Sind die Grünen noch grün? - Die programmatischen und strukturellen Veränderungen einer Partei: Ein notwendiger Prozess zur Etablierung in der Parteienlandschaft?


Hausarbeit, 2004

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Gesellschaftliche Bedingungen zur Entstehung der Grünen
2.1. Studentenbewegung
2.1.1. Neue Soziale Bewegung
2.2.1. Der Begriff ‚Neue Soziale Bewegung’
2.2.2. Die Bedeutung der Neuen Sozialen Bewegung für die Grünen Umwelt- Friedens- und Frauenbewegung
2.2. Gesellschaftlicher Wertewandel als Voraussetzung zur Entstehung der Grünen: Die Wertewandeltheorie nach Ronald Inglehart

3. Die Grünen im Parteiensystem
3.1. Der Wandel in der Parteienlandschaft der 70er und 80er Jahre als Chance für die Grünen

4. Die programmatische Entwicklung der Grünen anhand eines Vergleichs der Präambeln ihrer Grundsatzprogramme von 1980 und 2002
4.1. Der Wandel der Grünen am Beispiel ihrer Grundsatzprogramme von 1980 und 2002
4.2. Was wurde aus ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei?

5. Fazit: Die Notwendigkeit der programmatischen und ideologischen Veränderung der Grünen

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„25 Jahre Grüne Geschichte(n)“ – diesen Titel trägt die Festschrift, die Bündnis 90/Die Grünen anlässlich ihres fünfundzwanzigjährigen Parteibestehens in diesen Tagen für Mitglieder und Interessierte publiziert. Dieses Jubiläum gibt Anlass innezuhalten und die Geschichte der Partei und ihre Entwicklung Revue passieren zu lassen. Die Grünen blicken auf eine bewegte Vergangenheit zurück, in der die Partei einen bedeutenden Wandel erlebt hat. Doch was ist von der einst so revolutionären „Anti-Parteien“ Partei und ihren ideologischen Grundwerten übrig geblieben? Welche Veränderungen mussten sie hinnehmen um sich als Partei zu etablieren und heute sogar als Regierungspartner Verantwortung übernehmen zu können? War diese Entwicklung ein notwendiger Prozess um mehrheitsfähig und damit ein fester Bestandteil der deutschen Parteienlandschaft zu werden? Oder muss dieser Wandel als Abkehr von den ursprünglichen Ideologien und damit als Entfremdung von der Parteibasis gewertet werden?

Diese Abhandlung wird sich nicht auf eine deskriptive Darstellung des Wandels der Grünen beschränken. Ziel ist es vielmehr die Veränderung der Grünen aus Sicht der Mitglieder und Anhänger sowie der deutschen Wählerschaft zu betrachten. Denn die Entwicklung der Grünen verlief nicht isoliert vom politischen und gesellschaftlichen Geschehen. Im Gegenteil, die Veränderungen in programmatischer und parteistruktureller Hinsicht stellten das Vertrauen der Mitglieder und Wähler oft auf die Probe. Und auch die Positionierung in der deutschen Parteienlandschaft war für diese zunächst unerfahrene impulsive Partei eine schwierige Aufgabe.

Betrachtet man also die Entwicklung der Partei unter den genannten Gesichtspunkten, so lässt sich verstehen, weshalb die Grünen schon manche für andere unkonventionell und unprofessionell anmutenden Diskussionen geführt und sich mit einigen politisch notwendigen Entscheidungen so schwer getan haben. Nur wer den pazifistischen Hintergrund der Grünen kennt, kann verstehen, weshalb sie der Afghanistan Einsatz der Bundeswehr 2001 vor die Zerreißprobe stellte. So soll die folgende Darstellung des Wandels der Grünen in fünfundzwanzig Jahren Parteigeschichte auch Orientierungshilfe sein Entscheidungsprozesse der Grünen auf diesem Hintergrund besser nachvollziehen zu können. Dabei darf jedoch nicht die Tatsache vernachlässigt werden, dass es sich in dem begrenzten Rahmen dieser Abhandlung nur um einen kleinen Ausschnitt ausgewählter Ereignisse der Grünen Entwicklung handelt, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und lediglich Gedankenanstoß zur weiteren Beschäftigung mit dieser Thematik sein kann.

