Machtbeziehungen in zwischengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im postsowjetischen Russland

Eine Untersuchung des Wandels der Institution Ehe und Etablierung der "wilden Ehe" als gesellschaftlich akzeptierte Alternative


Seminararbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einführung

1. Definitionen und Begriffsklärung
1.1. Macht und Machtbeziehungen
1.2. Kriterien für die Macht zwischen den Geschlechtern

2. Gesellschaftliche Institutionen – das Beispiel Ehe
2.1. Klärung des Begriffs Institutionen
2.2. Wandel von Institutionen

3. Lebensgemeinschaften im postsowjetischen Russland
3.1. Institution Ehe
3.2. „гражданский брак“

4. Konfliktpotenzial und Machtverhältnisse
4.1. Ehe vs. „гражданский брак“
4.2. Machtverhältnisse und Konflikte

5. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Einführung

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das Machtverhältnis innerhalb einer ehelichen beziehungsweise nichtehelichen Beziehung zwischen Mann und Frau. Dabei geht es auch um den Wandel der Institution Ehe und die neue gesellschaftliche Akzeptanz anderer Formen von Lebensgemeinschaften im postsowjetischen Russland. Vor allem richtet sich das Augenmerk auf die damit einhergehende Veränderung der zwischengeschlechtlichen Machtverhältnisse. Die im Rahmen des Proseminars zum Thema „Deutsche und russische Frauenbilder“ durchgeführte Arbeit wendet sich dem Konfliktpotenzial innerhalb einer gesellschaftlich mehr beziehungsweise auch einer weniger akzeptierten zwischengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu. Angestrebt wird eine Gegenüberstellung der Machtbeziehungen zwischen Mann und Frau im gesetzlich anerkannten Rahmen der Ehe und der noch nicht vollständig akzeptierten alternativen Lebensform der „wilden Ehe“, dem „ гражданский брак“ (bürgerlichen Ehe).

Die bürgerliche Ehe ist im postsowjetischen Russland ein relativ neues Phänomen. Während das Zusammenleben ohne Trauschein in den westeuropäischen Ländern weitgehend gesellschaftlich und oftmals auch gesetzlich akzeptiert ist, hat sich der „ гражданский брак“ in Russland noch nicht vergleichbar stark etabliert, auch wenn die Akzeptanz in den letzen Jahren deutlich zugenommen hat. Dabei wird deutlich, dass die Institution Ehe sich in ihrem Selbstverständnis wandelt und teilweise auch durch die alternativen Formen der Lebensgemeinschaft ersetzt wird.

Die zentrale Aufgabe der vorliegenden Arbeit besteht nun darin, die eheliche und die nichteheliche Lebensgemeinschaft in ihrer Funktion und als Einflussfaktor auf die Machtbeziehung zwischen den Geschlechtern zu betrachten. Dabei soll das schwierige Feld des Machtverhältnisses innerhalb einer Beziehung beachtet werden. Es stellt sich die Frage, ob die Beziehung innerhalb der gesellschaftlich und gesetzlich definierten Institution Ehe weniger Konfliktpotenzial hat und eventuell auf andere Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern zurück schließen lässt als innerhalb des weniger definierten und gesellschaftlich weniger etablierten „ гражданский брак“. Kann der institutionelle Rahmen überhaupt die zwischengeschlechtliche Machtbeziehung in ihrer Ausprägung beeinflussen oder ist die Form der Lebensgemeinschaft für das Machtverhältnis zwischen Mann und Frau nicht relevant? Und welche Auswirkungen kann der Wandel der Institution Ehe und die Wahlfreiheit für eine alternative Form der Lebensgemeinschaft auf die gesellschaftliche Rolle der Frau und ihre Position innerhalb der Familie haben?

Thematisch ist die vorliegende Arbeit in fünf Teile gegliedert. Im ersten Kapitel geht es darum, die Begriffe der Macht im Allgemeinen und der Machtbeziehungen zwischen den Geschlechtern im Besonderen zu erläutern. Dabei beziehe ich mich auf die Arbeit von Stefanie Ernst[1], die einen Überblick über den Forschungsstand auf dem Gebiet der Genderforschung bietet.

Kapitel zwei beschäftigt sich mit dem Begriff der gesellschaftlichen Institution. Als Grundlage dient hierbei die maßgebliche Analyse des institutionellen Wandels des Wirtschaftshistorikers Douglas North[2].

Die Ehe und die nichteheliche Variante des Zusammenlebens, der „ гражданский брак“, sind Gegenstand von Kapitel drei. Untersucht werden neben der gesellschaftlichen Funktion dieser Lebensgemeinschaften auch die gesetzliche Legitimation und die gesellschaftliche Akzeptanz in der russischen Bevölkerung. Dazu werden als statistische Datengrundlage Arbeiten von russischen Soziologen zu diesem speziellen Thema heran gezogen.

Im Kapitel vier wird der Versuch einer direkten Gegenüberstellung zwischen den beiden Formen der Lebensgemeinschaft unternommen. Dabei wird das Konfliktpotenzial und vor allem die Themenfelder für innerpartnerschaftliche Auseinandersetzungen untersucht.

