen, Bestimmung des Diskontierungs- zinssatzes) (vgl. Popovic (2003), S. 179). Miteinander verknüpft fließen diese dann in die DCF-Rechnung ein und stellen im Ergebnis den Marktwert des Eigenkapitals dar (ebenda) (vgl. Abb.3).

Abbildung 3: Elemente des DCF-Verfahrens

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Modifiziert übernommen aus Popovic (2003), S. 179

Zunächst erfolgt die Prognose der zukünftigen Umsätze, die beispielsweise bei forschenden Arzneimittelherstellern anhand der einzelnen Medikamente in ihrer Produktpipeline ermittelt werden können. Sie stellen die Ausgangsgröße für die Plan-GuV dar, mit deren Hilfe wiederum die zukünftige Entwicklung der einzelnen Werttreiber im Detail prognostiziert wird (vgl. Popovic (2003), S. 179). Daraus ergibt sich anschließend als Ergebnis der Jahresüberschuss/-fehlbetrag (ebenda).10

Die Berechnung der entscheidenden Inputgrößen Free Cashflow (FCF) (Kapitel 3.2.3) und Diskontierungssatz (mittels gewichteter Kapitalkosten) (Kapitel 3.2.4) wird in den folgen- den beiden Abschnitten genauer diskutiert. Sie stellen die Voraussetzung für die Ermittlung der Eigenkapitalkosten (Kapitel 3.2.5) dar. Abschließend werden die Anwendungsgrenzen der DCF-Methode (Kapitel 3.2.6) zusammengefasst. Diese können durch zusätzliche Ana- lysen oder Berechnungen teilweise behoben werden. Eine Möglichkeit der ergänzenden Simulationsanalyse wird am Beispiel der Monte Carlo Simulation im Anhang (3) kurz er- läutert.

3.2.3 Berechnung der Free Cashflows

Die in die unterschiedlichen DCF-Verfahren einfließenden Cashflows werden in der Litera- tur nicht einheitlich abgegrenzt. In dieser Arbeit werden die Free Cashflows verwendet, da sie den in einer Periode durch das Unternehmen generierten Wertzuwachs am realistischs- ten darstellen:

Free Cash flow is a company ’ s true operating cash flow. It is the total after-tax cash flow generated by the company that is available to all providers of the company ’ s capital, both creditors and shareholders” (Copeland/Koller/Murrin (1995), S. 172)

Es existiert keine standardisierte Vorgehensweise zur Ermittlung des Free Cashflows (vgl. Hayn (2000), S. 197). Allgemein kann aber zwischen der direkten11 und der indirekten Bestimmung unterschieden werden (ebenda). Im Folgenden wird der indirekte Ansatz gewählt, dessen Ausgangspunkt das operative Ergebnis bzw. das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) sind (vgl. Abb.4, S. 18).

[...]


1 Der entscheidende Unterschied für die Bewertung zwischen NCEs und NBEs (New Biological Entitys) liegt in dem Ausfallrisiko, ausgedrückt über die Erfolgs- bzw. Ausfallwahrscheinlichkeiten, während der klinischen Entwicklung. Tendenziell liegt die Erfolgswahrscheinlichkeit für die Markteinführung eines NCEs unter der eines NBEs, weswegen dieser Unterschied bei der Bewertung berücksichtigt werden muss.

2 Vor allem die rekombinante DNS-Technologie (Gentechnologie) ist zu nennen.

3 Wirkort, über den Wirkstoffe in Medikamenten ihre Wirkung an Genen oder Proteinen entfalten.

4 Die Patenteinreichung erfolgt unmittelbar nach Entdeckung eines neuen Wirkstoffes zu Beginn der F&E- Phase. Die effektive Vermarktungsphase beginnt somit erst nach der langwierigen F&E (> 8 Jahre).

5 Bei vielen Medikamenten ist auch die Durchführung einer vierten Phase vorgesehen, die dann jedoch erst nach der Markteinführung durchgeführt wird.

6 Die Dauer in den einzelnen klinischen Phasen sind Sal Oppenheim (2002), S.16, entnommen und können lediglich als Richtwerte angesehen werden. Sie hängen von vielen Parametern ab, auf welche in den Kapiteln 4.2 und 4.3 noch genauer eingegangen wird. Andere Ursachen hierfür sind regulatorische Risiken (z.B. Verzögerungen bei der Zulassung, Patentstreitigkeiten) und technische Risiken (Verzögerung bei der Durchführung von Forschungstätigkeiten). Auch hängt die Dauer der einzelnen Phasen stark vom jeweiligen Krankheitsbild ab. So kann von den Zulassungsbehörden bei lebensbedrohlichen und bislang unzureichend behandelbaren Krankheiten (z.B. Lungenkrebs) ein sogenannter Fast Track Status verliehen werden, wodurch dem Unternehmen u.a. die Option gewährt wird, die Zulassungsunterlagen auf einer rollierenden Basis einzureichen und nicht, wie sonst üblich, als Gesamtpaket (vgl. DZ BANK (2004), S.8). Möglich ist auch eine beschleunigte Variante, die eine Zulassung z.B. auf Basis eines Surrogat-Endpunktes ermöglicht, wenn dieser als guter Parameter für den Patientennutzen angesehen wird (ebenda).

7 Sie beeinhalten mit die Marktrisikoprämie Beta (ß) jedoch eine wichtige marktorientierte Kennzahl.

8 Das Tax Shield entspricht der Steuerersparnis aufgrund der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Fremdkapital- zinsen (vgl. Ernst/Schneider/Thielen (2003), S. 29)

9 Für das rPV-Pipelinemodell der DZ BANK sind weitere Werttreiber zu identifizieren: Produktionskosten, Vertriebskosten und Allgemeine Verwaltungskosten

10 Die Systematik des Umsatzkostenverfahrens bietet sich zur Berechnung an, da sich auf seiner Basis die Überleitung in die Cashflow-Rechnung einfacher als auf Grundlage des Gesamtkostenverfahrens gestaltet. Dies ist im Wesentlichen auf den US-amerikanischen Ursprung des DCF-Verfahrens zurückzuführen (vgl. Popovic (2003), S. 179).

11 Ergibt sich aus der Differenz der Einzahlungen und Auszahlungen.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Modelle risikoadjustierter Pipelinebewertung bei Pharma- und Biotechunternehmen
Untertitel
Darstellung und Evaluierung
Hochschule
Frankfurt School of Finance & Management
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
76
Katalognummer
V67071
ISBN (eBook)
9783638585217
Dateigröße
858 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Modelle, Pipelinebewertung, Pharma-, Biotechunternehmen, Darstellung, Evaluierung
Arbeit zitieren
Hagen Puschmann (Autor:in), 2004, Modelle risikoadjustierter Pipelinebewertung bei Pharma- und Biotechunternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67071

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