Um den Wandel der Grünen darzustellen muss zunächst der gesellschaftliche Hintergrund skizziert werden, welcher revolutionäres Gedankengut aufbrachte und damit die Wertvorstellungen dieser Generation prägte. So soll zunächst die Studentenbewegung als Ausdruck dieser Entwicklung erläutert werden. Eine weitere Ursache, welche die Entstehung der Grünen begünstigte, war die „Neue Soziale Bewegung“. Zunächst soll dieses neue Mittel der politischen Partizipation in seinen Grundzügen dargestellt werden um anschließend auf die Umwelt-, Friedens- und Frauenbewegung als Ausprägung dieser neuen Form einzugehen. Studentenbewegung und Neue Soziale Bewegung waren der sichtbare Beweis dafür, dass sich im Inneren der Gesellschaft etwas bewegte. Diesen Prozess des essentiellen Wandels wurde von den Sozialwissenschaftlern als Wertewandel bezeichnet. Im Folgenden wird die Wertewandeltheorie von Ronald Inglehart in Auszügen erläutert um auf die Bedeutung für die Grünen angewendet werden zu können. Das Aufgreifen eines gesellschaftlichen Wandels allein reicht jedoch nicht aus, um sich als Partei zu etablieren. Auch die Parteienlandschaft und das politische System müssen für eine neue Partei bereit sein. Deshalb gilt es zunächst die Parteienentwicklung in Deutschland in den siebziger und achtziger Jahren zu skizzieren um dann darin die Lücke aufzuzeigen, die eine Chance für die Grünen darstellte.

Auf diesem Wissen als Basis aufbauend wird daraufhin die inhaltliche und programmatische Entwicklung der Grünen betrachtet. Dies soll im Folgenden in zweifacher Hinsicht geschehen. Zunächst wird ein Vergleich bezüglich der formalen und sprachlichen Gestaltung der Grundsatzprogramme von 1980 und 2002 gezogen. Im Anschluss wird die Entwicklung der im Grundsatzprogramm von 1980 genannten Grundwerte untersucht.

Die bereits im Verlauf der Arbeit dargestellten Erkenntnisse erlauben es in einem abschließenden Fazit die wichtigsten Aspekte zusammenzutragen und damit eine Antwort auf die Frage zu geben, ob die programmatischen und ideologischen Veränderungen der Partei ein notweniger Prozess zur Etablierung im deutschen Parteiensystem war.

2. Gesellschaftliche Bedingungen zur Entstehung der Grünen

Die Partei „Die Grünen“ wurde im Jahr 1980 gegründet. Doch lange vor ihrer Gründung erlebte die deutsche Gesellschaft eine Veränderung, die revolutionäres Gedankengut hervorbrachte und den Nährboden für die späteren Grünen Ideologien darstellte. Zu nennen sind hier im Besonderen die Studentenbewegung der sechziger Jahre sowie das Aufkommen der Neuen Sozialen Bewegung. Im Folgenden sollen diese beiden Bewegungen als gesellschaftliche Ursache für die Gründung der Grünen dargestellt werden.

2.1. Studentenbewegung

Die Studentenbewegung in Deutschland kam Mitte der sechziger Jahre auf. Sie war Ausdruck der Unzufriedenheit der akademischen Jugend mit dem politischen und gesellschaftlichen Geschehen. Sie empfanden eine deutliche Rechtsverschiebung in der politischen Landschaft, vermissten eine schonungslose Aufarbeitung der NS-Vergangenheit Deutschlands und kritisierten die wohlstandsorientierte Politik. In ihren Augen existierte aufgrund der großen Koalition von SPD und CDU/CSU ab 1966 keine effektive Opposition im Bundestag. So artikulierte sich der politische Widerstand in der Außerparlamentarischen Opposition (APO). Ihr Augenmerk richtete sich auf den Krieg der USA in Vietnam, die mangelnde Demokratie in Deutschland und die geplante Notstandsgesetzgebung. Die Studentenbewegung zeichnete sich durch alternative Lebensformen wie Kommunen, Wohngemeinschaften und freie Sexualität sowie unkonventionelle neue politische Aktionsformen wie Demonstrationen, Sitzblockaden, provokative Happenings, Häuserbesetzungen sowie den Blockaden von Verkehrszentren aus. Die Auseinandersetzungen mit den Medien, insbesondere der Springer-Presse, trugen zur Radikalisierung der Bewegung bei. Der Tod des Studenten Benno Ohnesorg, das Attentat auf Rudi Dutschke und die Verabschiedung der Notstandsgesetze 1969 markieren Höhepunkt und Ende des Kampfs der Studenten gegen Staat und Gesellschaft. (vgl. Baumann/Eschenhagen u.a. 1999: 397, 398)

Viele Gründungsmitglieder und spätere Aktivisten der Grünen haben diese Phase des studentischen Widerstandes gegen die staatliche Gewalt aktiv miterlebt. Die Erfahrungen der alternativen Aktionsformen, das Gefühl auch als Minderheit etwas erreichen zu können, waren entscheidend für die Gründung und die Etablierung späterer Grundwerte der Grünen. So lassen sich einige ideologischen Ziele der Studentenbewegung in ihren Grundzügen auch im Grundsatzprogramm der Grünen von 1980 erkennen. Als Beispiel kann hier der Protest gegen den Krieg der USA in Vietnam angeführt werden, der deutlich im Prinzip der Gewaltfreiheit erkennbar ist (vgl. Die Grünen 1980: 6).

Aber auch die Wähler der Grünen wurden von der Studentenbewegung stark geprägt. So macht die so genannte ‚APO-Generation’, die Geburtsjahrgänge zwischen 1935 und 1945, durchschnittlich 20 Prozent der Grünen Wähler aus (vgl. Klein/Falter 2003: 157). Eine Tatsache, die bei der Betrachtung der Zukunftschancen der Partei noch von erheblicher Bedeutung sein wird.

2.2. Neue Soziale Bewegung

2.2.1. Der Begriff ‚Neue Soziale Bewegung’

Infolge der Außerparlamentarischen Opposition und der Studentenbewegung setzte sich Anfang der achtziger Jahre der Begriff der ‚Neuen Sozialen Bewegung’ durch. Unter ihm wurden lose organisierte soziale Bewegungen, Interessensgemeinschaften und politische Protestgruppen zusammengefasst. Die ‚Neue Soziale Bewegung’ verfügte gerade im Vergleich zu etablierten Parteien über einen nur sehr geringen Institutionalisierungsgrad. Bindeglied der einzelnen Aktivisten war keine formale Mitgliedschaft, die sich durch Parteibuch und Mitgliedsbeitrag ausdrückte, viel eher verband sie die gemeinsamen Ideen und Ziele, die es zu verwirklichen galt. Eine hierarchische Parteienstruktur existierte in den neuen Bewegungen nicht (vgl. Klein/Falter 2003: 20). Mit dem Adjektiv „neu“ grenzt sie sich von der klassischen Arbeiterbewegung ab, auch wenn sie noch einige Merkmale wie den Antikapitalismus und die Demokratisierung von ihr übernommen hat. Die ‚Neue Soziale Bewegung’ führte die Kritik der Studentenbewegung an „hierarchisch-bürokratischen Organisationsstrukturen“ (Rucht 1992: 364) fort und schlug so den Bogen zwischen Arbeiter- und Studentenbewegung. Die unkonventionellen Aktionsformen der Studentenbewegung wie Massenproteste, Sitzblockaden, Verteilen von Flugblättern und Häuserbesetzungen lebten in der ‚Neuen Sozialen Bewegung’ fort (vgl. Klein/Falter 2003: 20). Die wichtigsten Einzelbewegungen gruppierten sich um die Themen ‚Emanzipation der Frau’, ‚Ökologie’, ‚Frieden und Abrüstung’, und ‚alternative Lebensformen’.

2.2.2. Die Bedeutung der ‚Neuen Sozialen Bewegung’ für die Grünen: Umwelt- Friedens- und Frauenbewegung

Die späteren Grundsätze der grünen Politik wurden insbesondere durch die Umwelt- Friedens- und Frauenbewegung geprägt. Aus ihnen gingen nicht nur die Aktivisten, sondern auch die späteren Wähler der Grünen hervor. War, wie bereits dargestellt, die ‚APO-Generation’ unter den Grünenwählern im Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung schon leicht überrepräsentiert, so macht die Generation der ‚Neuen Sozialen Bewegung’, die die Geburtenjahrgänge von 1954 bis 1971 umfasst, den größten Anteil aus. Waren es im Jahr 1988 noch 80 Prozent, so betrug im Jahr 2000 ihr Anteil unter den Grünenwählern immerhin noch 50 Prozent. Angesichts dieser Zahlen lohnt sich einen kurzer Blick auf die genannten ‚Neuen Sozialen Bewegungen’, die Wurzeln der Grünen (vgl. Klein/Falter 2003: 157, 158).

Zu Beginn der siebziger Jahre prägten neue Technologien, Wachstums- und Fortschrittsideologien das öffentliche Bild Deutschlands. Die Folge dieser neuen Errungenschaften waren Umweltbelastungen, die von der Gesellschaft nicht länger hingenommen werden sollten. Gerade im Anblick des Baus von Atomkraftwerken regte sich Widerstand im Land. Einzelne Bürger schlossen sich zu regionalen Bürgerinitiativen zusammen um besetzten beispielsweise im Februar 1975 den Bauplatz des geplanten Atomkraftwerks Wyhl. Das Umweltthema berührte die Menschen und immer mehr Bürger schlossen sich ähnlichen Protestaktionen an. Im Laufe der Jahre beschränkte sich die Umweltbewegung nicht mehr ausschließlich auf die Auseinandersetzung mit der Atomkraft. Auch der Bau der Frankfurter Startbahn West erregte 1981 die Öffentlichkeit und verschaffte der Bürgerbewegung Zugang zu einem neuen umweltpolitischen Thema.

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Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Sind die Grünen noch grün? - Die programmatischen und strukturellen Veränderungen einer Partei: Ein notwendiger Prozess zur Etablierung in der Parteienlandschaft?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar im Grundstudium: Das politische System der BRD
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V66905
ISBN (eBook)
9783638592796
ISBN (Buch)
9783656773504
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sind, Grünen, Veränderungen, Partei, Prozess, Etablierung, Parteienlandschaft, Seminar, Grundstudium, System
Arbeit zitieren
Maike Vogelgesang (Autor:in), 2004, Sind die Grünen noch grün? - Die programmatischen und strukturellen Veränderungen einer Partei: Ein notwendiger Prozess zur Etablierung in der Parteienlandschaft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66905

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