Als Resümee der gesamten Arbeit soll im fünften und letzen Kapitel zusammenfassend die Möglichkeit einer Machtverschiebung zwischen den Geschlechtern in der Ehe und der Nicht-Ehe ermittelt werden. Raum für Vermutungen bieten dann vor allem die möglichen Auswirkungen des Wandels gesellschaftlicher Normen auf das Frauenbild im postsowjetischen Russland.

1. Definitionen und Begriffsklärung

1.1. Macht und Machtbeziehungen

Zunächst gilt es den Begriff der Macht zu definieren, um den Gegenstand der Arbeit abzugrenzen. Wenn es um Macht und Machtbeziehungen geht, so denkt man nicht primär an die zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern ordnet es auf der makrosoziologischen Ebene ein, in Bereichen wie Politik und Ökonomie.

Die Definition der Macht erweist sich als schwierig, da Macht von einer gewissen Form- und Gestaltlosigkeit geprägt ist. Es ist nicht einfach, diese zu messen und bestimmte Kriterien dafür auszumachen.

Eine klassische Machtdefinition entwickelte der Wirtschaftstheoretiker Max Weber:

„Macht wird verstanden als Chance,

den eigenen Willen auch gegen den Widerstand

der Betroffenen durchzusetzen.“[3]

Dieser Erklärungsansatz lässt sich kaum auf zwischenmenschliche Beziehungen anwenden, da er zu allgemein formuliert ist. Es wird weder etwas über die Art der Machtausübung noch über die direkten Methoden gesagt.

Ein deutlicherer Bezug der Wissenschaft auf die Macht zwischen den Geschlechtern erfolgte mit dem Aufkommen der Gender Studies Mitte der 1970er Jahre. Dabei ist auffällig, dass der Begriff der Macht in der feministischen Literatur oft als männliche Macht ausgelegt und auch als solche negativ gewertet wurde. Die Wendung im gesellschaftlichen Denken und bei den gesellschaftlichen Moralvorstellungen der 1968er wirkte sich maßgeblich auf die feministische Diskussion aus, bei der man bisher eine gewisse Tabuisierung und moralische Abqualifizierung des Begriffs der Macht feststellen konnte. Einen ausführlichen Überblick über die feministische Forschung zur Macht bietet Stefanie Ernst in ihrer Arbeit „Machtbeziehungen zwischen den Geschlechtern“[4].

Seit den 1980er Jahren veränderte sich die wissenschaftliche Sicht auf die Macht als Gegenstand der Gender Studies: Macht wird nun als produktives Potential kollektiven Handelns von und unter Frauen verstanden. Somit wird die Macht unter anderem definiert als...

„...die Fähigkeit, sich mit anderen zusammen

zu schließen und im Einvernehmen mit ihnen

zu handeln (H. Arendt: Macht und Gewalt, 1970)

bzw. eine allgegenwärtige, polyzentristische, vielgestaltige

Kraft, die sich mikroskopisch in lokalen Partikeln,

disziplinierenden Technologien und Diskursen ausdrücklich

und eng mit Wissen verknüpft ist

(M. Foucault: La volonté de savoir, 1976: dt. Der Wille zum Wissen, 1977).“[5]

Doch auch dieses Verständnis des Machtbegriffs bietet keine umfassende und für die vorliegende Arbeit optimale Definition. Deshalb bedarf es einer Arbeitsdefinition, um den Untersuchungsgegenstand genauer zu bestimmen.

1.2. Kriterien für die Macht zwischen den Geschlechtern

Vor allem in der zwischengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft wie der Ehe kann Macht an unterschiedlichen Kriterien festgemacht werden, zum Beispiel an der Finanzierung des Alltags, dem gleichwertigen Mitsprache- und Entscheidungsrecht der Partner, Fragen der Kindererziehung, Arbeitsteilung und anderem.

In der vorliegenden Arbeit wird Macht als Entscheidungsmacht, als Wahlhandlungsmöglichkeit verstanden. So soll das Machtverhältnis innerhalb ehelicher und nichtehelicher Beziehungen an vier Kriterien gemessen werden:

- Entscheidungsfindung in den familienrelevanten Fragen
- Fragen der Kindererziehung
- Aufteilung der Hausarbeit zwischen den Partnern
- Verwaltung von Finanzen/Familienorganisation

[...]


[1] Ernst 1996,13-50.

[2] North 1992, 3 ff.

[3] Lexikon der Soziologie 1995, 410.

[4] Ernst 1996, 13-31.

[5] Metzler Lexikon. Gender Studies 2000, 244.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Machtbeziehungen in zwischengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im postsowjetischen Russland
Untertitel
Eine Untersuchung des Wandels der Institution Ehe und Etablierung der "wilden Ehe" als gesellschaftlich akzeptierte Alternative
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Slawistik)
Veranstaltung
Deutsche und russische Frauenbilder
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V66240
ISBN (eBook)
9783638589130
ISBN (Buch)
9783656231561
Dateigröße
623 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Machtbeziehungen, Lebensgemeinschaften, Russland, Eine, Untersuchung, Wandels, Institution, Etablierung, Alternative, Deutsche, Frauenbilder
Arbeit zitieren
Natalie Schnar (Autor:in), 2005, Machtbeziehungen in zwischengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im postsowjetischen Russland , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66240

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Machtbeziehungen in zwischengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im postsowjetischen Russland



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden