Ein vergessenes Wunder? Der Protest in der Rosenstraße 1943


Hausarbeit, 2004

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Protest in der Rosenstraße
2.1. Die Problematik der Mischehe
2.2. Die Schlussaktion der Berliner Juden
2.3. „Wir wollen unsere Männer!“

3. Das Resultat des Protests in der Rosenstraße

4. Der Protest in der Rosenstraße- Eine Widerstandshandlung gegen die Nationalsozialisten?

5. Schlussbeurteilung

6. Literaturliste

1. Einleitung

„Woher die Leute alle von der Rosenstrasse wußten, weiß ich nicht. Weder ist es inszeniert worden noch sonst was. Alle sind von selbst dahin, das war das eigenartige. Es ist ja keiner aufgefordert worden. Ich bin nicht gegangen, weil irgend jemand gesagt hat: Sie müssen dort hingehen. Ich bin nicht gegangen, weil jemand sagte: Gehen wir. Das ist das Wunderbare an dieser Geschichte.“ Elsa Holzer[1]

Am 6. März 1943 ereignete sich etwas in Berlin, was bis dahin niemand für möglich gehalten hatte. Mehr als tausend Juden, die in Konzentrationslager deportiert werden sollten und in dem Sammellager Rosenstraße 2-4 interniert waren, wurden wieder in die Freiheit entlassen. Diese Menschen verdankten ihre Rettung nicht einer spektakulären Befreiungsaktion, sondern wurden offiziell und völlig regulär entlassen. Die Freilassung dieser zum größten Teil männlichen Gefangenen war das Resultat einer eine Woche lang währenden Demonstration ihrer deutschen Ehefrauen und Mütter.

Dieser Protest fand Anfang März 1943 mitten in Berlin in der Rosenstraße statt und war der einzige bis heute bekannte öffentliche Protest gegen die Judendeportation während des gesamten Nazi-Regimes.[2] Umso erstaunlicher, dass er lange Zeit von der Forschung überhaupt nicht beachtet wurde. 1943 hatte kaum jemand etwas von dem Erfolg des Protestes mitbekommen, da die Regierung mit ihrer „Niederlage“ natürlich nicht an die Öffentlichkeit ging. Bekannt wurden die Ereignisse in der Rosenstraße erst nach dem zweiten Weltkrieg durch einen Artikel in der Zeitschrift Sie.[3] Merkwürdigerweise gerieten sie aber dennoch wieder in Vergessenheit, was wohl auch daran lag, dass sich die historische Forschung lange Zeit nach dem Krieg fast ausschließlich mit dem bürgerlich-militärischen Widerstand beschäftigte. Erst Anfang der Neunziger Jahre wurden die Geschehnisse in der Berliner Rosenstraße durch das Fernsehen wieder in Erinnerung gerufen. Anlaß hierfür war der 50. Geburtstag des Protestes im Jahre 1993, an dem in der Rosenstraße ein Mahnmal von der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger eingeweiht wurde.[4]

Die vorliegende Arbeit möchte die Geschehnisse in der Rosenstraße aufnehmen und der Frage nachgehen, ob es sich bei diesem Protest und dem mit ihm verbundenen Resultat womöglich um ein vergessenes Wunder handelt? Zur Erörterung dieser Frage wird zunächst auf die Rahmenbedingungen hingewiesen, in denen die meisten der Demonstrierenden lebten- die Mischehe. Im Anschluss daran folgt ein Abriss über die Verhaftungsaktion der Berliner Juden, die Vorraussetzung für den Protest in der Rosenstraße war. In den nächsten Kapiteln wird der Protest dargestellt und nach der Motivation der Protestierenden gefragt. Es folgt eine Darstellung über das Resultat des Protestes, bei der im besonderen die Frage zu klären gilt wie der Erfolg, die Freilassung der Inhaftierten, möglich war. Die Arbeit endet mit einem Kapitel, das der Frage nachgehen möchte, ob der Protest in der Rosenstraße als Widerstandshandlung gegen das Nazi- Regime zu werten ist. Ebenso soll in diesem Kapitel die Frage Beachtung finden, ob vermehrte Demonstrationen gegen die Deportation von Juden einen vergleichbaren Erfolg gehabt hätten und womöglich vielen Menschen das Leben hätte retten können. Die Arbeit schließt mit einer Schlussbeurteilung.

2. Der Protest in der Rosenstraße

Betrachtet man den Protest in der Rosenstraße im Frühjahr 1943, dessen Demonstranten sich überwiegend aus deutschen Frauen zusammensetzten, stellt man sich die Frage wie es möglich war, dass diese Menschen öffentlich und ohne Schaden davon zu tragen, gegen das Regime intervenieren konnten? Ein Aufbegehren, das gesetzlich verboten war und eigentlich schwerste Strafe nach sich zog. In Anbetracht dieser Tatsache stellt sich die Frage woher die Frauen den Mut zu so viel Zivilcourage nahmen?

2.1. Die Problematik der Mischehe

Der Begriff Mischehe wurde schon vor der Nazizeit verwendet und bezeichnete Ehepartner mit unterschiedlichen Konfessionen. Erst 1935 wurde dem Terminus eine ausschließlich rassistische Bedeutung gegeben und bezeichnete fortan Ehen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Partnern. Ab 1938 kam noch eine Unterscheidung zwischen privilegierten und einfachen Mischehen hinzu.

Als privilegiert galten Ehen mit einer jüdischen Frau und einem nichtjüdischen Mann und Ehen in denen der Mann jüdisch, die Frau nichtjüdisch war und die Kinder nicht der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörten. Zu den einfachen Mischehen zählten alle anderen Ehen mit einem jüdischen Ehepartner.

Der Unterschied zwischen privilegierten und einfachen Mischehen kam dadurch zum Ausdruck, dass die jüdischen Ehepartner einer privilegierten Mischehe ab dem 19. September 1941 keinen Judenstern an ihrer Kleidung tragen und keine Zwangsarbeit leisten mussten.[5]

Ab September 1935 wurden durch die Nürnberger Gesetze alle Eheschließungen solcher Art verboten. Sieben Jahre später schlug das Innenministerium die Verabschiedung eines Gesetzes vor, das deutsch- jüdische Paare zur Scheidung zwingen sollte.[6] Dieses Gesetz wurde zwar letztendlich nie verabschiedet, aber allein die Überlegung über ein solches Faktum macht deutlich, dass für deutsche Ehepartner, die in einer Mischehe verheiratet waren kein Ausnahmerecht bestand.

Die Mehrzahl der in Mischehe Lebenden waren Frauen und eben diese hatten bereits lange vor dem Protest in der Rosenstraße dem Regime zum Trotz ihren Mut bewiesen. Sie taten dies dadurch, dass sie während der gesamten NS- Zeit zu ihren Männern standen ohne im Vorfeld einschätzen zu können, welche Konsequenzen dies für sie selbst nach sich zog. Der Protest in der Rosenstraße wurde ‚lediglich’ zum Höhepunkt des Abwehrkampfes gegen das Nazi Regime.

2.2. Die Schlussaktion der Berliner Juden

Am 27. Oktober 1942 beschloss die deutsche Regierung Volljuden[7], die einen deutschen Ehepartner hatten und Halbjuden[8] aus Mischehen, die sich mit einem Judenstern kennzeichnen mussten, endgültig von ihren Partnern zu trennen und sie zu deportieren. Ihre Deportation war bereits zuvor vorläufig aufgeschoben worden. Die Juden aus Mischehen schienen das letzte Hindernis zu sein, das der endgültigen Beendigung der Endlösung im Wege stand.[9]

Die Entscheidung, die im Oktober 1942 gefällt wurde manifestierte sich in der Schlussaktion der Berliner Juden ein halbes Jahr später. Ziel der Regierung war es bis zum 1. März 1943 die Reichshauptstadt von Juden zu säubern. Aus diesem Grund leitete verfügte Joseph Goebbels, dass die SS-Leibstandarte Adolf Hitler am 27. und 28. Februar an einer Massenverhaftung der Berliner Juden teilnehmen sollte. Dadurch, dass Goebbels Hitlers persönliche Schutztruppe zur Mitwirkung an dieser Aktion heranzog, ist zu erkennen, dass er zumindest befürchtete, dass die gewaltsame Trennung von Familienangehörigen zu Problemen führen könne.[10]

In Berlin gab es zu dieser Zeit ca. fünf- bis siebentausend in Mischehe lebende Juden. Um all diese Menschen mit einem Mal verhaften zu können, wurden die Betroffenen bereits im Januar dazu verpflichtet, sich zusammen mit ihren Partnern bei der Jüdischen Gemeinde registrieren zu lassen, so dass ein umfassendes Verzeichnis über deutsch- jüdische Paare angefertigt werden konnte.[11] Im Zuge der Berliner Schlussaktion sollte jeder Jude deportiert werden, der verpflichtet war einen Judenstern zu tragen. Die in privilegierter Mischehe Lebenden galt es zunächst einmal schriftlich zu erfassen.

Die Schlussaktion der Berliner Juden begann mit der so genannten Fabrik-Aktion am 27. Februar 1943. Diese Bezeichnung resultiert daraus, dass an jenem Samstag in den frühen Morgenstunden vor allen Fabriktoren Berlins, in denen jüdische Zwangsarbeiter beschäftigt waren, Lastwagen vorfuhren. Durch die Verhaftung von 15000 Menschen während dieser Aktion sollte nach dem festen Willen von Goebbels das Judenproblem endgültig gelöst werden.[12] Die Aktion, die am 27. Februar begann wurde in den folgenden Tagen weitergeführt. Parallel zu den Einheiten, die vor den Fabriktoren Posten bezogen, suchten in ganz Berlin weitere Gestapoeinheiten nach den Menschen, die nicht an ihrer Arbeitsstelle verhaftet werden konnten. Wer an diesem Tag krank geschrieben war wurde zu Hause abgeholt. Auf diese Art und Weise fielen auch Kinder und alte Menschen der Schlußaktion zum Opfer.[13]

Die im Zuge dieser Aktion verhafteten Juden wurden in verschiedene Sammellager innerhalb Berlins gebracht. Schon während der Verhaftungswelle wurden die in deutsch-jüdischen Ehen lebenden Juden sowie die Geltungsjuden[14] in ein separates Sammellager der Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße 2- 4 gebracht.

[...]


[1] In einem Interview mit Nathan Stoltzfus. Vgl. Zitat: Stoltzfus, Nathan: Widerstand der Herzen, Der Aufstand der Berliner Frauen in der Rosenstraße- 1943, München 2003, S. 321.

[2] Vgl. Schröder, Nina: Hitlers unbeugsame Gegnerinnen, Der Frauenaufstand in der Rosenstraße, München 1997, S. 9.

[3] Vgl. Schröder, Nina: a. a. O., S. 10.

[4] Vgl. ebd., S. 14.

[5] Vgl. Jochheim, Gernot: Frauenprotest in der Rosenstraße, „Gebt uns unsere Männer wieder“, Berlin 1993, S 24.

[6] Vgl. Stoltzfus, Nathan: a. a. O., S.344.

[7] Nach den Nürnberger Gesetzen galten als Volljuden die Menschen die drei oder vier jüdische Großeltern hatten.

[8] Nach den Nürnberger Gesetzen galten als Halbjuden die Menschen die zwei jüdische Großeltern hatten oder der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörten.

[9] Vgl. Stoltzfus, Nathan: a. a. O., S. 263.

[10] Vgl. Stoltzfus, Nathan: a. a. O., S. 283.

[11] Vgl. ebd., S. 279 ff.

[12] Vgl. Lochner, Louis : Goebbels Tagebücher aus den Jahren 1942- 1943, Zürich 1948, S. 237 f..

[13] Vgl. Schröder, Nina: a. a. O, S 19.

[14] Nach den Nürnberger Gesetzen galten die Menschen als Geltungsjuden, die jüdische Mischlinge waren, das heißt, die ein oder zwei jüdische Großeltern hatten und einer jüdischen Gemeinde angehörten oder mit einem jüdischen Partner verheiratet waren.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Ein vergessenes Wunder? Der Protest in der Rosenstraße 1943
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Widerstand im Dritten Reich
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
14
Katalognummer
V66236
ISBN (eBook)
9783638589093
ISBN (Buch)
9783656801467
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wunder, Protest, Rosenstraße, Widerstand, Dritten, Reich
Arbeit zitieren
Kristina Horn (Autor:in), 2004, Ein vergessenes Wunder? Der Protest in der Rosenstraße 1943, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66236

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